TE OGH 2011/3/29 12Os25/11k

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Veröffentlicht am 29.03.2011
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Der Oberste Gerichtshof hat am 29. März 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel-Kwapinski in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Kunst als Schriftführer in der Strafsache gegen Amir A***** wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 7. Oktober 2010, GZ 41 Hv 10/09z-36a, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Amir A***** des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (I./) und mehrerer Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (II./) sowie mehrerer Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB (III./) schuldig erkannt.

Danach hat er in Dornbirn

(I./) zwischen 1. Juni 2006 und 7. Juli 2006 mit einer unmündigen Person, nämlich der am 22. August 1992 geborenen Mirela M*****, den Beischlaf unternommen, indem er mit ihr den Vaginalverkehr durchführte;

(II./) zwischen 29. Mai 2006 und 7. Juli 2006 in mehreren Angriffen außer dem Fall des § 206 StGB eine geschlechtliche Handlung an einer unmündigen Person, nämlich der am 22. August 1992 geborenen Mirela M*****, vorgenommen, indem er sie „oberhalb und unterhalb der Kleidung an ihren Geschlechtsteilen anfasste“ und einen Finger teilweise in ihre Scheide einführte;

(III./) zwischen 22. August 2006 und 24. Februar 2009 mit seinem minderjährigen Stiefkind, nämlich der am 22. August 1992 geborenen Mirela M*****, in mehreren Angriffen geschlechtliche Handlungen vorgenommen, indem er wiederholt den Vaginalverkehr und einmal den Analverkehr an ihr durchführte und sie wiederholt an den Brüsten anfasste und im Intimbereich streichelte, wobei er teilweise einen Finger ein Stück weit in ihre Scheide einführte.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Angeklagten aus Z 4, 5, 5a und (der Sache nach auch) 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel.

Auf die Lektüre des Buchs „Zuckerpüppchen“ durch Mirela M*****, das den Entscheidungsgründen zufolge ein sexuelles Missbrauchsverhältnis zum Thema hat, ging das Schöffengericht gar wohl ein (US 9; Z 5 zweiter Fall). Soweit die Beschwerde diesbezüglich vorbringt, dass aus den vorliegenden Umständen auch andere Schlüsse gezogen werden könnten, wird keine Nichtigkeit nach Z 5 angesprochen (RIS-Justiz RS0099455). Inwiefern Nichtigkeit nach Z 4 begründet sein soll, lässt der Angeklagte entgegen dem Gebot deutlicher und bestimmter Bezeichnung angeblich Nichtigkeit bewirkender Umstände (§§ 285 Abs 1, 285a Z 2 StPO) offen.

Auch der weiters in der Mängelrüge erhobene, der Sache nach einen Rechtsfehler mangels Feststellungen (Z 9 lit a) reklamierende Einwand, das Erstgericht habe zum Schuldspruch II./ unbegründet gelassen, ob der Angeklagte die Handlungen durchgeführt habe, um seinen Geschlechtstrieb zu befriedigen, ist nicht am Gesetz orientiert: Eine solche Willensausrichtung stellt kein Merkmal des § 207 Abs 1 StGB dar. Eine methodengerechte Ableitung der Notwendigkeit entsprechender Feststellungen ist der sich in bloßen Behauptungen erschöpfenden Beschwerde nicht zu entnehmen.

Gegenstand der Tatsachenrüge (Z 5a) sind nur Feststellungen, angesichts derer gemessen an allgemeinen Erfahrungs- und Vernunftsätzen eine Fehlentscheidung bei der Beweiswürdigung qualifiziert nahe liegt, die somit geradezu unerträglich sind (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 391, 490).

Die Beschwerde vermag mit dem vorgebrachten Hinweis auf die schon erwähnte Buchlektüre durch Mirela M***** keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen zu wecken.

Der Vollständigkeit halber ist anzumerken, dass dem Schuldspruch II./ der dem Angeklagten zum Vorteil gereichende, dennoch von Amts wegen nicht aufzugreifende Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 10 StPO anhaftet, weil das Einführen eines Fingers in die Scheide als eine dem Beischlaf gleichzusetzende Handlung dem Tatbestand des § 206 Abs 1 StGB zu subsumieren gewesen wäre (RIS-Justiz RS0116530).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Schlagworte

Strafrecht

Textnummer

E96958

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0120OS00025.11K.0329.000

Im RIS seit

29.04.2011

Zuletzt aktualisiert am

29.04.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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