TE OGH 2011/2/25 7Rs8/11i

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Veröffentlicht am 25.02.2011
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Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin Dr. Glawischnig als Vorsitzende und die Richter Mag. Nigl und Mag. Brandl (Senat gemäß § 11a Abs 2 ASGG) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei der klagenden Partei Dr. H***** D*****, *****, wider die beklagte Partei P*****, wegen Alterspension, über den Rekurs der beklagten Partei gegen die im Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 30.9.2010, 35 Cgs 256/09g-33, enthaltene Kostenentscheidung (Rekursinteresse EUR 467,87), in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird teilweise Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird im Kostenpunkt [Punkt II.2.)] dahin abgeändert, dass dieser zu lauten hat:

„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 2.049,56 (darin enthalten EUR 63.- Barauslagen) bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.“

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

Begründung:

Mit seinem ausschließlich im Kostenpunkt angefochtenen Urteil sprach das Erstgericht aus, dass die Alterspension (gemeint des Klägers) monatlich ab 01.02.2009 EUR 959,39 und ab 01.01.2010 EUR 973,78 beträgt. Zugleich verpflichtete es die beklagte Partei, dem Kläger die mit EUR 2.446,87 (darin enthalten EUR 63,-- an Barauslagen und EUR 397,31 an USt) bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen, wobei es die Kostenentscheidung auf § 41 ZPO stützte.

In den Entscheidungsgründen des Urteiles wird dazu zunächst ausgeführt, dass grundsätzlich dem berufsmäßig mit der Parteienvertretung im Verfahren mit absolutem Anwaltszwang betrautem Rechtsanwalt seit der Zivilverfahrensnovelle 1983 die Selbstvertretungsbefugnis auch im Ruhestand zustehe, weil dies der Gesetzgeber auch den zum Richteramt befähigten Personen zugestanden habe, wobei es offensichtlich fälschlich davon ausging, dass der Kläger im vorliegenden Verfahren in erster Instanz einer Vertretung durch einen Rechtsanwalt bedurfte. Dies ist insoweit unrichtig, als § 39 Abs 3 ASGG ausdrücklich normiert, dass sich die Parteien in Sozialrechtssachen vor den Gerichten erster Instanz nicht vertreten lassen müssen, sodass eine Anwendung des § 27 ZPO über die generelle Verweisungsnorm des § 2 Abs 1 ASGG im vorliegenden Verfahren nicht in Betracht kommt. Mangels Entscheidungsrelevanz braucht auf die diesbezüglich unrichtigen Rechtsausführungen des Erstgerichts aber nicht weiter eingegangen zu werden.

Das Erstgericht führt in seinen Entscheidungsgründen zur angefochtenen Kostenentscheidung weiter aus, dass gemäß § 1 Abs 2 RATG die Vorschriften des RATG gelten, wenn „dem Rechtsanwalt in eigener Sache Kosten vom Gegner zu ersetzen seien“. Aufgrund der Vertretungsbefugnis eines emeritierten Rechtsanwaltes seien die ihm entstandenen Kosten – ebenfalls nach RATG - zu ersetzen. Da der emeritierte Rechtsanwalt aber „kein Gewerbe“ mehr ausfülle (wohl gemeint keine umsatzsteuerpflichtige selbständige Tätigkeit mehr ausübe), wäre ihm jedoch keine Umsatzsteuer zuzusprechen.

Mit Eingabe vom 30.9.2010 habe die beklagte Partei lediglich darauf verwiesen, dass lediglich ein Einheitssatz von 60% für die Klage zustünde. Wenngleich eine Vielzahl von Leistungen, die der Kläger in der Kostennote verzeichnet habe, nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung gedient habe und die Verzeichnung von Umsatzsteuer zu Unrecht erfolgt wäre, sei die Kostennote (mit Ausnahme der Einwendungen und der nicht dem Verfahren zuzählenden Klageerhebung zu 16 Cgs 179/10w) gemäß § 54 Abs 1a ZPO ungeprüft in die Entscheidung zu übernehmen.

Gegen diese Kostenentscheidung richtet sich der rechtzeitige Kostenrekurs der beklagten Partei mit dem Antrag, den angefochtenen Kostenspruch dahingehend abzuändern, dass die beklagte Partei schuldig erkannt werde, dem Kläger an Prozesskosten EUR 1.979.- (darin enthalten EUR 63.- USt) zu bezahlen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt

Der Kläger beantragt inhaltlich dem Rekurs nur teilweise Folge zu geben, den Kostenersatzanspruch der klagenden Partei mit EUR 2.049,56 festzusetzen und die beklagte Partei für schuldig zu erkennen, unter Berücksichtigung des von ihr bereits am 10.1.2011 an ihn bezahlten Betrages von EUR 1.979.- den offenen restlichen Betrag von EUR 70,56 binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution an den Kläger zu bezahlen.

