TE OGH 2011/3/29 5Ob21/11s

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Veröffentlicht am 29.03.2011
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Monika F*****, vertreten durch Mag. Gerhard-Josef Seidl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. MMag. Barbara S*****, 2. Dr. Julia R*****, beide vertreten durch Dr. Johannes Eltz, Rechtsanwalt in Wien, wegen 5.896,30 EUR sA und Räumung infolge der außerordentlichen Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 23. November 2010, GZ 40 R 192/10x-29, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Teilurteil des Bezirksgerichts Döbling vom 31. Juli 2010, GZ 5 C 496/10p-21, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision der beklagten Parteien wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Beklagten mieteten im Februar 2008 die im Haus *****, gelegene Wohnung top Nr 6 zu einem monatlichen Gesamtmietzins von 998 EUR. Die Wohnung ist ca 85 m² groß und liegt in einem in den 1970er Jahren errichteten Gebäude. Die Wohnung steht im Wohnungseigentum der Klägerin.

Das Mietverhältnis begann am 1. 3. 2008.

Die aus drei Aufenthaltsräumen, einem Vorzimmer, einer Toilette und einem Badezimmer bestehende, im ersten Stock des Hauses gelegene Wohnung weist starke Abnützungsspuren auf, die allerdings die bedungene Brauchbarkeit zu Wohnzwecken nicht verhindern.

Allerdings ist das Badezimmer der Wohnung mit schwerwiegenden, die Benützung beeinträchtigenden Mängeln behaftet:

Das Badezimmer hat kein Fenster. Die Entlüftung ist unzureichend. Es ist zwar ein Lüftungsschacht über Dach vorhanden, allerdings kein (schaltbarer) Ventilator. Die Wand- und Deckenmalerei im Badezimmer ist in extrem schlechten Zustand und blättert teilweise ab. Dunkle Verfärbungen weisen auf Schimmelbildung hin. Feuchtigkeit kann aus dem Badezimmer bei geschlossener Badezimmertür nicht entweichen.

Links unmittelbar neben dem Handwaschbecken befindet sich eine Steckdose in einer Unterputzöffnung, die an Kabeln aus der Wand heraushängt. Die Beleuchtung über dem Waschbecken ist derart veraltet, dass sie nicht mehr in Betrieb genommen werden kann.

Durch diesen Zustand ist die Nutzbarkeit des Badezimmers beeinträchtigt.

Mit der gegenständlichen Klage begehrt die Klägerin rückständige Mietzinse für die Monate Mai bis September 2009 und gestützt auf § 1118 zweiter Fall ABGB die Räumung des vermieteten Bestandobjekts.

Die Beklagten bestritten das Bestehen eines Mietzinsrückstands und begehrten die Abweisung der Klage. Sie machten einen Mietzinsminderungsanspruch wegen des mangelhaften Zustands der Wohnung geltend, der derartig sei, dass die Wohnung zum bedungenen Gebrauch nicht tauge. Insofern seien sie von der Verpflichtung zur Entrichtung des Zinses zumindest teilweise befreit.

Eine von den Beklagten eingewendete Gegenforderung wurde darauf gestützt, dass infolge des Zustands der Wohnung eine Untervermietung einzelner Teile der Wohnung nicht möglich sei.

Das Erstgericht erließ ein Teilurteil über den Mietzinsrückstand, wobei es die Klagsforderung mit 5.896,30 EUR als zu Recht bestehend erkannte, das Nichtbestehen der eingewendeten Gegenforderung aussprach und die Beklagten verpflichtete, der Klägerin insgesamt rückständige Mietzinse in Höhe von 5.896,30 EUR samt gestaffelten Zinsen zu bezahlen. Das Mehrbegehren von 2.648 EUR sowie ein Zinsenmehrbegehren wurden (unangefochten und damit rechtskräftig) abgewiesen.

