TE OGH 2010/9/1 3Ob122/10b

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.09.2010
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Hon.-Prof. Dr. Sailer, Dr. Lovrek, Dr. Jensik und Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Exekutionssache der Antragstellerin und betreibenden Partei D*****, gegen den Antragsgegner und verpflichtete Partei Franz J*****, vertreten durch Dr. Alice Epler, Rechtsanwältin in Wien, wegen 24.000 EUR sA, über den Revisionsrekurs der verpflichteten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 11. Jänner 2010, GZ 47 R 571/09g-34, womit über Rekurs der verpflichteten Partei der Beschluss des Bezirksgerichts Josefstadt vom 11. Februar 2009, GZ 11 E 753/09v-9, in seinem Punkt 1 bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Das Erstgericht erklärte in Punkt 1 seines Beschlusses einen Schiedsspruch des Internationalen kommerziellen Schiedsgerichts bei der Handels- und Industriekammer der Ukraine vom 23. Juni 2008 über 24.000 EUR an Kapital, 2.088 EUR an Konventionalstrafe und 2.335,89 EUR an Kosten für Österreich für vollstreckbar.

Das Rekursgericht gab dem dagegen vom Antragsgegner und Verpflichteten des anhängigen Exekutionsverfahrens (in der Folge immer: Verpflichteter) erhobenen Rekurs nicht Folge und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zu Art V Abs 1 lit b des New Yorker Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche, BGBl 1961/200 (im Folgenden immer: NYÜ), fehle.

Das Rekursgericht verneinte diesen Versagungsgrund, weil der Verpflichtete zugestanden habe, zur (einzigen) Verhandlung des Schiedsgerichts ordnungsgemäß geladen worden zu sein. Dass weder er noch ein Vertreter an der Verhandlung teilgenommen habe, resultiere ausschließlich aus Umständen, die aus der Sphäre des Verpflichteten stammten. Der vom Verpflichteten entsandte Vertreter habe keine Vollmacht des Verpflichteten vorweisen können. Nur weil die ukrainische schiedsgerichtliche Verfahrensordnung keine vorläufige Zulassung eines Rechtsanwalts - vergleichbar der Bestimmung des § 38 ZPO - kenne, seien die Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung durch die Vorgangsweise im Titelverfahren noch nicht verletzt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Verpflichteten ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch des Rekursgerichts mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.

1. Aufgrund der Subsidiaritätsklausel des § 86 EO sind die Versagungsgründe des Art V NYÜ maßgebend (3 Ob 84/01a; 3 Ob 211/05h ua).

2. In seinem Rekurs machte der Verpflichtete als zulässige (§ 84 Abs 2 Z 2 Satz 1 EO) Neuerung lediglich den Versagungsgrund des Art V Abs 1 lit b NYÜ geltend. Er brachte vor, eine Ladung vom Schiedsgericht erhalten zu haben. Er selbst und seine Mitarbeiter seien verhindert gewesen. Das Schiedsgericht habe dem Ersuchen, den Termin zu verlegen, nicht stattgegeben. Der Rechtsvertreter des Verpflichteten sei zur Verhandlung erschienen. Ihm habe eine Überbeglaubigung gefehlt „bzw habe er nicht sämtliche Dokumente“ gehabt. Er sei daher nicht als Vertreter zugelassen worden. Die Verhandlung habe ohne Beisein eines Vertreters des Verpflichteten stattgefunden. Gegen das Schiedsurteil sei „Berufung“ eingelegt worden; im Berufungsverfahren sei ein Vertreter des Verpflichteten zugelassen und gehört worden.

Auf die erstmals im Revisionsrekurs aufgestellte Behauptung, das Rekursgericht sei zu Unrecht ohne nähere Prüfung davon ausgegangen, dass die ukrainische Verfahrensordnung keine vorläufige Zulassung eines Rechtsanwalts - vergleichbar § 38 ZPO - kenne, ist wegen der Eventualmaxime (§ 84 Abs 2 Z 2 Satz 2 EO; RIS-Justiz RS0120291) nicht einzugehen: Darauf, dass das schiedsrichterliche Verfahren dem Recht des Landes, in dem das schiedsrichterliche Verfahren stattfand, nicht entsprochen hat, somit auf den Versagungsgrund des Art V Abs 1 lit d NYÜ, hat sich der Verpflichtete in seinem Rekurs nicht berufen.

