TE OGH 2011/2/22 8ObA60/10x

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Veröffentlicht am 22.02.2011
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kuras und Dr. Tarmann-Prentner sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Michael Umfahrer und Helmut Tomek als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Mag. H***** R*****, vertreten durch Dr. Franz Müller-Strobl und Dr. Robert Kugler, Rechtsanwälte in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei Land Kärnten, 9020 Klagenfurt, Arnulf Platz 1, vertreten durch Juridicom Mag. Holzer, Mag. Kofler, Mag. Mikosch, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen 8.045,79 EUR brutto sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Zwischenurteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 19. Mai 2010, GZ 7 Ra 14/10y-19, mit dem das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht vom 12. Oktober 2009, GZ 30 Cga 49/09s-15, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichts wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts einschließlich der Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.085,09 EUR (darin enthalten 180,85 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit 1.976,27 EUR (darin enthalten 123,71 EUR USt und 1.234 EUR Pauschalgebühren) bestimmten Kosten der Revision binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin steht seit 2. 1. 1991 als Vertragsbedienstete in einem Dienstverhältnis zur Beklagten. Zunächst arbeitete sie als diplomierte Hebamme. Während ihrer Karenz absolvierte sie das Studium der Psychologie. Entsprechend ihrem Wunsch wurde sie mit Wirkung vom 1. 8. 2006 im Rahmen einer Teilzeitbeschäftigung von 50 % als Lehrhebamme an die Hebammenakademie versetzt. Da an der Hebammenakademie zu wenig Unterrichtsstunden verfügbar waren, wurde sie vereinbarungsgemäß an allen medizinisch-technischen Akademien der Beklagten eingesetzt, wo sie Psychologie und Kommunikationstraining unterrichtete. Die Klägerin wurde in die Entlohnungsgruppe k 3a (laut Anlage 10 zum Kärntner Landesvertragsbedienstetengesetz 1994 [K-LVBG 1994]) eingestuft. Diese Entlohnungsgruppe ist für folgende Verwendungen vorgesehen:

1. Diplomierte Gesundheits- und Krankenschwester/Diplomierter Gesundheits- und Krankenpfleger

2. Diplomierte Krankenschwester/Diplomierter Krankenpfleger

3. Diplomierte psychiatrische Gesundheits- und Krankenschwester/Diplomierter psychiatrischer Gesundheits- und Krankenpfleger

4. Hebamme.

Seit 1. 8. 2006 bezieht die Klägerin eine monatliche Unterrichtspauschale. Seit 1. 2. 2008 wird ihr die Bezugsdifferenz zur Entlohnungsgruppe k 3c gewährt. Diese Entlohnungsgruppe ist für folgende Verwendungen vorgesehen:

1. Oberschwester/Oberpfleger

2. Stationsschwester/Stationspfleger

3. Dienstführende Anästhesie-, OP- oder Intensivschwester/-pfleger

4. Leitende Hebamme

5. Dienstführende Hebamme

6. Hygienefachkraft

7. Lehrerin/Lehrer für Gesundheits- und Krankenpflege.“

Die von der Klägerin angestrebte Entlohnungsgruppe k 2c ist für folgende Verwendungen vorgesehen:

1. Leitende und dienstführende gehobene med.-technische Assistenten

2. Lehrassistenten.

Jede Entlohnungsgruppe enthält neben der Beschreibung der jeweiligen Verwendung auch detaillierte Einreihungsvoraussetzungen. Für die Entlohnungsgruppe k 2c lauten diese wie folgt:

Zusätzlich zum Erfordernis nach Z 5 1a das Zeugnis über die Sonderausbildung nach § 57b des Bundesgesetzes über die Regelung des medizinisch-technischen Fachdienstes und der Sanitätshilfdienste (MTF-SHD-G), BGBl Nr 102/1961, oder nach § 32 MTD-Gesetz sowie die Bestellung in diese Funktion.

