TE OGH 2011/7/6 14Os67/11a

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.07.2011
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. Juli 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Varga als Schriftführer in der Strafsache gegen Ali D***** und einen weiteren Angeklagten wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Saffet K***** und Ali D***** gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 9. Dezember 2010, GZ 23 Hv 110/10y-28, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Saffet K***** wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in dem diesen Angeklagten betreffenden Teil sowie im Beschluss auf Absehen vom Widerruf einer bedingten Strafnachsicht aufgehoben, eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache in diesem Umfang an das Erstgericht verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte Saffet K***** auf diese Entscheidung verwiesen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Ali D***** wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über dessen Berufung werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten Ali D***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Ali D***** (A) und Saffet K***** (B) jeweils des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB (Saffet K***** auch nach § 12 zweiter Fall StGB) schuldig erkannt.

Danach haben am 29. Oktober 2009 in Innbruck

(A) Ali D***** als gemäß § 57a Abs 2 KFG ermächtigter Gewerbetreibender, sohin als Beamter, dadurch, dass er ein dem Personenkraftwagen des Ivan G***** Verkehrs- und Betriebssicherheit bescheinigendes Gutachten gemäß § 57a Abs 4 KFG ausstellte, obwohl ihm das Fahrzeug an diesem Tag nicht vorgeführt worden war, er es nicht überprüft hatte und zudem wusste, dass es bei der letzten Überprüfung mehrere schwere Mängel aufgewiesen hatte, mit dem Vorsatz, dadurch den Staat an seinem Recht auf ordnungsgemäße Feststellung der Verkehrs- und Betriebssicherheit von Kraftfahrzeugen zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht.

(B) Saffet K***** den Ali D***** zur Ausführung der geschilderten strafbaren Handlung bestimmt, indem er ihn im Wissen um die Pflichtwidrigkeit des begehrten Verhaltens um die Ausstellung eines positiven Prüfgutachtens nach § 57a Abs 4 KFG ohne Überprüfung des Fahrzeugs ersuchte.

Rechtliche Beurteilung

Ihre dagegen gerichteten Nichtigkeitsbeschwerden stützen der Angeklagte Saffet K***** auf Z 5, 5a und 9 lit a, der Angeklagte Ali D***** auf Z 4, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO. Nur die Nichtigkeitsbeschwerde des Saffet K***** ist berechtigt.

Vorauszuschicken ist, dass der von beiden Beschwerdeführern gestellte Rechtsmittelantrag, „nach § 288a StPO die Hauptverhandlung zu vernichten“, unverständlich bleibt, weil im vorliegenden Verfahren kein Oberlandesgericht die Rechtswirksamkeit der Angeklageschrift festgestellt hat und daher Nichtigkeit aus § 281a StPO ausscheidet.

              Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Saffet K*****:

              Zutreffend reklamiert die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) eine offenbar unzureichende Begründung der die inkriminierte Bestimmungshandlung zum Ausdruck bringenden Konstatierung, dass Saffet K***** den Angeklagten D***** ersuchte, „ein positives § 57a-KFG-Gutachten für das gegenständliche Fahrzeug auszustellen, ohne dass er das Fahrzeug dem Angeklagten neuerlich vorführen müsste“ (US 6). Das Schöffengericht stützte diese Feststellung ausschließlich auf die vor der Polizei getätigte Aussage des Angeklagten D***** (US 14), der jedoch von einer Mitwirkung des Saffet K***** an der unterbliebenen Begutachtung nichts berichtete, sondern nur angab, dass er sich das Fahrzeug im Vertrauen auf die Zusicherung der erfolgten Mängelbehebung durch den Angeklagten K***** nicht mehr angesehen habe (ON 2 S 19 f).

              Demnach war in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Saffet K***** - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - das angefochtene Urteil in dem diesen Angeklagten betreffenden Teil und der davon abhängige Beschluss, vom Widerruf einer diesem Angeklagten gewährten bedingten Strafnachsicht abzusehen (13 Os 140/09a) schon bei nichtöffentlicher Beratung (§ 285e StPO) zur Gänze zu kassieren, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

              Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

              Im zweiten Rechtsgang werden die Voraussetzungen der Strafbarkeit des Saffet K***** nach §§ 302 Abs 1, 12 zweiter oder dritter Fall, 14 Abs 1 zweiter Satz StGB neuerlich zu prüfen und durch entsprechende Feststellungen zu klären sein. Strafbar ist ein Beitragstäter demnach dann, wenn er im Wissen, dass die von § 57a Abs 1 KFG geforderte Begutachtung nicht stattgefunden hat, zur Ausstellung eines Prüfgutachtens (§ 57a Abs 4 KFG) durch einen Beamten (§ 74 Abs 1 Z 4 StGB), der es dabei zumindest ernstlich für möglich hält und sich damit abfindet, dass eine entsprechende Begutachtung nicht stattgefunden hat, Anstoß gibt (§§ 12 zweiter Fall, 14 Abs 1 zweiter Satz StGB) oder eine solche Ausstellung sonst fördert (§§ 12 dritter Fall, 14 Abs 1 zweiter Satz StGB) und dabei den von § 302 Abs 1 StGB verlangten Schädigungsvorsatz hat (RIS-Justiz RS0108964; vgl insb 13 Os 29/08a).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Ali D*****:

              Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden die in der Hauptverhandlung gestellten Anträge (ON 27 S 10 f)

- auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür, dass die Durchrostungen am gegenständlichen Pkw im Bereich des Einstiegs links vorne, rechts hinten und links hinten aufgrund der vorhandenen Seitenspoiler für den Angeklagten D***** ohne Zerlegungsarbeiten nicht erkennbar waren, sowie

- auf Vernehmung des Zeugen Marian Ko***** zum Beweis dafür, dass Ali D***** persönlich gesehen hat, dass die von ihm am 28. Oktober 2009 festgestellten Mängel noch am gleichen Tag im Betrieb des Angeklagten K***** behoben wurden,

              mangels Relevanz für die Lösung der vorliegenden Schuldfrage (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 327) zu Recht abgewiesen. Denn der Beschwerdeführer übersieht, dass sich der Vorwurf amtsmissbräuchlichen Handelns nicht auf eine zu oberflächliche Begutachtung oder eine unterbliebene Beaufsichtigung der Beseitigung einzelner Fahrzeugmängel durch den Fahrzeugbesitzer bezieht. Vielmehr liegt dem Angeklagten in objektiver Hinsicht zur Last, in unvertretbarer Weise gegen die Verfahrensvorschriften des § 57a KFG, wonach ein Prüfgutachten gemäß § 57a Abs 4 KFG nur nach entsprechender - die Kontrolle der Verkehrs- und Betriebssicherheit sowie der Lärm- und Abgasemissionen voraussetzender (§ 57a Abs 1 KFG) - Begutachtung durch den Ermächtigten oder das im Sinn des § 57a Abs 2 KFG geeignete Personal selbst (wenn auch allenfalls unter Mitwirkung anderer im Betrieb beschäftigter Personen) ausgestellt werden darf (vgl 13 Os 29/08a mwN), verstoßen zu haben. Dieser Vorwurf wurde aber durch die gestellten Beweisanträge nicht tangiert.

              Die sich im Hinweis auf einen nachträglich aufgefundenen und erst anlässlich des Rechtsmittels vorgelegten Prüfbericht über eine Abgasuntersuchung am gegenständlichen Pkw erschöpfende Tatsachenrüge (Z 5a) verstößt - wie der Beschwerdeführer selbst einräumt - gegen das für diesen Nichtigkeitsgrund geltende Neuerungsverbot (vgl RIS-Justiz RS0098978) und entzieht sich schon deshalb sachbezogener Erwiderung.

Mit der Behauptung substanzlosen Gebrauchs der verba legalia zum Schädigungsvorsatz des Angeklagten macht die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht klar, warum den dazu getroffenen Feststellungen der erforderliche Sachverhaltsbezug (vgl dazu aber US 16) fehlen sollte.

              Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Ali D***** war daher - entgegen der Stellungnahme der Generalprokuratur - schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).

              Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten Ali D***** beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Schlagworte

Strafrecht

Textnummer

E97735

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0140OS00067.11A.0706.000

Im RIS seit

19.07.2011

Zuletzt aktualisiert am

09.03.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten