TE OGH 2010/10/7 4R198/10i

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.10.2010
beobachten
merken

Kopf

B e s c h l u s s

Das Oberlandesgericht Innsbruck als Rekursgericht hat durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Dr. Hoffmann als Vorsitzenden sowie den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Dr. Zimmermann und den Richter des Oberlandesgerichtes Dr. Huber als weitere Mitglieder des Senates in der Rechtssache der klagenden Partei Markus G*****, vertreten durch Dr. Armin Exner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Gerhard N*****, vertreten durch Dr. Robert Schuler, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen (ausgedehnt und eingeschränkt) EUR 13.736,84 s.A. und Feststellung (Gesamtstreitwert: EUR 18.736,84), über den Rekurs des Klägers (Rekursinteresse: EUR 659,88) gegen die im Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 20.8.2010, 57 Cg 84/09b-21, enthaltene Kostenentscheidung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

              

Spruch

Dem Kostenrekurs wird F o l g e gegeben und die angefochtene Kostenentscheidung dahingehend abgeändert, dass sie insgesamt wie folgt lautet:

              „Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger zu Handen des Klagsvertreters binnen 14 Tagen die mit EUR 10.135,60 (darin enthalten EUR 1.218,32 an USt, EUR 1.877,-- an Barauslagen und EUR 948,68 an vorprozessualen Kosten) bestimmten Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zu ersetzen.“

              Der Beklagte ist weiters schuldig, dem Kläger zu Handen des Klagsvertreters binnen 14 Tagen die mit EUR 151,34 (darin enthalten EUR 25,22 an USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen.

              Der Revisionsrekurs ist gemäß § 528 Abs 2 Z 3 ZPO jedenfalls u n z u l ä s s i g .

Text

B e g r ü n d u n g :

Mit dem nur noch hinsichtlich der Kostenentscheidung (teilweise) angefochtenen Urteil gab das Erstgericht dem aus dem Titel des Schadenersatzes aus einem Fahrradunfall gestützten (Zahlungs- und Feststellungs-)Begehren des Klägers gegenüber dem Beklagten vollinhaltlich statt und verpflichtete den Beklagten zum Kostenersatz gegenüber dem Kläger im Umfang von EUR 9.475,72, darin enthalten EUR 699,80 zuzüglich 50 % Einheitssatz und 20 % USt für die Teilnahme an der Befundaufnahme durch den Sachverständigen am Unfallort in V***** am 28.1.2010. Den gegenüber den mit insgesamt EUR 10.135,60 verzeichneten erstinstanzlichen Kosten des Klagsvertreters verminderten Zuspruch begründete das Erstgericht dahingehend, dass der vom Beklagten gemäß § 54 Abs 1a ZPO erhobene Einwand gegen den verzeichneten doppelten Einheitssatz für die Teilnahme an der Befundaufnahme mit dem Sachverständigen am Unfallort berechtigt sei, weil das diesbezügliche Honorar in TP 3 A III RATG geregelt sei, allerdings § 23 Abs 5 RATG für die in TP 3 A III angeführten Leistungen einen doppelten Einheitssatz nicht vorsehe. Der doppelte Einheitssatz für diese Leistungen würde auch dem Honorar nach TP 9 RATG entgegenstehen.

Gegen den Minderzuspruch an Kosten von EUR 659,88 richtet sich der fristgerechte Kostenrekurs des Klägers, der im Antrag mündet, in Stattgebung des Rekurses die angefochtene Kostenentscheidung dahingehend abzuändern, dass dem Kläger insgesamt EUR 10.135,60 an Prozesskosten zugesprochen werden.

Der Beklagte beantragt in seiner Rekursbeantwortung, dem Kostenrekurs des Klägers keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Kostenrekurs ist berechtigt.