Die Klägerin begehrte für den Zeitraum August 2006 bis Dezember 2008 die Entgeltdifferenzen zur Entlohnungsgruppe k 2c. Sie sei nicht als Lehrhebamme tätig, sondern unterrichte Psychologie und Kommunikationstraining, und zwar hauptsächlich nicht an der Hebammenakademie. Ihre Lehrtätigkeit stehe mit dem Beruf einer Hebamme demnach in keinem Zusammenhang. Die anzuwendenden Einstufungsregelungen wiesen in dieser Hinsicht eine Regelungslücke auf. Die angestrebte Einstufung sei auch nach dem Gleichheitsgebot berechtigt, zumal andere Lehrkräfte mit vergleichbaren Berufsbildern nach der höheren Einstufung entlohnt würden.

Die Beklagte entgegnete, dass der Landesgesetzgeber ein leistungs- und ausbildungsbezogenes Einstufungssystem geschaffen habe. Aus diesem Grund habe er Ausbildungsnachweise als Qualitätskriterium für die einzelnen Berufsbilder festgelegt. Eine Regelungslücke liege nicht vor. Die Tätigkeit der Klägerin entspreche auch nicht vergleichbaren Berufsbildern der Entlohnungsgruppe k 2c. Da die Klägerin die ausdrücklich geforderten Sonderausbildungen nicht aufweise, sei sie keine Lehrassistentin.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Eine Einstufung oder Entlohnung der Klägerin nach der Gehaltsgruppe k 2c sei nicht gerechtfertigt, weil sie die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nicht erfülle. Da für die Einstufung bindende Qualifikationsvorschriften bestünden, komme es nicht auf die ausgeübte Tätigkeit an. Eine Gesetzeslücke in den Einstufungsregelungen sei nicht erkennbar. Auch von einer Benachteiligung der Klägerin könne nicht ausgegangen werden, weil alle übrigen hauptberuflich Lehrenden an den medizinisch-technischen Akademien im Gehaltsschema k 2c über die dafür notwendigen Aufnahmevoraussetzungen verfügten.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge und sprach mit Zwischenurteil aus, dass das Klagebegehren dem Grunde nach zu Recht bestehe. Die Tätigkeit einer Lehrhebamme habe die Klägerin tatsächlich nie ausgeübt. Mit Rücksicht auf ihren atypischen Berufsverlauf erscheine die von der Beklagten vorgenommene Einstufung in die Entlohnungsgruppe k 3a bei Aufzahlung auf die Entlohnungsgruppe k 3c nicht sachgerecht. Vergleiche man die Ausbildung der Klägerin und die von ihr erbrachten Dienstverrichtungen mit der Ausbildung und den Aufgaben der Lehrkräfte an den medizinisch-technischen Akademien, die in die Entlohnungsgruppe k 2c eingestuft seien, so erweise sich die Forderung der Klägerin nach einer Entlohnung analog der Entlohnungsgruppe k 2c als berechtigt. Es werde daher ihre Ansicht geteilt, dass die Berufsgruppen des Entlohnungsschemas „k“ nach dem Kärntner Landesvertragsbedienstetengesetz eine Regelungslücke aufwiesen. Die Ausbildung und Aufgaben der Klägerin würden in ihrer Wertigkeit jedenfalls jenen der Absolventen einer medizinisch-technischen Akademie mit entsprechender Sonderausbildung entsprechen. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zur Frage der analogen Entlohnung eines Vertragsbediensteten nach einer im anzuwendenden Vertragsbedienstetengesetz vorgesehenen Entlohnungsgruppe infolge Annahme einer Regelungslücke höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Beklagten wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung in der Weise abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen werde; hilfsweise werde ein Aufhebungsantrag gestellt.

Mit ihrer Revisionsbeantwortung beantragt die Klägerin dem Rechtsmittel der Gegenseite den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil die Entscheidung des Berufungsgerichts mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht im Einklang steht. Die Revision ist dementsprechend auch berechtigt.

