TE OGH 2011/2/1 10ObS179/10m

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Veröffentlicht am 01.02.2011
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter DI Rudolf Pinter (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag KR Michaela Puhm (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei M*****, vertreten durch Summer, Schertler, Stieger, Kaufmann, Droop, Rechtsanwälte in Bregenz, gegen die beklagte Partei Vorarlberger Gebietskrankenkasse, Jahngasse 4, 6850 Dornbirn, vertreten durch Hoffmann & Brandstätter Rechtsanwälte KG in Innsbruck wegen Wochengeld, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. September 2010, GZ 25 Rs 20/10t-9 (in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses des Berufungsgerichts vom 19. Oktober 2010, GZ 25 Rs 20/10t-11), womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht vom 3. Dezember 2009, GZ 35 Cgs 236/09m-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 185,76 EUR (darin 30,96 EUR USt) an Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die am 25. 10. 1979 geborene Klägerin bezog vom 15. 3. 2009 bis 1. 8. 2009 Arbeitslosengeld von 28,88 EUR täglich und ab 2. 8. 2009 Notstandshilfe von 11,93 EUR täglich. Sie war zu dieser Zeit schwanger. Da der errechnete Geburtstermin auf den 28. 9. 2009 fiel, begann ihre Mutterschutzfrist am 3. 8. 2009. Die Klägerin war bis zum 23. 11. 2009 im Mutterschutz. Das Kind kam am 15. 9. 2009 zur Welt.

Mit dem angefochtenen Bescheid der beklagten Partei vom 24. 9. 2009 wurde der Klägerin für den Zeitraum 3. 8. 2009 bis 23. 11. 2009 (113 Tage) Wochengeld von 28,88 EUR täglich zuerkannt und das Mehrbegehren „hinsichtlich Wochengeld in Höhe von 180 % des zuerkannten Tagsatzes“ abgewiesen.

Die dagegen erhobene Klage ist auf Zahlung von (weiteren) 2.610,30 EUR an Wochengeld gerichtet, also täglich um 23,10 EUR (= 80 %) mehr. Die Klägerin habe gemäß § 41 Abs 1 AlVG iVm § 162 Abs 3 vierter Satz ASVG (auch) Anspruch auf Erhöhung des im Beobachtungszeitraum 1. 5. 2009 bis 31. 7. 2009 bezogenen Arbeitslosengelds (von täglich 28,88 EUR) um 80 %, also auf 51,98 EUR. Gemäß § 162 Abs 3 vierter Satz ASVG sei bei Ermittlung des Arbeitsverdienstes nach § 162 Abs 3 ASVG - im Fall eines Leistungsbezugs nach dem AlVG - der ermittelte Tagsatz aus dem Arbeitsverdienst um 80 % zu erhöhen. Eine „Nichterhöhung“ um 80 % wäre systemwidrig und würde eine wesentliche Schlechterstellung von Notstandshilfebeziehern gegenüber Beziehern von Arbeitslosengeld bedeuten.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Mit dem SRÄG 2006 (BGBl I 2006/131) sei § 41 Abs 1 AlVG dahin erweitert worden, dass dann, wenn es für Notstandshilfebezieherinnen günstiger sei, das Wochengeld mit der Maßgabe nach § 162 Abs 3 ASVG zu berechnen sei, dass für Zeiten des Bezugs einer Leistung ua nach dem AlVG die jeweils bezogene Leistung als Arbeitsverdienst heranzuziehen sei. Nach dieser Berechnung sei der Arbeitslosengeldbezug der Klägerin in den letzten drei Monaten vor dem Eintritt des Versicherungsfalls (1. 5. bis 31. 7. 2009) von täglich 28,88 EUR relevant. Dieser Betrag sei nicht um 80 % zu erhöhen, weil der Gesetzgeber des SRÄG 2006 in den ErläutRV ausgeführt habe, dass die Bezüge nach dem KBGG, AlVG und KGG der letzten drei Monate in der Vergleichsrechnung „nicht aufgewertet“ würden.

Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei in Wiederholung des durch die Klage außer Kraft getretenen Bescheids schuldig, der Klägerin für den Zeitraum 3. 8. 2009 bis 23. 11. 2009 Wochengeld in Höhe von 28,88 EUR täglich zu bezahlen. Das darüber hinausgehende Klagebegehren, die beklagte Partei zur Bezahlung von (weiteren) 2.610,30 EUR an Wochengeld für den gleichen Zeitraum zu verpflichten, wies es ab. Es schloss sich dem Standpunkt der Beklagten an, § 41 Abs 1 zweiter Satz AlVG sei dahin zu verstehen, dass für die Berechnung des Wochengelds der Letztbezug nach dem AlVG maßgebend sei und keine Durchschnittsberechnung iSd § 162 Abs 3 ASVG stattzufinden habe. Der letztgenannten Bestimmung sei kein Hinweis darauf zu entnehmen, dass der Tagsatz von 28,88 EUR um 80 % zu erhöhen sei.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Das nach § 41 Abs 1 Satz 2 AlVG gebührende Wochengeld sei ebenso wie das im ersten Satz dieser Bestimmung angeführte Krankengeld gemäß der höchstgerichtlichen Judikatur vom letzten Leistungsbezug nach dem AlVG zu bemessen (RIS-Justiz RS0050753). Diese bereits in der Entscheidung 10 ObS 115/92 zum Ausdruck kommende Auffassung sei nach wie vor maßgeblich, weil die Fassung des § 41 Abs 1 erster und zweiter Satz AlVG - abgesehen von der die Bezieherinnen von Weiterbildungsgeld betreffenden, „im vorliegenden Fall nicht relevanten Weiterung“ - seit 1976 keine Änderung erfahren habe. Die Vorgängerbestimmung des § 41 Abs 1 AlVG, nämlich § 33 AlVG 1958 idF BGBl 1958/199, habe noch dahin gelautet, dass als Wochengeld „ein Betrag in der Höhe des um 80 vH erhöhten letzten Bezugs von Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe“ gebühre, also dezidiert auf den Letztbezug abstellt, wobei dieser Bezug aber mit der Höhe des auf den Kalendertag entfallenden durchschnittlichen Arbeitsverdienstes der letzten 13 Wochen vor Eintritt der Arbeitslosigkeit nach oben hin begrenzt gewesen sei. Durch das Bundesgesetz vom 6. 5. 1976 (BGBl 1976/289) habe diese Regelung des Kranken- und Wochengeldanspruchs nunmehr als § 41 Abs 1 AlVG erster und zweiter Satz ihre heutige Fassung erhalten. Die damit einhergehende materiell-rechtliche Änderung beruhe auf dem Hinweis des Hauptverbandes, dass die Limitierung des Wochengelds mit der Höhe des auf den Kalendertag entfallenden durchschnittlichen Arbeitsverdienstes der letzten 13 Wochen vor Eintritt der Arbeitslosigkeit in Einzelfällen zu sozialen Härten führen könne, und zwar insbesondere dann, wenn die letzte Beschäftigung längere Zeit zurückliege. Dieser Anregung sei mit der Neufassung des § 41 Abs 1 zweiter Satz AlVG Rechnung getragen worden (146 BlgNR 14. GP 17). Eine mit dieser Änderung ebenfalls verbundene Absicht des Gesetzgebers, die Höhe des Wochengelds anders als die des Krankengelds nicht mehr vom Leistungsbezug nach AlVG ausgehend zu bemessen, lasse sich den zitierten Gesetzesmaterialien nicht entnehmen. Eine solche Änderung der bereits mit § 33 AlVG 1958 geschaffenen Rechtslage wäre auch nicht systemgerecht gewesen und hätte einer gesonderten Darlegung dementsprechender gesetzgeberischer Motive bedurft. Die höchstgerichtliche Auslegung des § 41 Abs 1 zweiter Satz AlVG werde auch von der Lehre gebilligt; auch Dirschmied und Pfeil (Arbeitslosenversicherungsrecht3 299 Anm 1.2. zu § 41 AlVG) verstünden § 41 Abs 1 zweiter Satz dahin, dass das Wochengeld das 1,8-fache des letzten Leistungsbezugs betrage.

Da es sich beim letzten Leistungsbezug der Klägerin nach dem AlVG vor Eintritt des Versicherungsfalls der Mutterschaft um Notstandshilfe iSd §§ 33 f AlVG in Höhe von 11,93 EUR pro Tag gehandelt habe, würde das ihr gemäß § 41 Abs 1 zweiter Satz AlVG gebührende Wochengeld einen Tagsatz von 21,47 EUR ergeben (= 11,93 EUR erhöht um 80 vH). Durch das SRÄG 2006 (BGBl I 2006/131) sei ein zusätzlicher Berechnungsmodus in die Bestimmung des § 41 Abs 1 ALVG aufgenommen worden, der Härtefälle habe vermeiden sollen, die bei einem geringen Notstandshilfebezug entstehen könnten. Nach dem neu hinzugekommenen dritten Satz dieser Bestimmung sei dann, wenn es für Bezieherinnen einer Notstandshilfe günstiger sei, das Wochengeld mit der Maßgabe nach § 162 Abs 3 ASVG zu berechnen, dass unter anderem für Zeiten des Bezugs einer Leistung nach dem AlVG die jeweils bezogene Leistung als Arbeitsverdienst heranzuziehen sei. Nach dem neuen dritten Satz des § 41 Abs 1 AlVG sei für das Wochengeld also wie beim Ersatz für Erwerbseinkommen auf den Durchschnitt der letzten 13 Wochen abzustellen, wenn dies für Arbeitslose günstiger sei, als die Berechnungen nach § 41 Abs 1 Satz 2 AlVG, wobei von einer Erhöhung auch dieses Bezugs um 80 % nicht die Rede sei. Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage des § 41 Abs 1 AlVG idF des SRÄG 2006 (1408 der BlgNR 22. GP 8) ließen keinen Zweifel am vom Gesetzgeber mit diesen Günstigkeitsvergleich Gewollten offen: Diese Erläuterungen (zu Art 5 Z 3 SRÄG 2006 [§ 41 Abs 1 AlVG]) lauteten nämlich dahin, dass, um die Situation der betroffenen Notstandshilfebezieherinnen zu verbessern eine Vergleichsrechnung nach der Bemessungsregelung des ASVG durchgeführt werden solle, wobei die im Bemessungszeitraum liegenden Bezüge nach dem KBGG, AlVG und KGG im Sinn der „Orientierung an den tatsächlichen durchschnittlichen Einkommensverhältnissen der letzten drei Monate in dieser Vergleichsrechnung nicht aufgewertet werden“. Diese Intention komme im dritten Satz des § 41 Abs 1 AlVG klar zum Ausdruck, indem diese Bestimmung die analoge Anwendung des § 162 Abs 3 ASVGnur mit der Maßgabe“ zulasse, dass dabei die jeweils nach dem AlVG bezogenen Leistungen als solche als Arbeitsverdienst zu berücksichtigen seien.

Die sich auf die Rechtslage vor der 50. ASVG-Novelle bis zum SRÄG 2006 beziehende Judikatur zur Wochengeldberechnung nach § 162 Abs 3 ASVG aufgrund Arbeitslosen- und Notstandshilfebezügen (siehe etwa 10 ObS 36/95) sei aufgrund der den Günstigkeitsvergleich betreffenden neuen gesetzlichen Anordnung des eine Spezialnorm zum ASVG bildenden, also in einem Fall wie dem vorliegenden primär anzuwendenden § 41 Abs 1 AlVG idF SRÄG 2006 „nicht mehr heranziehbar“. Die Vergleichsrechnung habe nach dem nunmehrigen klaren Wortlaut des § 41 Abs 1 AlVG vielmehr dergestalt zu erfolgen, dass dem um 80 % erhöhten Letztbezug vor Eintritt des Versicherungsfalls der Mutterschaft (hier 180 % der zuletzt bezogenen Notstandshilfe: 21,47 EUR pro Tag) der nicht aufgewertete Bezug nach dem AlVG während der letzten 13 Wochen vor Eintritt des Versicherungsfalls (hier: 28,88 EUR pro Tag) gegenüberzustellen sei.

Gegen diesen Regelungsinhalt der Bestimmung des § 41 Abs 1 AlVG und des § 162 Abs 3 ASVG in der hier maßgeblichen Fassung bestünden auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

Das Berufungsgericht sprach aus, die ordentliche Revision sei zulässig, weil sich der Oberste Gerichtshof mit dem Günstigkeitsvergleich des § 41 Abs 1 AlVG in Bezug auf eine mit dem vorliegenden Fall vergleichbare Konstellation noch nicht habe auseinandersetzen müssen.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im klagsstattgebenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt und angeregt, ein Gesetzesprüfungsverfahren betreffend die Bestimmungen des § 162 ASVG iVm § 41 Abs 1 AlVG gemäß Art 140 Abs 1 BVG an den Verfassungsgerichtshof zu stellen.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision der Klägerin nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.

Da die Entscheidung des Berufungsgerichts vom Obersten Gerichtshof bestätigt wird und dieser die Begründung des Berufungsgerichts für zutreffend erachtet, ist zunächst auf deren Richtigkeit hinzuweisen (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO).

Ergänzend ist hinzuzufügen, dass die Beurteilung des Berufungsgerichts auch mit den zuletzt zur Auslegung der maßgebenden Bestimmungen (§ 162 Abs 3 ASVG iVm § 41 Abs 1 AlVG) ergangenen Entscheidungen 10 ObS 16/10s und 10 ObS 29/10b in Einklang steht. Danach ist von folgenden Grundsätzen auszugehen:

1. Das Wochengeld aus dem Versicherungsfall der Mutterschaft nach dem ASVG ist eine Geldleistung aus der Krankenversicherung (vgl § 117 Z 4 lit d ASVG). Der Versicherungsfall der Mutterschaft tritt in der Regel mit dem Beginn der 8. Woche vor der voraussichtlichen Entbindung, also mit dem Beginn der Schutzfrist, ein (§ 120 Z 3 ASVG).

1.2. Bei der Klägerin trat der Versicherungsfall der Mutterschaft am 3. 8. 2009 ein. Zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls bestand aufgrund des Bezugs von Notstandshilfe eine Pflichtversicherung der Klägerin in der Krankenversicherung: § 40 Abs 1 AlVG bestimmt, dass die Bezieher von Leistungen nach § 6 Z 1 bis 4 sowie 6 und 7 AlVG während des Leistungsbezugs bei der Gebietskrankenkasse ihres Wohnorts krankenversichert sind; in § 6 Z 2 AlVG ist die Notstandshilfe als Leistung der Arbeitslosenversicherung angeführt.

1.3. Die näheren Voraussetzungen für die Gewährung von Wochengeld, insbesondere auch die Höhe des Wochengeldes, sind in § 162 ASVG geregelt. Nach Abs 1 dieser Gesetzesstelle gebührt weiblichen Versicherten für die letzten acht Wochen vor der voraussichtlichen Entbindung, für den Tag der Entbindung und für die ersten acht Wochen nach der Entbindung (113 Tage) ein tägliches Wochengeld.

2. Die Höhe des Wochengeldes bemisst sich gemäß § 162 Abs 3 Satz 1 ASVG nach dem Durchschnitt des in den letzten 13 Wochen (drei Kalendermonaten) vor dem Eintritt des Versicherungsfalls der Mutterschaft gebührenden Arbeitsverdienstes, vermindert um die gesetzlichen Abzüge; die auf diesen Zeitraum entfallenden Sonderzahlungen sind nach Maßgabe des Abs 4 zu berücksichtigen.

2.1. Nach § 162 Abs 3 Satz 4 ASVG gilt jedoch dann, wenn in den für die Ermittlung des durchschnittlichen Arbeitsverdienstes maßgebenden Zeitraum auch Zeiten des Bezugs einer Leistung nach dem KBGG oder nach dem AlVG 1977 fallen, für diese Zeiten als Arbeitsverdienst jenes Wochengeld, das aufgrund des Abs 3a Z 2 iVm mit Abs 5 Z 3 oder aufgrund des AlVG 1977 beim Eintritt des Versicherungsfalls der Mutterschaft während des Leistungsbezugs gebührt hätte. Zeiten des Bezugs von Arbeitslosengeld, (nunmehr) Kinderbetreuungsgeld und Notstandshilfe sind seit der 50. ASVG-Nov also derart zu berücksichtigen, dass der jeweilige Leistungsbezug iSd § 41 Abs 1 AlVG um achtzig Prozent aufgestockt wird, was auch für den Fall „gemischter Bedeckung“ gilt (RIS-Justiz RS0084152 = 10 ObS 36/95 = SSV-NF 9/36).

3. Es ist im vorliegenden Fall nicht strittig, dass die Klägerin als Bezieherin von Notstandshilfe Anspruch auf Wochengeld hat. Die Höhe des Wochengeldes für Arbeitslose sowie für Bezieher von Weiterbildungsgeld und Notstandshilfe ist in § 41 Abs 1 Satz 2 AlVG geregelt. Danach ist das Wochengeld für Bezieherinnen von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe abweichend vom ASVG immer mit 180 % des Bezugs zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls zu bemessen. Es entspricht damit annähernd dem aus der Beitragsgrundlage zu diesem Leistungsbezug resultierenden Nettoverdienst (10 ObS 16/10s und 10 ObS 29/10b; Dirschmied/Pfeil, AlVG³, 11. Erg.-Lfg., § 41 Anm 1.2., 299).

4. Gleiches gilt nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (10 ObS 16/10s und 10 ObS 29/10b) auch für den Bezug von Weiterbildungsgeld. Dessen Höhe orientiert sich aber (der insoweit bestehenden Sonderregelung des § 41 Abs 1 Satz 2 AlVG entsprechend) an dem dem Leistungsbezug vorangegangenen „Arbeitsverdienst“, wobei die Berechnungsmethode des § 162 Abs 3 und 4 ASVG heranzuziehen ist.

4.1. Es fließt also immer der durchschnittliche Arbeitsverdienst der Versicherten in das Wochengeld ein, und zwar nach dem Bezug von Weiterbildungsgeld, indem direkt auf das (aktuelle) Arbeitseinkommen abgestellt wird, und in den anderen Fällen eines Leistungsbezugs nach dem AlVG, indem die Leistung, die 55 % des (nach § 21 Abs 1 AlVG ermittelten) Nettoeinkommens beträgt, für die Bemessung des Wochengeldes um 80 vH erhöht wird.

5. Auch die Klägerin hat am Stichtag (3. 8. 2009) eine solche Leistung (nämlich Notstandshilfe) bezogen, welche - im Sinn der allgemeinen Bemessungsregelung für Wochengeldansprüche im Anwendungsbereich des AlVG - erhöht um 80 vH der Wochengeldbemessung zu Grunde zu legen ist. Ausgehend vom letzten Leistungsbezug der Klägerin nach dem AlVG vor Eintritt des Versicherungsfalls der Mutterschaft (= Notstandshilfe von 11,93 EUR pro Tag) haben die Vorinstanzen zutreffend ermittelt, dass das der Klägerin gemäß § 41 Abs 1 Satz 2 AlVG gebührende Wochengeld einen Tagsatz von 21,47 EUR ergeben würde (= 11,93 EUR erhöht um 80 vH).

6. Für die Klägerin als Notstandshilfebezieherin ist es aber günstiger, das Wochengeld nach dem dritten Satz des § 41 Abs 1 AlVG zu berechnen.

6.1. Nach der Spezialbestimmung des § 41 Abs 1 Satz 3 AlVG hat die Wochengeldberechnung dann, wenn es für die Bezieherinnen einer Notstandshilfe günstiger ist, „mit der Maßgabe nach § 162 Abs 3 ASVG“ zu erfolgen, dass für Zeiten des Bezugs einer Leistung nach dem KBGG, AlVG oder KGG „die jeweils bezogene Leistung“ als Arbeitsverdienst heranzuziehen ist. Demnach ist für die Vergleichsrechnung im vorliegenden Fall - wie bereits die Vorinstanzen richtig erkannt haben - auf das von der Klägerin im Beobachtungszeitraum 1. 5. 2009 bis 31. 7. 2009 bezogene Arbeitslosengeld von täglich 28,88 EUR abzustellen.

7. Dass eine Erhöhung (auch) dieser „jeweils bezogenen Leistung“ um 80 % nicht stattfindet, hat bereits das Berufungsgericht ausführlich begründet und ergibt sich sowohl aus dem klaren Gesetzeswortlaut als auch aus den Materialien zur Regierungsvorlage zu § 41 Abs 1 AlVG idF des SRÄG 2006 (1408 der BlgNR 22. GP 8).

7.1. Es geht nämlich nicht nur aus den ErläutRV (zu Art 5 Z 3 SRÄG 2006 [§ 41 Abs 1 AlVG]) hervor, dass (zwar) eine Vergleichsrechnung nach der Bemessungsregelung des ASVG durchgeführt werden solle, um die Situation der betroffenen Notstandshilfebezieherinnen zu verbessern, dass (aber) die im Bemessungszeitraum liegenden Bezüge im Sinn der „Orientierung an den tatsächlichen durchschnittlichen Einkommensverhältnissen der letzten drei Monate in dieser Vergleichsrechnung nicht aufgewertet werden“ sollen; vielmehr kommt dies im dritten Satz des § 41 Abs 1 AlVG auch klar zum Ausdruck, weil die Wochengeldberechnung nach § 162 Abs 3 ASVG ausdrücklich „nur mit der Maßgabe“ zu erfolgen hat, dass dabei die jeweils nach dem AlVG „bezogene Leistung“ als Arbeitsverdienst heranzuziehen ist.

8. Dies verkennt die Revision, wenn sie sich weiterhin darauf beruft, der Tagsatz an Arbeitslosengeld sei um 80 % zu erhöhen, weil die Klägerin gemäß § 162 Abs 3 Satz 4 ASVG so zu stellen sei, „als wäre der Versicherungsfall der Mutterschaft während des Bezugs dieser Leistung eingetreten“.

8.1. Der im Rechtsmittel vertretenen Auffassung, wonach dem Berufungsgericht lediglich dann zu folgen wäre, wenn § 41 Abs 1 AlVG ausdrücklich festhielte, dass § 162 Abs 3 Satz 4 ASVG „bei Vornahme der Vergleichsrechnung nicht anzuwenden ist“, was dem Gesetz jedoch nicht zu entnehmen sei, vermag sich der Oberste Gerichtshof daher aus den zu Punkt 7 angeführten Erwägungen nicht anzuschließen.

8.2. Davon abgesehen würde die Auslegung der Klägerin den normierten Günstigkeitsvergleich überhaupt entbehrlich machen, weil dann wohl jede andere (um 80 vH erhöhte) Leistung nach dem AlVG immer ein für die betroffene Notstandshilfebezieherin günstigeres Wochengeld zur Folge hätte als die aufgestockte Notstandshilfe.

9. Verfassungsrechtliche Bedenken im Sinn der monierten sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung von Notstandshilfebezieherinnen gegenüber Beziehern von Arbeitslosengeld bestehen ebenfalls nicht; der Umstand, dass das Wochengeld im Fall der Vergleichsrechnung für Notstandshilfebezieherinnen wegen der Nicht-Aufwertung des zuvor bezogenen Arbeitslosengeldes niedriger ausfällt, als jenes von Bezieherinnen dieser Leistung am Stichtag, ist nämlich schon durch die damit korrespondierende geringere Höhe des Notstandshilfebezugs gerechtfertigt. Wie bereits das Berufungsgericht aufgezeigt hat, steht dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum insofern zu, als er in seinen rechts- und wirtschaftspolitischen Zielsetzungen frei ist, wobei gerade im Sozialversicherungsbereich die Notwendigkeit von Stichtagsregelungen ausdrücklich anerkannt ist und die darauf beruhende zeitliche Differenzierung nicht grundsätzlich gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz verstößt (stRsp; RIS-Justiz RS0117654).

Die Revision der Klägerin muss daher insgesamt erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Da die Entscheidung von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage nach § 502 Abs 1 ZPO abhängt, entspricht es der Billigkeit, der Klägerin, die vor dem Wochengeld zuletzt Notstandshilfe bezog, den Ersatz der Hälfte ihrer Verfahrenskosten zuzusprechen.

Schlagworte

12 Sozialrechtssachen,

Textnummer

E96262

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:010OBS00179.10M.0201.000

Im RIS seit

18.02.2011

Zuletzt aktualisiert am

17.09.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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