TE Vwgh Erkenntnis 2001/2/23 99/06/0124

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Veröffentlicht am 23.02.2001
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Index

L37158 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Vorarlberg;
L80008 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan
Vorarlberg;
L81708 Baulärm Vorarlberg;
L82000 Bauordnung;
L82008 Bauordnung Vorarlberg;
10/10 Grundrechte;
19/05 Menschenrechte;

Norm

BauG Vlbg 1972 §31 Abs2;
BauRallg;
MRK Art6 Abs1;
MRKZP 01te Art1;
RPG Vlbg 1996 §23 Abs1 litb;
StGG Art5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hanslik, über die Beschwerde des AH in M, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 3. Juni 1997, Zl. VIIa-410.410, betreffend Baubewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen letztinstanzlichen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 18. Februar 1997 auf Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung eines Hotelkomplexes und eines Stalles samt Futtergebäude auf dem näher angeführten Grundstück, das im geltenden Flächenwidmungsplan der Gemeinde M. als "Freifläche/Landwirtschaftsgebiet" ausgewiesen ist, wegen Widerspruches zur Flächenwidmung gemäß § 31 Abs. 2 Vbg. BauG abgewiesen. Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass mit Beschluss der Gemeindevertretung vom 11. Juli 1996 das vorliegende Grundstück von "Sondergebiet/Hotel" in "Freifläche/Landwirtschaftsgebiet" rückgewidmet worden sei. Diese Änderung des Flächenwidmungsplanes sei von der belangten Behörde mit Wirkung vom 26. August 1996 aufsichtsbehördlich genehmigt worden und sei diese Widmung nach erfolgter öffentlicher Kundmachung rechtswirksam geworden. Die Errichtung eines Hotelkomplexes und eines Stalles samt Futtergebäude (für Ponys), die jeweils einen Teil einer freistehenden Gesamtbebauung bildeten, widerspreche eindeutig dem Widmungszweck des gegenständlichen, im Flächenwidmungsplan als Landwirtschaftsgebiet ausgewiesenen Grundstückes, weshalb der verfahrensgegenständliche Bauantrag abzuweisen gewesen sei.

Die Behandlung der dagegen zunächst beim Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde wurde mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 7. Juni 1999, B 1961/97-8, gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG abgelehnt und in der Folge auf Grund eines entsprechenden Antrages dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

In der nach Aufforderung beim Verwaltungsgerichtshof ergänzten Beschwerde macht der Beschwerdeführer neuerlich die Gesetzwidrigkeit der Umwidmung des verfahrensgegenständlichen Grundstückes von "Sondergebiet/Hotel" in "Freifläche/Landwirtschaft" im Jahre 1996 geltend.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 23 Abs. 1 Vbg. Raumplanungsgesetz, LGBl. Nr. 39/1996 (RPG), darf ein Flächenwidmungsplan nur aus wichtigen Gründen geändert werden. Er ist u.a. zu ändern

"b) bei wesentlicher Änderung der für die Raumplanung bedeutsamen Verhältnisse."

