TE OGH 2011/4/7 13Os15/11x

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Veröffentlicht am 07.04.2011
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Der Oberste Gerichtshof hat am 7. April 2011 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Vetter als Schriftführerin in der Strafsache gegen Karl S***** wegen des Vergehens der Untreue nach § 153 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom 3. Mai 2010, GZ 20 Hv 102/09b-110, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

 

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch II, demgemäß auch im Strafausspruch, aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an den Einzelrichter des Landesgerichts St. Pölten verwiesen.

Mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde und seiner gegen den Strafausspruch gerichteten Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Zur Entscheidung über die gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche gerichtete Berufung werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Karl S***** des Vergehens der Untreue nach § 153 Abs 1 StGB (I) und mehrerer Vergehen der Geschenkannahme durch „Amtsträger oder Schiedsrichter“ (gemeint: Beamte) nach § 304 Abs 2 StGB idF BGBl I 2001/130 (II) schuldig erkannt.

Soweit hier von Bedeutung hat er

(II) in S***** als Abteilungsleiter der Materialverwaltung des Landesklinikums S*****, mithin „als Beamter“, gewerbsmäßig für die pflichtgemäße Vornahme von Amtsgeschäften für sich Vorteile von anderen, nämlich von Vertretern folgender von ihm beauftragter Unternehmen angenommen, und zwar für die Erteilung von Aufträgen

1) an die G. H***** KG in den Jahren 2003 und 2004 zwei Gutscheine im Wert von je 1.000 Euro;

2) an die K***** Handelsgesellschaft m.b.H. von 2001 bis 2004 Gutscheine im Gesamtwert von 1.130,70 Euro;

3) an die R***** Gesellschaft m.b.H. von 2000 bis 2004 Gutscheine im Gesamtwert von 295 Euro;

4) an die Johann So***** Gesellschaft m.b.H. von 2000 bis 2004 Gutscheine im Gesamtwert von 500 Euro.

Rechtliche Beurteilung

Gegen Punkt II des Schuldspruchs richtet sich die aus § 281 Abs 1 Z 10 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass dem Urteil in Betreff dieses Schuldspruchs nicht geltend gemachte Nichtigkeit (Z 9 lit a) zum Nachteil des Angeklagten anhaftet, die von Amts wegen (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) wahrzunehmen war.

Das Erstgericht subsumierte die vom Schuldspruch II erfassten Taten § 304 Abs 2 StGB idF BGBl I 2001/130, weil es - bloß mit Blick auf die jeweilige Strafdrohung - der Ansicht war, dieses Strafgesetz sei für den Angeklagten günstiger als der nunmehr in Geltung stehende Tatbestand des § 305 Abs 1 StGB (US 44), ohne sich mit dessen Element eines der Vorteilsannahme entgegenstehenden dienst- oder organisationsrechtlichen Verbots auseinanderzusetzen.

Dem Urteil mangelt es an eindeutigen Feststellungen zur Rechtsnatur des Dienstverhältnisses des Beschwerdeführers zum Magistrat S*****. Einerseits ist davon die Rede, er sei „Bediensteter“ des Magistrats gewesen (US 10). Im Rahmen der Konstatierungen zur subjektiven Tatseite wiederum findet sich die Formulierung, er habe „als Abteilungsleiter der Materialverwaltung des Landesklinikums S*****“, „sohin als Beamter bzw. Amtsträger“ gehandelt (US 29). Ob in Betreff des Beschwerdeführers ein dienst- oder organisationsrechtliches Verbot der Vorteilsannahme in objektiver Hinsicht bestand, ist den Entscheidungsgründen ebenso wenig zu entnehmen wie ein von ihm (auch) darauf gerichteter Vorsatz.

An der fehlenden Sachverhaltsgrundlage (zur Rechtsnatur des Dienstverhältnisses) scheitert - ungeachtet des verfahrensrechtlichen Grundsatzes „iura novit curia“ (vgl zu dessen Reichweite: Ratz, WK-StPO § 281 Rz 343 und § 288 Rz 19; Kirchbacher, WK-StPO § 246 Rz 44 ff) - bereits die Ermittlung generell-abstrakter Vorschriften mit einem vom Beschwerdeführer zu beachtenden Verbot der Vorteilsannahme. Sollte ihm ein derartiges Verbot nur individuell (etwa im Rahmen seines Dienstvertrags oder in Form einer Weisung) auferlegt worden sein (vgl AB 273 BlgNR 24. GP 2), bedarf es dazu entsprechender Feststellungen, ebenso wie (in jedem Fall) zur subjektiven Tatseite (vgl E. Fuchs/Jerabek, Korruption und Amtsmissbrauch3 §§ 304-306 StGB Rz 42 und 48).

Der aufgezeigte Rechtsfehler macht die Aufhebung des Schuldspruchs II (§§ 285e erster Satz, 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) und demgemäß auch des Strafausspruchs unumgänglich. Aufgrund des dargelegten Konstatierungsdefizits war - im Hinblick auf die im weiteren Verfahren noch gegenständlichen Taten - mit Verweisung an den Einzelrichter des Landesgerichts St. Pölten vorzugehen (§ 288 Abs 2 Z 3 zweiter Satz StPO; RIS-Justiz RS0100271).

Eine Erörterung der bloß gegen diesen Schuldspruch gerichteten Nichtigkeitsbeschwerde erübrigt sich.

Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Wien zur Entscheidung über die Berufung gegen den auf dem rechtskräftigen Schuldspruch I basierenden Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche (vgl Ratz, WK-StPO § 296 Rz 1).

Schlagworte

Strafrecht

Textnummer

E97001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0130OS00015.11X.0407.000

Im RIS seit

04.05.2011

Zuletzt aktualisiert am

04.05.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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