Der Rekurs ist teilweise berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1.) Dem Erstgericht ist darin beizupflichten, dass ein Rechtsanwalt, ausgehend von § 1 Abs 2 RATG wonach dessen Vorschriften auch dann gelten, wenn dem Rechtsanwalt in eigener Sache Kosten vom Gegner zu ersetzen sind, auch in eigenen Angelegenheiten Kostenersatz auf Basis des RATG begehren kann. Diese Bestimmung hat – was von den Parteien des Verfahrens nicht in Zweifel gezogen wird – auch dann Anwendung zu finden, wenn die Kosten einem emeritierten Anwalt entstehen (OLG Wien, 12 R 89/04b mwN) und zwar unabhängig vom Bestehen eines Anwaltszwangs, weil der Kläger durch seine Selbstvertretung durch einen juristisch Befähigten vertreten war, was der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung gedient hat. Der Kläger hat im Verfahren erster Instanz auch obsiegt, sodass ihm gemäß § 77 Abs 1 Z 2 lit a und Abs 2 ASGG grundsätzlich der geltend gemachte Kostenersatzanspruch auf Basis des RATG zukommt (vgl auch Neumayr in Zellkomm § 77 ASGG Rz 9).

2.) Im Rechtsmittelverfahren ist zwischen den Parteien unstrittig, dass der vom Kläger (versehentlich) als Umsatzsteuer geltend gemachte und vom Erstgericht zugesprochene Betrag von EUR 397,31 nicht gebührt. Auch der Kläger erachtet den Rekurs in diesem Umfang als bererchtigt, sodass dem Rekurs der beklagten Partei insoweit Folge zu geben war ohne auf die von der Berufungswerberin diesbezüglich relevierte Frage näher einzugehen.

3.) Wie der VfGH jüngst in seinem Erkenntnis G280/09 vom 3.12.2010 ausgesprochen hat, ist bei der Bestimmung des (auch in Verfahren nach dem ASGG anzuwendenden; vgl Neumayr aaO Rz 2) § 54 Abs 1a ZPO idF BGBl I 2009/52 eine verfassungskonforme Interpretation dahingehend geboten, dass das Kostenverzeichnis nur die Grundlage für die gerichtliche Entscheidung bildet, das Gericht aber auf Schreib- oder Rechenfehlern oder anderen offenbaren Unrichtigkeiten beruhende Fehler zu korrigieren hat. Diese verfassungskonformen Interpretation des § 54 Abs 1a ZPO in der Fassung vor Inkrafttreten des Budgetbegleitgesetzes 2011, BGBl I Nr 111/2010, ist unabhängig von in den Gesetzesmaterialien enthaltenen, entgegenstehenden Aussagen vorzunehmen (vgl VfSlg 11.576/1987, 15.199/1998; VfGH 8.10.2009, G173/08; VfGH 3.12.2010, G280/09 ua).

Die Rechtsprechung des erkennenden Senats zu dieser Rechtslage, wonach einer Partei, die gegen die von ihrem Prozessgegner verzeichneten Kosten keine Einwendungen erhoben hat, infolge der vom Gesetz unterstellten Zustimmung bei Vorliegen einer dem Kostenverzeichnis entsprechenden Kostenentscheidung (jedenfalls) die Beschwer fehlt, sodass ein Rekurs dagegen zurückzuweisen ist (RIS-Justiz RW0000466), kann in dieser Allgemeinheit damit ebensowenig aufrechterhalten werden, wie die Judikatur des OLG Wien, wonach das Kostenverzeichnis einer Partei mangels Erhebung von Einwendungen durch ihren Gegner nach § 54 Abs 1a ZPO idF BGBl I 2009/52 der Entscheidung ungeprüft zugrundezulegen ist (vgl bspw OLG Wien 2 R 208/10p, 10 Ra 151/10i, 11 R 167/10z, 14 R 165/10b ua) bzw eine Überprüfungsmöglichkeit der verzeichneten Kosten auch in Bezug auf eine offenkundige oder gerichtsbekannte Unrichtigkeit nicht gegeben ist (OLG Wien 7 Rs 145/09h = RIS-Justiz RW0000466).

Soweit keine offenbaren Unrichtigkeiten bzw Schreib- oder Rechenfehler vorliegen, sind aber nach Ansicht des erkennenden Senats auch ausgehend von § 54 Abs 1a ZPO idF BGBl I 2009/52 und unter Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien (auch zum Budgetbegleitgesetz 2011, BGBl I Nr 111/2010 - vgl 10 ObS 31/10x) weiterhin dem Kostenersatzberechtigten die von ihm verzeichneten Prozesskosten, gegen die keine bzw keine ausreichend konkretisierten Einwendungen erhoben worden sind, ohne eine weitergehende Prüfung als jene, ob offenbare Unrichtigkeiten bzw Schreib- oder Rechenfehler vorliegen, zuzusprechen (vgl dazu auch OLG Wien, 4 R 126/10v). Auch begründet bestrittene Positionen sind insoweit nur im Hinblick darauf sowie auf den Inhalt der Bestreitung zu prüfen, nicht jedoch von Amts wegen in jede Richtung (OLG Wien 14 R 165/10b). Verfassungsrechtliche Bedenken dagegen ergeben sich auch im Hinblick auf das Erkenntnis des VfGH vom 3.12.2010, G280/09, nicht.

Bei dem im Rechtsmittelverfahren ausschließlich strittigen Punkt der vom Kläger verzeichneten Kommission nach TP 7 RATG zur Wiedergabe des Tonbandprotokolls vom 13.10.2009 (ON 7) kann nun keinesfalls vom Vorliegen eines Schreib- oder Rechenfehlers oder einer anderen offenbaren Unrichtigkeit ausgegangen werden. Die Rekurswerberin führt dazu in ihren Rechtsmittelausführungen erkennbar aus, dass diese Kosten als nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig anzusehen gewesen wären. Dieser Ansicht kann nicht beigetreten werden.

Im Hinblick darauf, dass der Kläger laut dem Verhandlungsprotokoll vom 13.10.2009 nicht auf die Wiedergabe des gemäß § 2 Abs 1 ASGG iVm § 212a ZPO mit Hilfe eines Schallträgers aufgenommenen Protokolls verzichtet hat und damit von seinem ihm in § 212a Abs 2 ZPO eingeräumten Recht auf Wiedergabe der Aufnahme Gebrauch gemacht hat, das Erstgericht ihm aber – aus dem Protokoll nicht zu entnehmenden Gründen, vermutlich jedoch aus Zeitgründen – keine sofortige Wiedergabe der Aufnahme ermöglicht hat, sondern ihm vielmehr erst um 18.00 Uhr des gleichen Tages seine von der ZPO gewährten Rechte eingeräumt hat bzw einräumen konnte, kann in der Verzeichnung einer Kommission nach TP 7 RATG für das Aufsuchen des Gerichts zum Zwecke der Wiedergabe der Aufnahme des Protokolls im Kostenverzeichnis des Klägers keine offensichtliche, im Hinblick auf die dargelegte Judikatur des VfGH auch ohne begründete Einwendungen des Gegners bei der Kostenentscheidung zu berücksichtigende Unrichtigkeit erblickt werden. Vielmehr hat der Kläger einen ihm auch inhaltlich zustehenden Kostenersatzanspruch geltend gemacht und auch zugesprochen bekommen.

Damit erweist sich die angefochtene Entscheidung diesbezüglich aber unabhängig von der anzuwendenden Fassung des § 54 Abs 1a ZPO und deren verfassungsrechtlich gebotenen Behandlung jedenfalls als inhaltlich richtig. Dem Rekurs der beklagten Partei war daher insoweit der Erfolg zu versagen.

Es war daher im Ergebnis dem Rekurs der beklagten Partei teilweise Folge zu geben und die angefochtene Kostenentscheidung abzuändern. Auf zwischenzeitig bereits erfolgte Teilzahlungen der Kostenforderung des Klägers durch die beklagte Partei war dabei kein Bedacht zu nehmen.

Gemäß § 11a Abs 2 Z 2 ASGG war die Entscheidung in einem Dreiersenat ohne Beiziehung von fachkundigen Laienrichtern zu fällen.

Eine Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens konnte unterbleiben, weil von den Parteien keine Kosten verzeichnet und beansprucht wurden.

Der Ausspruch über die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses beruht auf den §§ 2 Abs 1 ASGG iVm § 528 Abs 2 Z 3 ZPO.

Textnummer

EW0000499

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OLG0009:2011:0070RS00008.11I.0225.000

Im RIS seit

09.05.2011

Zuletzt aktualisiert am

09.05.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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