TE OGH 2011/5/4 15Os148/10v

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Veröffentlicht am 04.05.2011
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 4. Mai 2011 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé als Vorsitzenden, den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Tomecek als Schriftführerin in der Strafsache gegen Mag. Wolfgang K***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach §§ 156 Abs 1, Abs 2, 161 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Mag. Wolfgang K***** und Ekkhard N***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 9. Juni 2010, GZ 13 Hv 79/09v-72, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch einen rechtskräftigen Freispruch eines weiteren Angeklagten enthaltenden Urteil wurden ua Mag. Wolfgang K***** und Ekkhart N***** jeweils des Verbrechens der betrügerischen Krida nach §§ 156 Abs 1, Abs 2, 161 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach haben sie in Wien als Geschäftsführer der L***** GmbH (vormals Ch***** GmbH) im Jahr 2004 das Vermögen der Gesellschaft wirklich verringert und dadurch die Befriedigung der Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen vereitelt oder geschmälert und durch die Tat einen 50.000 Euro übersteigenden Schaden herbeigeführt, indem sie im Jahresabschluss 2003 die Bildung ausreichender Rückstellungen unterließen, einen Gewinn auswiesen und eine Gewinnausschüttung für 2003 in Höhe von 56.129,92 Euro vornahmen.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Schuldspruch richten sich die Nichtigkeitsbeschwerden dieser beiden Angeklagten, die auf § 281 Abs 1 Z 4 und 5 StPO, beim Angeklagten Mag. K***** darüber hinaus auch auf Z 9 lit a leg cit gestützt werden; sie schlagen fehl.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Mag. K*****:

Die Verfahrensrüge (Z 4) richtet sich gegen die Abweisung (ON 71 S 121) des in der Hauptverhandlung am 9. Juni 2010 gestellten (ON 71 S 111) Antrags auf Vernehmung des Steuerberaters Mag. Hermann S***** sowie des Rechtsanwalts Dr. Hubert Si***** als Zeugen zum Beweis dafür, „dass diese beantragten Personen die Angeklagten im Rahmen derer Befugnisse, dh rechtlich, steuerlich bzw steuerrechtlich vertreten und beraten haben, in Organfunktion oder persönlich die Angeklagten daher davon ausgehen konnten und nach Wahrnehmung der beantragten Zeugen auch davon ausgegangen sind, dass sämtliche Ansätze der Jahresabschlüsse 2002/2003 sowie diese Jahresabschlüsse selbst in Entsprechung sämtlicher gesetzlicher Vorschriften gestellt werden“.

Durch die Abweisung dieses Antrags wurden Verteidigungsrechte nicht geschmälert. Hinsichtlich des Zeugen Dr. Si***** ist dem Antrag nämlich nicht zu entnehmen, dass der Genannte neben dem ohnehin beigezogenen Steuerberater Mag. S***** überhaupt mit der Erstellung der Jahresabschlüsse 2002/2003 oder mit der Erarbeitung der hiefür notwendigen Ansätze befasst war.

Zum Zeugen Mag. S***** verwiesen die Tatrichter zutreffend auf die Depositionen sämtlicher Angeklagten (im Besonderen ON 71 S 113 bis 119), wonach dem Genannten die Kosten der Ersatzvornahme, sei es in Höhe von knapp 470.000 Euro (Schreiben vom 22. Dezember 2003, Blg ./IV zu ON 71), sei es in Höhe von rund 399.000 Euro (Vereinbarung vom 24./25. März 2005, ON 36 S 33 f) nicht bekannt waren und er nur über Gewährleistungsansprüche in Höhe von 115.000 Euro informiert war.

Soweit der Beweisantrag auch zu behaupteten Wahrnehmungen der Zeugen über den Vorsatz der Angeklagten gestellt wurde, vernachlässigt die Beschwerde, dass nur Tatsachenbekundungen Gegenstand einer Zeugenaussage sein können (RIS-Justiz RS0097540 [T4, T10 und T14]), während Wahrnehmungen über Wissen und Wollen des Angeklagten nur dieser selbst machen, ein Zeuge aber „in den Angeklagten nicht hineinsehen“ kann.

Dass die Zeugen im vorliegenden Fall Wahrnehmungen über tatsächliche Umstände gemacht hätten, die Schlüsse zur subjektiven Tatseite des Beschwerdeführers anlässlich der Entnahme des Bilanzgewinns zuließen, wurde im Antrag nicht einmal behauptet. Selbst wenn Letzteres der Fall gewesen wäre, hätte es aber im Übrigen - in Anbetracht der vorliegenden Verfahrensergebnisse zur bloßen Übergabe von Unterlagen mittels Boten und einer ohne Rückfrage erfolgten Bilanzerstellung durch Mag. S***** (ON 71 S 117 f) - neben der bloßen Behauptung auch eines Vorbringens darüber bedurft, welche konkreten Wahrnehmungen die Zeugen über welche Umstände, aus denen auf die subjektiven Annahmen der Angeklagten zur Richtigkeit der Ansätze der Jahresabschlüsse 2002/2003 und zur Gesetzmäßigkeit der Jahresabschlüsse geschlossen werden könnte, gemacht hätten.

Über den Beweisantrag hinausgehende, in der Beschwerde nachgetragene Erwägungen zu von berufsmäßigen Parteienvertretern zu erwartenden Nachfragen zwecks Vollständigkeit der Bilanzunterlagen und daraus für den Beschwerdeführer ableitbaren Schlüssen sind unbeachtlich, weil bei Prüfung der Berechtigung des Antrags stets von der Verfahrenslage zum Zeitpunkt der Antragstellung und den dazu vorgebrachten Gründen auszugehen ist (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 325).

Die das Fehlen einer Auseinandersetzung mit dem Sachverständigengutachten zur Frage der Zahlungsunfähigkeit reklamierende Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) verkennt, dass das Vorliegen von Zahlungsunfähigkeit weder für die Subsumtion des inkriminierten Verhaltens unter § 156 StGB (vgl Kirchbacher/Presslauer in WK² § 156 Rz 5) noch für den anzuwendenden Strafrahmen entscheidungswesentlich ist.

Unzutreffend ist der Einwand des Mangels einer Erörterung der Angaben sämtlicher Angeklagten (ON 71 S 113 bis 119), wonach diese „von vollständiger Informationslage ausgingen“. Die Tatrichter lehnten die die subjektive Tatseite leugnende Verantwortung der Angeklagten Mag. K***** und N***** mit dem Hinweis auf das Schreiben ihres Rechtsvertreters vom 22. Dezember 2003, aus dem sich die Kosten alleine der Ersatzvornahmen mit knapp 470.000 Euro ergaben, während im Jahresabschluss 2003 bloß Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen in Höhe von 95.467,01 Euro und Rückstellungen für Gewährleistungen in Höhe von 115.000 Euro vorgesehen waren, und der daraus gezogene Schlussfolgerung zur ziemlich präzisen Vorstellung der Genannten über die finanzielle Situation des Unternehmens gegen Ende 2003 ab (US 8 ff).

Im Übrigen ist den Aussagen der Angeklagten in der Hauptverhandlung (ON 71 S 113 bis 119) nicht zu entnehmen, dass diese „von vollständiger Informationslage“ (ersichtlich gemeint:) des Steuerberaters Mag. S***** ausgingen. Die auf einzelne, isoliert wiedergegebene Aussageteile des Angeklagten N***** gestützte Argumentation der Beschwerde übergeht nämlich, dass alle drei Angeklagten angaben, den Steuerberater nicht von den voraussichtlichen Kosten der Ersatzvornahmen zwecks Mängelbehebung in Höhe von 470.000 Euro informiert zu haben (ON 71 Protokoll S 57 Mitte). Nach den Angaben des Angeklagten Mag. K***** (ON 71 S 113) habe der Steuerberater vielmehr „den Stand gehabt mit 95.000 Euro“. Der Angeklagte N***** präzisierte die von der Mängelrüge zitierte Aussage zu von ihm an den Steuerberater weitergeleiteten Unterlagen dahingehend, dass Mag. S***** über jene Unterlagen verfügte, „aus denen die Einbuchung dieser 95.000 Euro als Verbindlichkeit hervorgeht, sonst wäre es nicht so in der Bilanz gestanden“ (ON 71 S 115) bzw waren „die Verhandlungen mit der St***** im März/April (offensichtlich gemeint 2004, vgl Entwurf einer Vereinbarung vom 19. März 2004 Blg ./I zu ON 71) der aktuelle Stand im Bilanzierungszeitpunkt (ON 71 S 117).

Die ausreichende Feststellungen „zum objektiven Tatbestandselement der Vereitelung der Befriedigung von Gläubigern“ und zur subjektiven Tatseite vermissende Rüge (teils Z 5, teils Z 9 lit a) übergeht die diesbezüglichen Konstatierungen auf US 7 f.

Mit dem sinngemäßen Vorbringen (Z 9 lit a), das Erstgericht hätte ausreichende Feststellungen zum Umstand unterlassen, ob bzw dass die Angeklagten in Anbetracht der ihnen durch ihre rechtlichen bzw steuer-(recht-)lichen Vertreter vermittelten Eindrücke, alle Abschlüsse seien rechtsrichtig und tatsachengemäß, die Gewinnentnahme für zulässig erachteten, versucht der Nichtigkeitswerber im Ergebnis nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung seiner mängelfrei verworfenen Verantwortung zur subjektiven Tatseite (US 8 ff) zum Durchbruch zu verhelfen.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten N*****:

Die Verfahrensrüge (Z 4) wendet sich gegen die Abweisung des vom Angeklagten Mag. K***** gestellten, bereits beschriebenen Antrags auf Vernehmung der Zeugen Mag. S***** und Dr. Si*****, dem sich der Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung angeschlossen hat (ON 71 S 113).

Mit seinen mit dem Vorbringen des Angeklagten Mag. K***** inhaltlich vergleichbaren Einwänden, es fehle an einer begründeten Entscheidung hinsichtlich der Abweisung des Antrags auf Vernehmung des Zeugen Dr. Si*****, sowie beide Zeugen hätten bestätigen können, dass er eine Gläubigerbeeinträchtigung nicht für möglich gehalten und somit nicht vorsätzlich gehandelt habe, wird der Beschwerdeführer auf die Ausführungen zur Verfahrensrüge des Angeklagten Mag. K***** verwiesen. Die Behauptung des Beschwerdeführers, er habe dem Steuerberater alle erforderlichen Unterlagen übergeben, findet weder in der eigenen noch in der Verantwortung der Mitangeklagten Deckung. Diesbezüglich wird auf das insoweit unangefochten gebliebene Protokoll ON 71 S 113 hingewiesen.

Der Einwand, durch die Vernehmung des Rechtsanwalts und des Steuerberaters hätte geklärt werden können und müssen, „ob die Bilanz in diesem Punkt (gemeint: Höhe des ausgewiesenen Bilanzgewinns) korrekt und unsere darauf gegründete Einschätzung (gemeint: einen Anspruch auf die Gewinnausschüttung zu haben) richtig war“, stellt auf einen unzulässigen Erkundungsbeweis ab.

Entgegen dem eine unzureichende Begründung des Schädigungsvorsatzes relevierenden Vorbringen der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) leiteten die Tatrichter mit den Kriterien folgerichtigen Denkens entsprechenden beweiswürdigenden Erwägungen aus der dem Beschwerdeführer spätestens aus dem Schreiben vom 22. Dezember 2003 bekannten Höhe der Kosten der Ersatzvornahme, denen unzureichende Rückstellungen im Jahresabschluss 2003 gegenüberstanden, und der dennoch erfolgten Gewinnausschüttung den Schädigungsvorsatz formell einwandfrei ab. Soweit der Beschwerdeführer mit Bezugnahme auf den nicht realisierten Entwurf einer Vereinbarung vom März 2004 und unter Anstellen eigener Beweiserwägungen zur rein spekulativen Hoffnung auf den Abschluss einer ähnlichen Vereinbarung, bei der es zu keiner Gläubigerschädigung gekommen wäre, eine Berechtigung zur Gewinnausschüttung im Jahr 2004 abzuleiten trachtet, bekämpft er nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung die tatrichterliche Beweiswürdigung.

Gleiches gilt für die Motive des Beschwerdeführers für seinen Anfang 2005 gefassten und Ende 2005 umgesetzten, nicht entscheidungswesentlichen Entschluss, sich aus der Gesellschaft zurückzuziehen, sowie für die ebenfalls nicht entscheidungsrelevante Umbenennung des Unternehmens.

Der Beschwerde zuwider kommt der geforderten näheren Eingrenzung des Zeitpunkts der Gewinnausschüttung im Jahr 2004 keine für die Subsumtion oder die Auswahl des Strafrahmens wesentliche Bedeutung zu. Welche Rückschlüsse sich daraus auf den Schädigungsvorsatz des Beschwerdeführers ergeben sollen, wird nicht dargelegt.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher - im Einklang mit der Stellungnahme der Generalprokuratur jedoch entgegen der dazu erstatteten Äußerung des Verteidigers des Angeklagten Mag. K***** - bereits bei nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Wien zur Entscheidung über die Berufungen ergibt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Schlagworte

Strafrecht

Textnummer

E97229

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0150OS00148.10V.0504.000

Im RIS seit

20.05.2011

Zuletzt aktualisiert am

23.05.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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