TE Vwgh Erkenntnis 2001/2/21 98/12/0219

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Veröffentlicht am 21.02.2001
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Index

L24009 Gemeindebedienstete Wien;
63/02 Gehaltsgesetz;

Norm

DO Wr 1994 §32 Abs1;
GehG 1956 §13 Abs3 Z2 impl;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Bayjones und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Sellner, über die Beschwerde der O in W, vertreten durch Dr. Vera Kremslehner, Rechtsanwalt in Wien I, Stubenring 20, gegen den Bescheid des Berufungssenates der Stadt Wien vom 23. Juni 1998, Zl. MA 2/59/97, betreffend Verlust des Bezugsanspruches, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Stadt Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die 1949 geborene Beschwerdeführerin steht seit ihrer mit 31. Mai 1998 erfolgten vorzeitigen Ruhestandsversetzung in einem öffentlich-rechtlichen Pensionsverhältnis zur Stadt Wien. Sie war vorher seit 1978 als Horthelferin, seit August 1984 an der Sonderschule für schwerstbehinderte Kinder in Wien, tätig und wurde wegen gesundheitlicher Behinderungen und mehrfacher Krankenstände schließlich ab 16. Oktober 1996 als Amtsgehilfin (probe-)verwendet.

Auf Grund der mehrfachen "Krankenstände" der Beschwerdeführerin wurden von der Dienstbehörde (Personalamt) amtsärztliche Gutachten über ihren Gesundheitszustand eingeholt.

Dem am 26. August 1996 erstellten, am 1. Oktober 1996 ausgefertigten amtsärztlichen Gutachten ist im Wesentlichen Folgendes zu entnehmen:

"Bei der Untersuchten finden sich weiterhin Hinweise auf ein Burn out-Syndrom unter beruflicher und privater Belastung, dzt. aber nur eine geringgradige symptomatische Manifestation. Migränesymptomatik wird weiterhin angegeben, im neurolog. Status zeigen sich keine wesentl. Auffälligkeiten. Die diversen Gelenksschmerzen mögen von orthopäd. Seite bewertet werden; aus nervenfachärztl. Sicht erscheint dzt. ein Arbeitsversuch zumutbar.

DIAGNOSE:

Rezidiv. Dorsolumbalgie bei muskulärer Insuffizienz

Mäßiges Burn-out-Syndrom

Anamnestisch Migraine

GUTACHTEN:

Auf Grund der h.a. Untersuchung und der neuerlichen orthopäd. und nervenfachärztl. Zusatzbegutachtung erscheint ein Arbeitsversuch ohne Heben und Tragen von Lasten über 15 kg sowie ohne andauernde Arbeiten in gebückter Körperhaltung ab sofort möglich."

Nach dem Einsatz der Beschwerdeführerin als Amtsgehilfin ab 16. Oktober 1996 meldete sie sich am 21. Oktober 1996 neuerlich krank. In einer niederschriftlichen Befragung gab sie dazu an, dass sie die Tätigkeit als Amtsgehilfin nicht verrichten könne. Sie leide unter ständigen Schmerzen und Konzentrationsschwäche. Der behandelnde Neurologe habe sie ab 1. Oktober 1996 bis auf weiteres "krankgeschrieben".

Mit Schreiben des Personalamtes vom 24. Oktober 1996 wurde der amtsärztliche Dienst unter Hinweis auf die Vorgutachten um Stellungnahme hinsichtlich der Tätigkeiten, die von der Beschwerdeführerin nicht besorgt werden könnten, und um Überprüfung der Angaben des behandelnden Arztes der Beschwerdeführerin ersucht.

Hiezu teilte die amtsärztliche Untersuchungsstelle mit Erledigung vom 25. Oktober 1996 Folgendes mit:

"1) Die im Tätigkeitsprofil der MA 56 angeführte Hebe- und Trageleistung von maximal 50 kg kann nicht zugemutet werden. Wie im Vorgutachten vom 1.10.1996 angeführt, ist aus orthopädischer Sicht das Heben und Tragen nur bis maximal 15 kg zulässig. Arbeiten in andauernd gebückter Körperhaltung sind ebenfalls nicht zumutbar - laut Tätigkeitsprofil ist jedoch eine gebückte Arbeitshaltung nicht erforderlich.

2) Das nervenfachärztliche Attest Dr. D. vom 27.8.1996 wurde bereits bei der h.a. psychiatr. Begutachtung am 26.9.1996 in die Beurteilung miteinbezogen ... Das Gutachten vom 1.10.1996 bleibt daher inhaltlich voll aufrecht."

Die Beschwerdeführerin wurde daraufhin von der MA 56 unter Androhung von disziplinären und besoldungsrechtlichen Konsequenzen zum Dienstantritt aufgefordert. Seitens des Personalamtes wurde auch in Verbindung mit dem Antrag der Beschwerdeführerin vom 13. November 1996 auf "Berufsunfähigkeitspension krankheitshalber" eine neuerliche amtsärztliche Überprüfung ihrer Dienstfähigkeit veranlasst.

Das amtsärztliche Gutachten vom 11. Dezember 1996, ausgefertigt mit 18. Dezember 1996 enthält unter anderem folgende Angaben:

"DIAGNOSE:

Mäßiggradige depressive Verstimmung

Fehlhaltung der WS

Anamnestisch Migräne

GUTACHTEN:

Die Tätigkeiten für Amtsgehilfen können Frau O. (= Beschwerdeführerin) derzeit sowohl psychisch als auch physisch zugemutet werden.

Frau O. (= Beschwerdeführerin) wurde vom Inhalt dieses Gutachtens nicht in Kenntnis gesetzt."

Die Beschwerdeführerin wurde daraufhin von der MA 56 mit Schreiben vom 30. Dezember 1996 aufgefordert, unverzüglich ihren Dienst anzutreten.

Der bei den Akten befindlichen, mit der Beschwerdeführerin am 14. Jänner 1997 aufgenommenen Niederschrift ist im Wesentlichen zu entnehmen, dass sie den Dienst nicht angetreten hat und den seinerzeitig erfolgten Arbeitsversuch als Amtsgehilfin als gescheitert bezeichnete, weil sie weder körperlich noch psychisch in der Lage gewesen sei, irgendeine Arbeit zu verrichten.

Mit Bescheid der Dienstbehörde erster Instanz (Magistrat-Personalamt) vom 3. Februar 1997 wurde wie folgt abgesprochen:

"Gemäß § 32 Abs. 1 der Dienstordnung 1994 (DO 1994) haben Sie ab 8. Jänner 1997 den Anspruch auf Ihr Diensteinkommen verloren."

In der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides wurde lediglich auf das amtsärztliche Gutachten vom 18. Dezember 1996 Bezug genommen, nach dem der Beschwerdeführerin die Tätigkeit als Amtsgehilfin sowohl psychisch als auch physisch zugemutet werden könne. Sie habe im Parteiengehör kein geeignetes Vorbringen zur Entkräftung dieses Gutachtens erstattet, habe aber nach Übernahme der Dienstantrittsaufforderung am 7. Jänner 1997 dieser Weisung nicht Folge geleistet.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung, in der sie ihr Fernbleiben vom Dienst weder als eigenmächtig noch als unentschuldigt bezeichnete, weil sie die Krankheitsbestätigung ihres behandelnden Facharztes für Psychiatrie sehr wohl eingeschickt habe. Als Beilage legte die Beschwerdeführerin weiters ein ausgefülltes Formular vor, nach dem sie sich ab 7. Jänner 1997 bis auf weiteres in fachärztlicher Behandlung befinde.

Nach weiterem Schriftwechsel mit der Beschwerdeführerin bestellte das Personalamt den die Beschwerdeführerin behandelnden Facharzt für Psychiatrie Dr. D., der auch die Dienstunfähigkeit der Beschwerdeführerin ab 7. Jänner 1997 bescheinigt hatte, zum nicht amtlichen Sachverständigen im Sinne des § 52 Abs. 2 AVG in dieser Frage und wies unter anderem darauf hin, dass die amtsärztlichen Sachverständigen "in ihrem Gutachten vom 18. Dezember 1996 zu dem Schluss gekommen sind, dass Obgenannter die Tätigkeiten für Amtsgehilfen sowohl psychisch als auch physisch zugemutet werden können".

In dem Gutachten des nicht amtlichen Sachverständigen vom 19. August 1997 wird nach Darstellung der Anamnese folgende Diagnose angegeben:

"Meines Erachtens handelt es sich bei der Patientin um ein klassisches Burnout Syndrom, vor allem bedingt durch die ständige psychische Belastung durch ihr eigenes behindertes Kind sowie durch die Arbeit mit behinderten Kindern, wobei im Vordergrund die schwere Somatisierung, die therapieresistenten Depressionen und der soziale Rückzug festzustellen sind.

Zusätzlich besteht ein WS-Syndrom mit Spondylarthrosis def. der ges. WS, ein gemischter Kopfschmerz (Migräne und Spannungskopfschmerz und ein pseudoorganisches Psychosyndrom).

Meines Erachtens ist die Patientin auch nicht mehr in der Lage einer Tätigkeit als Amtsgehilfin nachzugehen, da sie durch die jahrelange Belastung in ihrer Tätigkeit mit behinderten Kindern, sowie auch durch die ständige psychische Belastung ihres eigenen behinderten Sohnes, sie ist auch kleinen Belastungen nicht mehr gewachsen (man sieht das auch bei anderen Helferberufen, insbesondere bei denen die auf ein einer psychiatrischen Klinik tätig sind).

Dazu kommen ihre ständigen Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule, sowie die chronifizierte Depression, die bei Belastung sich massiv verschlechtert, sodass sich das Ganze als einen Cirkulus vitiosus betrachten möchte."

Dieses nicht amtliche Sachverständigengutachten wurde der amtsärztlichen Untersuchungsstelle zur Stellungnahme übermittelt. Das amtsärztliche Gutachten vom 4. November 1997 gelangte unter Verwertung der Vorbefunde zu folgender Diagnose:

"Mäßiggradige depressive Verstimmung

Fehlhaltung der Wirbelsäule

Anamnestisch Migräne"

Als "Zusammenfassung und Stellungnahme" wird angegeben:

"Im Vergleich zu den aufliegenden Vorgutachten hat sich weder an den von Frau O. (= Beschwerdeführerin) angeführten Beschwerden und Ängsten, noch an den Ergebnissen der begutachtenden Ärzte etwas geändert.

Dem Vorgutachten vom 11.12.1996 ist zu entnehmen, dass Frau O. (= Beschwerdeführerin) bereits seit Herbst 1996 für einen Posten als Amtsgehilfin bei der Magistratsabteilung 56 vorgesehen ist, wobei Frau O. (= Beschwerdeführerin) sowohl von amtsärztlicher als auch orthopädischer und psychiatrischer Seite als Amtsgehilfin einsetzbar ist.

Anzumerken ist, dass Frau O. (= Beschwerdeführerin) von den im Gutachten vom 04.08.1997 angeführten unterstützenden Therapiemaßnahmen bisher offensichtlich keinen Gebrauch gemacht hat."

In dem zuletzt genannten Gutachten wird als Therapiemaßnahme eine Dosiserhöhung bzw Umstellung der antidepressiven Medikation, der Besuch einer Spezialambulanz und die Möglichkeit einer stationären Behandlung an einer psychiatrischen Fachabteilung genannt.

Angeschlossen ist dem Gutachten vom 4. November 1997 eine "Beurteilung" der Tätigkeiten, zu denen die Beschwerdeführerin noch herangezogen werden kann.

Der Beschwerdeführerin wurde daraufhin mit Schreiben der MA 56 vom 15. Jänner 1998 mitgeteilt, dass sie auf Grund der "aufliegenden amtsärztlichen Gutachten ... für die Tätigkeit als Amtsgehilfin dienstfähig" sei, und sie aufgefordert, den Dienst unverzüglich anzutreten.

Dem kam die Beschwerdeführerin zwar nach, indem sie am 21. Jänner 1998 den Dienst antrat, aber am 22. Jänner 1998 um die Mittagszeit nach ihren Angaben im Parteiengehör vom 1. April 1998 trotz Einnahme von Medikamenten im Hinblick auf migräneartige und sonstige Schmerzattacken den Dienst verlassen habe und den Arzt habe aufsuchen müssen, der sie wieder "krankgeschrieben" habe.

Mit Erledigung des Personalamtes vom 16. März 1998 wurde der Beschwerdeführerin Gelegenheit gegeben, zu dem amtsärztlichen Gutachten vom 4. November 1997 sowie zu dem Gutachten ihres behandelnden Facharztes vom 19. August 1997 Stellung zu nehmen.

In ihrer Stellungnahme dazu vom 1. April 1998 schilderte die Beschwerdeführerin ihre gesundheitlichen Probleme.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde wie folgt entschieden:

"Gemäß § 66 Abs. 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG, BGBl Nr. 51/1991) wird der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass sein Spruch wie folgt lautet:

'Gemäß § 32 Abs. 1 der Dienstordnung 1994 (DO 1994) haben Sie für die Zeit vom 8. Jänner 1997 bis 20. Jänner 1998 den Anspruch auf Ihr Diensteinkommen verloren.'

Im Übrigen wird die Berufung abgewiesen."

Nach zusammengefasster Darstellung des Verfahrensablaufes und Wiedergabe des § 32 Abs. 1 erster Satz DO 1994 führt die belangte Behörde zur Begründung im Wesentlichen weiter aus, die Beschwerdeführerin habe mit Schreiben vom 13. November 1996 einen Antrag auf Versetzung in den Ruhestand gestellt. Im Zuge des eingeleiteten Ermittlungsverfahrens habe die Beschwerdeführerin im Rahmen des Parteiengehörs mit Schreiben vom 25. Juli 1997 vorgebracht, dass es zwar richtig sei, dass sie ihrer Verwendung als Amtsgehilfin zugestimmt habe, um ihren Arbeitswillen zu zeigen, dass aber ihr Beschwerdebild - Schmerzen im Wirbelsäulenbereich, beiden Beinen und Gelenken, dazu Migräne mit Erbrechen - trotz verschiedener Maßnahmen unverändert geblieben sei. Die Schmerzen in den Beinen hätte sie schon vor ihrer ersten Venenoperation im Jahr 1983 gehabt. Zusätzlich leide sie unter Allergien und Hautproblemen, allergischem Asthma und Polyarthrosen. Der jahrelange Dienst seit ihrem 18. Lebensjahr mit schwerstbehinderten Kindern habe sie auch emotional bewegt. Das Heben der Kinder sei für ihre Wirbelsäule sicherlich nicht gut gewesen, jahrelange Schmerzen hätten sie zermürbt. Zudem könne sie viele fremde Menschen einfach nicht mehr ertragen, weil das Betriebsklima in ihrer Dienststelle nicht gut gewesen sei. Dazu kämen die eigenen negativen Erfahrungen als Mutter eines behinderten Kindes. Sie sei völlig ausgebrannt und derzeit mit ihrem Haushalt voll ausgelastet. Ohne Grund hätte sie sich nicht in psychiatrische Behandlung begeben. Diesem Schreiben waren einige Befunde aus den Jahren 1988 bis 1995 angeschlossen.

Seitens des Personalamtes sei der behandelnde Arzt der Beschwerdeführerin Dr. D. zum nicht amtlichen Sachverständigen bestellt worden. In seinem Gutachten vom 19. August 1997 habe er bei der Beschwerdeführerin ein klassisches Burn-out-Syndrom diagnostiziert, vor allem bedingt durch die ständige psychische Belastung durch ihr eigenes behindertes Kind sowie durch die Arbeit mit behinderten Kindern, wobei im Vordergrund die schwere Somatisierung, die therapieresistenten Depressionen und der soziale Rückzug festzustellen seien. Zusätzlich bestehe ein Wirbelsäulen-Syndrom mit Spondylarthrosis deformans der gesamten Wirbelsäule und ein gemischter Kopfschmerz aus Migräne, Spannungskopfschmerz und einem pseudoorganischen Psychosyndrom. Nach Ansicht des nicht amtlichen Sachverständigen sei die Beschwerdeführerin nicht mehr in der Lage, einer Tätigkeit als Amtsgehilfin nachzugehen, weil sie durch die jahrelange Tätigkeit mit behinderten Kindern sowie durch die ständige psychische Belastung durch ihren eigenen behinderten Sohn auch kleinen Belastungen nicht mehr gewachsen sei. Dazu kämen ihre ständigen Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule sowie die chronifizierte Depressio, die sich bei Belastung massiv verschlechtere, sodass das Ganze als "Cirkulus vitiosus" betrachtet werden müsse.

Im amtsärztlichen Gutachten vom 4. November 1997 seien - so die belangte Behörde weiter in der Begründung des angefochtenen Bescheides - unter Berücksichtigung des vorgenannten Gutachtens des nicht amtlichen Sachverständigen Dr. D. auf Grund einer psychiatrischen und einer orthopädischen Begutachtung bei der Beschwerdeführerin eine mäßiggradige Verstimmung (richtig: mäßiggradige depressive Verstimmung), Fehlhaltung der Wirbelsäule und anamnestisch Migräne diagnostiziert worden. Im Vergleich zu den Vorgutachten habe sich weder an den von der Beschwerdeführerin angeführten Beschwerden und Ängsten noch an den Ergebnissen der begutachtenden Ärzte etwas geändert. Der amtsärztliche Sachverständige habe weiters feststellt, dass die Beschwerdeführerin im Rahmen des medizinischen Leistungskalküls zu Tätigkeiten unter allgemein üblichem Zeitdruck, durchschnittlicher psychischer Belastbarkeit und leichter körperlicher Beanspruchung, zu ständig leichten und fallweise auch mittelschweren, jedoch nicht zu schweren Hebe- und Trageleistungen, in ständig sitzender, stehender und gehender Arbeitshaltung mit fallweisen Überkopfarbeiten und fallweise in gebeugter Haltung, im Freien und in geschlossenen Räumen sowie zu Feinarbeiten herangezogen werden könne.

Auf Grund einer neuerlichen Dienstantrittsaufforderung vom 15. Jänner 1998 habe die Beschwerdeführerin schließlich am 21. Jänner 1998 ihren Dienst als Amtsgehilfin angetreten.

Mit Schreiben vom 1. April 1998 habe die Beschwerdeführerin im Rahmen des zu dem amtsärztlichen Gutachten vom 4. November 1997 und dem Gutachten des nicht amtlichen Sachverständigen Dr. D. vom 19. August 1997 gewährten Parteiengehörs vorgebracht, dass sie sich auf Grund der neuerlichen Dienstantrittsaufforderung trotz Dienstunfähigkeitsattests des sie behandelnden Facharztes Dr. D. am 21. Jänner 1998 in der MA 56 den Dienst angetreten habe. Bereits am Nachmittag habe sie migräneartige Attacken erlitten, obwohl sie Medikamente genommen habe, sei es ihr trotzdem nicht besser gegangen; dennoch habe sie auch am 22. Jänner 1998 Dienst versehen. In der Mittagspause habe sie aber ersucht, zum Arzt fahren zu dürfen, der sie sofort wieder für dienstunfähig erklärt habe. Nach jahrelangem Verdrängen ihrer ständigen Kopfschmerzen und den andauernden Anforderungen könne von ihr nicht erwartet werden, dass sie zu den Mitarbeitern nett, freundlich und gesellig sei und die Arbeit konzentriert verrichten könne. Sie sei vielmehr ständig einem zusätzlichen Zwang ausgesetzt, weshalb sie nicht mehr arbeiten könne.

Zum Vorbringen der Beschwerdeführerin, soweit es die in ihren Schreiben vom 25. Juli 1997 und vom 1. April 1998 dargelegten Beschwerden und die nach ihrer Ansicht daraus resultierende Arbeitsunfähigkeit betreffe, sei festzustellen, dass diese Angaben als laienhaftes Vorbringen nicht geeignet seien, die nach Ansicht der belangten Behörde ausführlichen, schlüssigen und widerspruchsfreien amtsärztlichen Gutachten vom 18. Dezember 1996 und vom 4. November 1997 zu entkräften, weil durch eine bloß gegenteilige Behauptung der Beschwerdeführerin allein das Gutachten eines Sachverständigen nicht entkräftet werden könne. Das bedeute, dass die Beschwerdeführerin, wenn sie diese schlüssigen und widerspruchsfreien Sachverständigengutachten in Zweifel ziehen wolle, von sich aus im Verwaltungsverfahren hätte initiativ werden müssen und durch ein fachlich fundiertes Gutachten Beweis hätte führen müssen.

Zu den von der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 25. Juli 1997 vorgelegten Befunden sei festzustellen, dass diese lediglich über den Gesundheitsstatus der Beschwerdeführerin zu den Zeitpunkten Juni 1988, Dezember 1990 und April 1995, welche somit zeitlich weit vor dem verfahrensgegenständlichen Zeitraum gelegen seien, Auskunft hätten geben können, weshalb sie nicht geeignet gewesen wären, die amtsärztlichen Gutachten zu entkräften.

Im Vergleich des Gutachtens des nicht amtlichen Sachverständigen Dr. D. mit den beiden amtsärztlichen Gutachten vom 18. Dezember 1996 und vom 4. November 1997 sei festzuhalten, dass sich diese hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin festgestellten psychischen und physischen Beschwerden nicht unterscheiden würden. Die vom Sachverständigen Dr. D. gezogenen Schlussfolgerungen, wonach die Beschwerdeführerin nicht mehr in der Lage sei, einer Tätigkeit als Amtsgehilfin nachzugehen, weil sie auch kleinen Belastungen nicht mehr gewachsen sei, seien jedoch unschlüssig und in sich widersprüchlich, weil auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Beschwerdeführerin, wonach sie mit der Haushaltsführung völlig ausgelastet sei, nicht nachvollziehbar sei, warum die Beschwerdeführerin die im amtsärztlichen Gutachten vom 4. November 1997 festgestellten zumutbaren Tätigkeiten nicht, sehr wohl aber die zur Pflege ihres behinderten Kindes und zur Führung des Haushaltes erforderlichen Tätigkeiten, welche nach der allgemeinen Lebenserfahrung das im amtsärztlichen Gutachten festgestellte medizinische Leistungskalkül sogar überschreiten würden, verrichten können solle.

Zu den von der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren vorgelegten Rezeptkopien und Dienstunfähigkeitsbescheinigungen sei auszuführen, dass diese ebenfalls nicht geeignet seien, die amtsärztlichen Gutachten zu entkräften, weil diese weder Befunde noch gutächtliche Schlussfolgerungen enthielten. Im Übrigen sei weder seitens der erstinstanzlichen Behörde noch der belangten Behörde die Erfüllung der Bescheinigungspflicht durch die Beschwerdeführerin in Abrede gestellt worden. Ungeachtet dessen bleibe jedoch die Prüfung der Frage offen, ob die Erkrankung der Beschwerdeführerin ihre Dienstunfähigkeit und somit ein gerechtfertigtes Fernbleiben der Beschwerdeführerin vom Dienst bedingt habe. Dies wäre dann der Fall gewesen, wenn die Beschwerdeführerin wegen der Folgen der Erkrankungen den an ihrem augenblicklichen Arbeitsplatz an sie konkret gestellten dienstlichen Anforderungen nicht hätte entsprechen können. Auf Grund der eingeholten, nach Ansicht der belangten Behörde schlüssigen, ausführlichen und widerspruchsfreien amtsärztlichen Gutachten sowie des Umstandes, dass die Stadt Wien als Dienstgeber die Beschwerdeführerin auf einem ihrem medizinischen Leistungskalkül entsprechenden Dienstposten als Amtsgehilfin hätte verwenden können, sei die belangte Behörde zu dem Ergebnis gelangt, dass die Erkrankung der Beschwerdeführerin - entgegen ihrem Vorbringen - keinen ausreichenden Entschuldigungsgrund für ihr eigenmächtiges Fernbleiben vom Dienst während des genannten Zeitraumes darstelle. Da die Beschwerdeführerin hinsichtlich allfälliger weiterer Erkrankungen während des fraglichen Zeitraumes keinerlei Vorbringen erstattet habe, sei davon auszugehen gewesen, dass sie während des gesamten im Spruch genannten Zeitraumes mit den in den amtsärztlichen Gutachten genannten Einschränkungen dienstfähig gewesen sei, weshalb die Berufung als unbegründet abzuweisen gewesen sei.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei Sache des Berufungsverfahrens nicht nur der im angefochtenen Bescheid genannte Beginn, sondern auch die Dauer des ungerechtfertigten Fernbleibens der Beschwerdeführerin. Die Beschwerdeführerin habe am 21. Jänner 1998 ihren Dienst wieder angetreten, wodurch die Dauer ihres ungerechtfertigten Fernbleibens mit 20. Jänner 1998 geendet habe. Der erstinstanzliche Bescheid sei daher spruchgemäß abzuändern gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin sieht sich durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten insofern verletzt, als die belangte Behörde entgegen den Bestimmungen des § 32 DO 1994 ausgesprochen hat, dass sie für die Zeit vom 8. Jänner 1997 bis 20. Jänner 1998 den Anspruch auf ihr Diensteinkommen verloren habe.

Gemäß § 32 Abs. 1 erster Satz des Gesetzes über das Dienstrecht der Beamten der Bundeshauptstadt Wien (Dienstordnung 1994 - DO 1994), LGBl. Nr. 56, verliert ein Beamter, der eigenmächtig und unentschuldigt dem Dienst fernbleibt, für die Dauer einer solchen Abwesenheit den Anspruch auf sein Diensteinkommen.

Voraussetzung für den Verlust des Bezugsanspruches ist demnach, dass der Beamte eigenmächtig und unentschuldigt dem Dienst fernbleibt.

Diese gesetzliche Regelung ist zwar mit § 13 Abs. 3 Z. 2 des Gehaltsgesetzes 1956 nicht wortident, aber im Wesentlichen rechtlich inhaltsgleich, weil die Voraussetzungen für den Bezugsentfall dort ebenfalls eigenmächtiges Fernbleiben des Beamten vom Dienst ohne Nachweis eines ausreichenden Entschuldigungsgrundes sind. Die Heranziehung der diesbezüglichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Bezugsentfall nach dem Gehaltsgesetz 1956 ist daher gerechtfertigt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 6. September 1988, Zl. 87/12/0182, Slg. N. F. Nr. 12.753/A - nur Leitsatz, ausgeführt, es sei richtig, dass eine ärztliche Bescheinigung die Abwesenheit eines Beamten vom Dienst nicht an sich zu einer gerechtfertigten macht. Ob eine Erkrankung Dienstunfähigkeit des Beamten bedingt, ist nach der Lage des konkreten Falles von der Dienstbehörde zu beurteilen und dann gegeben, wenn der Beamte wegen konkret bei ihm gegebener Folge einer Erkrankung den an seinem augenblicklichen Arbeitsplatz an ihn konkret gestellten dienstlichen Anforderungen nicht entsprechen kann. Daher kommt es darauf an, worin die Tätigkeiten bestehen, deren Ausübung angesichts der seinerzeitigen tatsächlichen Verwendung zu den Dienstpflichten des Beamten gehörten, und welche Tätigkeiten bei seinem Gesundheitszustand zumutbar waren. Die Gegenüberstellung dieser beiden Gruppen ermöglicht erst die der Behörde allein obliegende Lösung der Rechtsfrage, ob ein ausreichender Entschuldigungsgrund für ein eigenmächtiges Fernbleiben vom Dienst bestanden hat oder nicht.

Diesen Anforderungen wird das im Beschwerdefall durchgeführte behördliche Verfahren nicht gerecht. Die Dienstbehörde erster Instanz bezieht sich lediglich auf ein Gutachten der amtsärztlichen Untersuchungsstelle vom 18. Dezember 1996, in dem festgestellt worden ist, dass der Beschwerdeführerin die Tätigkeit als Amtsgehilfin sowohl psychisch als auch physisch zugemutet werden könne. Auch der angefochtene Bescheid enthält keine im Sinne der vorher wiedergegebenen Rechtsprechung erforderliche Gegenüberstellung der an die Beschwerdeführerin auf ihrem Arbeitsplatz an sie gestellten Anforderungen und ihrer auch amtsärztlich anerkannten gesundheitlich bedingten Einschränkungen ihrer Einsatzfähigkeit. Die belangte Behörde hat in der Begründung die eingeholten ärztlichen Gutachten auszugsweise wiedergegeben, aber keine eigenen Feststellungen zu den gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Beschwerdeführerin getroffen.

Nach der Begründung des angefochtenen Bescheides sei im amtsärztlichen Gutachten vom 4. November 1997 nur eine mäßiggradige Verstimmung (richtig: mäßiggradige depressive Verstimmung) neben anderen Leidenszuständen diagnostiziert worden. Hinsichtlich des Vergleiches des Gutachtens des nicht amtlichen Sachverständigen Facharzt Dr. D. mit den beiden amtsärztlichen Gutachten (Dezember 1996, November 1997) wird in der Begründung angegeben, diese würden sich hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin festgestellten psychischen und physischen Beschwerden nicht unterscheiden. Tatsächlich wird im amtsärztlichen Gutachten vom 4. November 1997 die Diagnose des nicht amtlichen Sachverständigen Facharzt Dr. D. wie folgt zusammengefasst:

"Es handelt sich um ein klassisches Burnout-Syndrom mit therapieresistenter Depression und sozialem Rückzug. Zusätzlich ein WS-Syndrom mit Spondylathrosis deformans der gesamten WS, ein gemischter Kopfschmerz und ein pseudoorg. Psychosyndrom."

Der Verwaltungsgerichtshof kann davon ausgehend im Gegensatz zur belangten Behörde nicht finden, dass hinsichtlich der festgestellten Beschwerden zwischen den Gutachten keine Unterschiede bestünden (siehe die vorher wiedergegebene Sachverhaltsdarstellung). Auf diese Unterschiede hat die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde zutreffend hingewiesen.

Der Verwaltungsgerichtshof kann auch den Überlegungen der belangten Behörde im Vergleich zwischen der Möglichkeit der Haushaltsführung mit Pflege des behinderten Kindes durch die Beschwerdeführerin im Verhältnis zur angeblich leichteren Tätigkeit als Amtsgehilfin - der Inhalt beider Tätigkeiten ist jedenfalls nicht ordnungsgemäß festgestellt worden - so nicht folgen. Die Beschwerdeführerin hat nämlich im Verfahren angegeben, dass sie mit dem Haushalt gerade noch zu Recht kommt; in der Beschwerde weist sie in diesem Zusammenhang darauf hin, dass ihr behindertes Kind zwischen 8.00 Uhr und 15.00 Uhr bei einer Beschäftigungstherapie untergebracht sei. Abgesehen davon ist aber nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes die Ausgangssituation bei der eigenen Haushaltsführung im Hinblick auf die individuelle Anpassungsmöglichkeit an die jeweiligen gesundheitlichen Umstände und dem Wegfall des im Außenverhältnis meist gegebenen psychosozialen Druckes vom Grunde her anders, als bei einer in einem festen zeitlichen Rahmen zu erbringenden fremdbestimmten Tätigkeit im Zusammenwirken mit anderen Menschen. Es hätte daher auch diese Frage einer sachverständigen Beurteilung unter Beachtug der Umstände bedurft.

Letztlich ist im Beschwerdefall - worauf die Beschwerdeführerin gleichfalls in der Beschwerde hingewiesen hat - noch in die Beurteilung ihrer im relevanten Zeitraum strittigen Dienstunfähigkeit miteinzubeziehen, dass sie auf Grund ihres Antrages vom 13. November 1996 gemäß § 68 Abs. 1 Z. 2 DO 1994 - ohne Begründung, da antragsgemäß - mit Wirkung ab 1. Juni 1998 in den Ruhestand versetzt worden ist. In einem diese Ruhestandsversetzung vorbereitenden Amtsvermerk vom 15. April 1998 wird ausgeführt, dass die amtsärztlichen Gutachten vom April 1998 deutliche Hinweise auf psychische Störungen in einem solchen Maß zeigen, dass nicht einmal eine Einsatzfähigkeit als Amtsgehilfin gegeben und eine Besserung des Gesundheitszustandes unwahrscheinlich sei. Dieser Angabe lag ein amtsärztliches psychiatrisches Gutachten vom 29. Jänner 1998 zu Grunde, in dem von einer langen Dauer und Chronifizierung des Krankheitsbildes der Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit ihrer dauernden Dienstunfähigkeit gesprochen wurde.

Ausgehend von der Verpflichtung der Dienstbehörde nach § 8 Abs. 1 DVG, nämlich die zum Vorteil und Nachteil der Partei dienenden Umstände mit gleicher Sorgfalt zu berücksichtigen, wäre eine Auseinandersetzung mit den zuletzt genannten von der Dienstbehörde im Ruhestandsversetzungsverfahren vor der Erlassung des angefochtenen Bescheides eingeholten amtsärztlichen Gutachten, die von einer bereits länger dauernden Erkrankung der Beschwerdeführerin ausgehen und aus denen keine Anzeichen auf eine akute plötzliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Beschwerdeführerin nach dem 20. Jänner 1998 ersichtlich ist, jedenfalls angezeigt gewesen.

Ob die Erkrankung der Beschwerdeführerin bzw. die gesundheitlich bedingten Einschränkungen ihrer Einsetzbarkeit ihre Dienstunfähigkeit im angegebenen Zeitraum bedingt haben oder nicht, ist als Rechtsfrage durch die Dienstbehörde zu beurteilen und nicht durch Amts- oder sonstige Sachverständige. Diese Beurteilung setzt eine verfahrensrechtlich unbedenkliche Feststellung und Gegenüberstellung der von der Beschwerdeführerin an ihrem Arbeitsplatz zu erbringenden Tätigkeiten mit den von ihr auf Grund ihres eingeschränkten gesundheitlichen Zustandes noch ausübbaren Verrichtungen voraus, was aber unterblieben ist. Bei den bei der Beschwerdeführerin anerkannten gesundheitlichen Problemen, die schließlich auch zu ihrer vorzeitigen Ruhestandsversetzung geführt haben, ist aber ein für die Beschwerdeführerin günstigeres Ergebnis keinesfalls auszuschließen.

Der angefochtene Bescheid war daher im Hinblick auf die aufgezeigten Verfahrensmängel gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 21. Februar 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1998120219.X00

Im RIS seit

05.02.2002

Zuletzt aktualisiert am

19.08.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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