1. Gemäß § 34 Abs 2 K-LVBG 1994 gelten die in Anlage 10 des genannten Gesetzes geregelten Aufnahmeerfordernisse gleichzeitig als Bestimmungen über die Voraussetzungen für die Einreihung in die einzelnen Entlohnungsgruppen des Entlohnungsschemas „k“. Unstrittig ist, dass die Klägerin mangels der geforderten Sonderausbildungen die konkret normierten Voraussetzungen für eine Einstufung in die Entlohnungsgruppen k 2c und k 3c nicht erfüllt. Sie verfügt auch nicht, worauf schon das Erstgericht hingewiesen hat, über Hochschullehrgänge, die den für die Einstufung in die Entlohnungsgruppe k 2c geforderten Sonderausbildungen gemäß der Gesundheits- und Krankenpflege-Lehr- und Führungsaufgaben-Verordnung (GuK-LFV) gleichwertig sind.

2.1 Der Grundsatz, wonach sich die Einstufung eines Vertragsbediensteten nach den tatsächlich geleisteten Diensten und nicht nach dem Inhalt des Dienstvertrags richtet, gilt nach der Rechtsprechung nur dort, wo der rechtliche Inhalt der im Entlohnungsschema für die einzelnen Entlohnungsgruppen verwendeten Bezeichnungen im Gesetz nicht näher bestimmt ist und außerdem genaue Bestimmungen über die Einstufungsvoraussetzungen fehlen. Bestehen aber bindende Qualifikationsvorschriften für die Einstufung in eine Verwendungsgruppe und damit konkrete Einstufungserfordernisse, so gilt der Grundsatz der Berücksichtigung der tatsächlich ausgeübten Leistung nicht (RIS-Justiz RS0081501; 9 ObA 21/05m mwN).

2.2 Im Anlassfall sind die Voraussetzungen für die Einstufung in die einzelnen Entlohnungsgruppen im Gesetz detailliert beschrieben. Es besteht somit eine positive konkrete Einstufungsregelung. Das einschlägige Landesgesetz bindet die Einstufung der Vertragsbediensteten in die einzelnen Entlohnungsgruppen an die Erbringung bestimmter Aufnahmeerfordernisse. Diese Erfordernisse beziehen sich im gegebenen Zusammenhang auf den Nachweis konkreter Sonderausbildungen.

Nach den dargestellten Grundsätzen ist für die Einstufung der Klägerin der Inhalt des Dienstvertrags maßgeblich. Danach ist die Klägerin als Lehrhebamme beschäftigt. Darauf, ob der Unterricht in den Fächern Psychologie und Kommunikationstraining auch zur Hebammenausbildung gehört (vgl § 24 Abs 2 Z 11 Hebammengesetz) und es sich bei der Unterrichtstätigkeit der Klägerin im Rahmen der Hebammenausbildung daher um die Tätigkeit einer Lehrhebamme handelt oder ob dafür hebammenspezifische Lerninhalte vermittelt werden müssen, kommt es nicht an.

2.2 Die Einstufungsvorschriften des (hier) Landesvertragsbedienstetengesetzes sind zwingendes Recht; von ihnen kann grundsätzlich nicht abgegangen werden. Ihre Geltung ist nicht von einer Vereinbarung im Dienstvertrag abhängig (RIS-Justiz RS0081810; 9 ObA 66/01y).

Eine Verpflichtung der Beklagten, ihr generell eine Nachsicht von den gesetzlich vorgeschriebenen Sonderausbildungen zu erteilen, kann dem Gesetz nicht entnommen werden (vgl 9 ObA 66/01y).

3.1 Ein Analogieschluss setzt eine nicht gewollte Gesetzeslücke voraus, also eine - gemessen an der eigenen Absicht und immanenten Teleologie des Gesetzes - planwidrige Unvollständigkeit (RIS-Justiz RS0098756; RS0008866). Die bloße Meinung des Rechtsanwenders, eine Regelung sei wünschenswert, rechtfertigt die Annahme einer Gesetzeslücke noch nicht.