Der Kläger macht in seinem Rechtsmittel geltend, § 23 Abs 5 RATG normiere, dass unter anderem für Leistungen, die unter TP 3 A Abschnitt II fallen, die auf diese Leistungen fallenden Teile des Einheitssatzes doppelt zuzusprechen seien, wenn der Rechtsanwalt die Leistung an einem Ort außerhalb des Sitzes seiner Kanzlei vornehme. In TP 3 A Abschnitt III, der die Entlohnung für die Teilnahme an der Befundaufnahme durch Sachverständige regle, werde auf die im Abschnitt II festgesetzte Entlohnung verwiesen, sodass dadurch auch § 23 Abs 5 RATG zur Anwendung komme. Im Übrigen könne keine Rede davon sein, dass die Regelung der Honorierung der Reisezeit nach TP 9 ansonsten sinnentleert wäre, da diese Bestimmung nach wie vor bei Kommissionen zur Anwendung gelange und überdies auch die Möglichkeit bestehe, anstatt des doppelten Einheitssatzes Ansprüche nach TP 9 geltend zu machen. Es wäre daher auch der doppelte Einheitssatz für die Befundaufnahme mit dem Sachverständigen am Unfallort, somit ein weiterer Betrag von EUR 419,90 brutto zuzusprechen gewesen.

Darüber hinaus habe das Erstgericht ohne Begründung einen weiteren Teilbetrag von EUR 240,-- nicht zuerkannt.

Hiezu hat das Rekursgericht erwogen:

Nach der mit BBG 2009 eingeführten Bestimmung des § 54 Abs 1a ZPO ist das Kostenverzeichnis einer Partei der Kostenentscheidung zugrundezulegen, soweit nicht vom Gegner begründete Einwendungen gegen die verzeichneten Kosten binnen 14 Tagen nach Schluss der mündlichen Verhandlung erhoben werden.

Der Kläger hat bei Schluss der mündlichen Verhandlung an Kosten insgesamt EUR 10.135,60 verzeichnet (AS 121 f). Fristgerechte Einwendungen dagegen erhob der Beklagte nur hinsichtlich des verzeichneten doppelten Einheitssatzes für die Teilnahme an der Befundaufnahme mit dem Sachverständigen am Unfallort. Insoweit sprach sich der Beklagte ausdrücklich gegen die Berücksichtigung eines Betrages von EUR 419,90 mit der Begründung aus, dass für die gerichtlich aufgetragene Befundaufnahme zum Grundhonorar nach TP 3 A RATG lediglich der einfache Einheitssatz gebühre, da es sich hiebei um keine auswärtige „Verhandlung“ oder „Tagsatzung“ handle (ON 20, S 2 = AS 139).

Insoweit das Erstgericht von den vom Kläger verzeichneten Kosten bei der Kostenentscheidung mehr als EUR 419,90 in Abzug brachte, ist der Rekurs schon deshalb berechtigt, weil das Erstgericht mangels (begründeter) Einwendungen seitens des Beklagten einen derartigen Abzug gar nicht durchführen durfte, abgesehen davon, dass der diesbezügliche Abzug auch vollkommen unbegründet blieb.

Was die Frage betrifft, ob für die Teilnahme an einer Befundaufnahme mit dem Sachverständigen außerhalb des Ortes, an dem sich der Sitz des Rechtsanwaltes befindet, der einfache oder allenfalls der doppelte Einheitssatz zusteht, gibt es divergierende Rechtsauffassungen, wobei sich das Oberlandesgericht Innsbruck - soweit überblickbar - mit dieser Frage bislang nur einmal am Rande zu befassen hatte, nämlich zu 4 R 186/10z, damals bestanden keine Bedenken, für die Teilnahme an einer Befundaufnahme mit dem Sachverständigen an einen Ort außerhalb des Kanzleisitzes des Rechtsanwaltes den doppelten Einheitssatz zuzuerkennen, wobei diese Frage allerdings im Rechtsmittel nicht konkret releviert worden war.

