TE OGH 2011/5/26 9ObA46/11x

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Veröffentlicht am 26.05.2011
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf und Mag. Ziegelbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Albert Koblizek und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei J***** ***** L*****, vertreten durch Friedl & Holler Rechtsanwalt-Partnerschaft in Gamlitz, gegen die beklagten Parteien 1. H***** H***** und 2. C***** H*****, beide vertreten durch Dr. Reinhard Tögl Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Graz, wegen Zuhaltung eines Vertrags (Streitwert: 7.483,20 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 16. Februar 2011, GZ 7 Ra 1/11p-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 13. Oktober 2010, GZ 33 Cga 60/10i-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Antrag der beklagten Parteien auf Zuspruch der Kosten der Revisionsbeantwortung wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Der Kläger war vom 20. 3. 1978 bis 3. 12. 2004 als Maler und Anstreicher im Malerfachbetrieb des Erstbeklagten beschäftigt. Er erhielt anlässlich einer Weihnachtsfeier im Dezember 2003 vom Erstbeklagten eine Urkunde zur Anerkennung seines 25-jährigen Betriebsjubiläums für erwiesene Treue und wertvolle Dienste überreicht. Als weiteres „Dankeschön“ erhielt der Kläger vom Erstbeklagten eine Uhr sowie einen - von beiden Beklagten unterfertigten - Gutschein mit folgendem Text: „Gutschein für Ihre Fassadengestaltung incl. Material und Arbeitsleistung als Dankeschön für 25 Jahre Treue und deren hervorragenden Leistungen.“ Der Erstbeklagte wollte dem Kläger, der im Dezember 2003 gerade mit der Renovierung der Außenfassade seines Wohnhauses beschäftigt war, mit der Überreichung des - nicht an die Dauer des Arbeitsverhältnisses gebundenen - Gutscheins helfen. Bei der Fassadengestaltung sollte der Kläger selbst mitarbeiten.

Der Kläger begehrt mit seiner am 7. 5. 2010 eingebrachten Klage die Zuhaltung der in diesem Gutschein zugesagten Leistungen Zug-um-Zug gegen die Ausfolgung des Gutscheins. Der Gutschein sei ihm „als Dankeschön für 25 Jahre Treue und hervorragende Leistung“ übergeben worden. Bei dem im Gutschein zugesicherten Anspruch handle es sich nicht um einen Entgeltanspruch, sondern um einen solchen auf Materiallieferung und Arbeitsleistung, sodass Verjährung nicht eingetreten sei.

Die Beklagten wandten dagegen im Wesentlichen Verjährung der aus dem Gutschein geltend gemachten Entgeltansprüche ein.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers keine Folge. Es teilte, soweit für das Revisionsverfahren noch von Belang, die Rechtsansicht des Erstgerichts, dass es sich bei dem im Gutschein zugesagten Anspruch um einen der Verjährungsfrist des § 1486 Z 5 ABGB unterliegenden Entgeltanspruch aus dem Arbeitsverhältnis handle. Diese Frist könne gemäß § 1502 ABGB nicht verlängert werden. Das österreichische Recht kenne keine abstrakten Verpflichtungsgeschäfte außerhalb des Wertpapierrechts, sodass im konkreten Fall Verjährung eingetreten sei. Ein konstitutives Anerkenntnis liege nicht vor, weil es hier an einer von den Beklagten zuvor ernsthaft bestrittenen oder bezweifelten Forderung gemangelt habe.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil zur Frage, wann ein in einem Gutschein verbrieftes Recht verjähre, höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Gegen dieses Urteil richtet sich die von den Beklagten beantwortete Revision des Klägers.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts unzulässig.

1. Das Entgelt eines Arbeitnehmers umfasst nach ständiger Rechtsprechung neben dem eigentlichen Gehalt oder Lohn auch die übrigen ordentlichen und außerordentlichen Leistungen zusätzlicher Art (RIS-Justiz RS0027975; RS0028005). Vom - weit auszulegenden - arbeitsrechtlichen Entgeltbegriff ist nach dem üblichen Sprachgebrauch jede Leistung umfasst, die der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber dafür bekommt, dass er ihm seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt (RIS-Justiz RS0031505). Dabei kommt es nicht auf die Bezeichnung, sondern nur auf die tatsächliche Funktion der Leistung an (8 ObA 11/08p). Auch alle Arten von Naturalleistungen oder Sachzuwendungen sind dem Entgelt zuzurechnen (Löschnigg, Arbeitsrecht11 336f). Die Vorinstanzen haben zutreffend dargestellt, dass auch ein einem Arbeitnehmer bei 25-jähriger Werkszugehörigkeit auf einer freien Betriebsvereinbarung beruhendes „Ehrengeschenk“ (ein Monatsbezug) ungeachtet des Fehlens einer gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Verpflichtung als Zuwendung des Arbeitgebers angesehen wurde (4 Ob 63/75 = Arb 9430). Vor diesem Hintergrund ist die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die dem Kläger für seine Fassadengestaltung versprochenen Arbeits- und Materialleistungen Entgelt darstellen, jedenfalls vertretbar. Mit seiner bloßen Behauptung, es liege ein Bezugsrecht auf eine Naturalleistung vor, die nicht der Erfüllung einer gesetzlichen, kollektivvertraglichen oder arbeitsvertraglichen Verpflichtung diente, wünscht der Revisionswerber eine andere Vertragsauslegung. Damit zeigt er selbst dann, wenn eine andere Vertragsauslegung vertretbar wäre, keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf (RIS-Justiz RS0112106 [T3, T4]).

2. Auf ein „Schuldanerkenntnis im Sinne der Bestimmung des § 1380 ABGB“ hat sich der - im Verfahren erster Instanz bereits qualifiziert vertretene - Kläger nicht gestützt, sodass dieses Vorbringen in der Revision gegen das Neuerungsverbot iSd §§ 63 Abs 1 ASGG, 482 ZPO verstößt. Dessen ungeachtet hat das Berufungsgericht bereits begründet ausgeführt, dass ein konstitutives Anerkenntnis schon deshalb nicht vorliegt, weil der Kläger gar kein aus dem Gutschein entspringendes Recht behauptete, das zuvor von den Beklagten ernsthaft bestritten oder bezweifelt worden wäre. Eine Unrichtigkeit dieser Rechtsansicht zeigt der Kläger in der Revision nicht auf.

3. Ebenso wie die Auslegung der von den Parteien getroffenen Vereinbarung kann auch die Beurteilung der Frage, ob ein Anspruch verjährt ist, immer nur nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls erfolgen und begründet daher grundsätzlich keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RIS-Justiz RS0044464 ua). Der Kläger führt in der Revision aus, dass der geltend gemachte Anspruch in einem Gutschein verbrieft sei. Dieser sei ein Wertpapier; darin verbriefte Rechte verjährten erst nach 30 Jahren (unter Hinweis auf Mader/Janisch in Schwimann, ABGB³ § 1478 Rz 18), Rechtsprechung zu dieser Frage fehle.

Damit zeigt er jedoch schon im Hinblick auf die klare Gesetzeslage keine erhebliche Rechtsfrage auf (RIS-Justiz RS0042656). Danach richtet sich die Verjährung selbst für (im konkreten Fall gar nicht geltend gemachte) wertpapierrechtliche Ansprüche - außerhalb der hier nicht anwendbaren Spezialnormen der Art 70 WG, 52 SchG - nach allgemeinen Vorschriften (Roth, Wertpapierrecht² 104). In dreißig Jahren verjähren sonstige vertragliche Ansprüche, sofern sie nicht nach einer spezielleren Norm - wie etwa § 1486 ABGB - der kurzen Frist unterfallen (M. Bydlinski in Rummel, ABGB³ § 1478 Rz 6; Dehn in KBB³ § 1478 Rz 1). Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass ein Entgeltanspruch der Verjährungsfrist des § 1486 Z 5 ABGB unterliegt, bestreitet der Kläger in der Revision gar nicht, sondern er führt lediglich aus, dass ein Entgeltanspruch nicht vorliege. Damit zeigt er jedoch wie dargestellt keine erhebliche Rechtsfrage auf. Dass der begehrte vertragliche Entgeltanspruch „in einem Gutschein verbrieft“ ist, ändert nichts daran, dass es sich um einen Entgeltanspruch aus einem Arbeitsverhältnis handelt. Daher kann die Anwendbarkeit der Bestimmung des § 1486 Z 5 ABGB nicht in Zweifel gezogen werden.

4. Eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts zeigt der Revisionswerber daher nicht auf, sodass die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen war.

Der Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen, sodass er die Kosten seiner Revisionsbeantwortung selbst zu tragen hat (RIS-Justiz RS0035979).

Schlagworte

Arbeitsrecht

Textnummer

E97565

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:009OBA00046.11X.0526.000

Im RIS seit

28.06.2011

Zuletzt aktualisiert am

26.11.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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