TE OGH 2011/8/30 8ObA44/11w

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Veröffentlicht am 30.08.2011
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Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden und den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Kuras sowie die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner und die fachkundigen Laienrichter Dr. Gerda Höhrhan-Weiguni und MR Dr. Richard Warnung als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden und gefährdeten Partei F*****, vertreten durch Oberhofer & Hiebler, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei E***** H*****, vertreten durch Dr. Friedrich Krall, Rechtsanwalt in Kufstein, wegen 50.000 EUR (Schadenersatz nach § 394 EO), über den Revisionsrekurs der beklagten Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25. März 2011, GZ 15 Ra 95/10y-34, mit dem dem Rekurs der beklagten Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 12. Mai 2010, GZ 44 Cga 99/06d-63, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die klagende und gefährdete Partei (im Folgenden: Klägerin) beantragte mit ihrer Klage auch die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, mit der dem Beklagten und Gegner der gefährdeten Partei (im Folgenden: Beklagten) verschiedene Konkurrenzhandlungen untersagt werden sollten.

Das Erstgericht erließ diese einstweilige Verfügung, deren Vollstreckbarkeit mit 4. August 2006 bestätigt wurde. Das Rekursgericht änderte jedoch die erstgerichtliche Entscheidung mit Beschluss vom 12. Oktober 2006 (zugestellt am 25. Oktober 2006) im Sinne der Abweisung des Antrags auf Erlassung der einstweiligen Verfügung ab.

In der Zeit zwischen Erlassung und Aufhebung der einstweiligen Verfügung unternahm die Klägerin verschiedene Schritte, um deren Einhaltung zu überwachen. Sie stellte fest, dass der Beklagte verschiedene Kunden der Klägerin aufsuchte und dass Kunden in das Büro des Beklagten kamen. Dieser hielt sich dort auch regelmäßig auf. Die Kunden sprachen die Klägerin auch darauf an, wie es möglich sei, dass der Beklagte trotz aufrechter einstweiliger Verfügung Geschäfte abschließe.

Ob sich der Beklagte an das ihm in der einstweiligen Verfügung auferlegte Verbot hielt, erachtete das Erstgericht als nicht feststellbar. Ebenso wenig konnte es feststellen, ob dem Beklagten durch die einstweilige Verfügung Vermögensnachteile entstanden sind.

Insgesamt erzielte der Beklagte 2006 einen Jahresumsatz von 371.453,69 EUR und einen Jahresgewinn von 133.445,85 EUR.

Der Beklagte begehrte mit seinem Antrag nach § 394 EO, den ihm von der Klägerin zu ersetzenden Vermögensnachteil aufgrund der einstweiligen Verfügung mit 50.000 EUR festzusetzen. Es liege auf der Hand, dass er durch das „Berufsverbot“ einen Umsatzverlust erlitten habe, der einem Einkommensverlust gleichzusetzen sei, da in dieser Zeit die feststehenden Ausgaben, insbesondere Löhne, Miete und Betriebskosten, in voller Höhe weitergelaufen seien. Dass der Beklagte im Jahr 2006 trotzdem beträchtliche Umsätze erzielt habe, obwohl er de facto nur 9 Monate habe arbeiten können, sei darauf zurückzuführen, dass er sich im Rahmen seiner Tätigkeit einen sehr guten Namen gemacht habe.

Die Klägerin bestritt den Anspruch des Beklagten. Die einstweilige Verfügung habe schon deshalb keinen Schaden verursacht, weil der Beklagte sämtliche Umsätze, die er vereinbarungswidrig erwirtschaftet habe, ohnehin hätte abführen müssen.

Das Erstgericht wies den Antrag des Beklagten ab. Dem Beklagten sei es nicht gelungen, zu bescheinigen, dass ihm ein Schaden entstanden sei. Würde man annehmen, dass sich der Beklagte nicht an das ihm auferlegte Verbot gehalten habe, wäre überdies das Entstehen eines Vermögensnachteils denkunmöglich.

