TE AsylGH Erkenntnis 2011/05/23 B3 316139-1/2008

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Veröffentlicht am 23.05.2011
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Spruch

B3 316.139-1/2008/9E

 

B3 316.138-1/2008/5E

 

B3 316.137-1/2008/6E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Mag. Karin WINTER als Vorsitzende und den Richter Mag. Florian NEWALD als Beisitzer über die Beschwerden (1.) der XXXX, (2.) der XXXX und (3.) des XXXX, alle kosovarische Staatsangehörige, gegen die Bescheide des Bundesasylamtes jeweils vom 28. November 2007, (1.) Zl. 07 09.536-BAG, (2.) Zl. 07 09.537-BAG und (3.) Zl. 07 09.538-BAG, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerden werden gemäß §§ 3, 8 und 10 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass die Wortfolge "Serbien (Kosovo)" in den Spruchteilen II. der angefochtenen Bescheide durch die Wortfolge "Republik Kosovo" und die Wortfolge "nach Serbien (Kosovo)" in deren Spruchteilen III. durch die Wortfolge "in die Republik Kosovo" ersetzt wird.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Die Beschwerdeführer (eine Mutter mit ihren zwei minderjährigen Kindern), kosovarische Staatsangehörige albanischer Volksgruppenzugehörigkeit christlichen Glaubens, stammen aus XXXX. Sie reisten ihren Angaben nach am 12. Oktober 2007 unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet ein. Am selben Tag brachten sie Anträge auf internationalen Schutz ein. Zur Bestätigung ihrer Identität legte die Erstbeschwerdeführerin ihren am XXXX ausgestellten UNMIK-Personalausweis und ihren am XXXX ausgestellten Reisepass sowie die am XXXX ausgestellten Reisepässe der Zweit- und Drittbeschwerdeführer vor.

 

2. Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 12. Oktober 2007 gab die Erstbeschwerdeführerin für sich und als gesetzliche Vertreterin der Zweit- und Drittbeschwerdeführer im Wesentlichen Folgendes an: In der Gemeinde Prizren würden nach wie ihre Mutter sowie ihre 2 Brüder und 3 Schwestern leben. Einer ihrer Brüder halte sich in Deutschland auf. Sie hätten am 7. Oktober 2007 den Kosovo verlassen, da ihr "Ex-Ehemann" namens XXXX sie - seit sie nicht mehr zusammen seien - ständig bedrohe und auf sie geschossen habe. Sie habe ihn bei der Polizei und KFOR angezeigt, die jedoch "nichts" unternommen hätten. Die KFOR habe ihr gesagt, dass es "eine Sache der Polizei" sei. Die Polizei habe ihn einvernommen, dann aber wieder frei gelassen. Die Zweit- und Drittbeschwerdeführer hätten keine eigenen Fluchtgründe. Für ihre Schleppung habe sie EUR 5.000,- gezahlt.

 

3. Bei ihrer Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 18. Oktober 2007 gab die Erstbeschwerdeführerin im Wesentlichen Folgendes an: XXXX, mit dem sie seit 2 Jahren nicht mehr zusammen sei, finde sie "überall", obwohl sie "nie länger als 2 Monate" an einer Adresse wohnhaft gewesen seien. Er habe sie geschlagen und auch die Schule der Zweitbeschwerdeführerin gefunden, weshalb diese die Schule nicht regelmäßig besuchen könne. Er habe die Zweitbeschwerdeführerin sogar ein paar Mal mitgenommen; "ein, zwei Tage" danach habe die Zweitbeschwerdeführerin die Erstbeschwerdeführerin angerufen und gesagt, wo sie sich befinde. Sie sei mit ihren Problemen bei KFOR und UNMIK gewesen. Einmal, als XXXX bei ihnen gewesen sei, habe er eine Waffe dabei gehabt. Sie habe mit der Zweitbeschwerdeführerin fliehen können und sei zur KFOR gegangen. Als die Polizei gekommen sei, sei er geflohen. Die Erstbeschwerdeführerin habe auch "nie länger als 1 oder 2 Monate etwas arbeiten" können, da er ihr auch dort "Probleme gemacht" habe. Wieters habe er einmal bei ihnen in der Wohnung eine Patrone verloren, die die Zweitbeschwerdeführerin gefunden und selbst zur Polizei in XXXX gebracht habe, wo sie sie bei XXXX abgegeben habe. XXXX sei "einfach ein Krimineller".

 

3. Bei ihrer weiteren Einvernahme am 27. November 2007 gab die Erstbeschwerdeführerin im Wesentlichen Folgendes an: Bis zu ihrer Flucht aus dem Kosovo am 6. September 2007 habe sie in XXXX in einer Mietwohnung gelebt. Auf Vorhalt, dass sie bei ihrer früheren Einvernahme angegeben habe, den Kosovo am 7. Oktober 2007 verlassen zu haben, antwortete die Erstbeschwerdeführerin (nur), dass sie den Kosovo am 6. September 2007 verlassen habe. Die letzten 2 Monate vor ihrer Ausreise habe sie als Köchin in einer Pizzeria gearbeitet. Davor habe sie verschiedene "Jobs" gehabt. Zu den Fluchtgründen befragt, gab sie an, sie sei im Frühling 2004 von XXXX in Prizren geschieden worden. Sie hätten sich danach zwar immer wieder versöhnt. Ab 2005 sei es dann endgültig "aus" gewesen. Als sie bei der Arbeit in einer Bäckerei gewesen sei, habe XXXX die Zweit- und Drittbeschwerdeführer aufgesucht und mit einem "Spray" in der Wohnung gesprüht, sodass die Zweit- und Drittbeschwerdeführer zu husten hätten beginnen müssen. XXXX mache "solche Dinge", da er es nicht ertragen könne, dass die Erstbeschwerdeführerin ihn verlassen habe. Sie habe die Polizei verständigt, woraufhin die Sache aufgenommen worden sei. Derzeit sei dies bei der Staatsanwaltschaft Prizren anhängig. Nach ihrer Anzeige sei XXXX für 9 Monate inhaftiert gewesen. Dieser Vorfall sei "zumindest im Jahr 2005" gewesen. XXXX sei auch von Oktober 2006 bis Juni 2007 inhaftiert gewesen, da er "nichts gearbeitet" und "eine Frau überfallen" habe. Nach seiner Entlassung sei er mit 2 weiteren Freunden zu ihr in die Wohnung gekommen und habe sie beleidigt bzw. geschlagen. Sie zu finden, sei seine "einzige Beschäftigung" gewesen. Sie sei auch für 3 Wochen in einem Frauenhaus gewesen, habe dort aber nicht bleiben können. Fluchtauslösend sei gewesen, dass XXXX etwa einen Monat, bevor die Beschwerdeführer den Kosovo verlassen hätten, in ihrer Wohnung "aufgetaucht" sei, den Drittbeschwerdeführer "angelogen" und ihm ihr zu Hause aufbewahrtes Geld "herausgelockt" habe. Die Erstbeschwerdeführerin habe dann von einem Neffen erfahren, dass sich XXXX mit dem Geld eine Waffe gekauft habe. Auf Vorhalt, dass sie bei ihrer Erstbefragung ausgesagt habe, XXXX hätte auf sie geschossen, aber bei der Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 18. Oktober 2007 davon nichts erzählt hätte, meinte sie, sie habe gedacht, dass sie das nicht mehr angeben brauche. Sie könne sich nicht erinnern, wann genau dieses Ereignis gewesen sei. Auf Vorhalt, warum sie nicht zu ihrer (ursprünglichen) Familie zurückgekehrt sei, sondern stattdessen den Kosovo verlassen hätte, antwortete sie, es gebe schon einen "großen Zusammenhalt" in ihrer Familie. Aber diese hätten ebenfalls Angst. XXXX habe auch ihre Familie mit einer Waffe bedroht. Sie sei "immer und überall" bei den Sicherheitsbehörden gewesen - von 2005 bis zur Ausreise. Unterlagen dazu könne sie jedoch nicht vorlegen. Auf Vorhalt, warum sie ihren Herkunftsstaat nicht schon früher verlassen habe, antwortete sie, sie habe gehofft,

XXXX würde "heiraten und [sie] vergessen". XXXX halte sich in XXXX auf und "leb[e] vom Diebstahl". Auf Nachfrage, ob es ihren Angehörigen möglich sei, ohne Probleme im Herkunftsstaat zu leben, antwortete die Erstbeschwerdeführerin (wiederum), "von den anderen [wolle] er nichts".

