TE OGH 2010/12/22 9ObA56/10s

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Veröffentlicht am 22.12.2010
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hradil und Hon.-Prof. Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Manfred Engelmann und Mag. Michael Zawodksy als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Kurt P*****, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Gustav Teicht, Dr. Gerhard Jöchl in Wien, wider die beklagte Partei Tyrolean Airways Tiroler Luftfahrt GmbH, 6026 Innsbruck, Fürstenweg 176, vertreten durch Dr. Andreas Grundei, Rechtsanwalt in Wien, wegen 19.466,09 EUR brutto sA und Feststellung (Streitwert 21.800 EUR), infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26. März 2010, GZ 10 Ra 3/10z-18, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits-  und Sozialgerichts Wien vom 6. Juli 2009, GZ 28 Cga 203/08i-13, aufgehoben und die Rechtssache an das Erstgericht zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der Beschluss des Berufungsgerichts wird aufgehoben und in der Sache selbst zu Recht erkannt, dass das Urteil des Erstgerichts dahin abgeändert wird, dass es zu lauten hat:

„Das Klagebegehren,

1.) die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 19.466,09 EUR brutto samt 10,63 % Zinsen aus 2.240,35 EUR seit 1. 12. 2008, samt 9,88 % Zinsen aus 4.480,70 EUR seit 1. 1. 2009, samt 9,38 % Zinsen aus 1.820,72 EUR seit 1. 2. 2009, samt 9,38 % Zinsen aus 1.820,72 EUR seit 1. 3. 2009, samt 8,88 % Zinsen aus 1.820,72 EUR seit 1. 4. 2009, samt 8,88 % Zinsen aus 1.820,72 EUR seit 1. 5. 2009, samt 8,88 % Zinsen aus 1.820,72 EUR seit 1. 6. 2009, samt 8,38 % Zinsen aus 3.641,44 EUR seit 1. 7. 2009 zu bezahlen

sowie 2.) es wird festgestellt, dass die beklagte Partei verpflichtet ist, die klagende Partei für die ab der Abrechnungsperiode Juli 2009 fällig werdenden Entgelte gemäß dem Gehaltsschema des anzuwendenden Kollektivvertrags der Tyrolean Airways als Kapitän zu entlohnen, wird

abgewiesen.“

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei

a) die mit 7.013,20 EUR (darin enthalten 1.166,76 EUR an USt und 13,20 EUR an Barauslagen) bestimmten Kosten des erstgerichtlichen Verfahrens

b) die mit 3.728,66 EUR (darin enthalten 986 EUR an Barauslagen und 457,11 EUR an USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und

c) die mit 3.208,96 EUR (darin enthalten 1.234 EUR an Barauslagen und 329,16 EUR an USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Auf das seit Mai 2004 bestehende Arbeitsverhältnis des Klägers zur Beklagten kommt der Kollektivvertrag für Tyrolean Airways zur Anwendung.

Die Beklagte verwendet verschiedene Flugzeugtypen, und zwar einerseits Turboprop-Flugzeuge mit Propellerantrieb und andererseits Jets bzw Regionaljets. Der Kollektivvertrag unterscheidet nicht nach diesen verschiedenen Flugszeugtypen.

Die zu besetzenden Pilotenstellen werden bei der Beklagten durch Ausschreibung im internen Kommunikationssystem kundgemacht. Der noch als Copilot tätige Kläger erfüllte bereits seit 2004 die Voraussetzungen für die Besetzung einer Kapitänsstelle.

Am 18. 6. 2008 schrieb die Beklagte unter anderem sechs letztlich noch aufrecht erhaltene Kapitänsstellen aus, und zwar zwei Kapitänsstellen für Turboprop-Flugzeuge (Nr 1656) und vier für Jet-Flugzeuge (Nr 1655). Die nur aus administrativen Gründen getrennten Ausschreibungen wurden gemeinsam behandelt und eine Ausschreibungsfrist bis 30. 6. 2008 vorgesehen. Bereits in der Ausschreibung wies die Beklagte darauf hin, dass es kein Recht auf ein „Upgrading“ auf eine bestimmte Flugzeugtype gebe.