Das Rekursgericht gab dem gegen diesen Beschluss erhobenen Rekurs des Beklagten nicht Folge. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichts. In seiner rechtlichen Beurteilung führte es aus, dass der Antragsteller den anspruchsbegründenden Sachverhalt jedenfalls zu behaupten und dem Grund nach zu bescheinigen habe. Dies setze jedenfalls die Bescheinigung voraus, dass überhaupt ein Schaden entstanden sei. Der Beklagte habe daher auch zu bescheinigen, dass er sich an das mit der einstweiligen Verfügung auferlegte Verbot gehalten habe. Es wäre am Beklagten gelegen, die gegen den Anschein eines rechtskonformen Verhaltens sprechenden Umstände (Anwesenheit im Büro, Kundenbesuche etc) zu entkräften.

Das Rekursgericht ließ den Revisionsrekurs zu, weil zur Frage, ob im Verfahren nach § 394 EO den Beklagten die Bescheinigungslast für ein rechtskonformes Verhalten treffe, Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehle.

Der gegen diese Entscheidung erhobene Revisionsrekurs des Beklagten ist nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Auch im Verfahren nach § 394 EO ist nach dem von der Rechtsprechung analog angewendeten § 402 Abs 3 EO der Revisionsrekurs nicht deshalb unzulässig, weil das Rekursgericht den angefochtenen Beschluss bestätigt hat (RIS-Justiz RS0104478; Kodek in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO § 394 Rz 66; Zechner, Sicherungsexekution und einstweilige Verfügung § 394 Rz 4).

Allerdings ist die Zulässigkeit des Revisionsrekurses des Beklagten vom Vorliegen einer iSd § 528 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfrage abhängig. Eine solche ist aber - ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts - hier nicht zu beantworten.

Der Oberste Gerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass im Verfahren zur Festsetzung des Ersatzbetrags nach § 394 Abs 1 EO von § 273 ZPO weitgehend Gebrauch gemacht werden muss, weil der vom Gegner der gefährdeten Partei erlittene Vermögensnachteil regelmäßig nicht genau errechnet werden kann. § 273 ZPO kann aber erst angewandt werden, wenn feststeht, dass durch die Erlassung der einstweiligen Verfügung überhaupt ein Vermögensnachteil eingetreten ist (4 Ob 251/02v mwN; Kodek in Angst, EO, § 394 Rz 12; Rechberger in Rechberger, ZPO3 § 273 Rz 1, 6). Auch im Verfahren nach § 394 EO hat der Antragsteller den anspruchsbegründenden Sachverhalt zu behaupten und dem Grunde nach auch zu bescheinigen (RIS-Justiz RS0005452 [T5]; RS0104480; 4 Ob 2097/96b). Dazu gehört im konkreten Fall auch die Frage, ob sich der Beklagte überhaupt an die einstweilige Verfügung gehalten hat, weil es sich dabei unter den hier gegebenen Umständen bloß um eine Hilfstatsache für die Beantwortung der letztlich entscheidenden Frage handelt, ob dem Beklagten durch die Erlassung der einstweiligen Verfügung ein Schaden entstanden ist.

Die Bescheinigung, dass ihm ein Schaden entstanden ist, ist dem Beklagten hier aber nicht gelungen. Die Auslegung der dafür maßgebenden erstgerichtlichen Feststellungen durch das Rekursgericht begründet keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO. Diese Feststellungen dahin zu interpretieren, dass nicht festgestellt werden kann, ob sich der Beklagte an das ihm auferlegte Verbot gehalten hat und ob ihm ein Schaden durch die einstweilige Verfügung entstanden ist, ist keineswegs unvertretbar.

Darauf, dass dem Beklagten - wie er nunmehr ausführt - aus der Verständigung der Kunden vom erlassenen Verbot ein Vermögensschaden entstanden sei, hat er seinen Antrag und auch die Rechtsrüge im Rekurs nicht gestützt.

Dementsprechend war der Revisionsrekurs mangels Darstellung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

Schlagworte

Arbeitsrecht

Textnummer

E98257

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:008OBA00044.11W.0830.000

Im RIS seit

21.09.2011

Zuletzt aktualisiert am

24.11.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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