 

4. Mit den angefochtenen Bescheiden wies das Bundesasylamt die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ab und erkannte ihnen weder den Status von Asylberechtigten (jeweils Spruchteil I.) noch gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 jenen von subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat "Serbien (Kosovo)" zu (jeweils Spruchteil II.) und wies sie gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aus dem Bundesgebiet "nach Serbien (Kosovo)" aus (jeweils Spruchteil III.). Nach Wiedergabe des Verfahrensganges traf das Bundesasylamt Feststellungen zur Situation im Kosovo, insbesondere zur Kriminalität und zur Gesundheitsversorgung. Das Fluchtvorbringen erachtete das Bundesasylamt als unglaubwürdig und begründete dies im Wesentlichen damit, dass die Erstbeschwerdeführerin nicht in der Lage gewesen sei, auf konkrete Nachfrage detaillierte bzw. widerspruchsfreie Angaben über ihre "Erlebnisse" zu machen. Überdies würden nach wie vor Angehörige der Beschwerdeführer ohne relevante Probleme im Kosovo leben. Weiters lägen keine refoulementrelevante Umstände lägen vor. Abschließend begründete das Bundesasylamt seine Ausweisungsentscheidungen.

 

5. Dagegen erhoben die Beschwerdeführer fristgerecht Berufung an den unabhängigen Bundesasylsenat, die nunmehr als Beschwerde an den Asylgerichtshof zu werten ist. In dieser wird im Wesentlichen ausgeführt, die Erstbeschwerdeführerin sei mit den Zweit- und Drittbeschwerdeführern nach Österreich gekommen, um sie hier vor deren eigenen Vater schützen. Einmal habe er sie in einem Zimmer eingesperrt und dann mit einem "Sprühmittel" gesprüht. Die Kinder seien deswegen "sehr krank" gewesen und hätten "starken Husten, Tränen in den Augen und Schmerzen in der Brust" bekommen. Wegen XXXX habe die Erstbeschwerdeführerin die Zweit- und Drittbeschwerdeführer 2 Jahre lang nicht einmal in die Schule schicken können. XXXX schlage die Erstbeschwerdeführerin auf der Straße und auch in ihrer Arbeit. Wenn sie eine Wohnung miete, komme er und mache Probleme. Kein Vermieter könne das dulden, weshalb sie ohne Wohnung sei. Seit 3 Jahren leide sie darunter und ihre "Nerven [seien] am Ende". Es sei "sehr schwer", mit der "ständigen" Angst zu leben, dass sie wegen XXXX eine gemietete Wohnung verlieren könne, um danach "auf der Straße zu bleiben". Sie sei auch im Frauenhaus gewesen, aber auch von dort habe sie weggehen müssen. Sie habe "keinen Platz im Kosovo" und könne nirgendwo anders, als in Österreich "in Frieden leben". Sie wage es auch nicht, wieder zu heiraten. Mit EUR 200,-

könnte sie die Zweit- und Drittbeschwerdeführer nicht in die Schule schicken; eine Mietwohnung koste im Kosovo EUR 300,-. Soziale Unterstützung erhalte sie nicht.

 

6. Mit Urteil des Bezirksgericht XXXX vom XXXX wurde die Erstbeschwerdeführerin wegen Diebstahls nach § 127 StGB zu einer Geldstrafe verurteilt.

 

7. Mit einem am 27. Juli 2010 beim Bundesasylamt eingelangten Schreiben führte die Erstbeschwerdeführerin im Wesentlichen aus, sie habe 4 Kinder gehabt, von denen 2 im Kosovo aufgrund von Blutgerinnungsstörungen verstorben seien, während die anderen krank seien. Eines habe verschiedenartige Allergien, welche die Atmung beeinflussten sowie starke Kopfschmerzen. Das andere habe Thombozytopenie. Damit sei das Leben beider bedroht. Sie habe sich vom Vater der Kinder getrennt und sie hierher mitgenommen, um deren Leben abzusichern und damit sie die Schule besuchen könnten. Sie habe ihren Schmuck verkauft, um ihre Kinder kleiden und versorgen zu können.

 

8. Mit Schreiben vom 29. Oktober 2010 übermittelte der Asylgerichtshof den Verfahrensparteien ergänzende Sachverhaltsannahmen zur Situation in der Republik Kosovo, zur Frage der (nunmehrigen) Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführer sowie zu deren persönlichen und familiären Verhältnissen in Österreich bzw. im Kosovo zur Stellungnahme.

 

9. In ihrer Stellungnahme führte die Erstbeschwerdeführerin im Wesentlichen aus, sie habe im Kosovo "kein Haus und große Probleme" mit ihrem "Ex-Ehemann" XXXX. Sie und ihre Kinder seien aufgrund der "außerordentlich schlechten" Wirtschaftslage, der Probleme mit XXXX und der verschiedenen "unheilbaren" Krankheiten nach Österreich gekommen. Aufgrund solcher Krankheiten habe sie im Kosovo 2 Kinder verloren. Sie wolle deswegen hier bleiben, da ihre Kinder hier behandelt würden. Die Zweitbeschwerdeführerin sei seit 10 Jahren krank; bis heute hätten die Ärzte nicht herausfinden können, woran sie tatsächlich leide. Sie werde immer wieder im Krankenhaus für eine Woche oder 10 Tage stationär aufgenommen und sei nach wie vor in Behandlung. Der Drittbeschwerdeführer könne "nur hier überleben", da er nur glutenfreie und laktosefreie Produkte vertrage. Er habe schon seit seinem zweiten Lebensjahr starke Bauchschmerzen, Blutungen aus dem Mund und der Nase sowie beim Stuhlgang. Der Arzt habe ihm diese glutenfreie und laktosefreie Ernährung empfohlen, um überleben zu können und damit die Blutungen aufhörten. Er dürfe auch nicht am Sportunterricht teilnehmen, da er - nach einer Überanstrengung bzw. wenn er "länger als 20 Meter" gehe - Blutungen bekomme. Aus diesen Gründen könne sie nicht in den Kosovo zurückkehren, da es solche Produkte, die er brauche, im Kosovo nicht gebe. Zur gesundheitlichen Situation des Drittbeschwerdeführers wurde Folgendes vorgelegt: Arztbriefe des LKH XXXX, Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde, vom 1. und 4. August 2008, sowie vom 30. Juni 2010 woraus sich folgende Diagnosen ergeben: "Petechien im Gesicht bei St. P. Erbrechen", "Akute Gastroenteritis", "Zöliakie Marsh-Typ IIIA", "Bauchschmerzen", "R10.4 Sonstige und nicht näher bezeichnete Bauchschmerzen, Druckschmerzhaftigkeit des Bauches o. n.A., Kolik: beim Säugling und Kleinkind, o.n.A." und "K90.0 Zöliakie, Einheimische (nichttropische) Sprue, Gluten-sensitive Enteropathie, Idiopathische Steatorrhoe". Weiters ein Ambulanzbericht vom 4. August 2010, wonach beim Drittbeschwerdeführer keine Fructose-Intoleranz vorliege und die Bauchschmerzen besonders im Rahmen des Schulbesuchs auftreten würden, da der Drittbeschwerdeführer in der Schule als "Ausländer" deutlich ausgegrenzt würde und eine Kontrolle der Zöliakie erst in einem Jahr notwendig sei, sowie diverse Ernährungsempfehlungen, wonach der Drittbeschwerdeführer u.a. Kartoffeln, Reis, Mais, Buchweizen, Hirse, Hirseflocken, Maisstärke, Kartoffelstärke, Eier, Milch, Milchprodukte, Käse, Topfen, alle Fette und Öle, Margarine und Butter, alle Gemüsearten, Tiefkühlgemüse, Salate und Obst, Alkohol (außer Bier), Salz, Pfeffer, Essig und andere Gewürze konsumieren dürfe. Zur gesundheitlichen Situation der Zweitbeschwerdeführerin wurde Folgendes vorgelegt: Arztbriefe des LKH XXXX, Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde, vom 17. Dezember 2007, vom 18. August 2010 und vom 8. bzw. 11. November 2010, aus denen folgende Diagnosen ersichtlich sind: "Helicobacter pylori Gastritis, Rez. Kopfschmerzen mit Flush, Urtikaria, Ovarialzyste links, Zustand nach HP Eradikation".

 

10. Mit Schreiben vom 31. Jänner 2011 richtete der Asylgerichtshof eine Anfrage an den österreichischen Verbindungsbeamten im Kosovo zur medizinischen Behandlungsmöglichkeit und Versorgung im Kosovo. Im Antwortschreiben des medizinischen Sachverständigen der österreichischen Botschaft im Kosovo, Zl. 33/2011, wurde im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Thrombozytopenie sei symptomatisch behandelbar. Es gebe Patienten (Kinder) mit Zöliakie, die in der Universitätsklinik Pristina, Abteilung für Pädiatrie, behandelt würden. Nach Erfahrung des Sachverständigen würden diese Kinder für die Diagnosesicherung und Einstellung der Erkrankung ins Ausland gehen. Auch zur Besorgung von glutenfreier (glutenarmer) Nahrung sowie Untersuchungen usw. seien die Angehörigen solcher Kinder auf Reisen ins Ausland angewiesen (beispielsweise Skopje, Geschäft XXXX). Die notfallmäßige Behandlung von Urtikaria sei im Kosovo möglich. Die medizinische Grundversorgung der Bevölkerung in der Republik Kosovo werde weiterhin durch das staatlich finanzierte öffentliche Gesundheitssystem gewährleistet. Für medizinische Leistungen sowie für bestimmte Basismedikamente (verzeichnet in der so genannten "Essential Drug List" - EDL) zahle der Patient Eigenbeteiligungen, die nach vorgegebenen Sätzen pauschal erhoben würden. Von der Zuzahlungspflicht befreit seien Invalide und Empfänger von Sozialhilfeleistungen, chronisch Kranke, Personen über 65 Jahre sowie Kinder bis zum 10. Lebensjahr.

 

11. Mit Schreiben vom 28. Februar 2011 übermittelte der Asylgerichtshof den Verfahrensparteien vorläufige Sachverhaltsannahmen zum Gesundheitswesen im Kosovo und das zuvor dargestellte Ermittlungsergebnis des österreichischen Verbindungsbeamten. Zum Gesundheitszustand der Zweitbeschwerdeführerin und des Drittbeschwerdeführers wurde Folgendes ausgeführt: Bei der Zweitbeschwerdeführerin sei eine "Helicobacter pylori Gastritis" diagnostiziert worden, wobei eine "HP-Eradikation" durchgeführt worden sei. Aus der Anfragebeantwortung des österreichischen Verbindungsbeamten vom 2. September 2010 zur hg. Zahl B13 310.492 gehe hervor, dass Gastritis im Kosovo behandelbar sei. Weiters sei bei ihr Nesselsucht diagnostiziert worden, die gemäß der beigelegten Anfragebeantwortung des österreichischen Verbindungsbeamten zum gegenständlichen Verfahren vom 31. Jänner 2011, Zl. 33/2011, ebenfalls im Kosovo behandelbar sei. Die Ovarialzyste sei nach einer Auskunft des deutschen Verbindungsbüros vom 24. September 2003, SER00054373, im gutartigen Falle operativ im Kosovo behandelbar; auch die Nachbehandlung sei gesichert. Beim Drittbeschwerdeführer sei eine Zöliakie diagnostiziert worden, die nach der beigelegten Anfragebeantwortung in der Klinik für Pädiatrie der Universitätsklinik Pristina behandelt werden könne. Zudem gehe aus der Auskunft des deutschen Verbindungsbüros vom 19. Jänner 2004 an die RP Tübingen hervor, dass glutenfreie Lebensmittel im Kosovo erhältlich seien. Aus der beigelegten Anfragebeantwortung gehe weiters hervor, dass die behauptete Thrombozytopenie im Kosovo symptomatisch behandelbar sei. Des Weiteren sei - entsprechend den oben angeführten Feststellungen zum Gesundheitswesen im Kosovo - von der Behandelbarkeit der im August 2008 diagnostizierten akuten Magen-Darm-Grippe im Kosovo auszugehen. Mangels aktueller Befunde sei jedoch nicht davon auszugehen, dass er derzeit an Thrombozytopenie oder einer Magen-Darm-Grippe leide. Den Verfahrensparteien wurde Gelegenheit gegeben, dazu binnen zweier Wochen Stellung zu nehmen.

 

12. Die Erstbeschwerdeführerin nahm im Wesentlichen wie folgt Stellung: Sie habe "keine Arbeit und keine Unterkunft" im Kosovo. Selbst wenn die Erstbeschwerdeführerin eine Arbeit finden würde, könnten sie und ihre Kinder mit dem geringen Einkommen, das sie im Kosovo erhalten würde, "nicht überleben". Seit 2004 habe sie in Prizren gelebt und gearbeitet. Sie habe verschiedene Jobs gemacht und "immer wieder" ihre Wohnung und ihren Arbeitsplatz wechseln müssen, da XXXX sie "immer wieder" gefunden und geschlagen habe; er habe überdies versucht, sie zu vergewaltigen. Auch habe er bei ihren Arbeitgebern dafür gesorgt, dass sie ihre Arbeit verliere. Sie habe die Polizei gerufen, aber die habe ihn nicht gefasst. Durch die häufigen Wohnungs- und Jobwechsel habe sie immer wieder Schulden gemacht. Schließlich habe sie in Pristina und XXXX Arbeit gefunden, jedoch habe XXXX auch dort dafür gesorgt, dass sie entlassen worden sei. Zur Erkrankung des Drittbeschwerdeführers gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass es im Kosovo keine glutenfreien Produkte gebe. Der Drittbeschwerdeführer würde dort sterben und auch die Ärzte könnten ihm im Kosovo nicht helfen. Die spezielle Nahrung für den Drittbeschwerdeführer sei sehr teuer (EUR 250,- pro Monat) und mit einem durchschnittlichen Gehalt im Kosovo von EUR 180,- bis EUR 200,- bei Wohnungspreisen in Höhe von EUR 300,- für sie nicht leistbar.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Folgender Sachverhalt wird der Entscheidung zugrunde gelegt:

 

1.1. Zur entscheidungsrelevanten Situation in der Republik Kosovo:

 

1.1.1. Allgemeines und Unabhängigkeit des Kosovo

 

Im Kosovo, einem Gebiet von ca. 11.000 qkm, leben - geschätzt - 2,1 Millionen Menschen, davon 92 Prozent ethnische Albaner, 5,3 Prozent Serben, 0,4 Prozent Türken, 1,1 Prozent Roma sowie 1,2 Prozent anderer Ethnien. Die Amtssprachen sind Albanisch und Serbisch. Auf Gemeindeebene sind auch Bosnisch, Romanes und Türkisch als Amtssprachen in Verwendung. [Kosovo-Bericht 27.09.2009 von Obstlt. XXXX, Verbindungsbeamter des BMI, Seite 3]

 

Das kosovarische Parlament erklärte am 17. Februar 2008 gegen den Willen Serbiens seine Unabhängigkeit. Die Proklamation enthält neben dem Bekenntnis zur Verwirklichung des Ahtisaari-Plans für eine überwachte Unabhängigkeit eine Einladung an die EU, die Staatswerdung des Kosovo mit einer eigenen Mission zu begleiten, und an die NATO, ihre Schutztruppen im Land aufrechtzuerhalten. Die einseitige Sezession ist völkerrechtlich und international umstritten. Gleichwohl haben mittlerweile 69 Staaten (Stand: 19.5.2010), allen voran die USA und die Mehrzahl der EU-Staaten, den Kosovo förmlich anerkannt.

 

Das neue Staatswesen ist zwar formal souverän, die internationale Staatengemeinschaft wird jedoch weiterhin sowohl zivil als auch militärisch präsent sein. Die Außenminister der EU und die NATO haben sich verständigt, die KFOR nicht abzuziehen; rund 17.000 NATO-Soldaten bleiben im Kosovo, darunter knapp 2.400 Deutsche. Die EU-Staats- und Regierungschefs haben die Entsendung einer ca. 2.000 Mann starken EU-Mission (EULEX) beschlossen. Sie soll die UN-Verwaltung (UNMIK) nach einer Übergangszeit ablösen. Rund 70 Experten sind für ein International Civilian Office (ICO) unter Leitung eines EU-Sondergesandten mit weitreichenden Befugnissen vorgesehen. Als Leiter von EULEX wurde der französische General und ehemalige KFOR-Kommandeur Yves de Kermabon zum EU-Sondergesandten (EUSR) der Niederländer Pieter Feith bestellt. [Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Entscheidungen Asyl 03/2008, 2f].

 

Am 9. Dezember 2008 hat EULEX die Tätigkeit aufgenommen. Der offizielle Start der EU-Rechtsstaatsmission EULEX im Kosovo ist ohne Zwischenfälle verlaufen. Landesweit nahmen rund 1.400 EULEX-Vertreter ihre Arbeit auf. In den Wintermonaten soll eine geplante Stärke von rund 1.900 internationalen und etwa 1.100 lokalen Mitarbeitern erreicht werden. Dann arbeiten 1.400 internationale Polizeibeamte, 300 Justizbeamte - darunter 40 Richter und etwa 20 Staatsanwälte - sowie 27 Zollbeamte im Rahmen von EULEX für mehr Rechtsstaatlichkeit im Kosovo [Der Standard, 9. Dezember 2008, Start der EU-Mission ohne Zwischenfälle].

 

Die im Rahmen der EULEX tätigen internationalen Richter und Staatsanwälte haben von der kosovarischen Justiz bisher 1.250 Fälle übernommen. Diese Fälle beziehen sich mehrheitlich auf Kriegsverbrechen, Organisierte Kriminalität und schwere Mordfälle. Im Kreisgericht von Pristina wurden Mitte Jänner auch schon die ersten Gerichtsverfahren unter dem Vorsitz von EULEX-Richtern aufgenommen. [APA 28. Jänner 2009, EU-Justizmission im Kosovo hat bereits 1.250 Fälle übernommen].

 

Unter UNMIK-Verwaltung haben sich im Kosovo demokratische Strukturen entwickelt; es gibt ein Parlament und eine demokratisch legitimierte (provisorische) Regierung. Gewaltenteilung ist gewährleistet. Das Justizsystem bedarf an vielen Stellen noch der Verbesserung. Eine kosovarische Polizei wurde aufgebaut, die sich bislang als gute Stütze der demokratischen Strukturen etabliert hat. Der Transitionsprozess, d. h. die schrittweise Übertragung der Kompetenzen von UNMIK auf kosovarische Institutionen hat bereits begonnen. Nach dem vorliegenden Verfassungsentwurf ist die Republik Kosovo ein demokratisches, multiethnisch zusammengesetztes Staatswesen, das den Minderheiten starke Rechte zusichert. Der Entwurf enthält alle notwendigen Schutzmaßnahmen gegen Bedrohungen oder Diskriminierung von Minderheiten. Nationale Identitäten, Kulturen, Religionen und Sprachen werden darin respektiert. [Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Entscheidungen Asyl 03/2008, 2f].

 

Die Verfassung wurde am 15. Juni 2008 vom Parlament verabschiedet, welche am selben Tag in Kraft trat. [UN Security Council, Report of the Secretary-General on the United Nations Interim Administration Mission in Kosovo, 12. Juni 2008].

 

Die serbische Staatsführung bezeichnete die Verfassung der abtrünnigen Provinz als "rechtlich nicht existent". Präsident Boris Tadic kündigte an, die Proklamation der Kosovo-Verfassung werde von Belgrad nicht als rechtsgültig anerkannt. Der Kosovo bleibt unter internationalem Protektorat. Laut den Übergangsbestimmungen der Verfassung sind alle kosovarischen Institutionen verpflichtet, mit dem Internationalen Beauftragten, internationalen Organisationen und anderen Akteuren voll zu kooperieren, deren Mandat im Status Vorschlag des UNO-Vermittlers Ahtisaari definiert wurde. Auch die im Kosovo seit Juni 1999 stationierte NATO- geführte internationale Schutztruppe KFOR wird weiterhin das Mandat und die Befugnisse im Einklang mit einschlägigen internationalen Instrumenten genießen, die UNO-Resolution 1244 eingeschlossen. [APA 10. Juni 2008, Der Kosovo will Heimat aller seiner Bürger sein].

 

1.1.2. Staatsangehörigkeit

 

Das Staatsangehörigkeitsgesetz der Republik Kosovo trat am 15. Juni 2008 in Kraft. Nach Art. 155 haben alle rechtmäßigen Bewohner Kosovos einen Anspruch auf die kosovarische Staatsbürgerschaft. Außerdem haben ihn alle Bürger (und deren Abkömmlinge) der ehemaligen Bundesrepublik Jugoslawien, die am 1. Jänner 1998 ihren ständigen Wohnsitz in Kosovo, unabhängig vom derzeitigen Wohnort, hatten. Ein Bürger kann auch Bürger eines oder mehrerer anderer Staaten sein, der Erwerb oder Besitz einer anderen Staatsbürgerschaft bedeutet nicht den Verlust der kosovarischen Staatsangehörigkeit.

 

Eine erleichterte Einbürgerung ermöglicht Art. 13 den Mitgliedern der Kosovo-Diaspora (Ausreise vor dem 1. Jänner 1998). Als ihr Mitglied gilt, wer seinen Wohnsitz außerhalb Kosovos hat, in Kosovo geboren ist und enge familiäre und wirtschaftliche Beziehungen in Kosovo hat (Abs. 2). Auch Nachkommen der ersten Generation, die familiäre Verbindungen in Kosovo haben, zählen zur Kosovo-Diaspora (Abs. 3). Art. 28 und 29 StAG regeln den Status derjenigen, die als rechtmäßige Bewohner registriert sind (legal residents) und der Bürger des ehemaligen Jugoslawiens, die am 1. Jänner 1998 ihren ständigen Wohnsitz in Kosovo hatten (habitually residing).

 

Jeder, der die Voraussetzungen erfüllt, gilt automatisch als Staatsbürger der Republik Kosovo. Laut Art. 28 I ist jede Person, die als "habitual resident" gem. UNMIK Regulation No. 2000/13 im Zivilregister registriert wurde, als Staatsbürger Kosovos zu betrachten (shall be considered) und als solcher in einem Staatsbürgerschaftsregister zu erfassen. Um als rechtmäßiger Bewohner (habitual resident) registriert zu werden, musste nachgewiesen werden:

 

-

in Kosovo geboren zu sein,

 

-

oder mindestens einen in Kosovo geborenen Elternteil zu haben,

 

-

oder mindestens fünf Jahre ununterbrochen in Kosovo gewohnt zu haben

 

(ausgenommen von dieser Regel sind Personen, die aufgrund ihrer Flucht die minimale Residenzpflicht nicht erfüllen können). Nur wer im Zivilregister eingetragen ist, konnte eine UNMIK-Identity Card (ID) und damit ein UNMIK-Travel-Dokument (TD) beantragen. Der Besitz eines UNMIK-Dokuments spricht demnach dafür, dass der Inhaber Staatsbürger Kosovos ist (Art. 28).

 

Eine Sonderegelung für Vertriebene und Flüchtlinge des Kosovo-Krieges ist Art. 29 StAG. Danach sind auch alle Personen (und ihre direkten Nachkommen), die am 1. Jänner 1998 Bürger der Bundesrepublik Jugoslawien waren und an diesem Tag ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort in Kosovo hatten, Bürger von Kosovo und als solche im Bürgerregister unabhängig von ihrem derzeitigen Wohnort oder ihrer derzeitigen Staatsangehörigkeit zu erfassen. Für die Erfassung im Bürgerregister bedarf es jedoch eines Antrags (Abs. 3) Kriterien zur Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthaltsortes in Kosovo am 1. Jänner 1998 sind analog der in der UNMIK- Richtlinie 2000/13 zum zentralen Zivilregister festgelegt (Abs. 5). Auch dieser Personenkreis hat also die Staatsbürgerschaft kraft Gesetzes erworben, so er die Erfassung im Register beantragt. [Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Entscheidungen Asyl 08/2008].

 

1.1.3. Religionen

 

Im Kosovo sind Islam und Christentum mit verschiedenen Untergruppen vertreten.

 

Die Bevölkerung ist sehr religionstolerant, trotz verstärkter Versuche vor allem der arabischen Staaten den sehr pragmatischen Islam fundamentalistischer zu gestalten, war das in der breiten Bevölkerung nicht erfolgreich.

 

Der Vorstand der islamischen Gemeinde im Kosovo und der katholische Bischof treten in Eintracht gemeinsam auf (u.a. bei der Ausrufung der Unabhängigkeit am 17.02.2008 im Parlamentsgebäude). Die verschiedenen religiösen Feste werden gemeinsam gefeiert, man gratuliert und besucht sich gegenseitig. Politiker nehmen öffentlich an den Feiern beider Religionsgemeinschaften teil (u.a. Präsident Sejdiu an der Christmette 2007).

 

Die freie Religionsausübung ist im Kosovo uneingeschränkt möglich, es besteht eine gegenseitige Akzeptanz. Selbst Personen, welche eine fundamentalistische Form des Islams sowohl im Erscheinungsbild (Vollbart, Pluderhose, Schleier) als auch in der strengen Anwendung des Islams (strikte Einhaltung der Gebote) praktizieren, sind im öffentlichen Leben akzeptiert, auch wenn sie von der Bevölkerung mit Argwohn betrachtet werden. [Kosovo-Bericht 29.09.2008 von Obstlt. XXXX, Verbindungsbeamter des BMI, Seiten 7 und 9]

 

1.1.4. Sicherheitslage im Kosovo:

 

Insgesamt hat sich die Sicherheitslage seit Juni 1999 verbessert, mit den Unruhen Mitte März 2004 wieder punktuell eingetrübt (ohne auf das Niveau von 1999 zurückzufallen). Nach den Ausschreitungen im März 2004 gab es keine weiten Unruhen mehr. [Quelle: dt. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Entscheidungen Asyl 03/2008, 9]

 

KPS geht Anzeigen professionell nach. Beschwerden und Anzeigen gegen Angehörige von KPS werden sehr genau auch im Zuge von Disziplinarverfahren untersucht, Konsequenzen wie Suspendierungen, etc werden nach den bisherigen Erfahrungswerten fast rascher ausgesprochen als in Österreich. [Auskunft des Verbindungsbeamten Obstlt. XXXX, 5. Mai 2007, Zahl 154/07 an das BAE].

 

KPS erfüllt seine Aufgaben generell professionell und kompetent. [Commission of the European Communities, Kosovo under UNSCR 1244 2007 Progress Report, COM (2007) 663 final, 6. November 2007, 46].

 

Es besteht eine beratende und überwachende Tätigkeit von EULEX Polizei bezüglich Kosovo Police auch im Falle, wenn Anzeigen nicht entgegengenommen werden. [Auskunft des Verbindungsbeamten Obstlt. XXXX, 15. Jänner 2009, Zahl 10/09 an den Asylgerichtshof].

 

Wenden sich Personen an KFOR, versuchen diese, die Anzeige an eine dafür zuständige Stelle weiterzuleiten. KFOR hat keine Exekutivgewalt im Kosovo. Als weitere Möglichkeit bietet sich eine direkte Anzeige bei der Justiz (Staatsanwalt) an, wo dann über die weitere Vorgangsweise entschieden wird. Die Beamten von KPS tragen deutlich sichtbar ihre jeweilige Dienstnummer, wodurch eine Zuordnung ohne Probleme möglich ist. Die Tätigkeit ist in den Dienstberichten dokumentiert und transparent nachvollziehbar. Das Einbringen von Beschwerden ist jederzeit möglich, aufgrund der Sensibilisierung werden Beschwerden auch rasch behandelt und führen - wenn berechtigt - zu den entsprechenden Konsequenzen für den betroffenen Funktionsträger. Missstände in der Verwaltung können auch beim Ombudsmann angezeigt werden. Es besteht die Möglichkeit einer Beschwerde an den Ombudsmann und damit eine Garantie für eine Weiterbehandlung. Dieser strich bei einem persönlichen Gespräch hervor, dass Beschwerden gegen KPS von dieser Institution unverzüglich und effizient bearbeitet werden. [Kosovo-Bericht 31. März 2007 von Obstlt. XXXX, Verbindungsbeamter des BMI, 9f; Auskunft des Verbindungsbeamten Obstlt. XXXX, 26. Mai 2009, Zahl 132/09 an den Asylgerichtshof].

 

Zudem wird die Tätigkeit jeder Polizeidienststelle von der OSZE (Security Issues Officer) überwacht. Täglich werden Polizeiberichte verfasst, welche auch der OSZE übermittelt werden. Gegebenenfalls kann sich eine Person auch an die OSZE wenden, sollte ein KPS Mitarbeiter seine Kompetenzen überschritten bzw. nicht erfüllt haben. [XXXX, Gutachten zu Aktivitäten der AKSh. 7. Mai 2007, 11]. Es besteht also auch hier die Möglichkeit einer Beschwerde bzw. Anfrage um Unterstützung im Anlassfall. [Auskunft des Verbindungsbeamten Obstlt. XXXX, 26. Mai 2009, Zahl 132/09 an den Asylgerichtshof].

 

Generell ist für alle ethnischen Albaner, auch für solche in Gebieten, wo sie eine Minderheit bilden, hinlänglicher Schutz durch UNMIK/KPS verfügbar. UNMIK/KPS sind willens und auch in der Lage, denjenigen, die Verfolgung befürchten, Schutz zu gewähren und stellen einen rechtlichen Mechanismus zur Ermittlung, Strafverfolgung und Bestrafung von Verfolgungsmaßnahmen sicher. [Home Office, Operational Guidance Note Kosovo, 22. Juli 2008, 4f].

 

1.1.5. Kosovo-Albaner

 

Der UNHCR wies bereits im Januar 2003 darauf hin, dass die überwiegende Mehrheit der Kosovo-Albaner, die während der Kosovo-Krise geflohen waren, nach Hause zurückgekehrt ist.

 

Die Sicherheitslage hat sich im Allgemeinen für Angehörige der albanischen Mehrheitsbevölkerung in den letzten Jahren kontinuierlich verbessert. Nicht zuletzt die größere Effizienz der lokalen Polizei "KPS" und eine Verbesserung des lokalen Gerichtswesens haben dazu beigetragen, die Situation (für ethnische Albaner) zu verbessern. Zudem haben aber auch das - für Nachkriegssituationen typische - allgemeine Chaos und die relative Normenungebundenheit, die in der Gesellschaft vorherrschte nachgelassen und ein mehr geregeltes gesellschaftliches Leben ist an deren Stelle getreten. Gegenwärtig gibt die allgemeine Sicherheitslage für ethnische Albaner, d.h. Angehörige des nunmehrigen Mehrheitsvolkes in Kosovo, bis auf genau definierte Ausnahmen zu Besorgnissen keinen Anlass mehr. [XXXX: Allgemeines Gutachten zur Situation im Kosovo, 15.02.2007, Seiten 4-5]

 

Im Positionspapier des UNHCR vom 9. November 2009 wird aber darauf hingewiesen, dass es immer noch einige Kategorien von Kosovo-Albanern (so z.B. aus Gebieten in denen sie eine ethnische Minderheit bilden oder Kosovo-Albaner in Mischehen und Personen gemischt-ethnischer Herkunft, Kosovo-Albaner, die der Mitarbeit mit dem serbischen Regime nach 1990 verdächtigt werden, Opfer von Menschenhandel, Opfer von häuslicher Gewalt sowie Personen, deren Anträge auf sexueller Orientierung basieren) gibt, die mit ernsten Problemen konfrontiert werden könnten, wenn sie derzeit nach Hause zurückkehren würden. [UNHCR¿s Eligibility Guidelines for Assessing the International Protection Needs of Individuals from Kosovo]

 

Katholische Albaner sind im politischen wie wirtschaftlichen Leben voll integriert und sind keinerlei Benachteiligungen durch die mehrheitlich moslemischen Albaner ausgesetzt.

 

Es kann festgehalten werden, dass es für eine Diskriminierung bzw. Verfolgung der katholischen Albaner im Kosovo durch die mehrheitlich moslemische Bevölkerung keine Anhaltspunkte gibt. Auch sind keine Einzelfälle von Übergriffen bekannt geworden. Katholische Albaner sind keiner Verfolgung bzw. besonderen Gefährdung aufgrund ihrer religiösen Überzeugung ausgesetzt. [XXXX: Katholische Albaner im Kosovo. Gutachten erstellt im Juli 2006, Seiten 13-15]

 

1.1.6. Rückkehrfragen: Wirtschaft, Grundversorgung und Gesundheitssystem im Kosovo

 

1.1.6.1. Wirtschaft

 

Trotz der Unabhängigkeit ist die wirtschaftliche Lage in der rohstoffreichen Region weiterhin äußerst prekär. Mit einem Bruttoinlandsprodukt von ca. 1.100 Euro/Kopf ist der Kosovo Schlusslicht in Europa. Das Land hat mit einem Durchschnittsalter von 25 Jahren die jüngste Bevölkerung Europas und die höchste Geburtenrate. Ein Drittel der Einwohner ist jünger als 14 Jahre. Jährlich drängen 36.000 junge Leute neu auf den Arbeitsmarkt.

 

1.1.6.2. Grundversorgung/Sozialwesen

 

Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist gewährleistet. Die Bevölkerung Kosovos ist bis auf wenige Ausnahmen (z.B. sozial schwache Bewohner von Enklaven) nicht mehr auf die Lebensmittelversorgung durch internationale Hilfsorganisationen angewiesen. Bedürftige Personen erhalten Unterstützung in Form von Sozialhilfe, die bei der jeweiligen Gemeindeverwaltung beantragt und für die Dauer von bis zu 6 Monaten bewilligt wird. Nach Ablauf des Bewilligungszeitraumes ist ein neuer Antrag zu stellen. Jede Gemeinde verfügt über ein Zentrum für Sozialarbeit und in einigen Gemeinden gibt es zusätzliche Büros, die sich den Angelegenheiten der Minderheiten widmen. Die Sozialhilfe beträgt für Einzelpersonen 35 Euro monatlich und für Familien (abhängig von der Zahl der Personen) bis zu 75 Euro monatlich. Zusätzlich hierzu sind Empfänger von Sozialhilfeleistungen von den Zuzahlungsbeträgen im öffentlichen Gesundheitssystem befreit.

 

[(dt.) Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kosovo, Stand Mai 2010, 20.06.2010, Seite 24]

 

Im September 2009 bezogen insgesamt 36.265 Familien (mit gesamt 158.500 Angehörigen) Sozialunterstützung. Die Kriterien für die Sozialhilfe sind entsprechend geregelt und auch im Verwaltungsweg durchsetzbar.

 

Kategorie I:

 

Alle Familienmitglieder sind Abhängige (eingestuft als nicht arbeitsfähig oder für Arbeit nicht verfügbar und tatsächlich nicht arbeitstätig):

 

1. Personen über 18 Jahre mit dauernder oder schwerer Behinderung und damit

 

verbundener Arbeitsunfähigkeit;

 

2. Personen mit 65 Jahren oder älter;

 

3. Personen mit Behinderung, mit 65 Jahren oder älter oder Kinder unter 5 Jahren, welche eine Vollaufsicht benötigen;

 

4. Kinder bis zu 14 Jahren;

 

5. Personen zwischen dem 15. und 18. Lebensjahr (inklusive), welche eine höhere

 

Schule besuchen;

 

6. Elternteile mit Kindern unter 15 Jahren;

 

Kategorie II:

 

Zumindest ein Familienmitglied ist arbeitsfähig und beim Arbeitsamt ("Entin e Punsimit") als "arbeitslos" gemeldet und die restlichen Familienmitglieder sind "Abhängige" (siehe Kategorie I) oder auch als arbeitslos gemeldet.

 

a) zumindest ein Kind unter 5 Jahren od.

 

b) ein Vollwaisenkind unter 15 Jahren mit Vollaufsicht

 

c) Grundbesitz nicht über 50 Ar (1/2 Hektar)

 

Generell wird Sozialhilfe auf die Dauer von bis zu sechs Monaten bewilligt und bedarf dann eines neuen Antrags. Überprüfungen der Fakten werden durch Bedienstete des Ministeriums für Soziales und Arbeit vor Ort durchgeführt. Bei bestimmten Kriterien wie Eigentum (Qualität des Hauses, Fahrzeuge, Arbeitstätigkeit im Ausland, etc) kann aufgrund der gesetzlichen Kriterien der Anspruch gestrichen werden. Es gibt die Möglichkeit einer Berufung, wenn Sozialhilfe nicht gewährt wird.

 

Zusätzlich wurde die Möglichkeit geschaffen, für Familien welche Sozialunterstützung erhalten oder unter das Kriegsopfergesetz fallen Strom bis zu 500 kw/h pro Monat kostenlos zu beziehen (Voraussetzung ist ein registrierter Stromzähler und ein Vertrag mit dem Energieversorgungsunternehmen KEK).

 

Die Sozialleistungen reichen alleine oft nicht zur Abdeckung der Grundbedürfnisse. Der Zusammenhalt der Familien besonders im ländlichen aber auch im städtischen Bereich sichert das wirtschaftliche Überleben, verbunden mit Unterstützungszahlungen von Verwandten aus dem Ausland. Zusätzliche Einnahmequellen bestehen in der Landwirtschaft bzw. durch die Erledigung von Gelegenheitsarbeiten vor allem in der Baubranche.

 

Unterstandslosigkeit ist im Kosovo im Gegensatz zu westlichen EU-Staaten ein äußerst selten auftauchendes Problem. So ist die Zahl der tatsächlich unterstandslosen Personen in Pristina - immerhin geschätzte 600.000 Einwohner - verschwindend gering (geschätzte 20 Personen!), im ländlichen Bereich gar nicht vorhanden. [Kosovo - Bericht 27.09.2009 von Obstlt. XXXX, Verbindungsbeamter des BMI, Seite 12; (dt.) Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kosovo, Stand Mai 2010, 20.06.2010, Seite 24; XXXX: Gutachten vom 10.04.2009 zu GZ B12 233056- 0/2008/5Z, B12 244057- 0/2008/5Z, B12 402256-1/2008/5Z, B12 402477- 1/2008/5Z vom 10.04.2009; Kosovo - Bericht 27.09.2009 von Obstlt. XXXX, Verbindungsbeamter des BMI, Seiten 13-15]

 

Selbst wenn keine eigene Unterkunft zur Verfügung steht, so funktioniert im Kosovo das "Auffangbecken" Familie trotz aller widrigen, vor allem schweren wirtschaftlichen, Umstände nach wie vor. Soll heißen, dass durch diese Familienbande kein derartiger Kosovare einem Leben auf der Straße ausgesetzt wäre. Es finden sich allein schon aufgrund der im Kosovo vorherrschenden "zahlreichen" Verwandtschaftsverhältnisse immer noch irgendwelche Möglichkeiten der Unterbringung und Unterstützung solcher Personen.

 

Sollte die für einen AW extreme Situation der "Nichtunterstützung" seitens seiner Familie auftreten, welche allerdings sehr unwahrscheinlich ist, so finden sich im Kosovo nach wie vor einzelne internationale und nationale humanitäre Organisationen ("Mutter Teresa", das "Rote Kreuz", die "Caritas"...), die humanitäre Hilfe ermöglichen. Weiters sind zahlreiche NGOs im Kosovo tätig, die eine zusätzliche Möglichkeit darstellen, bei auftretenden Problemen welcher Art auch immer entsprechende Unterstützung zu erhalten. Der Zugang zu deren Büros oder eine direkte Kontaktaufnahme ist für alle Personen im Kosovo möglich. [Auskunft des Spezialattachés XXXX, 12.11.2007, Zahl 536/07 an das BAE ]

 

Im Allgemeinen ist festzuhalten, dass ethnische Albaner im Kosovo nicht Gefahr laufen zu verhungern oder in ihrer Existenz gefährdet zu sein. Die Solidarität in der Großfamilie in Zusammenspiel mit Schwarz- oder Gelegenheitsarbeiten, möglicher Sozialhilfe und humanitärer Hilfe verhindern im Allgemeinen ein vollkommenes Abgleiten kosovo-albanischer Familien. [XXXX: Gutachten vom 10.04.2009 zu GZ B12 233056- 0/2008/5Z, B12 244057- 0/2008/5Z, B12 402256-1/2008/5Z, B12 402477- 1/2008/5Z, S 8-9]

 

Es sind in den erörterten Berichten keine Fälle dokumentiert, dass aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Lage Personen tatsächlich lebensgefährdend in ihrer Existenz bedroht waren oder aktuell sind.

 

1.1.6.3. Gesundheitswesen

 

Die medizinische Grundversorgung der Bevölkerung wird durch ein öffentliches dreistufiges Gesundheitssystem gewährleistet. Es besteht aus Erstversorgungszentren, Krankenhäusern auf regionaler Ebene sowie einer spezialisierten medizinischen Versorgung durch die Universitätsklinik Pristina.

 

Durch die Ereignisse der neunziger Jahre ist der Gesundheitssektor sehr in Mitleidenschaft gezogen worden. Die Wiederherstellung einer umfassenden medizinischen Versorgung durch das öffentliche Gesundheitssystem ist für die Regierung prioritär, schreitet aber nur langsam voran. Es existiert kein öffentliches oder privates Krankenversicherungssystem.

 

Die medizinische Grundversorgung der Bevölkerung wird durch das staatlich finanzierte Gesundheitssystem gewährleistet. Für medizinische Leistungen sowie für bestimmte Basismedikamente (verzeichnet in der so genannten "Essential Drug List") zahlt der Patient Eigenbeteiligungen, die nach vorgegebenen Sätzen pauschal erhoben werden. Von der Zuzahlungspflicht befreit sind Invaliden und Empfänger von Sozialhilfeleistungen, chronisch Kranke, Kinder bis zum 10. Lebensjahr und Personen über 65 Jahre.

 

Zur medizinischen Erstversorgung der Bevölkerung stehen im öffentlichen Gesundheitssystem 191 Ambulanzen für Familienmedizin (Ambulanta Mjeksise Familijare), 145 Zentren für Familienmedizin (Qenda te Mjeksise Familijare) und 30 medizinische Hauptzentren (Qenda Kryesore te Mjeksise) zur Verfügung.

 

Die medizinischen Hauptzentren sind regionale Gesundheitshäuser und befinden sich in folgenden Städten: Deçan, Gjakovë, Gllogoc, Gjilan, Dragash, Istog, Kaçanik, Klinë, Fushë Kosovë, Kamenicë, Mitrovicë, Leposaviq, Lipjan, Malishevë, Novobërdë, Obiliq, Rahovec, Pejë, Podujevë, Prishtinë, Prizren, Skënderaj, Shtime, Shtërpcë, Suharekë, Ferizaj, Viti, Vushtrri, Zubin Potok und Zveçan. In diesen Zentren werden Patienten durch Ärzte für Allgemeinmedizin sowie durch weitere Fachärzte, wie Ärzte für Pädiatrie, Dermatologie, Ophthalmologen, Gynäkologen und Zahnärzte behandelt.

 

Die sekundäre Versorgung wird aus dem Etat des Gesundheitsministeriums von Kosovo finanziert. Sie beinhaltet die ambulante und stationäre Gesundheitsversorgung, die in den Regionalkrankenhäusern in Ferizaj, Gjakovë, Gjilan, Mitrovicë-Nord, Pejë, Prizren und Vushtrri geleistet wird. Die tertiäre Gesundheitsversorgung wird durch das Universitätsklinikum Pristina wahrgenommen. Das Personal der Uni-Klinik von 3.168 Beschäftigten teilt sich auf in 445 Ärzte, 37 Zahnärzte, 1.778 Personen Pflegepersonal sowie 908 Personen sonstiges Personal.

 

Die in den großen Städten befindlichen Regionalkrankenhäuser können durch ein Netz von regelmäßig mehrmals am Tag verkehrenden Busverbindungen erreicht werden. Private Minibusse und Privattaxen verkehren zwischen den meisten Dörfern und den größeren Städten. Von den größeren Städten aus bestehen mehrmals tägliche regelmäßige Busverbindungen nach Pristina und zurück. Zehn Fußminuten vom Busbahnhof Pristina entfernt befindet sich die Universitätsklinik.

 

Die Bettenkapazität in den Krankenhäusern ist ausreichend. Die Auslastungsquote der Regionalkrankenhäuser liegt im Durchschnitt bei ca. 63 %. Das Universitätsklinikum Pristina verfügt über eine Kapazität von 1.998 Betten, seine Auslastungsquote liegt bei ca. 74 %. Die Versorgung bei Operationen bessert sich stetig, ist aber vor allem in der invasiven Kardiologie (z.B. Herzoperationen bei Säuglingen und Kleinkindern), in der Neurochirurgie sowie in der chirurgischen Orthopädie noch eingeschränkt. So sind Kontrolluntersuchungen bei Herzerkrankungen im öffentlichen Gesundheitssystem möglich, soweit kein kardiochirurgischer Eingriff indiziert ist. Schwere Komplikationen bei Herzerkrankungen, die einen operativen herzchirurgischen Eingriff notwendig machen, können in öffentlichen Einrichtungen noch nicht behandelt werden.

 

Das Gesundheitsministerium verfügt über einen Fonds, um medizinische Behandlungen, vor allem von Kindern mit Herz- oder Tumorerkrankungen, im Ausland zu ermöglichen. Auch Nichtregierungsorganisationen wie Nena Theresa und Initiativen von Privatpersonen führen für schwerkranke Kinder regelmäßig Spendensammlungen durch und/oder suchen Sponsoren für die Finanzierung von Behandlungskosten, die im Ausland anfallen.

 

Im Jahr 2008 stellte das Gesundheitsministerium für die Behandlung von ca. 500 Patienten im Ausland Mittel in Höhe von ca. 2,5 Mio. Euro zur Verfügung. Über die Bewilligung eines Antrages auf Behandlung im Ausland entscheidet eine ärztliche Kommission des Gesundheitsministeriums. Die Bewilligung eines Antrages ist an strenge Regelungen gebunden. Die Wartezeit kann bis zu zwei Jahre betragen.

 

Am 15. Dezember 2006 haben das Gesundheitsministerium der Republik Albanien und das Gesundheitsministerium von Kosovo ein Memorandum of Understanding geschlossen, in dem Kosovaren medizinische Behandlungsmöglichkeiten auf den Gebieten der Kardiochirurgie, Neurochirurgie und Onkologie (Strahlentherapie) im Universitätsklinikum "Nenë Terezë" in Tirana eröffnet werden.

 

Das jährliche Budget des Gesundheitsministeriums für Hämodialyse beträgt drei Mio. Euro. In sechs Dialysezentren in Pristina, Prizren, Peje, Gjilane, Gjakove und Mitrovica sind 100 regelmäßig technisch gewartete Dialysegeräte sowie das dafür benötigte Verbrauchsmaterial verfügbar.

 

Die Zahl dialysepflichtiger Patienten beträgt derzeit 580 - 600 Patienten, wobei die Versorgung ohne Ansehen der Person und der Ethnie erfolgt. In der Universitätsklinik Pristina werden derzeit 160 Dialysepatienten versorgt.

 

Da Nierentransplantationen in Kosovo nicht möglich sind und viele Patienten nicht über die finanziellen Möglichkeiten verfügen, eine Transplantation im Ausland durchführen zu lassen, reduziert sich die Patientenzahl nicht, sondern steigt jährlich um ca. 10 % an. Die Kapazitäten verknappen sich derzeit zunehmend, so dass die Dialysegeräte im Drei- und Vierschichtbetrieb mit verkürzten Zeiten genutzt werden. In der Universitätsklinik Pristina laufen die Geräte wegen des großen Bedarfs im 24-Stunden-Betrieb. Die Dauer der Dialysebehandlung beträgt dort pro Patient 4 Stunden. Alle Behandlungsintervalle werden eingehalten. Kein neuer Patient wird abgewiesen.

 

Begleitmedikamente, z.B. gegen Herzerkrankungen, Anämie u.ä., die in westeuropäischen Staaten zum Standard zählen, können wegen der knappen Haushaltslage im öffentlichen Gesundheitssystem zumeist nicht zur Verfügung gestellt werden. Die Kosten für diese Medikamente belaufen sich auf ca. 300 ¿ monatlich.

 

[(dt.) Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kosovo Stand Mai 2010, 20.06.2010, Seiten 25-30]

 

Krebs ist im Kosovo bedingt behandelbar. Nicht möglich ist eine Strahlentherapie, da ein in der Universitätsklinik Pristina bereits vorhandener "Accelerator-Strahler" noch nicht einsatzbereit ist. Chemotherapie ist möglich, allerdings sind die Medikamente größtenteils selbst auf dem privaten Markt zu besorgen, ein geringer Teil wird vom Gesundheitsministerium zur Verfügung gestellt. Für Strahlentherapie weichen sehr viele Kosovaren entweder nach Serbien, der Türkei oder Deutschland, Schweiz, Liechtenstein und Österreich aus.

 

Die Behandlungen werden entweder:

 

a) aus dem Kosovobudget finanziert (Bestätigung, dass Behandlung im Kosovo nicht möglich ist und dann Aufnahme in eine Warteliste, welche nicht vollständig abgearbeitet werden kann),

 

b) aufgrund privater Versicherungen (es gibt keine Pflichtversicherung im Kosovo) beglichen

 

c) durch NGO¿s (Mother Teresa, etc) finanziert oder

 

d) privat beglichen (Therapien bewegen sich auf ca. 30.000 Euro, je nach Schwere)

 

[Auskunft des Verbindungsbeamten Obstlt. XXXX, 14.12.2009, Zahl 411/09 an das BAE]

 

Neben den öffentlichen Gesundheitseinrichtungen gibt es mittlerweile eine große Anzahl von Privatpraxen und einige privat geführte medizinische Behandlungszentren, die eine Vielzahl von Behandlungsmöglichkeiten anbieten.

 

Derzeit gibt es 737 zugelassene Privatärzte und -praxen sowie 40 zugelassene Behandlungszentren. Das Gesundheitsministerium veröffentlicht auf seiner Homepage Listen der zugelassenen Privatärzte und Behandlungszentren geordnet nach medizinischen Fachgebieten sowie nach Namen, Anschriften und Telefonnummern. Die Listen werden regelmäßig aktualisiert und stehen im Internet als Download zur Verfügung

(www.mshgov-ks.org/veprimtaria_private/ipsh/).

 

Die derzeit größte privat betriebene Klinik mit dem umfangreichsten Behandlungsangebot ist die Euromed-Klinik in Fushe Kosove, ca. 5 Kilometer von Pristina entfernt.

 

Ihre Ausstattung, ärztliche Versorgung und Hygiene entspricht weitestgehend den in deutschen Krankenhäusern bestehenden Standards. Die Klinik verfügt über drei Operationssäle, eine Intensivstation mit sechs Betten, ein mit allen erforderlichen Geräten ausgestattetes Labor sowie über eine Radiologie, die sich auf dem neuesten technologischen Stand befindet. Ferner bestehen in der Klinik Abteilungen für Innere Medizin, Neurologie, Neurochirurgie, Psychiatrie, HNO, Orthopädie, Urologie, plastische Chirurgie, Gynäkologie und Geburtshilfe, Pädiatrie und Gefäßchirurgie. In der Abteilung für invasive Kardiologie kann eine komplette kardiologische Diagnostik durchgeführt werden. Für die stationäre Behandlung stehen 26 Betten zur Verfügung.

 

Zudem gibt es zwei Privatkliniken zur ausschließlichen Behandlung von Herzerkrankungen. Die Privatklinik mit dem Namen "Heart" am Stadtrand von Gjakovë hat im April 2009 ihren Betrieb aufgenommen. Die räumliche und medizinisch-technische Ausstattung entspricht einem hohen Standard. Eine herzchirurgische Abteilung inklusive Intensivstation ist vorhanden. Die Klinik verfügt über 30 Betten. Die Personalstärke liegt bei ca. 40 Personen, darunter fünf Herzchirurgen und 30 Krankenschwestern und -pfleger.

 

Herzoperationen werden derzeit durch ein Ärzteteam bestehend aus zwei Herzchirurgen, einem Anästhesisten und OP-Schwestern aus Krankenhäusern in der Schweiz, durchgeführt.

 

Die zweite Klinik namens "EDA" wurde im Mai 2009 in Pristina eröffnet. Sie war zuvor ebenfalls in der Stadt Gjakovë ansässig und firmierte unter dem Namen "Intermed".

 

Alle außerhalb der Basisversorgung im öffentlichen Gesundheitssystem in Anspruch genommenen privatärztlichen Leistungen sind vom Patienten selbst zu bezahlen. Die Kosten sind im Regelfall weitaus höher als die im öffentlichen Gesundheitssystem zu leistenden Zuzahlungen. Behandlungspreise sind zwischen Arzt und Patient frei verhandelbar. Deshalb kann die Höhe der Behandlungskosten von Privatarzt zu Privatarzt unterschiedlich sein. Im Vergleich mit z. B. in Deutschland erhobenen Kosten sind privatärztliche Behandlungskosten in Kosovo deutlich niedriger.

 

Kosovaren nutzen teilweise auch die Möglichkeit, eine für sie kostenpflichtige medizinische Behandlung in Mazedonien durchführen zu lassen. Soweit sie gültige serbische bzw. ehemals serbisch-montenegrinische Personaldokumente (Personalausweis oder Reisepass) besitzen, können sie auch nach Serbien reisen, um sich dort auf eigene Kosten medizinisch behandeln zu lassen. Aufgrund der politischen Situation sind aber die ethnische Zugehörigkeit der Person, die ethnische Situation am Behandlungsort, Sprachkenntnisse etc. entscheidende Faktoren, um von dieser Möglichkeit Gebrauch machen zu können.

 

[(dt.) Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kosovo Stand Stand Mai 2010, 20.06.2010, Seiten 25-30]

 

Psychische Erkrankungen

 

Die Behandlung von psychischen Erkrankungen wird im öffentlichen Gesundheitssystem in acht regionalen Gesundheitszentren ("Mental Health Care Centres", MHCs) durchgeführt, die sich in den Städten Pejë/Pec, Prizren, Ferizaj/Uro¿evac, Gjilan/Gnjilane, Gjakovë/Djakovica, Mitrovicë/Mitrovica (Süd), Podujevo und Prishtinë/Pri¿tina befinden.

 

Ferner verfügt Kosovo über 8 Integrationshäuser, die der Rehabilitierung und Reintegration von chronisch erkrankten Patienten mit psychiatrischem Behandlungsbedarf dienen; sie befinden sich in Mitrovicë/Mitrovica (Süd), Fushe Kosovë, Drenas, Pejë/Pec, Gjakovë/Djakovica, Prizren, Ferizaj/Uro¿evac und Gjilan/Gnjilane.

 

Über die Aufnahme in eine dieser Einrichtungen entscheidet eine ärztliche Kommission des Gesundheitsministeriums. Alternativ hierzu gibt es die Möglichkeit, Patienten auf eine häuslichfamiliäre Fürsorge einzustellen. Pflegedienste, die als "mobile Feldtruppe" bezeichnet werden, führen häusliche Besuche und Behandlungen durch und beobachten den Gesundheitszustand ihrer Patienten.

 

Personen, die einer stationären Behandlung bedürfen, werden in den 4 Regionalkrankenhäusern Gjilan/Gnjilane, Pejë/Pec, Prizren und Gjakovë/Dakovica in den Abteilungen für stationäre Psychiatrie (jeweils mit angeschlossener Ambulanz) sowie in der Psychiatrischen Klinik der Universitätsklinik Pristina behandelt. In diesen Regionalkrankenhäusern stehen insgesamt 81 Betten zur Verfügung. Die Auslastungsquote bei der Bettenbelegung beträgt ca. 80 %. Die Aufnahme neuer Patienten ist unproblematisch.

 

Das Regionalkrankenhaus in Mitrovica-Nord, einer serbischen Enklave, verfügt ebenfalls über eine Abteilung für stationäre Psychiatrie. In der Psychiatrischen Klinik der Universitätsklinik Pristina stehen zur stationären Aufnahme von psychisch Erkrankten 92 Be

Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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