Nach Aufhebung von Teilen der Bestimmung der TP 7 RATG, welche Grundlage für die Entlohnung der Teilnahme der Parteienvertreter bei Befundaufnahmen durch Sachverständige war, durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 21.6.2004, G 198/01, wurde mit der EO-Novelle 2005, BGBl I 2005/68, der TP 3 A RATG folgender Abschnitt III. angefügt:

„In allen Verfahren für die Teilnahme an der Befundaufnahme durch Sachverständige, sofern die Beiziehung der Parteienvertreter über Auftrag des Gerichtes erfolgt.“

Diese Gesetzesänderung wurde von Obermaier, Das Kostenhandbuch, Rz 602 ff, umfassend kommentiert. Er nahm zu der neu geschaffenen TP 3 A III RATG nicht nur den Standpunkt ein, dass nach der gesetzlichen Regelung unklar sei, ob hier eine Honorierung wie im Abschnitt TP 3 A I (Schriftsatzaufwand) oder wie im Abschnitt TP 3 A II (Verhandlungsaufwand - nach begonnenen Stunden) zu erfolgen habe, aber nach der Systematik des RATG von einem Pauschale für die gesamte Leistung auszugehen sei, sondern vertrat auch die Auffassung, dass zum Grundhonorar nach TP 3 A III RATG nur der einfache Einheitssatz (§ 23 Abs 1 RATG) gebühre, zumal eine Änderung des Abs 5 des § 23 RATG nicht erfolgt sei.

Der Gesetzgeber sah sich in der Folge zu einer Klarstellung veranlasst und wurde mit dem Berufsrechts-Änderungsgesetz 2008 - BRÄG 2008, BGBl I 2008/111, die TP 3 A III RATG wie folgt geändert:

„Für die Teilnahme an der Befundaufnahme durch Sachverständige gebührt in allen Verfahren die im Abschnitt II festgesetzte Entlohnung, sofern die Beiziehung der Parteienvertreter über ausdrücklichen Auftrag des Gerichtes erfolgt.“

In den Erläuterungen heißt es diesbezüglich: „Mit dem der TP 3 A RATG durch das BGBl I Nr. 68/2005 neu angefügten Abschnitt III sollte dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die Beteiligung von Rechtsanwälten an Befundaufnahmen durch Sachverständige von der Schwierigkeit häufig der Intervention bei einer kontradiktorischen Verhandlung vor Gericht gleich steht und daher so wie diese entlohnt werden soll ....“ (S 45 ErläutRV 303 BlgNr XXIII.GP). Zu dieser Änderung hat Obermaier in RZ 2008, 222, unter anderem dahingehend Stellung genommen, dass zum Grundhonorar nach TP 3 A III RATG nach wie vor nur der einfache Einheitssatz gebühre, weil die nach TP 3 A III RATG zu honorierende Leistung im nach wie vor unverändert gebliebenen § 23 Abs 5 RATG nicht aufgezählt sei und nach der Systematik des RATG niemals ein doppelter Einheitssatz gebühre, wenn Reisekosten zu verrechnen seien.

Dieser Rechtsansicht schloss sich ein Teil der zweitinstanzlichen Gerichte an, unter anderem das OLG Wien in seiner Entscheidung vom 6.3.2009 zu 2 R 216/08m (= RIS-Justiz RW0000444).

Allerdings wurde von anderen Rekurssenaten diese Rechtsansicht mit der Begründung nicht geteilt, dass TP 3 A III RATG idF BRÄG 2008, BGBl I 2008/111, ausdrücklich darauf verweist, dass für die Teilnahme an der Befundaufnahme durch Sachverständige in allen Verfahren die im Abschnitt II festgesetzte Entlohnung gebührt. Damit verweist TP 3 A III zur Honorierung auf TP 3 A II RATG, wobei TP 3 A II RATG ausdrücklich in § 23 Abs 5 RATG enthalten ist, in welchem der doppelte Einheitssatz geregelt ist (siehe OLG Wien zu 11 R 158/09z = RIS-Justiz RW0000461 unter Berufung auf 13 R 118/09g OLG Wien).

