TE OGH 2011/6/21 1Ob100/11d

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Veröffentlicht am 21.06.2011
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DI Rainer H*****, vertreten durch Dr. Daniel Bräunlich Rechtsanwalt GmbH in Salzburg, gegen die beklagte Partei Ingrid G*****, vertreten durch Rechtsanwaltsgemeinschaft Mory & Schellhorn OEG in Salzburg, wegen 5.480 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 17. März 2011, GZ 53 R 304/10b-41, mit dem über die Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Oberndorf vom 12. Juli 2010, GZ 2 C 682/08f-37, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 559,15 EUR (darin enthalten 93,19 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Zurückweisung einer Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

Nach dem für das Revisionsverfahren noch maßgeblichen Sachverhalt schloss die Beklagte als Antragsgegnerin mit einem anderen Wohnungseigentümer (Antragsteller) am 25. 7. 2007 in einem vor dem Erstgericht geführten außerstreitigen Wohnrechtsverfahren eine Vereinbarung. Darin machte die Beklagte ihre Zustimmung zu bestimmten, vom anderen Wohnungseigentümer bereits vorgenommenen und noch geplanten Baumaßnahmen davon abhängig, dass der Kläger, auf den sich die Parteien dieses Verfahren als Sachverständigen einigten, erklärt und bestätigt, dass diese Baumaßnahmen „gem. § 16 Abs 2 WEG aus statischer Sicht keine Schädigung des Hauses zur Folge haben, keine Beeinträchtigung wesentlicher Interessen und keine Gefahr für Sicherheit von Personen oder Sachen darstellen“. Weiters wurde vereinbart, dass die Kosten des Sachverständigen (nunmehr Kläger) „von den Parteien je zur Hälfte getragen“ werden.

Nach Abschluss dieser Vereinbarung vor dem Erstgericht setzte sich die Rechtsvertreterin des Verfahrensgegners mit dem Kläger zunächst telefonisch in Verbindung und beauftragte ihn mit Schreiben vom 22. 8. 2007 im Namen und auf Rechnung ihres Mandanten und der Beklagten mit der statischen Überprüfung der Baumaßnahmen, hielt fest, dass gemäß der Regelung im gerichtlichen Vergleich die anfallenden Kosten des Klägers von den Parteien je zur Hälfte zu tragen seien, und schloss den Vergleichstext an. Die Beklagte hat dem Kläger „direkt“ keinen Auftrag erteilt. Nach der Gutachtenserstellung stellte der Kläger seine Gebührennote in Rechnung und ersuchte die Beklagte um Anweisung des Hälftebetrags von 5.480 EUR.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren auf Zahlung des halben Honorars für die Gutachtenserstellung von 5.480 EUR sA statt. Rechtlich ging es - soweit für das Revisionsverfahren von Relevanz - von einer Ermächtigung der Rechtsvertreterin des gegnerischen Wohnungseigentümers aus, den Gutachtensauftrag auch namens der Beklagten zu erteilen. Ferner treffe die Beklagte auch nach den Bestimmungen über Verträge zugunsten Dritter die direkte Pflicht gegenüber dem Kläger, dessen Kosten zu tragen (§ 881 Abs 2 ABGB). Zweck und Natur des Vergleichs sprächen dafür, dass der Kläger das Gutachten gegen Bezahlung des Hälftebetrags des Honorars direkt durch die Beklagte erstellen sollte.

Das Berufungsgericht wies über Berufung der Beklagten das Klagebegehren ab. Es liege kein Vertrag zugunsten Dritter vor. Der Kläger sei zwar Dritter, jedoch hätten ihm weder die Beklagte noch ihr Verfahrensgegner eine Leistung versprochen. Die Streitteile des wohnrechtlichen Außerstreitverfahrens hätten eine sogenannte Schiedsgutachtensabrede getroffen. In Bezug auf das Schiedsgutachten seien die Schiedsgutachtensabrede - die Einigung der Parteien auf das Leistungsbestimmungsrecht des Dritten - und der Schiedsgutachtervertrag, mit dem sie den Schiedsgutachter beauftragen, zu unterscheiden (RIS-Justiz RS0106356). Die Beklagte und ihr Verfahrensgegner hätten sich in der Schiedsgutachtensabrede darauf geeinigt, den Kläger als Schiedsgutachter zu bestellen. Von dieser Schiedsgutachtensabrede sei der Schiedsgutachtervertrag zu unterscheiden, mit dem der Auftrag an den Schiedsgutachter erteilt werde. In der Schiedsgutachtensabrede finde sich keine Vereinbarung, wer den Schiedsgutachtervertrag abschließen solle. Ein solcher Vertrag könne, müsse aber nicht von allen Parteien der Schiedsgutachtensabrede mit dem Schiedsgutachter geschlossen werden. Die Rechtsvertreterin des Verfahrensgegners im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren habe keine Ermächtigung gehabt, die Beklagte gegenüber dem Schiedsgutachter anlässlich des (Abschlusses des) Schiedsgutachtervertrags zu vertreten. Diese sei Vertreterin ohne Vertretungsmacht, insofern sie auch für die Beklagte einen Schiedsgutachtervertrag mit dem Kläger abgeschlossen habe. Zwischen dem Kläger und der Beklagten sei kein Vertragsverhältnis zustandegekommen. Die Vereinbarung in der Schiedsgutachtensabrede über die Kostenteilung des Schiedsgutachters sei eine solche im Innenverhältnis, die den Schiedsgutachter nicht dazu ermächtige, unmittelbar gegen die Beklagte vorzugehen. Die Vereinbarung der Kostentragung im Innenverhältnis indiziere, dass die Auftragserteilung im Schiedsgutachtervertrag nicht notwendig von beiden Parteien des wohnrechtlichen Außerstreitverfahrens erfolgen hätte sollen. Für diesen Fall wäre diese Vereinbarung überflüssig, weil die genannten Parteien ohnehin aufgrund der gemeinsamen Auftragserteilung für die Kosten des Schiedsgutachters haften würden. Der Kläger zeige auch nicht auf, aus welchen Umständen konkret die konkludente Zustimmung der Beklagten zur Beauftragung des Schiedsgutachters durch sie abzuleiten wäre.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil es zwar Rechtsprechung zur Schiedsgutachtensabrede und zum Schiedsgutachtervertrag gebe, nicht aber dazu, dass die Parteien der Schiedsgutachtensabrede lediglich im Innenverhältnis eine Vereinbarung über die Kostentragung treffen und keine Vereinbarung darüber, wer den Schiedsgutachter im Außenverhältnis beauftragen und bezahlen solle.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts mangels erheblicher Rechtsfragen im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Im Mittelpunkt der rechtlichen Beurteilung steht die Auslegung der von den Parteien eines wohnrechtlichen Außerstreitverfahrens getroffenen Vereinbarung (Schiedsgutachtensabrede) und der nachfolgenden Auftragserteilung an den Kläger als Schiedsgutachter durch die Rechtsvertreterin des damaligen Verfahrensgegners auch in Vertretung der Beklagten (Frage des Zustandekommens des Schiedsgutachtervertrags zwischen den Streitteilen).

1. Die Auslegung einer Vereinbarung (hier: der Schiedsgutachtensabrede vom 25. 7. 2007) wirft keine Rechtsfrage auf, deren Entscheidung zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukäme, es sei denn, die Entscheidung des Berufungsgerichts beruhte auf einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage, sodass die Revision aus Gründen der Einzelfallgerechtigkeit für zulässig zu erachten wäre (6 Ob 259/03m mwN; RIS-Justiz RS0113785 zum Vergleich). Eine aus dem Grund aufzugreifende Fehlbeurteilung, dass die Auslegung des Berufungsgerichts mit dem Wortsinn oder den Gesetzen der Logik oder der Übung des redlichen Verkehrs nicht in Einklang zu bringen wäre, ist nicht zu erkennen.

2. Der Kläger argumentiert mit Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs, denen kein vergleichbarer Sachverhalt zu Grunde lag, dass die im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren geschlossene Vereinbarung ein echter Vertrag zugunsten Dritter - zu seinen Gunsten - sei. Damit sei bezweckt worden, seine Leistungen in Anspruch zu nehmen. Seine Beauftragung mit der Gutachtenserstellung sei im Interesse der Beklagten gelegen und sie habe seine Leistungen „in Anspruch genommen“.

Diese Ausführungen stehen im Widerspruch zu den Grundsätzen des in § 881 ABGB geregelten Vertrags zugunsten Dritter. Dieser ist nicht dadurch gekennzeichnet, dass der Dritte eine Leistung (hier: ein Gutachten) zu erbringen hat. Gemeinsames Merkmal der Verträge zugunsten Dritter ist vielmehr das dreipersonale Verhältnis und die Absicht, den Dritten in irgendeiner Weise zu begünstigen bzw ihm eine Leistung zukommen zu lassen (Kalss in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON 1.00 §§ 881, 882 Rz 2). Ein eigenständiges Vertragsverhältnis zwischen dem Versprechenden und dem begünstigten Dritten entsteht durch den Vertrag zugunsten Dritter nicht. Einer Annahme des Vertrags durch den Dritten bedarf es nicht (Kalss aaO §§ 881, 882 Rz 12, 13 und 21, je mwN).

Die Parteien des wohnrechtlichen Außerstreitverfahrens erzielten am 25. 7. 2007 eine Einigung über die Beurteilung der Unbedenklichkeit von Baumaßnahmen durch den Kläger - und trafen damit eine Schiedsgutachtensabrede (vgl 1 Ob 501/96 = SZ 69/168). Der konkrete Inhalt der getroffenen Vereinbarung ist aufgrund der Parteienabsicht im Einzelfall zu ermitteln (vgl 4 Ob 573/78 = SZ 51/172). Abgesehen vom - nach gesonderter Auftragserteilung durch die Rechtsvertreterin des Verfahrensgegners der Beklagten - eigenständig begründeten Vertragsverhältnis (Schiedsgutachtervertrag), das Grundlage für die Tätigkeit des Klägers war, sind auch weder die in der gerichtlichen Vereinbarung der außerstreitigen Wohnrechtssache erfolgte Einigung der Parteien auf den Kläger als Sachverständigen (Schiedsgutachter) noch die Kostentragungsregelung je zur Hälfte (ohne Anführung der Honorarhöhe) Beleg für einen (echten) Vertrag zugunsten Dritter. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, die Vereinbarung in der Schiedsgutachtensabrede über die Kostenteilung betreffe das Innenverhältnis der Parteien des wohnrechtlichen Außerstreitverfahrens und ermächtige den Schiedsgutachter (Kläger) nicht, unmittelbar gegen die Beklagte vorzugehen, ist jedenfalls vertretbar. Die Vereinbarung der Vergleichspartner über die Kostentragung ist nicht ohne Weiteres dahin auszulegen, dass der Kläger daraus irgendwelche Rechte für sich ableiten könnte (vgl 1 Ob 352/59 = SZ 33/2).

Ein echter Vertrag zugunsten Dritter würde vorliegen, wenn aufgrund einer Vereinbarung ein an dieser nicht beteiligter Dritter nicht nur Leistungsempfänger - in diesem Fall würde ein sogenannter unechter Vertrag zugunsten Dritter vorliegen -, sondern Forderungsberechtigter sein sollte (RIS-Justiz RS0017149). Ein solcher Sachverhalt ist hier aber nicht gegeben.

3. Bei Schiedsgutachten sind die Schiedsgutachtensabrede - die Einigung der Parteien auf die Rechte (Aufgaben) des Dritten - und der Schiedsgutachtervertrag, mit dem die Parteien den Schiedsgutachter beauftragen, zu unterscheiden (Hausmaninger in Fasching/Konecny² § 581 ZPO Rz 137; 1 Ob 501/96 = SZ 69/168; vgl 1 Ob 352/59 = SZ 33/2). Im Unterschied zur Schiedsgutachtensabrede ist beim Schiedsgutachtervertrag denkbar, dass dieser vom Schiedsgutachter nur mit einer der Parteien der Schiedsgutachtensabrede geschlossen wird (Grabner, Schiedsvertrag - Schiedsgutachtenvertrag - Schiedsrichtervertrag [1998], 122, 150; Garger, Das Schiedsgutachtenrecht [1996], 42). Nach den Feststellungen erteilte die Beklagte dem Kläger „direkt“ keinen Auftrag zur Erstattung des Gutachtens. Vielmehr erfolgte seine Beauftragung auch im Namen und auf Rechnung der Beklagten durch die Rechtsvertreterin des Verfahrensgegners des wohnrechtlichen Außerstreitverfahrens. Dass die Beklagte die gegnerische Rechtsvertreterin dazu bevollmächtigt hätte, hat der dafür beweispflichtige Kläger nicht vorgebracht. Auch wurden keine Tatsachenbehauptungen aufgestellt, aus denen sich ergeben könnte, dass die Schiedsgutachtensabrede als konkludente Zustimmung zur gemeinsamen Beauftragung des Klägers zu werten sei. Die diesbezüglichen Darlegungen in der Revision verstoßen gegen das Neuerungsverbot (§ 504 Abs 2 ZPO).

Da der Schiedsgutachtervertrag auch nur zwischen dem Schiedsgutachter und einer Vertragspartei abgeschlossen werden kann (vgl auch den Sachverhalt in 1 Ob 352/59 = SZ 33/2), ist es ohne weitere Anhaltspunkte gut vertretbar, von einer Bevollmächtigung der anderen Partei durch die Beklagte in der Schiedsgutachtensabrede, den Schiedsgutachtervertrag auch in ihrem Namen abzuschließen, nicht auszugehen (so auch zum deutschen Recht Greger/Stubbe, Schiedsgutachten [2007], Rz 103; aA bei Einigung auf einen Schiedsgutachter Lembcke, Haftung des Schiedsgutachters und des Adjudikators, DS 2011, 96 [97]). Da jedenfalls Anhaltspunkte für eine Vertretungsmacht der Rechtsvertreterin des Verfahrensgegners zur Vertretung der Beklagten beim Abschluss des Schiedsgutachtervertrags fehlen, die Beklagte somit nicht Partei des Schiedsgutachtervertrags wurde und sich die Übernahme der Kosten nach dem Inhalt dieses Vertrags bestimmt (Garger aaO 228), ist die Verneinung einer Honorarforderung des Klägers gegen die Beklagte nicht zu beanstanden.

4. Mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO war die Revision daher als unzulässig zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 und § 50 Abs 1 ZPO. Die Beklagte hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen.

Schlagworte

Gruppe: Konsumentenschutz,Produkthaftungsrecht

Textnummer

E97846

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0010OB00100.11D.0621.000

Im RIS seit

29.07.2011

Zuletzt aktualisiert am

07.02.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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