TE Vwgh Erkenntnis 2011/3/31 2010/10/0138

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Veröffentlicht am 31.03.2011
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
80/02 Forstrecht;

Norm

ForstG 1975 §17 Abs1;
ForstG 1975 §174 Abs1 lita Z6;
VStG §21 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner sowie die Hofräte Dr. Stöberl und Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde des F B in P, vertreten durch Dr. Michael Metzler, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Landstraße 49, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 30. April 2010, Zl. VwSen-290134/30/Wim/Bu, betreffend Übertretung des Forstgesetzes 1975, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Im ersten Rechtsgang hatte die belangte Behörde den Beschwerdeführer mit Bescheid vom 24. Oktober 2006 der Verwaltungsübertretung nach § 174 Abs. 1 lit. a Z. 6 iVm § 17 Abs. 1 Forstgesetz 1975 (ForstG) für schuldig erkannt und eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 36 Stunden) verhängt.

Der Beschwerdeführer hatte als Bürgermeister und damit als das zur Vertretung nach außen berufenes Organ der Gemeinde P. zu verantworten gehabt, dass zumindest vom 22. Juli 1997 bis 28. Juni 2004 Waldboden in einem Ausmaß von rund 2.800 m2 einer anderen Verwendung als der der Waldkultur, und zwar als Beachvolleyballplatz, als Liegewiese sowie als Inlineskaterplatz, zugeführt und somit gegen das Rodungsverbot gemäß § 17 Abs. 1 ForstG verstoßen wurde. Der Beschwerdeführer hatte in Kauf genommen, dass diese Maßnahmen ohne Rodungsbewilligung gesetzt wurden.

Die Behandlung einer gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wurde hinsichtlich des Schuldspruches mit hg. Beschluss vom 14. Dezember 2009, Zl. 2006/10/0250, abgelehnt; hinsichtlich seines Strafausspruches wurde der Bescheid mit Erkenntnis vom selben Tag zur selben Zahl wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, weil die belangte Behörde bei der von ihr vorgenommenen Strafbemessung das Gesetz in einer dem Art. 6 Abs. 1 EMRK widersprechenden Weise angewandt hatte, indem sie die vorliegende überlange Verfahrensdauer nicht festgestellt und strafmildernd bewertet hatte.

Mit dem nunmehr angefochtenen (Ersatz-)Bescheid vom 30. April 2010 setzte die belangte Behörde die verhängte Geldstrafe auf EUR 400,--, die verhängte Ersatzfreiheitsstrafe auf 32 Stunden herab und führte dazu begründend im Wesentlichen aus, angesichts des vom Verwaltungsgerichtshof nicht beanstandeten Schuldspruchs sei von einer konsenslosen Rodung im Ausmaß von rund

2.800 m2 zwischen Juli 1997 und Juni 2004 sowie von einem bedingten Vorsatz des Beschwerdeführers auszugehen, was der Anwendung des § 21 VStG entgegenstehe.

Als mildernd seien die verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers und die "Verminderung des spezialpräventiven Effektes", weil dieser nunmehr Pensionist und nicht mehr Bürgermeister sei, zu werten, als erschwerend demgegenüber die lange Dauer der Verwaltungsübertretung sowie die Verschuldensform des bedingten Vorsatzes. Vor allem generalpräventive Gründe machten eine Bestrafung erforderlich. Bei Berücksichtigung der geschätzten Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse, denen der Beschwerdeführer nicht entgegengetreten sei, sei die nunmehrige Strafhöhe als angemessen anzusehen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer vertritt unter anderem die Auffassung, die belangte Behörde hätte auf Grund des angeführten Erkenntnisses vom 14. Dezember 2009 richtigerweise zur Anwendung des § 21 VStG kommen müssen.

Gemäß § 21 Abs. 1 VStG kann die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Sie kann den Beschuldigten jedoch gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um den Beschuldigten von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten.

