TE OGH 2011/1/25 12Os178/10h

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Veröffentlicht am 25.01.2011
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Der Oberste Gerichtshof hat am 25. Jänner 2011 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Fischer als Schriftführerin in der Strafsache gegen M***** wegen Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 12 dritter Fall, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Schöffengericht vom 1. September 2010, GZ 24 Hv 10/10w-101, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen I./ und II./, demgemäß auch im Strafausspruch einschließlich des Ausspruchs über die Vorhaftanrechnung aufgehoben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde M***** (richtig:) dreier Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 12 dritter Fall, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat er dadurch, dass er jeweils Aufpasserdienste leistete, zur Ausführung der strafbaren Handlungen der abgesondert verfolgten Ar*****, A***** und Ad***** beigetragen, welche im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Gewalt gegen eine Person oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben anderen fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz, durch deren Zueignung sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, teils wegnahmen, teils abnötigten, wobei die Raubüberfälle jeweils unter Verwendung einer Waffe verübt wurden, und zwar

I./ am 2. März 2007 in Villach Ar***** und A***** Gewahrsamsträgern der V***** 222.030 Euro Bargeld dadurch, dass Ar***** den Bankangestellten Arn***** mit einer CO2-Luftdruckpistole bedrohte, während A***** Banknoten aus den offenen Kassenladen entnahm;

II./ am 7. Dezember 2007 in Vöcklabruck Ar***** und A***** Gewahrsamsträgern der V*****-Filiale 142.900 Euro Bargeld dadurch, dass Ar***** den Bankangestellten F***** mit einer CO2-Luftdruckpistole mit aufgesetztem Schalldämpfer bedrohte, während A***** das Geld aus den dort befindlichen Kassenladen entnahm;

III./ am 9. Dezember 2008 in Vöcklabruck Ar***** und Ad***** Gewahrsamsträgern der V***** Filiale 64.175 Euro Bargeld dadurch, dass Ar***** der Bankangestellten E***** eine CO2-Luftdruckpistole an die Hüfte ansetzte sowie in weiterer Folge H***** und T***** mit dieser Pistole bedrohte, und Ad***** die Bankangestellten H***** und T***** aufforderte, drei Kassenladen zu öffnen, sowie H***** dazu verhielt, ihnen beim Entnehmen der Geldscheine aus den Kassenladen zu helfen und sie in den Rucksack zu packen. Die Entscheidungsgründe bringen hinreichend zum Ausdruck, das der Angeklagte M***** selbst mit einem dem § 142 Abs 1 StGB entsprechenden Bereicherungswillen handelte (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 19).

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der jedoch keine Berechtigung zukommt.

In der Mängelrüge (Z 5) behauptet der Rechtsmittelwerber sowohl eine Unvollständigkeit als auch eine offenbar unzureichende Begründung, weil die einen Vorsatz auf Verwendung einer (echten) Waffe leugnenden Angaben des Angeklagten nicht ausreichend gewürdigt worden wären. Die Beschwerde zeigt allerdings nicht auf, welche eine entscheidende Tatsache betreffende Aussagepassage von den erkennenden Richtern schlechterdings übergangen worden wäre bzw welche Schlussfolgerung des Erstgerichts den Gesetzen logischen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen widerspricht (RIS-Justiz RS0118317). Vielmehr versucht der Angeklagte aus seiner Einlassung über die Verwendung einer „Softgun“ andere Schlüsse zu ziehen als die Tatrichter. Damit bekämpft er lediglich deren Beweiswürdigung in Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.

Der inhaltlich eine Aktenwidrigkeit behauptenden weiteren Beschwerde zuwider bezog sich das Schöffengericht bei der Würdigung der Angaben des Nichtigkeitswerbers zu seinen Vorstellungen über die bei den Raubfakten verwendete Waffe auch in Bezug auf Schuldspruchfaktum II./ zu Recht auf die Angaben des Angeklagten in der Hauptverhandlung vom 1. September 2010 (US 11 - vgl S 9 in ON 100, wo der Angeklagte zur beim zweiten Überfall verwendeten Waffe Stellung nahm).