Ausgehend von den oben zusammengefasst wiedergegebenen Feststellungen erachtete das Erstgericht in rechtlicher Hinsicht einen Mietzinsminderungsanspruch der Beklagten mit 5 % als ausreichend, um die erheblich beeinträchtigte Nutzbarkeit des Badezimmers auszugleichen. Das Badezimmer stelle nur einen sehr kleinen Bereich der insgesamt geräumigen Wohnung dar, die Feuchtigkeitsbelastung beschränke sich auf das Badezimmer, eine Entlüftung könne durch Öffnen der Badezimmertür bewirkt werden. Andere Räume seien in der Benützung nicht beeinträchtigt, weshalb mit der festgestellten Mietzinsminderung das Auslangen zu finden sei. Den Allgemeinzustand der Wohnung hielt das Erstgericht für nicht geeignet, eine Mietzinsminderung herbeizuführen, weil die Beklagten bei Abschluss des Mietvertrags diesen Zustand nicht nur nicht gerügt, sondern sogar im Mietvertrag einen „guten, brauchbaren Zustand“ der Wohnung bestätigt hätten. Die Feststellungen hätten nicht ergeben, dass die Untervermietung eines Teils der Räumlichkeiten durch den Gesamtzustand der Wohnung gehindert werde.

Der gegen die Stattgebung des Zahlungsbegehrens erhobenen Berufung der Beklagten gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge. Die von den Beklagten geltend gemachte Gebrauchsbeeinträchtigung der Wohnung aufgrund ihres Gesamtzustands sei nicht geeignet, einen Zinsminderungsanspruch nach § 1096 ABGB zu begründen, weil eine Gebrauchsbeeinträchtigung insofern nicht erwiesen sei. Für die Gebrauchsbeeinträchtigung des Badezimmers habe das Erstgericht mit nachvollziehbaren Argumenten einen Zinsminderungsanspruch von 5 % zugrunde gelegt. Welche Benützungsart der Wohnung die Beklagten bei Inbestandnahme im Auge gehabt hätten - konkret hier die Verwendung der Wohnung als Wohngemeinschaft -, sei für Fragen der Zinsminderung nicht maßgeblich.

Infolge der Verbindung des Zahlungsbegehrens mit einem Räumungsanspruch liege eine Streitigkeit nach § 502 Abs 5 Z 2 ZPO vor. Eine Revision sei nicht jedenfalls unzulässig, eine ordentliche Revision sei jedoch mangels Vorliegens von Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn einer gänzlichen Abweisung des Klagebegehrens. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei hat von der ihr eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht, eine Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, der außerordentlichen Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten erweist sich als zulässig, weil den Vorinstanzen bei Beurteilung des Mietzinsminderungsanspruchs der Beklagten eine erhebliche Fehlbeurteilung unterlaufen ist, die aus Gründen der Rechtssicherheit einer Korrektur bedarf.

Eingangs ist darauf hinzuweisen, dass die in einem in den 1970er Jahren errichteten Gebäude gelegene Wohnung im Wohnungseigentum steht, weshalb zufolge § 1 Abs 4 Z 3 MRG für das Bestandobjekt weder die Mietzinsbestimmungen noch die Erhaltungsbestimmungen des MRG gelten.

§ 1096 Abs 1 zweiter Satz ABGB regelt als Gewährleistungsbestimmung spezifischer Art (Iro in KBB3 ABGB § 1096 Rz 9) einen Mietzinsminderungs- bzw Befreiungsanspruch eines Mieters, wenn das Bestandstück bei der Übergabe derart mangelhaft ist oder während der Bestandzeit ohne Schuld des Bestandnehmers derart mangelhaft wird, dass es zu dem bedungenen Gebrauch nicht taugt.

Zwar wird das Ausmaß der berechtigten Zinsminderung stets von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängig gemacht, was in der Regel eine Befassung des Obersten Gerichtshofs ausschließt (vgl RIS-Justiz RS0021324 [T3]; RS0020926 [T3]; RS0021054 [T5]), doch setzt dies voraus, dass sich die Vorinstanzen an den von der Rechtsprechung zu § 1096 ABGB entwickelten Grundsätzen orientiert haben.

Das trifft auf die von den Vorinstanzen verwendeten Argumente jedenfalls nicht zu:

Bei Zugrundelegung einer mittleren (durchschnittlichen) Brauchbarkeit (RIS-Justiz RS0021054; RS0020926) kommt es für das Ausmaß einer Mietzinsminderung auf Grad und Dauer der Beeinträchtigung an (RIS-Justiz RS0021324), wobei im Vordergrund der Vertragszweck steht. Es ist eine Verwendbarkeit zu fordern, wie sie gewöhnlich nach dem Vertragszweck erforderlich ist und nach der Verkehrssitte erfolgt (RIS-Justiz RS0021054; RS0020926; RS0021324). Die Minderung des Bestandzinses ist dann durch Vergleich des Bestandzinses, der ohne Mangel und jenem, der mit Mangel für das Bestandobjekt am Markt zu erzielen ist, zu ermitteln (vgl 6 Ob 73/06p = ZVR 2007/6 [Kathrein] ua). Es ist schon wegen der spezifischen Gebrauchsbestimmung eines Badezimmers nicht sachgerecht, aus dem Verhältnis der Größe des dafür vorgesehenen Raums zur Größe der (übrigen) Wohnung das Ausmaß der Beeinträchtigung zu ermitteln. Daraus ergibt sich eine gravierende Fehlbeurteilung des Ausmaßes des Mietzinsminderungsrechts durch die Vorinstanzen. Angesichts der feststehenden Mängel des Badezimmers infolge Fehlens jeglicher Lüftungsmöglichkeit (Schimmelbildung, Zerstörung des Badezimmeranstrichs) und der indizierten Gefährlichkeit der vorhandenen Elektroinstallationen liegt die zugestandene Mietzinsminderung von 5 % außerhalb des den Vorinstanzen zukommenden Beurteilungsspielraums.

Nach zweitinstanzlicher Rechtsprechung (vgl dargestellt in Kolmasch/Nademleinsky, Mietzinsminderungstabelle in Zak 2010/564, 323) rechtfertigt allein das Fehlen einer Badezimmerentlüftung eine Mietzinsminderung von 10 %. Dazu kommt noch die von den Vorinstanzen noch nicht geklärte, aber durch das Zustandsbild indizierte Gefährlichkeit der Elektroinstallation im Badezimmer, die im Mietzinsbildungsbereich des MRG sogar die Rechtsfolgen gänzlicher Unbrauchbarkeit der Wohnung nach sich ziehen kann (vgl etwa RIS-Justiz RS0069941 [T8]).

In welchem Ausmaß die Mängel des Badezimmers konkret zu einer marktkonformen Mietzinsminderung führen, lässt sich derzeit allerdings noch nicht abschließend beurteilen. Ob das Erstgericht nach endgültiger Klärung des Umfangs der Beeinträchtigung diesem Umstand durch einen prozentuellen Abschlag vom Gesamtmietzins Rechnung trägt oder aber durch Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Immobilienfach klärt, in welchem Ausmaß eine marktkonforme Mietzinsminderung gerechtfertigt ist (vgl 5 Ob 73/06p), bleibt diesem vorbehalten.

Den übrigen Einwänden der Beklagten, die Wohnung tauge nicht zum bestimmungsgemäßen Gebrauch als Wohngemeinschaft und sei schon beim Bezug stark abgewohnt gewesen, wird allerdings damit zu entgegnen sein, dass ein Zinsminderungsrecht entfällt, wenn der Bestandnehmer in Kenntnis des Mangels den Vertrag vorbehaltlos abgeschlossen bzw das Bestandobjekt vorbehaltlos übernommen hat (1 Ob 89/02y; 10 Ob 204/97s; 1 Ob 103/09t; RIS-Justiz RS0021408; Nademleinsky in Schwimann Taschenkommentar § 1096 ABGB Rz 16 mwN).

Damit erweist sich die Revision der Beklagten im Sinn des in ihr gestellten Aufhebungsantrags als berechtigt.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

Schlagworte

Streitiges Wohnrecht

Textnummer

E96947

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0050OB00021.11S.0329.000

Im RIS seit

28.04.2011

Zuletzt aktualisiert am

18.03.2014
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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