Die Anwendung des § 21 Abs. 1 VStG kommt nach ständiger hg. Rechtsprechung nur in Frage, wenn das tatbildmäßige Verhalten des Täters hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurückbleibt (vgl. etwa die Nachweise bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2 § 21 VStG E 5).

Davon kann allerdings angesichts der feststehenden konsenslosen Rodung einer nicht unerheblichen Waldfläche in einem Zeitraum von knapp sieben Jahren nicht ausgegangen werden, beinträchtigt doch dieses Vorgehen den Zweck der übertretenen Norm, nämlich Wald zu erhalten, nicht unerheblich (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 15. Juni 1992, Zl. 91/10/0249).

Die Auffassung der belangten Behörde, die ein Vorgehen nach § 21 VStG abgelehnt hat, ist daher insoweit nicht zu beanstanden.

Die Beschwerde wirft der belangten Behörde darüber hinaus vor, sie habe die lange Dauer der Verwaltungsübertretung, den bedingten Vorsatz des Beschwerdeführers und generalpräventive Gründe als drei zusätzliche Erschwerungsgründe ins Treffen geführt und sich damit über die die Aufhebung des Strafausspruches tragenden Gründe des hg. Erkenntnisses vom 14. Dezember 2009 hinweggesetzt.

Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg.

Die belangte Behörde hatte zwar schon im ersten Rechtsgang der Beurteilung des Verschuldens des Beschwerdeführers die Annahme bedingten Vorsatzes zugrunde gelegt und diesen im Ergebnis als erschwerend gewertet ("… ist somit sein Verschulden keinesfalls als geringfügig oder vernachlässigbar anzusehen …"), im Übrigen jedoch zur Strafbemessung lediglich auf die Ausführungen der Erstbehörde verwiesen; nach dem erstinstanzlichen Straferkenntnis vom 14. Juli 2005 waren allerdings straferschwerend "keine Umstände zu werten".

Der Gerichtshof hat bereits in seinem - den ersten Rechtsgang betreffenden - Erkenntnis vom 14. Dezember 2009 ausgesprochen, dass Umstände, die als Verschulden des Beschwerdeführers an der langen Dauer des Strafverfahrens gewertet werden könnten, nicht ersichtlich sind.

Da weder Art und Umfang des Sachverhalts noch die zu beurteilenden Rechtsfragen die Behandlung der Rechtssache als ungewöhnlich komplex oder schwierig erscheinen ließen und sich im Verfahren auch keine weiteren besonderen Umstände ergeben hatten, welche die Dauer des Verfahrens rechtfertigen konnten, war die Dauer bis zur Zustellung des damals angefochtenen Bescheides nicht mehr als angemessen im Sinn des Art. 6 Abs. 1 EMRK zu qualifizieren (vgl. dazu etwa auch das hg. Erkenntnis vom 3. November 2008, Zl. 2003/10/0002, mwN).

Im angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde nunmehr unter Heranziehung zusätzlicher Erschwerungsgründe dem Milderungsgrund der überlangen Verfahrensdauer zu wenig Gewicht beigemessen, wodurch sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet hat.

Für das fortzusetzende Verfahren sei angemerkt, dass eine gesetzmäßige Strafbemessung unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des vorliegenden Falles eine spürbare und maßgebliche Milderung der ursprünglich verhängten Strafe voraussetzt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. April 2010, Zl. 2004/10/0024). Die im angefochtenen Bescheid vorgenommene Herabsetzung der Geldstrafe von EUR 500,-- auf EUR 400,-- wird diesem Erfordernis jedenfalls nicht gerecht.

Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Das auf Ersatz von Umsatzsteuer gerichtete Mehrbegehren war abzuweisen, weil diese im Pauschalbetrag nach § 1 Z. 1 lit. a der angeführten Verordnung bereits umfasst ist.

Wien, am 31. März 2011

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2011:2010100138.X00

Im RIS seit

26.04.2011

Zuletzt aktualisiert am

04.07.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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