Indem der Beschwerdeführer seine Verantwortung, wonach ihm die Art der eingesetzten „Softgun“ und damit deren fehlende Waffeneigenschaft nur von seinen Mittätern bekanntgegeben worden sei, und seine später vorgebrachte Version, er habe die Beschaffenheit der bei den drei Raubüberfällen eingesetzten Waffen aus eigener Anschauung erkannt, argumentativ in Einklang zu bringen trachtet, während der Schöffensenat diese unterschiedlichen Einlassungen des Rechtsmittelwerbers als widersprüchlich erachtete, zeigt er weder eine Unvollständigkeit noch eine unzureichende Begründung auf. Auch in diesem Umfang bekämpft er wiederum unzulässigerweise nur die Beweiswürdigung der Tatrichter.

Soweit der Beschwerdeführer inhaltlich eine Subsumtionsrüge (Z 10) dahingehend ausführt, dass lediglich zu Schuldspruch III./ ein Vorsatz des Angeklagten auf Verwendung einer Waffe festgestellt worden sei, ist er auf die amtswegige Wahrnehmung des Nichtigkeitsgrundes nach § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO betreffend die Schuldsprüche I./ und II./ zu verweisen. Im Übrigen übergeht der Angeklagte insoweit die unmissverständlich auf alle drei Raubüberfälle abstellenden Konstatierungen (US 4 und 6) zu dieser subjektiven Tatkomponente.

Indem der Rechtsmittelwerber die (eigenständige, neben anderen Schlüssen wiedergegebene) Begründung des Erstgerichts, wonach beim Einsatz einer bloßen „Softgun“ die Verwendung eines selbst gebastelten Schalldämpfers auszuschließen sei, seinerseits als „unbegründet“ qualifiziert und dazu andere Schlussfolgerungen anstellt, zeigt er wiederum keinen Mangel iSd § 281 Abs 1 Z 5 vierter Fall StPO auf.

Gleiches gilt für die Erwägungen des Schöffengerichts, wonach bei der Verabredung derartiger Banküberfälle im Ausland auch Details, insbesondere die Verwendung einer (echten) Waffe besprochen werden, und wonach dem Angeklagten angesichts des ihm bekannten kriminellen Vorlebens seiner Mittäter, die in Deutschland bereits wegen bewaffneter Raubüberfälle vorbestraft waren, der Einsatz einer Waffe bei den drei ihm vorgeworfenen Raubtaten geläufig war. Auch insoweit beschränkt sich die Kritik des Nichtigkeitswerbers auf die Darstellung günstigerer Schlüsse in Richtung eines fehlenden Vorsatzes zum Qualifikationsmerkmal des Einsatzes einer Waffe.

Das Vorbringen einer Aktenwidrigkeit durch „stark verkürztes“ Zitieren der Angaben des Rechtsmittelwerbers übergeht die beinahe wortwörtliche Wiedergabe der Aussage des Angeklagten (siehe US 8 im Vergleich zu S 29 ff in ON 55).

Die Tatsachenrüge (Z 5a) wiederholt lediglich die bereits zur Mängelrüge besprochenen Einwände, ohne damit sich aus den Akten gebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen aufzuzeigen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde war allerdings eine vom Beschwerdeführer nicht geltend gemachte und ihn benachteiligende Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO betreffend die Schuldsprüche I./ und II./ infolge Missachtung des Grundsatzes der Spezialität von Amts wegen wahrzunehmen (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO).

Der Angeklagte wurde aufgrund des von der Staatsanwaltschaft Wels ausgestellten Europäischen Haftbefehls vom 19. Jänner 2010 (ON 38), welcher auf einer gerichtlichen Bewilligung der Anordnung der Festnahme durch das Landesgericht Wels vom 15. Jänner 2010 beruht (ON 37), am 4. Februar 2010 in Polen festgenommen und nach Österreich ausgeliefert (ON 47).

