TE OGH 2011/7/21 1Ob66/11d

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Veröffentlicht am 21.07.2011
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei Dr. Michael L*****, vertreten durch Mag. Philipp J. Graf und Dr. Isabelle Dessulemoustier-Bovekercke-Ofner, Rechtsanwälte in Wien, gegen die gefährdende Partei Barbara L*****, vertreten durch Dr. Hans-Jörg Haftner, Dr. Peter Schobel und Mag. Alois Franz Strohmayer, Rechtsanwälte in St. Pölten, wegen einstweiliger Verfügung, infolge Revisionsrekurses der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 17. Februar 2011, GZ 48 R 36/11s-12, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Liesing vom 10. Jänner 2011, GZ 4 C 18/10w-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die gefährdete Partei ist schuldig, der gefährdenden Partei die mit 1.259,64 EUR (darin 209,94 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Im Rahmen der Scheidung der Streitteile verpflichtete sich die gefährdete Partei (im Folgenden: Antragsteller) in einem am 14. 10. 2002 geschlossenen Vergleich zu laufenden Unterhaltszahlungen an die gefährdende Partei (im Folgenden: Antragsgegnerin). Am 23. 7. 2009 brachte der Antragsteller gegen die Antragsgegnerin die Klage auf Feststellung des Erlöschens des Unterhaltstitels ein. Nachdem die Antragsgegnerin insgesamt drei Exekutionsbewilligungen zur Hereinbringung des titelmäßigen Unterhalts erwirkt hatte (Fahrnisexekution, Gehalts- und Forderungsexekution), erhob der Antragsteller zwei Oppositionsklagen.

Schließlich beantragte er die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, mit der der Antragsgegnerin verboten werden soll, „von dem in den [drei] Exekutionsverfahren ... erlassenen Exekutionstitel, nämlich des Vergleichs vom 14. 10. 2002, zur Hereinbringung von Unterhaltsansprüchen und Unterhaltsschulden bis zur rechtskräftigen Erledigung des Feststellungsverfahrens Gebrauch zu machen“. Er begründete seinen Antrag im Wesentlichen damit, dass der im Vergleich für die Zukunft festgelegte Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin erloschen sei, weil er einerseits kein Arbeitseinkommen mehr beziehe und die Antragsgegnerin andererseits über ausreichendes Eigeneinkommen verfüge. Jedenfalls sei es zu einem Ruhen des Unterhaltsanspruchs gekommen, weil die Antragsgegnerin eine Lebensgemeinschaft eingegangen sei. Eine Beendigung des Feststellungsprozesses sei nicht in Sicht. Bei einer Fortsetzung der eingeleiteten Exekutionsverfahren drohe ihm ein unwiederbringlicher Schaden. Bei einem Vollzug der Fahrnisexekution würden erfahrungsgemäß Vermögensgegenstände weit unter ihrem tatsächlichen Wert veräußert. Auch die Fortsetzung der Forderungsexekution sei für den „Aufschiebungswerber“ mit der Gefahr eines unersetzlichen bzw schwer zu ersetzenden Vermögensnachteils verbunden, wobei das „Aufschiebungsinteresse“ des „Aufschiebungswerbers“ damit begründet werde, dass aufgrund der schlechten Vermögensverhältnisse der Antragsgegnerin ein Anspruch auf Rückzahlung nur mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten einbringlich sein werde. Dem Antragsteller gehe es um die Nichtverwendung eines Titels für künftige Exekutionsverfahren, einerseits zur „Anhaltung“ von zahlreichen notwendigen Oppositionsklagen und andererseits zur Vermeidung von Schadenersatzforderungen. Durch Möglichkeiten nach der Exekutionsordnung, wie etwa Aufschiebung der Exekution und Oppositionsklage, könne rechtlich nicht derselbe Effekt erreicht werden, wie mit dem gegenständlichen Begehren, da etwa in einem Exekutionsverfahren gegen eine Forderungsexekution rechtlich keine Mittel der Verhinderung der „Exekutionsverfügung“ zustünden.

Das Erstgericht wies den Provisorialantrag ab. Der Oberste Gerichtshof habe zu 1 Ob 316/61 ausgesprochen, dass zur Sicherung des Anspruchs auf Herabsetzung der in einem gerichtlichen Vergleich vereinbarten Unterhaltsleistung eine einstweilige Verfügung in der Form zugelassen sei, dass der Ehegattin verboten werde, vom Exekutionstitel zur Hereinbringung eines den ermäßigten Unterhalt übersteigenden Betrags Gebrauch zu machen. Diese bereits im ZBl 1932, 347 geäußerte Rechtsfolge müsse sinngemäß auch dann gelten, wenn das gänzliche Erlöschen des Unterhaltsanspruchs wegen geänderter Verhältnisse behauptet werde. Im vorliegenden Fall sei eine einstweilige Verfügung aber unzulässig, weil der Antragsteller seine Unterhaltsverpflichtung allein mit der Begründung bestreite, die anspruchsbegründenden Tatsachen seien aus verschiedenen Gründen weggefallen. Hiebei handle es sich nicht um einen Anspruch des Unterhaltspflichtigen, sondern nur um eine Bestreitung der Unterhaltsforderung. Diesbezüglich gebe das Gesetz dem Verpflichteten zum Schutz gegen die ungerechtfertigte Exekution die Oppositionsklage nach § 35 EO und in § 42 Abs 1 Z 5 EO die Möglichkeit, die Aufschiebung der Exekution zu beantragen. Es gehe in diesem Zusammenhang nicht an, die Voraussetzungen der §§ 35 und 42 EO auf dem Weg über eine einstweilige Verfügung, die gar kein Recht schütze, zu umgehen.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige, und erklärte den Revisionsrekurs für zulässig. Der Oberste Gerichtshof habe zwar in der vom Erstgericht zitierten Entscheidung die Zulässigkeit einer einstweiligen Verfügung bejaht. Ein Senat des Rekursgerichts habe diese Auffassung aber schlussendlich mit der Begründung abgelehnt, es handle sich nicht um einen Anspruch des Unterhaltspflichtigen, sondern nur um eine (teilweise) Bestreitung der Unterhaltsforderung; nach § 378 Abs 1 EO sei eine einstweilige Verfügung allerdings nur zur Sicherung eines Rechts, also eines Anspruchs, zulässig. Die Rechtsprechung stehe überwiegend auf dem Standpunkt, dass Entscheidungen eines Gerichts nicht durch Gebote oder Verbote - auch im Wege einer einstweiligen Verfügung - beeinflusst werden könnten. Auch wenn das Begehren nach seinem Wortlaut allein darauf abziele, der Antragsgegnerin den Gebrauch vom Exekutionstitel in drei bestimmten Exekutionsverfahren zu verbieten, richte sich der Anspruch in Wahrheit aber gegen das Gericht, dem damit die Fortführung der anhängigen Exekutionen sowie allenfalls die Bewilligung weiterer Exekutionen aufgrund des selben Titels untersagt werden solle. Im Übrigen habe der Antragsteller auch offen gelassen, welche Klage er überhaupt mit dem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung verbinden wollte. Sollte sich die einstweilige Verfügung auf die offenbar später eingebrachte Oppositionsklage beziehen, sei zu bemerken, dass es sich bei dieser Klage um eine Feststellungsklage handle; Feststellungsansprüche seien jedoch allgemein nicht geeignet, Gegenstand einer einstweiligen Verfügung zu sein. Insgesamt treffe somit die Rechtsansicht des Erstgerichts zu, dass der Schutz des Verpflichteten gegen eine ungerechtfertigte Exekution nur mit einer Oppositionsklage nach § 35 EO geltend gemacht werden könne und ihm gemäß § 42 Abs 1 Z 5 EO die Möglichkeit offenstehe, die Aufschiebung der Exekution zu beantragen. Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil zur Frage, ob zur Sicherung eines „Oppositionsanspruchs“ ein Antrag auf einstweilige Verfügung zur Erlassung eines Gebrauchsverbots hinsichtlich bereits existierender Exekutionstitel über Unterhalt gestellt werden dürfe, keine einheitliche Rechtsprechung existiere.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Antragstellers ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Zur Frage der Zulässigkeit von Provisorialanträgen, die auf die Verhinderung der Durchsetzung von Exekutionstiteln abzielen bzw auf ein laufendes Exekutionsverfahren einwirken sollen, hat der Oberste Gerichtshof wiederholt Stellung bezogen. So wurde bereits in SZ 15/92 ausgesprochen, dass einstweilige Verfügungen nicht zu dem Zweck erlassen werden können, um die Wirkungen einer rechtskräftigen Entscheidung zu beseitigen, womit die Aufschiebung einer Zwangsvollstreckung nur gegen Sicherheitsleistung bewilligt wurde. In dieser Entscheidung wurde darauf hingewiesen, dass die beantragte einstweilige Verfügung jenen Zustand schaffen solle, der durch Bewilligung der Aufschiebung oder Einstellung der Exekution hervorgebracht werde. Da die einstweilige Verfügung nur zu erlassen sei, wenn sonst die Verwirklichung des Anspruchs vereitelt würde oder wenn sie zur Verhinderung eines unwiederbringlichen Schadens nötig sei, müsse die allgemeine Folgerung gezogen werden, dass einstweilige Verfügungen überall dort nicht anwendbar seien, wo ein näherer Rechtsbehelf, nämlich der Aufschiebungsantrag, zu Gebote steht. Diese Auffassung wurde zu 1 Ob 48/02v (EvBl 2002/226) bestätigt: Berufe sich der Antragsteller auf ein Erlöschen der titulierten Forderung, könne er im Falle der Exekutionsbewilligung diese Einwendung mittels Klage erheben und gleichzeitig die Aufschiebung der Exekution gemäß § 42 Z 5 EO beantragen. Einstweilige Verfügungen seien überall dort nicht anwendbar, wo ein näherer Rechtsbehelf, nämlich der Aufschiebungsantrag, zu Gebote stehe. Dass hier durch den Gebrauch des Exekutionstitels vor der Möglichkeit, einen Aufschiebungsantrag zu stellen, der in § 381 Z 2 EO beschriebene Schaden entstehen könnte, habe die Antragstellerin nicht behauptet.

Diese Auffassung ist auch in der Literatur auf Zustimmung gestoßen. So bezieht sich etwa Zechner (Sicherungsexekution und Einstweilige Verfügung 75) auf SZ 15/92, wenn er ausführt, dass die einstweilige Verfügung im Rechtsschutzsystem den Rang eines subsidiären Mittels zur Sicherstellung von Gläubigerinteressen habe. E. Kodek (in Angst, EO² § 378 Rz 1a) führt unter Hinweis auf die bereits zitierten Entscheidungen aus, eine einstweilige Verfügung sei wegen des Grundsatzes der Subsidiarität dann nicht zu erlassen, wenn ein näherer Rechtsbehelf zur Verfügung stehe.

Der erkennende Senat schließt sich der dargelegten Rechtsansicht an. Im vorliegenden Verfahren hat der Antragsteller den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung erst nach dem Erlangen von Exekutionsbewilligungen durch die Antragsgegnerin und - entgegen der unzutreffenden Ausführung des Rekursgerichts - erst nach der Erhebung von (zwei) Oppositionsklagen gestellt. Gerade in einer derartigen Verfahrenskonstellation stellt ein Aufschiebungsantrag im Exekutionsverfahren das geeignete (und speziellere) Instrument zur Verhinderung der Folgen der Vollstreckung eines der materiellen Rechtslage möglicherweise nicht mehr entsprechenden Exekutionstitels dar, was in der Sache wohl auch der Antragsteller selbst erkannt hat, wenn er sich in seinem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung selbst als „Aufschiebungswerber“ bezeichnet und von seinem „Aufschiebungsinteresse“ gesprochen hat. Er legt auch nicht nachvollziehbar dar, aus welchen Gründen ihm die begehrte einstweilige Verfügung weiter gehenden Rechtsschutz gewähren könnte als ein Aufschiebungsantrag und in welcher Weise eine solche einstweilige Verfügung überhaupt auf die bereits laufenden bzw auf zukünftige Exekutionsverfahren einwirken könnte. Wenn er geltend macht, wegen der Gefahr des Verlusts eines Rückforderungsanspruchs bei „gutgläubigem Verbrauch“ durch die Antragsgegnerin liege ein unwiederbringlicher Schaden vor, dessen Abwehr der Kläger nur im Wege der einstweiligen Verfügung erreichen könne, ist dies nicht ausreichend nachvollziehbar. Einerseits könnte von einem gutgläubigen Verbrauch wohl kaum ausgegangen werden, wenn sich der Antragsteller in einem Aufschiebungsantrag auf konkrete Tatsachen bezieht, die im Falle ihres Vorliegens zu einem Erlöschen des Unterhaltsanspruchs führen, andererseits käme die Antragsgegnerin auch im Falle eines berechtigten (und deshalb bewilligten) Aufschiebungsantrags nicht in den Genuss des Unterhalts und könnte ihn daher auch nicht (gutgläubig) verbrauchen.

Soweit sich der Revisionsrekurswerber schließlich auf ältere Judikatur des Obersten Gerichtshofs (3 Ob 723/32 = ZBl 1932, 347 und 1 Ob 316/61) beruft und daraus die Zulässigkeit eines Provisorialantrags ableiten will, ist darauf hinzuweisen, dass in diesen Entscheidungen ersichtlich Verfahrenskonstellationen behandelt wurden, in denen eine Exekutionsbewilligung noch nicht vorlag. Anders liegt hingegen der zu beurteilende Fall, in dem die Antragsgegnerin bereits Exekutionsbewilligungen erwirkt und der Antragsteller diese durch Oppositionsklagen bekämpft hat. Will er in einem solchen Fall nachteilige Rechtsfolgen im Falle des bereits eingetretenen Erlöschens seiner Unterhaltsverpflichtung vermeiden, steht ihm - wie dargestellt - nur der spezielle Rechtsbehelf des Aufschiebungsantrags nach § 42 EO zur Verfügung. Dass dieser nicht ausreichen würde, um das angestrebte Verfahrensziel zu erreichen, legt der Revisionsrekurswerber ebenso wenig dar wie eine Gefährdung seiner Vermögenssphäre durch zukünftige weitere Exekutionsbewilligungen, denen er ja ebenso mit den dargelegten Mitteln des Exekutionsverfahrens begegnen kann.

Letztlich übersieht der Revisionsrekurswerber offenbar auch, dass einstweilige Verfügungen grundsätzlich nur auf die Sicherung von bestimmten Hauptansprüchen gerichtet sein können und sich insoweit im Rahmen der Klageansprüche halten müssen (vgl nur E. Kodek aaO § 378 Rz 2, Sailer in Burgstaller/Deixler-Hübner, § 378 EO Rz 18, je mwN). Ein - etwa auf Nichtgebrauch des Exekutionstitels (Vergleichs) gerichtetes - Unterlassungsbegehren wurde aber nicht erhoben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den § 402 Abs 4, § 78 EO und § 50 Abs 1, § 41 Abs 1 ZPO.

Schlagworte

5 Exekutionssachen,Zivilverfahrensrecht,Unterhaltsrecht

Textnummer

E98116

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0010OB00066.11D.0721.000

Im RIS seit

06.09.2011

Zuletzt aktualisiert am

28.02.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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