TE OGH 2010/10/5 4Ob158/10d

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Veröffentlicht am 05.10.2010
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden und widerbeklagten Partei E***** K*****, vertreten durch Dr. Peter Lessky, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte und widerklagende Partei I***** K*****, vertreten durch Dr. Johannes Bruck, Rechtsanwalt in Groß-Enzersdorf, wegen 28.660,25 EUR sA (5 Cg 33/09y) und 22.862 EUR sA (5 Cg 54/09m), infolge außerordentlicher Revision der klagenden und widerbeklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 2. August 2010, GZ 16 R 111/10a-31, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung:

Die Klägerin begehrte von der Beklagten die Zahlung von 28.660,25 EUR sA. Dieser Betrag falle in die Verlassenschaft nach ihrem Vater die Beklagte als dessen ehemalige Lebensgefährtin sei nicht berechtigt gewesen, den Betrag von den Konten des Erblassers zu beheben.

Die Beklagte wendete ein, es habe sich um gemeinsame Konten gehandelt. Sie machte ihrerseits eine Forderung von 22.862 EUR wegen unberechtigter Behebung durch die Klägerin mittels Widerklage geltend.

Das Erstgericht verband beide Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung und gab der Klage (nur) mit 268,08 EUR, der Widerklage jedoch zur Gänze statt.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung mit der Maßgabe, dass das Mehrbegehren der Klägerin von 28.392,17 EUR sA auch formell abgewiesen wurde, und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil erhobene außerordentliche Revision der Klägerin, worin der Antrag gestellt wird, der Oberste Gerichtshof möge die angefochtene Entscheidung im Sinne der Stattgebung der Klage und Abweisung der Widerklage abändern, hilfsweise aufheben, legte das Erstgericht unmittelbar dem Obersten Gerichtshof vor. Diese Vorgangsweise widerspricht der geltenden Rechtslage:

Gemäß § 502 Abs 3 ZPO ist die Revision - außer im Fall des § 508 Abs 3 ZPO - jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand insgesamt 30.000 EUR nicht übersteigt und das Berufungsgericht die ordentliche Revision nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO für nicht zulässig erklärt hat. Unter diesen Voraussetzungen kann jedoch eine Partei gemäß § 508 Abs 1 und 2 ZPO binnen vier Wochen nach der Zustellung des Berufungserkenntnisses den beim Erstgericht (§ 508 Abs 2 erster Satz ZPO) einzubringenden Antrag an das Berufungsgericht stellen, seinen Ausspruch dahingehend abzuändern, dass die ordentliche Revision doch für zulässig erklärt werde; ein solcher Antrag, der mit der ordentlichen Revision zu verbinden ist, muss die Gründe dafür anführen, warum entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 502 Abs 1 ZPO die ordentliche Revision für zulässig erachtet wird.

Bei der Streitwertbestimmung nach § 502 Abs 3 ZPO (§ 54 JN) müssen Klage und Widerklage gesondert bewertet werden (RIS-Justiz RS0042626). Die Verbindung mehrerer Streitsachen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung hat auf die Zulässigkeit von Rechtsmitteln gegen das gemeinsame Urteil keinen Einfluss (RIS-Justiz RS0037252).

In den demnach gesondert zu bewertenden Verfahren über die Klage und über die Widerklage übersteigt daher der Gegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat, jeweils nicht den Betrag von 30.000 EUR. Zwar hat die Rechtsmittelwerberin das Rechtsmittel rechtzeitig beim Erstgericht eingebracht und darin auch ausgeführt, warum sie entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts die Revision für zulässig erachte. Der Revision fehlt freilich die ausdrückliche Erklärung, dass der Antrag auf Abänderung des Zulässigkeitsausspruchs durch das Berufungsgericht (§ 508 Abs 1 ZPO) gestellt werde. Im Hinblick auf die dargestellte Rechtslage ist der Rechtsmittelschriftsatz jedenfalls nicht dem Obersten Gerichtshof vorzulegen, sind doch im Streitwertbereich des § 502 Abs 3 ZPO Rechtsmittel gegen Entscheidungen, gegen die nach dem Ausspruch der zweiten Instanz die ordentliche Revision nicht zulässig ist, nur dem Gericht zweiter Instanz (sofort), nicht aber dem Obersten Gerichtshof vorzulegen (§ 508 ZPO); dieser darf über das Rechtsmittel nämlich nur und erst entscheiden, wenn das Gericht zweiter Instanz gemäß § 508 Abs 3 ZPO ausgesprochen hat, dass ein ordentliches Rechtsmittel doch zulässig sei (RIS-Justiz RS0109623).

Das Rechtsmittel wäre demnach - auch wenn es als „außerordentliches“ bezeichnet wird - dem Berufungsgericht vorzulegen gewesen. Dies wird das Erstgericht nunmehr nachzuholen haben. Ob die im Schriftsatz enthaltenen Ausführungen, wonach die Revision zulässig sei, den Erfordernissen des § 508 Abs 1 ZPO entspricht, bleibt der Beurteilung der Vorinstanzen vorbehalten (RIS-Justiz RS0109623 [T5], RS0109501 [T12]).

Aus diesen Erwägungen waren die Akten dem Erstgericht zurückzustellen.

Schlagworte

Zivilverfahrensrecht

Textnummer

E95322

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0040OB00158.10D.1005.000

Im RIS seit

09.11.2010

Zuletzt aktualisiert am

09.11.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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