Dieser Europäische Haftbefehl bezog sich ausschließlich auf den vom Schuldspruch III./ umfassten Sachverhalt, nicht aber auf die den Schuldsprüchen I./ und II./ zugrunde liegenden Taten.

Damit kamen in der Hauptverhandlung insoweit Indizien für das Vorliegen eines prozessualen Verfolgungshindernisses infolge Fehlens einer nach § 31 Abs 1 EU-JZG erforderlichen, speziell auf eine konkret bezeichnete Tat bezogene Auslieferungsbewilligung vor, die das Erstgericht ungeklärt ließ (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 600 und § 290 Rz 17; 14 Os 148/08h; 13 Os 109/07i). Ob nämlich der Angeklagte vor der vollstreckenden polnischen Justizbehörde seiner Übergabe zugestimmt und ausdrücklich auf die Beachtung des Grundsatzes der Spezialität verzichtet hatte (§ 31 Abs 2 Z 6 EU-JZG) oder ob seitens der vollstreckenden Justizbehörde eine Erklärung iSd § 31 Abs 2 Z 7 EU-JZG erfolgt war und damit Gründe für eine Aufhebung der Spezialitätsbindung vorlagen, kann angesichts der vom erkennenden Gericht unterlassenen Beischaffung der Auslieferungsunterlagen nicht abschließend beurteilt werden.

Da somit eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in der Sache selbst nicht in Frage kommt, war das Urteil, das im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, bereits bei nichtöffentlicher Beratung im Umfang der Schuldsprüche I./ und II./, demzufolge auch im Strafausspruch aufzuheben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen (§ 285e StPO).

Im zweiten Rechtsgang wird dabei zu beachten sein:

Sollten hinsichtlich der vom Schuldspruch I./ und II./ erfassten Straftaten Gründe für eine Aufhebung der Spezialitätsbindung (§ 31 Abs 2 EU-JZG) nicht vorgelegen haben, wird - mangels aktenkundigen Hinweises auf ein im Zeitpunkt des angefochtenen Urteils anhängig gewesenes Nachtragsauslieferungsverfahren - diesbezüglich ein Freispruch zu ergehen haben (vgl RIS-Justiz RS0098426; 14 Os 148/08h). Scheidet nämlich eine Verweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht bloß zur nachträglichen Erwirkung der Zustimmung des ausliefernden Staats (§ 31 Abs 4 EU-JZG) schon deshalb aus, weil die von § 293 Abs 2 StPO angeordneten Bindung für die Staatsanwaltschaft nicht gilt, sodass der Oberste Gerichtshof nach ständiger Rechtsprechung mit Freispruch vorgeht, wenn die Aktenlage im Betreff des Fehlens sowohl einer Auslieferungsbewilligung als auch aktenkundige Hinweise auf ein im Zeitpunkt der Urteilsfällung erster Instanz anhängiges Nachtragsauslieferungsverfahren eindeutig ist (vgl SSt 52/49; RIS-Justiz RS0092340, RS0098426), kommt es schon aus Fairnessgründen (Art 6 MRK) auch in den Fällen, in denen (beispielsweise wegen einer unvollständigen Entscheidungsgrundlage) keine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in der Sache selbst erfolgen kann, nicht in Frage, der Staatsanwaltschaft auch nur die Möglichkeit einer nachträglichen Sanierung eines solchen im ersten Rechtsgang unbeachtet gebliebenen prozessualen Verfolgungshindernisses einzuräumen (vgl 14 Os 148/08h).

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO. Sie betrifft nicht auch das amtswegige Vorgehen.

Schlagworte

Strafrecht

Textnummer

E96290

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0120OS00178.10H.0125.000

Im RIS seit

11.03.2011

Zuletzt aktualisiert am

25.08.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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