Der Kläger, der nach den im Folgenden noch darzustellenden Senioritätsregeln des Kollektivvertrags die „Senioritätsnummer“ 293 hat, war Copilot auf einem Canadair Jet. Er bewarb sich nur auf die Jetmaschinen, nicht jedoch auf die Propellermaschinen. Zwei der Jetkapitänplanstellen wurden an Copiloten vergeben, die eine niedrigere Senioritätsnummer hatten als der Kläger und zwei an solche mit einer höheren Senioritätsnummer, die allerdings bereits Copiloten auf diesen Jetmaschinen waren und sich auch nur für diese beworben hatten. Dass die Beklagte letzteren beiden Copiloten den Vorzug gegenüber dem Kläger gegeben hat, ist darauf zurückzuführen, dass diese das „Typerating“ für diese Maschinen hatten, weshalb deren Umschulungszeit um etwa zwei Monate kürzer war, als jene bei Copiloten ohne passendes Typerating, die insgesamt 3 ½ Monate dauert.

Der Kläger begehrte zuletzt die Gehaltsdifferenz für die Monate von November 2008 bis Juni 2009 samt Sonderzahlungen, sowie die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihn ab Juli 2009 nach dem Gehaltsansatz für Kapitäne im Kollektivvertrag zu entlohnen. Hätte ihn die Beklagte entsprechend den Senioritätsregelungen ernannt, so hätte er spätestens ab November nach der Umschulung Anspruch auf diesen höheren Gehaltsansatz gehabt. Er sei auch nicht ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass er bei Einschränkung seiner Bewerbung allenfalls mit einer längeren Wartezeit zu rechnen habe. Die Beklagte habe durch ihre Vorgehensweise auch das arbeitsrechtliche Gleichheitsgebot verletzt.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete zusammengefasst ein, dass der Kläger dann, wenn er sich auch für die Turboprop-Flugzeuge beworben hätte, auch ernannt worden wäre. Es sei auf das Risiko einer Einschränkung auch hingewiesen worden. Die Einschränkung auf bestimmte Flugzeugtypen unterlaufe das Recht der Beklagten, die Besetzung nach operationellen Gründen vorzunehmen. Nach der geltenden Senioritätsregel seien nur noch „Senioritätsnummern“ aber - anders als bei der AUA - keine Senioritätsränge (Kapitäne für Kurz-  und Mittelstrecken einerseits und Kapitäne für Langstrecken andererseits) vorgesehen, so dass alle Copiloten, die sich um eine Kapitänstelle bewerben, den gleichen Senioritätsrang haben. Auf die Turbopropmaschinen seien letztlich jene Copiloten ernannt worden, die keine Einschränkungen bei ihrer Bewerbung gemacht haben. Im Übrigen wäre der Kläger aber auch dann nicht zum Zug gekommen, wenn man davon ausginge, dass die Copiloten je nach Senioritätsnummer einen Anspruch auf bestimmte Flugzeugtypen hätten, weil dem Kläger dann andere, noch rangbessere Copiloten vorgegangen wären.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es ging rechtlich zusammengefasst davon aus, dass zwar die „operationellen Bedürfnisse“ der Beklagten wirtschaftlich nachvollziehbar seien, dass aber aus einer früheren Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien abzuleiten sei, dass der Grundsatz der Seniorität Vorrang habe. Da sich die Beklagte nicht streng an die Seniorität gehalten habe, habe sie dem Kläger die Gehaltsdifferenz zu ersetzen.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der Beklagten Folge und verwies die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es teilte zwar die Rechtsansicht des Erstgerichts, dass die Beklagte die Senioritätsregelungen verletzt habe und daher der Kläger grundsätzlich Anspruch auf den ihm daraus entstandenen Schaden habe, ging aber davon aus, dass der Beklagten auch der Einwand zustehe, dass bei rechtmäßigem Alternativverhalten der Schaden genauso eingetreten wäre. Daher bestünde dann, wenn der Einwand der Beklagten zutreffe (auch bei Anwendung der Senioritätsregeln wären andere Copiloten zum Zug gekommen), kein Anspruch auf Ersatz des Schadens durch die Beklagte.

Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof erachtete das Berufungsgericht als zulässig, da es sich um die Frage der Auslegung eines Kollektivvertrags handle, der über den Einzelfall hinaus Bedeutung zukomme.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluss erhobene Rekurs der Beklagten ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig und auch berechtigt.

Der Oberste Gerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 23. 11. 2010 zu 8 ObA 76/10z zu einer im Wesentlichen inhaltsgleichen Klage eines anderen Piloten gegen die Beklagte Folgendes ausgeführt:

1.1 Der Kläger vertritt den Standpunkt, dass die Beförderung (Upgrade) zum Kapitän im Sinn der Senioritätsregelung (Anhang IV des Kollektivvertrags) nach Maßgabe der (niedrigsten) Senioritätsnummer der sich bewerbenden Copiloten zu erfolgen habe, ein Bewerber berechtigt sei, sich nur auf eine bestimmte Kapitänsstelle (auf einem bestimmten Flugzeugtyp) zu bewerben, und im Fall eines Typenwechsels ein Anspruch auf Umschulung bestehe. Die Beklagte geht demgegenüber davon aus, dass die Senioritätsränge laut Kollektivvertrag für das Bordpersonal der Austrian Airlines AG und Lauda Air GmbH nicht übernommen worden seien, daher die Beförderung nach operationellen Bedürfnissen, wie dem Type-Rating vorgenommen werden könne, der Senioritätsregelung entsprochen werde, wenn dem Senioritätsbesten (ohne Vorliegen eines Verzichts) irgendeine Kapitänsstelle angeboten werde und ein Anspruch auf Zuteilung eines bestimmten Flugzeugtyps nicht bestehe. Im vorliegenden Verfahren ist somit die Frage zu klären, ob bei mehreren ausgeschriebenen Kapitänsstellen, die unterschiedliche Flugzeugtypen betreffen, der Senioritätsbeste übergangen werden kann, wenn er eine Kapitänsstelle auf einem bestimmten Flugzeugtyp ausschließt, indem er seine Bewerbung einschränkt oder eine ihm angebotene Kapitänsstelle (auf einem anderen Flugzeugtyp) ablehnt.

1.2 Unstrittig ist, dass die sogenannte Jet-Betriebsvereinbarung nicht anwendbar ist, der hier anzuwendende Kollektivvertrag anders als jener von Austrian Airlines und Lauda Air keine unterschiedlichen Senioritätsränge bei gleichzeitiger Zuordnung unterschiedlicher Flugzeugtypen (Sitzplätze bzw Streckenlänge) kennt und bei der Beklagten eine Senioritätsliste (vom 16. 10. 2008) der Piloten geführt wird.

2.1 Der Kollektivvertrag für das Bordpersonal von Tyrolean Airways enthält im Anhang IV (früher Anhang XI) die Senioritätsregelung für das Cockpitpersonal. Diese Regelung (hier für unbefristete Dienstverhältnisse) betrifft die dienstliche Reihung der Piloten (Copiloten und Kapitäne) des Unternehmens, die sich nach der Beschreibung des Anwendungsbereichs vor allem auf die Beförderung der Piloten bezieht. Das für das Monatsgehalt maßgebliche Verwendungsgruppenschema und die Einstufung in dieses Schema wird in einem anderen Anhang zum Kollektivvertrag geregelt. Für die Einstufung eines Dienstnehmers in die entsprechende Verwendungsgruppe ist allein die Art der ausgeübten Funktion bzw die Ernennung maßgebend. Die Frage der Vorgangsweise bei einer Beförderung, also der Besetzung einer ausgeschriebenen Stelle, steht mit den Regelungen zum Verwendungsgruppenschema somit in keinem unmittelbaren Zusammenhang. Für die Beförderung der Piloten ist allein die Auslegung der einschlägigen Bestimmungen der Senioritätsregelung entscheidend.