In diesem Zusammenhang verweist die belangte Behörde in der Gegenschrift darauf, dass die für die Raumplanung bedeutsamen Verhältnisse seit dem Jahre 1975 sich wesentlich geändert hätten, da die im Zeitpunkt der Ersterlassung des Flächenwidmungsplanes erwartete Tourismusentwicklung in der verfahrensgegenständlichen Gemeinde nicht eingetreten sei. Es wird in diesem Zusammenhang auf die Gutachten des Amtssachverständigen für Raumplanung vom 15. Oktober 1992 und vom 27. Februar 1995 sowie auf den Schlussbericht der Gemeindeentwicklungsplanung für die Gemeinde M. vom Jänner 1995 verwiesen. So stellte der Amtssachverständige in seiner Stellungnahme vom 15. Oktober 1992 fest, dass aus heutiger Sicht festgestellt werden müsse, dass die seinerzeit erwünschte touristische Entwicklung der Gemeinde weder eingetreten sei, noch ein massiver touristischer Entwicklungsschub für die Gemeinde M. nunmehr wünschenswert sein könne. Im Rahmen der von Seiten des Landes angestrebten umfassenden Gemeindeentwicklungsplanung werde es ein dringendes Erfordernis sein, die Widmung als Freifläche-Sondergebiet-Hotel zu prüfen. Im Gutachten vom 27. Februar 1995 wird zu der früher für das verfahrensgegenständliche Grundstück geltenden Flächenwidmung ausgeführt, dass diese Festlegung auf Grund der geänderten Vorstellungen über eine "ökologisch angepasste Fremdenverkehrsentwicklung" in M. nicht mehr aktuell sei und daher im Sinne des § 21 Abs. 1 lit. b RPG zu ändern sei. Weiters erfolgte im Schlussbericht über die Gemeindeentwicklungsplanung vom Jänner 1995 eine umfassende Bestandsanalyse der verfahrensgegenständlichen Gemeinde, in der zum Fremdenverkehr festgestellt wird, dass dieser in M. nicht stark entwickelt sei. Trotz hervorragender landschaftlicher Reize liege die Gemeinde bisher abseits vom Strom des Massentourismus. M. sei von jenen Freizeitangeboten verschont geblieben, die dem konsumorientierten Freizeitvergnügen zuzuordnen seien. Unter den generellen Zielen der Gemeindeplanung wird unter der Strategie 2 "Sanfter Qualitätstourismus" ausgeführt, dass die landschaftlichen und infrastrukturellen Voraussetzungen sowie die Entwicklungsperspektiven des regionalen und gesamtösterreichischen Fremdenverkehrs für M. kaum Erfolge von Großvorhaben im Bereich des Beherbergungs- und Gastronomiewesens erwarten ließen. Die Ansprüche eines größervolumigen und Gewinn bringenden Qualitätstourismus hätten sich gegenüber den 70er Jahren deutlich erhöht (räumliches Umfeld, Erholungsinfrastruktur, Betriebsführung und Marketing). Angesichts der erfahrungsgemäß gestiegenen finanziellen und betriebswirtschaftlichen Risken bei Hotelneubauten und Freizeitzentren in einem Tourismusmarkt, der an Sättigungsgrenzen stoße, stelle sich vielerorts das Problem, dass ein als Hotel erbautes Objekt kurze Zeit später nicht widmungskonform genutzt werde oder als "Bauruine" die Landschaft bzw. Siedlungen verunstalte. Es sei daher eine sanfte Entwicklung zum Qualitätstourismus anzustreben. Initiativen zur Schaffung von Tourismusangeboten sollten sich an den kulturlandschaftlichen und natürlichen Voraussetzungen orientieren. Größere Projekte und Risikoinvestitionen, die mit baulichen Eingriffen in Natur und Landschaft oder in das traditionelle Ortsbild verbunden wären, seien abzulehnen. In dem Abschnitt "Strategie 3: Dorfgemäß planen und bauen" wird dargelegt, dass auch bei der Situierung von Fremdenverkehrs- und Freizeiteinrichtungen Funktionszusammenhänge zu wahren und zu stärken seien. Es seien u.a. neue Zersiedelungskeime durch Bauführungen in isolierter Lage ohne Bezug zum Siedlungsverband zu vermeiden. Dem Prinzip der kurzen Wege folgend seien Infrastruktur- und Fremdenverkehrseinrichtungen möglichst in vorhandene Siedlungseinheiten einzugliedern. Ausgehend von diesen Zielsetzungen wurde für die vorliegende Widmung "Freifläche-Sondergebiet-Hotel" ausgesprochen, dass die Umwidmung in "Freifläche-Landwirtschaftgebiet" anzustreben sei. Die Verwirklichung eines Objektes auf dem verfahrensgegenständlichen Grundstück würde einen erheblichen Neueingriff ins Grünland darstellen, müsse als Zersiedelungskeim bezeichnet werden und würde somit den Vorstellungen einer geordneten gemeindeplanerischen Entwicklung, die den Tendenzen zur Zersiedelung entschieden entgegenzutreten habe, widersprechen. Darüber hinaus seien die Folgen für das Landschafts- und Ortsbild als überaus negativ zu bezeichnen. Das Ortsbild des Dorfes sei geprägt durch einen kompakten, in sich geschlossenen Siedlungskörper mit starker agrarischer Prägung. Dieser erzeuge in Kombination mit der ihn umgebenden bäuerlichen Kulturlandschaft eine hervorragende Ensemblewirkung. Diese angesprochene Ensemblewirkung, bedingt durch die Intaktheit von Orts- und Landschaftsbild, stellten ein wertvolles Potenzial für eine sanfte touristische Entwicklung dar. Dies gelte es im Sinne einer "ökologisch angepassten" Fremdenverkehrsentwicklung zu erhalten. Das geplante großvolumige Bauvorhaben befinde sich in isolierter Lage angrenzend an diesen lokalen Landschaftsraum und wäre als "Vorbote" bei der Anfahrt zum Dorf als störender Fremdkörper zu bezeichnen. Zugleich entstünde ein Bruch zu den in wirtschaftlicher Hinsicht bereits angesprochenen Entwicklungsmöglichkeiten. Eine Minderung dieser einzigartigen Situation könne keinesfalls mit den aus raumplanerischer Sicht geforderten Zielen der Gemeindeentwicklungsplanung (Bewahrung intakter Landschaftsräume, Vermeidung von Zersiedelung, Beachtung der Ensemblewirkung) in Einklang gebracht werden.

