TE OGH 2011/9/1 1Ob170/11y

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Veröffentlicht am 01.09.2011
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Andrea Maria V*****, vertreten durch Mag. Marina Breitenecker, Dr. Christine Kolbitsch und Dr. Heinrich Vana, Rechtsanwälte in Wien, gegen den Antragsgegner Hannes F*****, vertreten durch Dr. Walter Mardetschläger, Dr. Peter Mardetschläger und Mag. August Schulz, Rechtsanwälte in Wien, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, über den Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 24. Mai 2011, GZ 45 R 19/11v-57, mit dem der Teilbeschluss des Bezirksgerichts Floridsdorf vom 28. Mai 2010, GZ 13 C 190/07w-29, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Vorauszuschicken ist, dass Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ausschließlich die Frage ist, ob die in Notariatsaktsform getroffene Vereinbarung der Streitteile vom 13. 5. 2005, mit dem ihr Ehevertrag vom 14. 12. 1989 aufgehoben wurde, wirksam geworden ist. Die Entscheidungsbegründung kann sich daher auf diese Frage beschränken.

Am 17. 3. 2005 wurde dem Antragsgegner mit einstweiliger Verfügung gemäß § 382b EO aufgetragen, die Ehewohnung vom 23. 3. 2005 bis 15. 6. 2005 zu verlassen und ohne Zustimmung der Antragstellerin nicht mehr zu betreten. Mit Notariatsakt vom 13. 5. 2005 vereinbarten die Streitteile die Aufhebung ihrer anlässlich der Eheschließung geschlossenen Gütertrennungsvereinbarung unter der aufschiebenden Bedingung, dass dem nunmehrigen Antragsgegner mit Willen der nunmehrigen Antragstellerin „der Zugang zur gemeinsamen Wohnung ... ermöglicht wird und ihm eine Schlüsselgarnitur zu dem Zweck ausgefolgt wird. Weiters findet sich in der Vereinbarung die Formulierung „durch die Schlüsselausfolgung wird die einstweilige Verfügung ... von beiden Vertragsparteien als gegenstandslos gewünscht und angesehen“. Die Formulierung des Textes erfolgte durch einen Notariatssubstituten nach zwei Besprechungen mit den Ehegatten. Der Antragsgegner hatte sich mit einer Aufhebung des Ehevertrags einverstanden erklärt, wenn die Antragstellerin im Gegenzug die einstweilige Verfügung „unwiderruflich zurückziehe“ und er die bei Gericht hinterlegten Schlüssel zurückbekomme. Der Zweck der Vereinbarung bestand nach den Vorgesprächen darin, dass der Antragsgegner die einstweilige Verfügung „weghaben“ und die bei Gericht hinterlegten Schlüssel wiederhaben wollte, wogegen die Antragstellerin den Ehepakt aufgehoben haben wollte. Als Frist für die Ausfolgung des Schlüssels wurde der 15. 6. 2009 (richtig wohl: 2005) festgesetzt. Die wiedergegebene Formulierung wurde gewählt, weil der Notar nicht genau wusste, wie das Procedere bei Gericht konkret abläuft. Im Zuge der Gespräche war auch vereinbart worden, dass die Antragstellerin die Ausfolgung der Schlüssel durch einen Antrag an das Gericht in die Wege leiten sollte, was sie noch am Tag der Unterfertigung des Notariatsakts tat, indem sie einen Antrag an das Gericht unterfertigte, in dem sie die sofortige Ausfolgung der Wohnungsschlüssel an ihren Mann begehrte. Bereits am 20. 5. 2005 fand die Antragstellerin den Antragsgegner im Haus vor. Dieser verfügte über einen Wohnungsschlüssel und erklärte (wahrheitswidrig), er sei bei Gericht gewesen und habe sich die Schlüssel bereits geholt. Der Antragsgegner hielt sich danach weiterhin des Öfteren in der Wohnung auf; später fuhren die Streitteile sogar gemeinsam auf Urlaub. (Erst) Mit Beschluss vom 24. 6. 2005 wurde der Antragsgegner ermächtigt, den Schlüssel bei Gericht zu beheben, was er am 15. 7. 2005 tat. Am 17. 1. 2006 erhob die Antragstellerin die Scheidungsklage; das Scheidungsurteil vom 26. 9. 2007 erwuchs in Rechtskraft.

Das Erstgericht wies den Aufteilungsantrag der Antragstellerin weitgehend ab. Die Aufhebungsvereinbarung vom 13. 5. 2005 sei nicht wirksam geworden, sodass der zwischen den Streitteilen geschlossene Ehepakt nach wie vor gültig sei. Dieser stehe der begehrten Aufteilung entgegen. Die aufschiebende Bedingung, nämlich eine tatsächliche Schlüsselübergabe an den Antragsgegner bis zum 15. 6. 2005 sei nicht erfolgt, weil er den Schlüssel erst am 15. 7. 2005 bei Gericht behob. Der faktische Zugang zur Ehewohnung allein habe die Bedingung nicht erfüllt, vielmehr sollten die gerichtlich hinterlegten Schlüssel ausgefolgt werden. Die Parteienabsicht sei auch darauf gerichtet gewesen, dass sich der Antragsgegner wieder rechtmäßig in der Ehewohnung aufhalten könne, was eine Aufhebung [der einstweiligen Verfügung] voraussetzt, die jedoch nicht erfolgt sei.

Das Rekursgericht hob diese Entscheidung auf, verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig. Nach den getroffenen Feststellungen sei die Vertragspflicht der Antragstellerin als erfüllt und der ursprüngliche Ehepakt demnach als aufgehoben anzusehen. Die Übergabe des gerichtlich hinterlegten Schlüssels sei bloß als Mittel zum Zweck der Erreichung des ungehinderten Zutritts zur Ehewohnung und Verdeutlichung der beabsichtigten Aufhebung der einstweiligen Verfügung anzusehen. Keinesfalls sei die Vereinbarung nach der Absicht der Parteien dahin zu interpretieren, dass einzig und allein die Übergabe exakt jener Schlüsselgarnitur, die bei Gericht hinterlegt wurde, zu einer „Vertragserfüllung“ führt. Entsprechend dem Parteiwillen sei die Vereinbarung vielmehr so auszulegen, dass die Wiederaufnahme der ehelichen Lebensgemeinschaft innerhalb der gesetzten Frist gewährleistet werde, ohne dass der Antragsgegner von etwaigen Meinungsänderungen der Antragstellerin abhängig sei. Dazu reiche die fristgerechte Antragstellung auf Ausfolgung des Schlüssels verbunden mit dem ebenfalls fristgerechten Einzug des Antragsgegners in die eheliche Wohnung mit einem ihm persönlich zur Verfügung stehenden Schlüssel aus. Damit sei die aufschiebende Bedingung auch ohne Übergabe des gerichtlich hinterlegten Schlüssels erfüllt. Darüber hinaus habe der Antragsgegner durch die am 20. 5. 2005, deutlich vor Ablauf der vereinbarten Frist, aufgestellte Behauptung, den bei Gericht hinterlegten Schlüssel bereits abgeholt zu haben, Urgenzen der Antragstellerin bei Gericht um eine zeitgerechte Beschlussfassung verhindert. Er habe sie im Glauben gelassen, sie habe ihre „Vertragspflicht“ bereits erfüllt, und sie damit von weiteren Schritten abgehalten. Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil der Frage der Auslegung eines Notariatsakts hinsichtlich der darin vereinbarten aufschiebenden Bedingung, deren fristgerechter Eintritt auch im Einflussbereich Dritter (Gericht) gelegen sei, über den Einzelfall hinaus Bedeutung zukomme.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobene Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig, weil der Einzelfallcharakter der zu lösenden Frage eine Qualifikation als erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG ausschließt.

Soweit der Revisionsrekurswerber eine Nichtigkeit darin erblicken will, dass Annahmen des Rekursgerichts mit dem Akteninhalt in Widerspruch stünden, ist nicht erkennbar, welchen Revisionsrekursgrund er damit geltend machen will, zumal das AußStrG eigentliche Nichtigkeitsgründe - etwa iSd § 477 ZPO - nicht kennt. In Wahrheit will der Revisionsrekurswerber dem Rekursgericht offenbar Aktenwidrigkeit iSd § 66 Z 3 AußStrG vorwerfen. Eine solche liegt aber schon deshalb nicht vor, weil keine Rede davon sein kann, dass Feststellungen auf aktenwidriger Grundlage getroffen worden wären, etwa durch unrichtige Wiedergabe des Inhalts einer Urkunde, eines Protokolls oder eines sonstigen Aktenstücks (vgl nur RIS-Justiz RS0043347). Hinweise auf im Zuge des erstgerichtlichen Beweisverfahrens abgelegte Aussagen sind in einem Revisionsrekurs schon deshalb fehl am Platze, weil der Oberste Gerichtshof auch im Außerstreitverfahren keine Tatsacheninstanz ist.

Ob eine Vereinbarung im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, stellt nur dann eine erhebliche Rechtsfrage dar, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RIS-Justiz RS0042936), was auch für die Auslegung von Notariatsakten gilt (RIS-Justiz RS0044358 [T26]). Da eine solche unvertretbare Fehlbeurteilung hier nicht vorliegt, kann auch dahingestellt bleiben, ob allenfalls eine andere Vertragsauslegung vernünftigerweise in Betracht käme. Nur der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass das Rekursgericht durchaus Aspekte ins Treffen geführt hat, die dem festgestellten - bzw dem im Rahmen ergänzender Vertragsauslegung zu unterstellenden hypothetischen -
Parteiwillen entsprechen. Es erscheint durchaus vernünftig, einen Eintritt der vereinbarten Bedingung mit jenem Zeitpunkt anzunehmen, zu dem der Antragsgegner (wieder) über einen Wohnungsschlüssel verfügte und ihm der Zutritt zur Ehewohnung auch nicht mehr verwehrt wurde, zumal eine förmliche Aufhebung der einstweiligen Verfügung in der Aufhebungsvereinbarung nicht als Bedingung festgelegt wurde; deren Wirksamkeit war im Übrigen ohnehin bis 15. 6. 2005 befristet. Warum Sinn und Zweck der Vereinbarung darin bestanden haben sollte, dass gerade der bei Gericht hinterlegte Schlüssel bis zum festgesetzten Termin dem Antragsgegner wieder ausgefolgt wird, vermag der Revisionsrekurswerber nicht nachvollziehbar zu begründen, zumal von vornherein klar sein musste, dass die Antragstellerin lediglich unverzüglich einen Antrag bei Gericht stellen, den Entscheidungszeitpunkt aber kaum beeinflussen konnte. Die Rechtsauffassung des Revisionsrekurswerbers liefe im Wesentlichen darauf hinaus, dass die Ehegatten - in einer wirtschaftlich überaus bedeutsamen Angelegenheit - quasi eine Wette abgeschlossen, es also dem Zufall überlassen hätten, ob das Gericht rechtzeitig tätig wird und so die Bedingung herbeiführt; Entsprechendes würde für die förmliche Aufhebung der einstweiligen Verfügung gelten. Warum der Revisionsrekurswerber davon ausgehen will, die Streitteile hätten als „mündige Erwachsene“ den Eintritt erheblicher wirtschaftlicher Konsequenzen weitgehend vom Zufall abhängig machen wollen, vermag er nicht einmal ansatzweise zu erklären.

Mangels Abhängigkeit der Entscheidung von einer iSd § 62 Abs 1 AußStrG erheblichen Rechtsfrage ist das Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen.

Da die Antragstellerin auf die Unzulässigkeit nicht hingewiesen hat, kann ihre Revisionsrekursbeantwortung nicht als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig (§ 78 Abs 2 AußStrG) angesehen werden, weshalb sie deren Kosten endgültig selbst zu tragen hat.

Schlagworte

Familienrecht

Textnummer

E98385

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0010OB00170.11Y.0901.000

Im RIS seit

04.10.2011

Zuletzt aktualisiert am

04.10.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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