Der nunmehr zur Entscheidung berufene Rekurssenat schließt sich der Rechtsansicht des OLG Wien zu 11 R 158/09z an, wonach - zumindest nach der Klarstellung durch das BRÄG 2008 - durch den ausdrücklichen Verweis in TP 3 A III auf TP 3 A II RATG auch die Regelung über den doppelten Einheitssatz nach § 23 Abs 5 RATG zur Anwendung kommen kann. Wenn schon die Beteiligung von Rechtsanwälten an Befundaufnahmen durch Sachverständige von der Schwierigkeit häufig der Intervention bei einer kontradiktorischen Verhandlung vor Gericht gleich steht und daher aus diesem Grund wie eine kontradiktorische Verhandlung vor Gericht entlohnt werden soll, so muss das gleiche Argument hinsichtlich der Pauschalierung von Zeitversäumnis und Fahrtkosten durch Gewährung eines zweiten Einheitssatzes gelten, weil auch diesbezüglich kein Unterschied zu einem auswärtigen Gericht, zu einem gerichtlichen Lokalaugenschein oder zu einer Befundaufnahme mit einem Sachverständigen außerhalb des Ortes des Sitzes seiner Kanzlei zu erkennen ist. Das für die gegenteilige Ansicht auch herangezogene Argument, dass die TP 9 RATG ansonsten inhaltsleer wäre, ist schon deshalb nicht stichhältig, weil grundsätzlich bei Erbringung einer Leistung an einem Ort außerhalb des Sitzes seiner Kanzlei dem Rechtsanwalt ein Anspruch auf Ersatz der Reisekosten und auf Entschädigung für Zeitversäumnis zusteht, und nur bei bestimmten, in § 23 Abs 5 RATG ausdrücklich angeführten Tätigkeiten anstatt der Entschädigung für Zeitversäumnis und der Reisekosten als quasi „Pauschalabgeltung“ ein zweiter Einheitssatz verrechnet werden kann. In verschiedenen Fällen wird es allerdings auch für einen Rechtsanwalt bei einer Befundaufnahme mit einem Sachverständigen an einem Ort außerhalb des Sitzes seiner Kanzlei zweckdienlicher sein, nur den einfachen Einheitssatz zuzüglich des Ersatzes der Reisekosten und der Entschädigung für Zeitversäumnis geltend zu machen, insbesondere wenn der Streitwert relativ gering und Anfahrtszeit und -weg relativ groß sind. Darüber hinaus gilt die Regelung betreffend den Ersatz von Reisekosten und der Entschädigung für Zeitversäumnis nach TP 9 RATG für alle rechtsanwaltlichen Leistungen, etwa auch Tagsatzungen, die nach TP 2 zu entlohnen sind, oder Kommissionen, die nach TP 7 abzugelten sind. Von einer Sinnentleerung in TP 9 RATG kann daher keine Rede sein, wenn auch für die Intervention bei der Befundaufnahme durch den Sachverständigen an einem Ort außerhalb des Kanzleisitzes des Rechtsanwaltes der doppelte Einheitssatz zuerkannt wird.

Aus den dargelegten Gründen war daher dem Rekurs auch hinsichtlich des begehrten doppelten Einheitssatzes für die Intervention des Klagsvertreters bei der Befundaufnahme durch den Sachverständigen am Unfallort am 28.1.2010 stattzugeben und diesbezüglich ein weiterer Betrag von EUR 419,90 brutto zuzuerkennen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens stützt sich auf §§ 50 Abs 1, 41 ZPO iVm § 11 Abs 1 RATG. Eine Korrektur des Kostenverzeichnisses des Klägers hatte nur insoweit zu erfolgen, als für den per ERV eingebrachten Rekurs nur eine Entlohnung von EUR 1,80 zusteht, weil es sich beim Rekurs nicht um den das Verfahren einleitenden Schriftsatz handelt (siehe § 23a RATG).

Oberlandesgericht Innsbruck

Abt. 4, am 7. Oktober 2010

Textnummer

EI0000186

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OLG0819:2010:00400R00198.10I.1007.000

Im RIS seit

28.10.2010

Zuletzt aktualisiert am

28.10.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten