TE OGH 2011/6/21 1Ob95/11v

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Veröffentlicht am 21.06.2011
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Familienrechtssache des Antragstellers Rupert S*****, vertreten durch Dr. Walter Mardetschläger, Dr. Peter Mardetschläger und Mag. August Schulz, Rechtsanwälte in Wien, gegen die Antragsgegnerin Maria ***** S*****, vertreten durch Dr. Peter Birgmayer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 15. März 2011, GZ 48 R 292/10m-27, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Liesing vom 3. August 2010, GZ 5 Fam 131/09i-23, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Voranzustellen ist, dass nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs die nach dem Grundsatz der Billigkeit vorzunehmende Aufteilung gemäß §§ 81 ff EheG jeweils von den Umständen des Einzelfalls abhängt. Eine erhebliche Rechtsfrage liegt nur dann vor, wenn dargetan wird, dass die zweite Instanz bei der Beurteilung dieses Einzelfalls von den allgemeinen Grundsätzen abgewichen ist und so den Ermessensspielraum überschritten hat, oder dass ihr in anderer Weise eine krasse fehlerhafte Ermessensübung unterlaufen ist, die im Interesse der Rechtssicherheit einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedarf. Dabei sind sogar eine unrichtig angewandte Ermittlungsart oder eine unrichtige Gewichtung einzelner Bemessungselemente solange zu vernachlässigen, als sich der ausgemittelte Ausgleichsbetrag innerhalb dieses Spielraums bewegt (6 Ob 31/07p mwN).

Das Rekursgericht hat weder seinen Ermessensspielraum überschritten noch ist ihm eine krass fehlerhafte Ermessensübung bei der Festsetzung der Ausgleichszahlung (§ 94 EheG) unterlaufen:

Rechtliche Beurteilung

1. Im Fall der Doppelveräußerung einer Liegenschaft führen Eintragungsprinzip und Rangprinzip nach § 440 ABGB zum Eigentumserwerb desjenigen, der zuerst eingetragen wird (6 Ob 169/07g; RIS-Justiz RS0108657 [T1]). Allfällige privatrechtliche Ansprüche des Antragstellers (beispielsweise gegen die Tante und den Onkel der Antragsgegnerin als Verkäufer des als Ehewohnung dienenden Reihenhauses) sind nicht Gegenstand des Aufteilungsverfahrens, was der Antragsteller auch zugesteht. Dass er im Aufteilungsantrag erklärte, „auf jegliche Rechte an der ehelichen Liegenschaft gegenüber der Antragsgegnerin“ zu verzichten, begründet nicht die Zahlung eines Ausgleichsbetrags durch diese an ihn. Er legt weder dar, auf welche „Rechte“ er verzichtete, noch zeigt er deren Werthaltigkeit auf.

2. Der Antragsteller geht - ebenso wie das Rekursgericht - davon aus, dass die Kreditrückzahlungen während aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft von beiden Parteien getätigt wurden. Abgesehen davon, dass er im erstinstanzlichen Verfahren dazu kein Vorbringen erstattete, zeigt er auch im Revisionsrekurs nicht auf, inwiefern dadurch „weiteres eheliches Vermögen“ geschaffen wurde.

3. Zwar unterliegt das von beiden Parteien im Februar 1999 vom Onkel und der Tante der Antragsgegnerin mit aufschiebend bedingtem Kaufvertrag erworbene Reihenhaus, wobei die Erfüllung der Bedingung von vornherein unmöglich war, als Ehewohnung gemäß § 81 Abs 2 EheG der Aufteilung. Nicht erfasst vom Aufteilungsverfahren sind jedoch - wie bereits dargelegt - die aus der Doppelveräußerung resultierenden allfälligen Ansprüche beider Parteien gegen die Verkäufer und den Erwerber des im Wohnungseigentum stehenden Reihenhauses. Die Antragsgegnerin ist (nach dem Zweitverkauf) nunmehr Mieterin dieses Reihenhauses. Keine der Parteien, die den Kaufpreis an die Verkäufer vollständig bezahlten, wurde Wohnungseigentümer des Reihenhauses. Dieses steht vielmehr nach dem - nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft erfolgten - Kauf durch den Vater der Antragsgegnerin in dessen Wohnungseigentum.

Ausgleichszahlungen für wertsteigernde Investitionen stehen nur dann zu, wenn durch gemeinsame Arbeit oder Ersparnis ein Wertzuwachs im Vermögen eines der Ehegatten bewirkt wurde. Es soll nur das aufgeteilt werden, was die Ehegatten während der Ehe erarbeitet und erspart haben; dies setzt aber einen Wertzuwachs im Vermögen eines der früheren Ehegatten voraus (10 Ob 74/08t). Mangels Erlangung des Wohnungseigentums durch die Parteien kommt auch der Antragsgegnerin der Wert des ehelichen Reihenhauses nicht zu, sodass unterlassene Feststellungen zum Wert des Wohnungseigentumsobjekts nicht entscheidungserheblich sind. Dass die Antragsgegnerin die frühere Ehewohnung nunmehr als Mieterin - also gegen Entgelt - nutzt, führt unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit nicht dazu, dass sie dem Antragsteller dafür eine Ausgleichszahlung zu leisten hätte (vgl zum Wertzuwachs im Vermögen eines Dritten RIS-Justiz RS0057363).

4. Der eingehenden Begründung des Rekursgerichts zum fehlenden Ausgleichsanspruch des Antragstellers im Hinblick auf die nach Aufhebung der Lebensgemeinschaft von den Parteien zurückgezahlten Kredite hält der Revisionsrekurswerber lediglich entgegen, dass die Passiva „üblicherweise im Ausmaß 50 : 50“ aufzuteilen seien. Damit zeigt er nicht konkret auf, dass das Rekursgericht seinen Bewertungsspielraum zu seinen Lasten in unvertretbarer Weise überschritten hätte.

Zusammenfassend ist daher der außerordentliche Revisionsrekurs des Antragstellers mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückzuweisen.

Schlagworte

Familienrecht

Textnummer

E97883

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0010OB00095.11V.0621.000

Im RIS seit

09.08.2011

Zuletzt aktualisiert am

12.03.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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