2.2 Zur Auslegung normativer Bestimmungen eines Kollektivvertrags hat der Oberste Gerichtshof bereits festgehalten, dass diese objektiv nach den Regeln der §§ 6 und 7 ABGB zu erfolgen hat (RIS-Justiz RS0010088). Im Zweifel ist zu unterstellen, das die Kollektivvertragsparteien eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen, sowie einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeiführen und eine Ungleichbehandlung der Normadressaten vermeiden wollten (RIS-Justiz RS0008828; RS0008897).

2.3 Nach der zu beurteilenden Senioritätsregelung erfolgt die Reihung der Piloten nach dem Senioritätsprinzip, sofern der Pilot die für die gestellte Aufgabe notwendige Qualifikation erfüllt. In diesem Sinn ist bei Vorliegen der fachlichen Qualifikation für die Reihenfolge in der Beförderung die Senioritätsnummer maßgebend, die sich aus der Senioritätsliste ergibt. Allfällige Restriktionen aus Qualifikationsgründen müssen in einem Anhang zur Senioritätsliste festgehalten sein.

Die hier bedeutsame Frage nach der Zuteilung eines Piloten zu einem bestimmten Flugzeugtyp wird in einer eigenen Regelung (Pkt 1.1.5.I.e des Anhangs IV) angesprochen. Demnach erfolgt die Zuteilung zu einzelnen Flugzeugtypen gleichen Senioritätsrangs nach operationellen Bedürfnissen, wobei Wünsche in der Reihenfolge der Senioritätsnummer berücksichtigt werden können. Fraglich ist, was mit der Wendung „Flugzeugtypen gleichen Senioritätsrangs“ gemeint ist, zumal ein Senioritätsrang nur Piloten zukommen kann.

2.4 In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass bei der Auslegung von Kollektivvertragsbestimmungen auch ein Blick über den Kollektivvertragsrand als zusätzliches Auslegungskriterium herangezogen werden kann (8 ObA 190/97t; 9 ObA 56/06k). In dieser Hinsicht kommt die Senioritätsregelung für Piloten in Anhang X des Kollektivvertrags für das Bordpersonal der Austrian Airlines AG und Lauda Air GmbH als Auslegungshilfe in Betracht. Diese Regelung, die ebenfalls vom Senioritätsprinzip ausgeht, unterscheidet drei Senioritätsränge, denen jeweils bestimmte Flugzeugtypen zugeordnet sind. Die Beförderung der Piloten erfolgt bei Vorliegen der fachlichen Qualifikation nach den Senioritätsrängen und, innerhalb eines Senioritätsrangs, nach den Senioritätsnummern. Innerhalb eines Senioritätsrangs besteht keine Reihung zwischen einzelnen Flugzeugtypen. Die Zuteilung der Piloten zu einem bestimmten Flugzeugtyp innerhalb eines Senioritätsrangs erfolgt nach wirtschaftlichen Bedürfnissen.

Diese Regelungen lassen einen Rückschluss auf die Systematik des zu beurteilenden Kollektivvertrags von Tyrolean Airways und die Bedeutung der hier fraglichen Wendung „Flugzeugtypen gleichen Senioritätsrangs“ zu. Bei sachlicher Betrachtungsweise können damit nur Flugzeugtypen gemeint sein, die von Piloten mit demselben Senioritätsrang geflogen werden.