3. Entgegen der Auffassung des Rekursgerichts hat der Oberste Gerichtshof zu dem Versagungsgrund der Verletzung des rechtlichen Gehörs iSd Art V Abs 1 lit b NYÜ bereits Stellung bezogen und ausgesprochen (3 Ob 1091/91; s auch RIS-Justiz RS0075366), der Versagungsgrund setzt voraus, dass die Partei, gegen die ein ausländischer Schiedsspruch ergangen ist, von dem schiedsgerichtlichen Verfahren nicht gehörig in Kenntnis gesetzt worden ist oder aus einem anderen Grund ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel nicht geltend machen konnte. Der Versagungsgrund der Verletzung des beiderseitigen Gehörs entspricht somit inhaltlich dem in § 595 [Abs 1] Z 2 Fall 1 ZPO bezeichneten Aufhebungsgrund (nun: dem diesem Aufhebungsgrund entsprechenden § 611 Abs 2 Z 2 ZPO, eingefügt durch das SchiedsRÄG 2006 - vgl dazu Rechberger/Melis in Rechberger, ZPO3 § 611 Rz 5).

4. Auch der Verpflichtete bezweifelt nicht, dass Art V Abs 1 lit b NYÜ lediglich fordert, dass den Parteien Gelegenheit gegeben werden muss, ihren Standpunkt zu vertreten. Wenn sie jedoch von dieser Gelegenheit keinen Gebrauch machen, kommt es dadurch nicht zu einer Verletzung von Art V Abs 1 lit b NYÜ. Aus diesem Grund steht diese Vorschrift auch dem Erlass von Versäumungsentscheidungen nicht entgegen (Czernich, New Yorker Schiedsübereinkommen, Art V Rz 18 mwN).

5. Ob an der - nicht unwidersprochen gebliebenen (Reiner, Schiedsverfahren und rechtliches Gehör, ZfRV 2003/11, 52 [59 ff]) - Auffassung, ein Schiedsspruch sei nur dann anfechtbar und unwirksam, wenn einer Partei das rechtliche Gehör überhaupt nicht gewährt wurde; eine bloß lückenhafte Sachverhaltsfeststellung oder mangelnde Erörterung rechtserheblicher Tatsachen bilde noch keine Grundlage zur Anfechtung (RIS-Justiz RS0045092), uneingeschränkt festzuhalten ist, bedarf hier keiner näheren Prüfung:

Im Anlassfall ist unstrittig und durch die von der Antragstellerin und betreibenden Partei vorgelegten Urkunden bescheinigt, dass dem Verpflichteten die Schiedsklage zugestellt wurde, ihm Gelegenheit zur Nominierung eines Schiedsrichters gegeben wurde, er sowohl von dem anberaumten Verhandlungstermin als auch davon verständigt wurde, dass seinem Verlegungsantrag nicht stattgegeben wurde und schließlich, dass er zur Sitzung des Schiedsgerichts einen Vertreter entsandte, der jedoch seine Vollmacht nicht urkundlich nachweisen konnte. Ferner ist durch das vorliegende Protokoll über den Verlauf der Sitzung des Schiedsgerichts und durch die Entscheidung des Schiedsgerichts belegt, dass die vom Verpflichteten im Schiedsverfahren aufgestellte Behauptung, die gelieferte Ware (20 Tonnen Korianderkörner) sei mangelhaft gewesen, weshalb der Verpflichtete nicht gezahlt habe, einer Prüfung unterzogen wurde. Mangels Anbots entsprechender Beweise (auch die schriftliche Stellungnahme des Verpflichteten an das Schiedsgericht enthält lediglich die Behauptung der Mangelhaftigkeit und eine Kopie der an die betreibende Partei am 2. Jänner 2008 gesandten Mängelrüge unter Hinweis auf einen am 15. Jänner erwarteten Laborbericht; letzterer wurde dem Schiedsgericht allerdings auch in der Folge nicht übermittelt) ging das Schiedsgericht davon aus, dass der Verpflichtete den Nachweis der Mangelhaftigkeit der gelieferten Ware nicht erbracht habe.

Ausgehend von diesen Umständen ist die Beurteilung des Rekursgerichts, dass es dem für das Vorliegen des Versagungsgrundes behauptungs- und beweispflichtigen Verpflichteten (vgl Art V Abs 1 NYÜ „... den Beweis erbringt ...“) nicht gelungen ist, eine Verletzung des rechtlichen Gehörs im schiedsgsgerichtlichen Verfahren darzutun, zumindest vertretbar.

Ob eine andere Beurteilung gerechtfertigt sein könnte, wenn der Verpflichtete taugliche Gründe angeführt hätte, warum er selbst nicht zur Verhandlung erscheinen konnte bzw warum es ihm nicht möglich war, den von ihm entsandten Vertreter mit einer ausreichenden Vollmacht zu versehen, bedarf keiner Auseinandersetzung: Der Verpflichtete brachte lediglich vor, er bzw seine Mitarbeiter seien „verhindert“ gewesen. Er erstattete auch kein Vorbringen, aus welchen Gründen sein Vertreter keine Vollmacht vorlegen konnte.

Der Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen.

Da sich die betreibende Partei am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligte, konnte eine Kostenentscheidung entfallen.

Schlagworte

5 Exekutionssachen,

Textnummer

E95131

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0030OB00122.10B.0901.000

Im RIS seit

23.10.2010

Zuletzt aktualisiert am

15.05.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten