TE OGH 2011/7/18 6Ob229/10k

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Veröffentlicht am 18.07.2011
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Erwin Bajc und andere Rechtsanwälte in Bruck an der Mur, und der Nebenintervenientin auf Seite der klagenden Partei P***** Gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Scherbaum/Seebacher Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei K***** KG, *****, vertreten durch Dr. Franz Gütlbauer und andere Rechtsanwälte in Wels, wegen 17.676,78 EUR sA (Revisionsinteresse 17.602,92 EUR sA), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 19. Juli 2010, GZ 5 R 104/10v-36, womit das Urteil des Landesgerichts Leoben vom 2. April 2010, GZ 19 Cg 29/09w-29, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.118,88 EUR (darin 186,18 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der Nebenintervenientin die mit 1.119,24 EUR (darin 186,54 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Klägerin beauftragte die Beklagte, einen Mischkessel auf dem Werksgelände der Klägerin „zu montieren“. Die Klägerin und die Beklagte kamen überein, für die zur Montage des Kessels notwendigen „Hebearbeiten“ die Nebenintervenientin beizuziehen. Daraufhin beauftragte die Klägerin die Nebenintervenientin mit dem Transport des Mischkessels vom Firmengelände der Beklagten zu demjenigen der Klägerin und mit der Kranbeistellung für die Montagearbeiten.

Bei den in der Folge durchgeführten Arbeiten zur Montage des Mischkessels bediente ein Mitarbeiter der Nebenintervenientin den Kran, an dem der Mischkessel aufgehängt war. Zwei Monteure der Beklagten wiesen den Kranbediener jeweils an, was er tun sollte, um die Montage des Mischkessels erfolgreich zu Ende zu führen. Der Kranbediener hob über Anweisung eines der Monteure der Beklagten den Mischkessel mit dem Kran an, sodass die Gurte, mit denen der Mischkessel an der vom Kran herunter hängenden Kette befestigt war, angespannt wurden. Dabei riss der Lastgurt. Dadurch fiel der Mischkessel um, wurde beschädigt und richtete auch an dem daneben stehenden Schaltpult einen Schaden an.

Die Klägerin begehrt den Ersatz der aus diesem Unfallereignis ihr entstandenen Schadensbehebungskosten (neuer Schaltkasten, Reparatur des Mischkessels etc). Die Monteure der Beklagten hätten sich insgesamt bei den Montagearbeiten nicht fachgerecht verhalten; für deren Verschulden müsse die Beklagte gemäß § 1313a ABGB einstehen.

Die Beklagte wendete ein, der Unfall sei primär aufgrund eines Fehlverhaltens des Kranbedieners der Nebenintervenientin passiert. Dessen Verhalten müsse sich die Klägerin zurechnen lassen. Das Klagebegehren sei überhöht. Als Gegenforderung wurden 11.526,26 EUR eingewendet. Dabei handle es sich um den vereinbarten und angemessenen Werklohn für Sanierungsarbeiten der Beklagten am durch den Unfall beschädigten Kessel.

Die Nebenintervenientin bestritt das Vorbringen der Beklagten. Sie sei nur mit dem Transport des Mischkessels beauftragt gewesen. Ein schuldhaftes Verhalten sei nur den Monteuren der Beklagten vorzuwerfen.

Das Erstgericht sprach aus, die Klagsforderung bestehe mit 17.602,92 EUR zu Recht, die Gegenforderung bestehe nicht zu Recht und gab dem Klagebegehren (abgesehen von einer unbekämpften Abweisung von 73,86 EUR sowie eines Zinsenmehrbegehrens) zur Gänze statt. Die Monteure der Beklagten, für die diese gemäß § 1313a ABGB einstehen müsse, hätten vertragswidrig und schuldhaft mit dem Gurt ein ungeeignetes „Hebemittel“ verwendet. Die Klägerin habe keine organisatorischen oder sonstigen Maßnahmen unterlassen, zu denen sie aufgrund des Vertrags mit der Beklagten verpflichtet gewesen wäre. Ein Mitverschulden ihrerseits sei nicht gegeben. Auch wenn man ein Mitverschulden des Kranhebers von der Nebenintervenientin annähme, hätten die Beklagte und die Nebenintervenientin der Klägerin den Schaden „gemeinschaftlich“ zugefügt und hafteten gemäß § 1302 ABGB mangels Bestimmbarkeit der Anteile an der Beschädigung der Klägerin solidarisch.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge und billigte die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts.

Erst über Antrag der Beklagten ließ das Berufungsgericht nachträglich gemäß § 508 Abs 3 ZPO die Revision zu: Es könnte auch die Auffassung vertreten werden, dass die Nebenintervenientin auf Seite der klagenden Partei (auch) iSd § 1168a Satz 3 ABGB als Gehilfin für die klagende Partei tätig geworden sei (wodurch ein allfälliges Verschulden des Kranbedieners von der Nebenintervenientin der Klägerin als Mitverschulden gemäß § 1304 ABGB gegenüber der Beklagten zurechenbar wäre).

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist unzulässig.

Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen des Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage gemäß § 502 Abs 1 ZPO kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO).

Die von der Revisionswerberin gerügten Aktenwidrigkeiten liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

Die Revisionswerberin meint im Wesentlichen, das Berufungsgericht habe den vorliegenden Fall insofern falsch gelöst, als sich die Klägerin das Verhalten der Nebenintervenientin zurechnen lassen müsse, weil sie und nicht die Beklagte diese beauftragt habe.

Diese Rechtsansicht trifft aber nicht zu.

Es ist zwar richtig, dass die Rechtsprechung in gewissen Konstellationen ein Fehlverhalten von Sachverständigen oder Architekten, die der Bauherr (Werkbesteller) beigezogen hat, im Verhältnis zum Werkunternehmer dem Werkbesteller als Mitverschulden eines Erfüllungsgehilfen zurechnet (vgl etwa RIS-Justiz RS0026766; RS0021766). Allgemein gilt aber, dass sich der Werkbesteller nicht jedes mitwirkende Verschulden des von ihm beigezogenen sachverständigen Gehilfen anrechnen muss; ein Mitverschulden kommt nur dann in Betracht, wenn dieser Gehilfe Pflichten oder Obliegenheiten verletzt, die aufgrund ausdrücklicher oder stillschweigender Vereinbarung oder nach der Verkehrsübung den Werkbesteller selbst treffen oder die er nachträglich übernommen hat (4 Ob 283/98s = RIS-Justiz RS0021766 [T3]; 1 Ob 1/09t).

Wer sich einen Mischkessel liefern und montieren lassen will, den treffen nach der Verkehrsübung allenfalls Mitwirkungspflichten dergestalt, dass er den Zugang des Werkunternehmers zum Ort, wo der Mischkessel aufzustellen ist, offenzuhalten hat oder dass er für die dabei verwendeten Geräte den Strom zur Verfügung stellt. Nach der Verkehrsübung trifft ihn jedoch keineswegs die Pflicht, beim Aufstellen eines Mischbehälters Kranhebearbeiten, die im vorliegenden Fall die Nebenintervenientin übernommen hat, selbst auszuführen.

Auch aus dem Umstand, dass die Nebenintervenientin nicht von der Beklagten, sondern von der Klägerin beauftragt wurde, kann im Verhältnis zwischen Klägerin und Beklagter noch nicht der Schluss gezogen werden, die Klägerin habe sich gegenüber der Beklagten zu den für die Montage des Kessels notwendigen Kranhebearbeiten verpflichten wollen. Für einen derartigen gegenüber der Beklagten geäußerten Verpflichtungswillen bieten die Feststellungen keinen Anhaltspunkt. Mit der Beauftragung der Nebenintervenientin mit den Kranhebearbeiten hat es die Klägerin gegenüber der Beklagten vielmehr lediglich übernommen, dafür zu sorgen, dass für die Montagearbeiten die dazu notwendigen Professionisten vorhanden waren. Sie hat damit jedoch in keiner Weise gegenüber der Beklagten zum Ausdruck gebracht, für ein allfälliges Fehlverhalten der Nebenintervenientin der Beklagten gegenüber einstehen zu wollen.

Darüber hinaus entspricht es überwiegender Ansicht, dass selbständige Unternehmer - wie hier die Nebenintervenientin - regelmäßig nicht als „Bewahrungsgehilfen“ zu qualifizieren sind. Sie sind vielmehr - als Dritte - wie beliebige andere Schädiger zu behandeln (1 Ob 1/09t; Danzl in Koziol/Bydlinski/Bollenberger3 § 1304 ABGB Rz 7 mwN).

Auch aus der von der Revisionswerberin zitierten Entscheidung 6 Ob 24/10p ist für ihren Rechtsstandpunkt nichts zu gewinnen, ging es doch dort um die Zurechnung von Gehilfen im Rahmen der Irrtumsanfechtung und nicht, wie hier, im Rahmen der Erfüllung eines Werkvertrags.

Die Auffassung der Vorinstanzen, die ein allfälliges Mitverschulden der Nebenintervenientin der Klägerin nicht zugerechnet haben, vielmehr allenfalls eine Solidarhaftung zwischen Beklagter und Nebenintervenientin der Klägerin gegenüber angenommen haben, ist somit auf jeden Fall vertretbar.

Entgegen der Auffassung der Revisionswerberin sind auch die ausführlichen und nachvollziehbaren Feststellungen des Erstgerichts durchaus ausreichend, um daraus in rechtlicher Hinsicht die Höhe des zugesprochenen Betrags abzuleiten.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50, 41 ZPO. Die Klägerin und die Nebenintervenientin auf Klagsseite haben auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Für die Revisionsbeantwortungen steht ein Streitgenossenzuschlag nicht zu, weil die Revisionsgegner jeweils von einem eigenen Anwalt vertreten wurden und ihnen auch nur eine Partei gegenüberstand (§ 15 RATG).

Textnummer

E98101

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0060OB00229.10K.0718.000

Im RIS seit

02.09.2011

Zuletzt aktualisiert am

09.01.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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