2.5 Da der Kollektivvertrag von Tyrolean Airways unterschiedliche Senioritätsränge bei gleichzeitiger Zuordnung unterschiedlicher Flugzeugtypen nicht kennt, stellt sich die Frage, was dieser Kollektivvertrag unter „Senioritätsrang“ versteht. Aus dem Kollektivvertrag von Austrian Airlines und Lauda Air folgt im gegebenen Zusammenhang, dass der Senioritätsrang mit dem Dienstrang des Piloten gleichzusetzen ist. Einen solchen Rang haben auch die Piloten der Beklagten. Dementsprechend ist in die Senioritätsliste nach Pkt 1.1.3.V des Anhangs IV der „Rang gemäß Beförderung der Piloten nach Seniorität“ einzutragen. Wie sich nicht zuletzt aus der unstrittigen Senioritätsliste (Beilage ./B; s ON 9, 3 f) ergibt, ist bei der Beklagten dem Rang nach zwischen Kapitän (COM) und Copilot (FO) zu unterscheiden.

Innerhalb dieser beiden Ränge erfolgt die Zuteilung zu den einzelnen Flugzeugtypen gemäß Pkt 1.1.5.I.e des Anhangs IV nach operationellen Bedürfnissen. Dieses Auslegungsergebnis wird dadurch bekräftigt, dass die Senioritätsregelung auch eine Rückversetzung auf andere Flugzeugtypen aus betrieblichen Gründen zulässt.

2.6 Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen kann sich der Kläger nicht auf Pkt 1.1.5.I.d des Anhangs IV berufen. Die Frage nach der Umschulung auf einen anderen Flugzeugtyp stellt sich erst nach der Beförderung zum Kapitän und betrifft die Zuteilung zu einem Flugzeugtyp. Nach der in Rede stehenden Bestimmung ist mit Erreichen der Altersgrenze (51 Jahre) ein Wechsel des Flugzeugtyps nicht mehr möglich. Der zweite Halbsatz dieser Bestimmung kann sich nur auf Copiloten beziehen, die das 51. Lebensjahr vollendet haben. Wird nur eine Kapitänsstelle ausgeschrieben oder beziehen sich mehrere Stellen auf denselben Flugzeugtyp, so ist nach dem Senioritätsprinzip mit der Beförderung, die gleichzeitig einen Typenwechsel bedingt, ein Anspruch auf Umschulung verbunden. Für einen Piloten, der das 51. Lebensjahr vollendet hat, soll eine derartige Beförderung nach der Seniorität aber ausgeschlossen werden und die Beförderung nur auf den bisherigen Flugzeugtyp möglich sein.

2.7 Als Ergebnis ist somit festzuhalten, dass nach dem zu beurteilenden Anhang IV des Kollektivvertrags für das Bordpersonal von Tyrolean Airways eine Beförderung nur dann vorliegt, wenn ein Copilot zum Kapitän bestellt wird. Bei Vorliegen der fachlichen Qualifikation erfolgt die Beförderung zum Kapitän nach der Senioritätsnummer. Bewerbungen haben sich dabei grundsätzlich auf die Stelle eines Kapitäns zu beziehen. Ein Pilot kann allerdings auf die Ausübung seines Senioritätsanspruchs verzichten und daher seine Bewerbung unterlassen bzw einschränken oder eine ihm angebotene Stelle als Kapitän ablehnen. Nach der Beförderung zum Kapitän erfolgt (innerhalb des Senioritätsrangs der Kapitäne) die Zuteilung zu einem Flugzeugtyp nach operationellen Bedürfnissen; der Flugzeugtyp hat auf den Senioritätsrang keinen Einfluss. […]

4. Die Auslegung der Senioritätsregelung im Anhang IV des Kollektivvertrags für das Bordpersonal von Tyrolean Airways führt somit insgesamt zum Ergebnis, dass sich das Senioritätsprinzip auf die Beförderung, nicht aber auch auf die Zuteilung zu einzelnen Flugzeugtypen bezieht. Da Kapitäne nach ihrer Beförderung denselben Senioritätsrang aufweisen, erfolgt die Zuteilung zu einzelnen Flugzeugtypen gemäß Pkt 1.1.5.I.e des Anhangs IV nach operationellen Bedürfnissen der Beklagten.

Dies ist auch für den vorliegenden Fall zu übernehmen. Hingewiesen werden kann noch darauf, dass dieses Auslegungsergebnis auch durch frühere kollektivvertragliche Bestimmungen (vgl SZ 62/135 ua) gestützt wird. Früher fand sich auch in den die Beklagte betreffenden Kollektivverträgen bei den Regelungen über die Listenführung der „Rang“ als Kriterium. Damals gab es aber fünf verschiedene Verwendungsgruppen (Second Officer mit gültigem Berufspilotenschein - B, bis Observer - F). In dem Verwendungsgruppenschema in Anhang II wurde auch klar darauf abgestellt, dass es um eine „Rangordnung“ zwischen den verschiedenen Verwendungsgruppen geht und etwa festgelegt, dass bei einer Verwendung in der höheren Verwendungsgruppe Zulagen gebühren. Wenn sich früher bei fünf verschiedenen Verwendungsgruppen für Piloten mehrere Piloten auf mehrere ausgeschriebene Arbeitsplätze beworben haben, so sollte offenbar dann, wenn die Arbeitsplätze in den Flugzeugtypen unterschiedlich hohen Verwendungsgruppen entsprachen, die Zuteilung innerhalb der Gruppe der zur Beförderung anstehenden Piloten nach der Seniorität erfolgen. Solche unterschiedlich hohen Verwendungsgruppen liegen hier nicht mehr vor.

Es verbleibt also dabei, dass mit lit e des Punktes 1.1.5. I des Anhangs IV der Beklagten die Möglichkeit gesichert werden soll, die Zuteilung zu einzelnen Flugzeugtypen mit gleicher Verwendungsgruppe (Rang) innerhalb der Gruppe der Bewerber nach operationellen, also nach den betrieblichen Erfordernissen zu gestalten. Entgeltansprüche werden dadurch nicht betroffen. Diese Gestaltungsmöglichkeit der Beklagten kann nun nicht dadurch eingeschränkt werden, dass sich Copiloten nur auf einzelne der ausgeschriebenen Arbeitsplätze bewerben, vielmehr sind sämtliche ausgeschriebenen Positionen in Betracht zu ziehen. Daraus ergibt sich aber wiederum, dass es als durchaus den betrieblichen  - operationellen - Bedürfnissen angemessen zu beurteilen ist, wenn die Beklagte dem Kläger jene Bewerber vorzog, die nur eine kürzere Einschulungszeit benötigten, weil für den Kläger die anderen Arbeitsplätze in Betracht gekommen wären, um die er sich allerdings nicht beworben hat. Eine Verletzung der Regelungen des Senioritätsprinzips kann dementsprechend nicht angenommen werden.

Dass allein aus dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz schon im Ansatz weder ein durchsetzbarer Anspruch auf Beförderung noch auf Schadenersatz abgeleitet werden kann, wenn sachliche Gründe für die Differenzierung sprechen (geringere Einschulungszeit), hat der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen (RIS-Justiz RS0029686 mwN; 8 ObA 251/95).

Insgesamt vermag der Kläger damit aber keine Grundlage für den von ihm im Ergebnis begehrten Schadenersatzanspruch darzustellen.

Die vom Berufungsgericht als erforderlich erachtete Prüfung des Entfalls des Schadenersatzanspruchs wegen des Eintritts des Schadens auch bei rechtmäßigem Alternativverhalten ist dementsprechend nicht erforderlich.

Der Oberste Gerichtshof kann gemäß § 519 Abs 2 letzter Satz ZPO über einen Rekurs gegen einen Beschluss des Berufungsgerichts nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO auch in der Sache selbst erkennen, wenn die Sache zur Entscheidung reif ist.

Dem Rekurs der Beklagten ist daher Folge zu geben, der angefochtene Beschluss aufzuheben und in der Sache selbst im klagsabweisenden Sinne zu erkennen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 2 ASGG, 50 und 41 ZPO.

Schlagworte

11 Arbeitsrechtssachen,

Textnummer

E96076

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:009OBA00056.10S.1222.000

Im RIS seit

26.01.2011

Zuletzt aktualisiert am

26.01.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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