TE OGH 2011/3/9 7Ob20/11h

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Veröffentlicht am 09.03.2011
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Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Birgit Streif, Rechtsanwältin in Innsbruck, gegen die beklagte Partei B***** Gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Mag. Michael Rettenwander, Rechtsanwalt in Saalfelden, wegen 37.764,71 EUR (sA), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 3. Dezember 2010, GZ 3 R 156/10f-43, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die Klägerin transportierte Mitglieder eines Sportvereins mit Autobussen zu den Liftanlagen der Beklagten. Die Busse kamen im Bereich der Zufahrt zu den Liftanlagen zufolge Straßenglätte ins Rutschen, stießen aneinander und wurden dabei beschädigt. Das Berufungsgericht verpflichtete die Beklagte, der Klägerin die Schäden zur Hälfte zu ersetzen. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil es sich auf eine einheitliche Rechtsprechung des Höchstgerichts stützen habe können.

Die Revisionswerberin räumt in ihrer Zulassungsbeschwerde ein, dass das Berufungsgericht die von Lehre und Rechtsprechung entwickelten Grundsätze einer vorvertraglichen Haftung und zum Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter richtig und umfassend wiedergegeben habe. Diese Haftungsvoraussetzungen seien im vorliegenden Fall aber zu Unrecht für gegeben erachtet worden. Die Klägerin sei aus der Hauptleistung des Vertrags (Liftbeförderung, Pistenbenützung) nicht zu begünstigen. Weder habe der Sportverein als Vertragspartner der Beklagten Interesse an der Förderung der Belange der Klägerin gehabt, noch sei er dieser zu rechtlicher Fürsorge verpflichtet gewesen. Da das Berufungsgericht insoweit von oberstgerichtlicher Judikatur abgewichen sei, sei die Revision zuzulassen.

Eine Fehlbeurteilung, die aus Gründen der Rechtssicherheit einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedürfte, wird von der Revisionswerberin damit nicht aufgezeigt: Das Berufungsgericht hat angenommen, dass dieser Vertrag Schutzwirkungen auch zugunsten der Klägerin entfaltet habe. Es ist damit der ständigen Rechtsprechung gefolgt, dass Schutz- und Sorgfaltspflichten nicht nur zwischen den Vertragspartnern selbst, sondern auch gegenüber dritten Personen bestehen, die zwar aus dem Vertrag nicht unmittelbar berechtigt sind, aber der vertraglichen Leistung nahe stehen. Begünstigte Personen sind in diesem Sinn Dritte, deren Kontakt mit der vertraglichen Leistung bei Vertragsabschluss vorhersehbar war und die der Vertragspartner entweder erkennbar durch Zuwendung der Hauptleistung begünstigte oder an denen er ein sichtbares eigenes Interesse hat oder denen er selbst rechtlich zur Fürsorge verpflichtet ist (stRsp; RIS-Justiz RS0037785; RS0034594; zur Verpflichtung zur Freihaltung und Streuung von Wegen vgl insb 7 Ob 151/00g, ZVR 2002/30 mwN). Diesen Grundsätzen folgend ist der Ansicht des Berufungsgerichts, die Schutz- und Sorgfaltspflichten aus dem Vertrag mit dem Sportverein hätten sich auch auf die Klägerin erstreckt, beizupflichten. Es ist allgemein bekannt, dass Schi- und Snowboardfahrer, die Liftanlagen benützen wollen, oft mit Privat-PKW anreisen, eine beträchtliche Anzahl von Kunden der Liftbetreiber aber auch Busse benützt. Zu den mit der Hauptleistung der Liftbeförderung und Ermöglichung der Pistenbenützung verbundenen Schutz- und Sorgfaltspflichten eines Liftbetreibers gehört auch, eine sichere An- und Abfahrt zu seinen Anlagen zu gewährleisten. Auch kann nicht bezweifelt werden, dass sich die Schutz- und Sorgfaltspflicht eines Liftbetreibers gleichermaßen auf Privat-PKW und Busse von öffentlich-rechtlichen oder privaten Betreibern erstrecken muss. Der Einwand der Beklagten, die Klägerin nehme die Bustransporte gegen Entgelt vor und habe daher ein eigenes, finanzielles Interesse an den Fahrten in Schigebiete, kann daran nichts ändern. Dass aber entgegen der Ansicht der Revisionswerberin auch dem Sportverein ein Interesse an der Unversehrtheit der Busse zugebilligt werden muss, zumal diese seine Mitglieder ja auch wieder heim transportieren sollten, kann ebenfalls nicht bezweifelt werden. Ein solches Interesse eines Vertragspartners hat der Oberste Gerichtshof etwa in der einschlägigen Entscheidung 2 Ob 64/84 bejaht. Dort wurde ein Frächter, der für einen Käufer Bauholz abholte und dessen LKW durch den Einsturz einer Brücke beschädigt wurde, als in den Schutzbereich des Kaufvertrags aufgenommener Dritter angesehen. Die Haftung wurde damit begründet, dass aus der Abholvereinbarung zwischen Verkäufer und Käufer für jenen erkennbar gewesen sei, dass Fahrzeuge, die den Abtransport besorgten, mit den vorhandenen Verkehrseinrichtungen in Kontakt kommen würden und der Käufer an der Unversehrtheit dieser Fahrzeuge ein großes Interesse gehabt habe. Die Ansicht, die Klägerin sei als geschützte Dritte anzusehen, die aufgrund des vertraglichen Verhältnisses zwischen dem Sportverein und der Beklagten unmittelbare Ansprüche gegen die Beklagte erworben habe, die ihr gemäß § 1313a ABGB für das Verschulden ihrer Erfüllungsgehilfen einzustehen habe (vgl 1 Ob 2317/96h, ZVR 1998/5 ua), hält sich demnach im Rahmen einschlägiger oberstgerichtlicher Judikatur; die von der Revisionswerberin behauptete Verkennung der Rechtslage liegt nicht vor.

Eine andere Rechtsfrage wird in der außerordentlichen Revision nicht aufgeworfen. Auch sie geht - wie das Berufungsgericht - ausdrücklich davon aus, dass die Grundsätze der Rechtsprechung zum Vertrag mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter auch dann anzuwenden seien, wenn ein Dritter - wie hier die Klägerin - in die vorvertragliche Beziehung eingeschlossen werden solle. Ebenso unbekämpft lässt die außerordentliche Revision die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass ein (Mit-)Verschulden der Beklagten am Unfall zu bejahen sei.

Ihr außerordentliches Rechtsmittel ist daher als unzulässig zurückzuweisen. Dies bedarf nach § 510 Abs 3 ZPO keiner weiteren Begründung.

Textnummer

E96730

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0070OB00020.11H.0309.000

Im RIS seit

06.04.2011

Zuletzt aktualisiert am

05.08.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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