Der Umstand, dass sich in M. seit Erlassung des ersten Flächenwidmungsplanes im Jahre 1975 kein Tourismus (insbesondere kein Massentourismus) entwickelt hat und die im Lichte dieses Umstandes dargelegte geänderte Entwicklungsplanung der Gemeinde in Bezug auf die Aspekte des Fremdenverkehres stellen wichtige Gründe im Sinne des § 23 Abs. 1 Vbg. RPG dar, die eine Änderung des Flächenwidmungsplanes für das verfahrensgegenständliche Grundstück gerechtfertigt haben. Es muss daher nicht beantwortet werden, ob auch davon gesprochen werden kann, dass eine wesentliche Änderung der für die Raumplanung bedeutsamen Verhältnisse im Sinne des § 23 Abs. 1 lit. b RPG vorliegt, bei der eine Änderung des Flächenwidmungsplanes sogar verpflichtend wäre.

Wenn der Beschwerdeführer weiters im Lichte des Grundrechtes auf Schutz des Eigentumes gemäß Art. 1 1. ZP MRK die Unverhältnismäßigkeit des Eingriffes ins Eigentum geltend macht, weil die Rückwidmung ohne Entschädigung erfolgt sei, ist ihm entgegenzuhalten, dass er dies in keiner Weise näher ausführt (insbesondere fehlen Darlegungen darüber, von welchen Verkaufswerten des Grundstückes mit seiner früheren Widmung bzw. in seiner nunmehrigen Widmung objektiv auszugehen wäre, dabei wäre für den ersteren Wert wohl zu berücksichtigen gewesen, dass sich das Grundstück in einer Gemeinde befindet, in der sich über Jahrzehnte offensichtlich kein Tourismus entwickelt hat). Gegen die Beschwerdeführer spricht in diesem Zusammenhang auch, dass die Widmung 17 Jahre bestanden hatte, ehe der Beschwerdeführer Anfang des Jahres 1992 erstmals ein Bauansuchen auf Errichtung eines Hotels an die Behörde gerichtet hat, das auf Grund der Ende des Jahres 1992 im Hinblick auf die sich abzeichnende Änderung der Planungsziele in der Gemeinde erlassene Bausperre-Verordnung abgewiesen wurde (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 17. November 1994, Zl. 94/06/0162). Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich somit nicht veranlasst, an den Verfassungsgerichtshof mit einem Verordnungsprüfungsantrag heranzutreten. Auch der Verfassungsgerichtshof hat in seinem angeführten Ablehnungsbeschluss erkennen lassen, dass er im Hinblick auf die ausführliche Grundlagenforschung in der Gemeinde M. und die geänderten Zielsetzungen der Gemeindeentwicklungsplanung in Bezug auf diese Umwidmung keine Bedenken hat.

Wenn der Beschwerdeführer in Bezug auf den durch die Rückwidmung erfolgten Eigentumseingriff auch Art. 6 MRK geltend macht, der u.a. in zivilrechtlichen Angelegenheiten die Entscheidung durch ein unabhängiges Tribunal verlange, ist ihm entgegenzuhalten, dass, soweit der Eigentumseingriff in der Flächenwidmung durch den Gemeinderat begründet ist, der Verfassungsgerichtshof diese Widmung im Flächenwidmungsplan, der eine Verordnung darstellt, umfassend auf ihr Rechtmäßigkeit überprüfen kann. Im Hinblick auf alle anderen Aspekte, aus denen im Baubewilligungsverfahren die Baubewilligung nicht erteilt wird, kommt dem Verwaltungsgerichtshof nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (vgl. das Urteil vom 21. September 1993 im Fall Zumtobel gegen Österreich und die Zulässigkeitsentscheidung der Europäischen Kommission für Menschenrechte vom 15. Oktober 1991, Nr. 15267/89 im Fall Zumtobel u. a. gegen Österreich) eine dem Art. 6 Abs. 1 MRK entsprechende Prüfungskompetenz zu. Der Beschwerdeführer macht in der Beschwerde ausschließlich Bedenken im Hinblick auf die erfolgte Rückwidmung seines Grundstückes geltend, auch sein Vorbringen betreffend Art. 6 Abs. 1 MRK kann nur als auf diese Rückwidmung gerichtet angesehen werden. Was die Rechtmäßigkeit der Widmung betrifft, erfolgt - wie dargelegt - durch den Verfassungsgerichtshof im Rahmen des Vorbringens eine gerichtsförmige Überprüfung. Der Umstand, dass der Verfassungsgerichtshof an sich keine Tatsacheninstanz ist, spielt dafür keine Rolle. Der Verfassungsgerichtshof ist zuständig, sich mit allen Umständen, die für die Verordnungserlassung maßgeblich waren, auseinander zu setzen. Der Verwaltungsgerichtshof steht im Hinblick auf die Frage der Rechtmäßigkeit einer Flächenwidmung eine Überprüfung nur insoweit zu, als er einen Antrag auf Verordnungsprüfung gemäß Art. 139 Abs. 1 B-VG stellen kann.

Der vom Beschwerdeführer verlangte Ortsaugenschein im Bauverfahren war schon deshalb nicht erforderlich, weil die der Erteilung der Bewilligung entgegenstehende Flächenwidmung ohne jeden Zweifel dem Flächenwidmungsplan zu entnehmen war und auch die Abhaltung eines Ortsaugenscheines daran nie etwas hätte ändern können.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 auch im Lichte des Art. 6 Abs. 1 MRK abgesehen werden, da in der Beschwerde ausschließlich Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der mit der Änderung des Flächenwidmungsplanes im Jahr 1996 erfolgten Umwidmung des verfahrensgegenständlichen Grundstückes, also nur Rechtsfragen, aufgeworfen wurden, zu deren Klärung es keiner Erörterung in einer mündlichen Verhandlung bedurfte (vgl. das Urteil des EGMR vom 23. Februar 1994 im Fall FREDIN Nr. 2 gegen Schweden).

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 23. Februar 2001

Schlagworte

Planung Widmung BauRallg3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1999060124.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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