3.2 Der Kärntner Landesgesetzgeber hat die Einstufung der Vertragsbediensteten von ganz konkreten Qualifikationsanforderungen abhängig gemacht. Aus der detaillierten Regelung der Einstufungsanforderungen geht die Absicht des Gesetzgebers klar hervor, die Einstufung vom Vorliegen bestimmter, im Detail beschriebener Ausbildungsnachweise abhängig zu machen. Aufgrund der spezifizierten Auseinandersetzung mit den unterschiedlichsten Ausbildungsformen im Bezug auf Fachgebiet und Art des Nachweises kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, er habe gerade Ausbildungen und Erfahrungen wie im Fall der Klägerin übersehen, einen solchen Berufsverlauf aber ebenfalls berücksichtigen und als gesondertes Aufnahme- und Entlohnungserfordernis in das Einstufungsschema aufnehmen wollen. Das Argument, dass der Einsatz eines externen Psychologen im Vergleich zu einem hauptberuflich Lehrenden mit einem höheren Kostenaufwand verbunden sei, vermag die Annahme einer planwidrigen Lücke des Gesetzes ebenfalls nicht zu rechtfertigen.

Insgesamt fehlen begründete Anhaltspunkte für eine planwidrige Lücke. Für einen Analogieschluss besteht daher kein Raum.

4. Letztlich stützen sich die Klägerin und das Berufungsgericht hauptsächlich auf das Argument, dass die Klägerin bei vergleichbarer Tätigkeit ein geringeres Entgelt als die übrigen hauptamtlich an den medizinisch-technischen Akademien beschäftigten Lehrpersonen, die nach der Gehaltsgruppe k 2c entlohnt würden, erhalte.

Die Berufung auf den Gleichbehandlungsgrundsatz ist allerdings nicht stichhaltig. Der in Art 7 B-VG normierte Gleichheitssatz verpflichtet den Gesetzgeber, an gleiche Tatbestände gleiche Rechtsfolgen zu knüpfen. Er verbietet demnach willkürliche Differenzierungen, lässt aber unterschiedliche Regelungen dort zu, wo sie durch entsprechende Unterschiede im Tatsächlichen sachlich gerechtfertigt sind (RIS-Justiz RS0053452; 9 ObA 66/01y).

Die zu beurteilenden Entlohnungsregelungen verfolgen ohne jeden Zweifel das Ziel einer sachgerechten Einstufung, die sowohl auf die Vor- und Ausbildung als auch auf die konkrete Verwendung Rücksicht nimmt. Beim Erfordernis des Nachweises vertiefter fachlicher Kenntnisse durch Absolvierung von Sonderausbildungen handelt es sich jedenfalls um ein sachliches Qualifikationskriterium. Die in Rede stehenden Regelungen erscheinen damit weder willkürlich noch sachfremd. Die Schlussfolgerung des Berufungsgerichts, dass die Ausbildung und Dienstverrichtung der Klägerin „in ihrer Wertigkeit“ mit der Ausbildung und den Aufgaben der anderen, höher entlohnten Lehrkräften an den medizinisch-technischen Akademien vergleichbar seien, ist nicht gerechtfertigt, weisen die übrigen Lehrpersonen doch unstrittig die geforderten Sonderausbildungen für die Einstufung in die Entlohnungsgruppe k 2c auf. Der von der Klägerin begehrten höheren Einstufung stehen somit zwingende und sachlich gerechtfertigte gesetzliche Einstufungsbedingungen entgegen.

Ausgehend von den Feststellungen kann die Klägerin auch aus einer angeblichen Vollzeitbeschäftigung keine Ansprüche ableiten.

5. Die geltend gemachten Ansprüche erweisen sich insgesamt als nicht berechtigt. In Stattgebung der Revision war das angefochtene Urteil im Sinn einer Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichts abzuändern.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO iVm § 2 ASGG.

Schlagworte

Arbeitsrecht

Textnummer

E96488

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:008OBA00060.10X.0222.000

Im RIS seit

16.03.2011

Zuletzt aktualisiert am

16.03.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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