TE OGH 2011/4/12 4Ob234/10f

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Veröffentlicht am 12.04.2011
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J***** E*****, vertreten durch Dr. Anton Keuschnigg, Rechtsanwalt in Kitzbühel, und der Nebenintervenientin auf Seiten der klagenden Partei E***** GmbH, *****, vertreten durch Hausberger, Moritz, Schmidt, Rechtsanwälte in Wörgl, gegen die beklagte Partei J***** A*****, vertreten durch Mag. Oliver Bosin, Rechtsanwalt in Bad Häring, wegen eingeschränkt 8.265,88 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 30. September 2010, GZ 2 R 152/10k-33, womit das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 1. Juni 2010, GZ 59 Cg 63/09d-26, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 818,66 EUR (darin 136,44 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger kaufte vom Beklagten eine Wohnung in der von diesem als Bauträger errichteten Wohnanlage. Das im Auftrag des Beklagten tätige Installationsunternehmen hatte hinsichtlich der Wasserinstallationen die Zuleitungen zur Wohnung des Klägers bereits verlegt, als die weiteren Installationsarbeiten im Auftrag des Klägers von der Nebenintervenientin übernommen wurden. Diese entfernte verlegte Leitungen wieder, änderte teilweise die Anordnung von Waschbecken, Badewanne und WC und installierte auch ein Pissoir. Die Übergabe der Wohnung erfolgte am 12. 1. 2008. Mitte Mai wurden in der darunter liegenden Wohnung Wasserflecken sichtbar, zwei Wochen später traten auch in der Wohnung des Klägers Feuchtigkeitsspuren auf. Die Nebenintervenientin und andere führten daraufhin (erfolgreich) Sanierungsarbeiten durch.

Der Kläger begehrt die Schadensbehebungskosten aus dem Titel der Gewährleistung. Der Wasserschaden sei innerhalb der 6-Monatsfrist des § 924 ABGB aufgetreten. Ursächlich sei eine Undichtheit des Daches bzw am Kamin.

Der Beklagte wendete ein, der Schaden sei auf einen Mangel der vom Kläger selbst beauftragten Sanitärinstallationen zurückzuführen.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Es stellte den oben zusammengefasst wiedergegebenen Sachverhalt fest. Die Ursache für den Wasserschaden sei nicht feststellbar. Da der Mangel selbst bewiesen und innerhalb der 6-monatigen Vermutungsfrist des § 924 ABGB aufgetreten sei und der Beklagte nicht nachgewiesen habe, dass der Mangel erst nach Übergabe am 12. 1. 2008 eingetreten sei, habe er für diesen einzustehen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge und wies die Klage ab. Es ließ die Revision nachträglich zu, weil oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob die zu Werkverträgen entwickelten Grundsätze auch für Kaufverträge über unbewegliche Sachen gelten. Im vorliegenden Fall bestehe der Mangel nicht in den Feuchtigkeitsspuren in der Wohnung des Klägers, diese seien nur Folge des Mangels. Der Mangel selbst und somit die Ursache für die Feuchtigkeitsspuren liege vielmehr in einem der beiden Gewerke. Welches Gewerk mit einem Mangel behaftet sei, nämlich ob eines jener Gewerke, für die der Beklagte einzustehen habe, mangelhaft sei oder jenes, das in den Verantwortungsbereich der Nebenintervenientin (und somit des Klägers) falle, habe nicht festgestellt werden können. Damit sei dem Kläger der ihm obliegende Beweis für das Vorliegen eines mangelhaften Gewerks des Beklagten als Ursache für die Wasserschäden misslungen. Das Klagebegehren sei daher weder aus dem Titel der Gewährleistung noch aus jenem des Schadenersatzes berechtigt.

Dagegen richtet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag auf Wiederherstellung des Ersturteils, in eventu Aufhebung.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Der Kläger argumentiert, dass eine Eigentumswohnung, in welcher Teile des Mauerwerks und der Fußbodenkonstruktion durchnässt seien, mangelhaft sei. Der Wasserschaden stelle zwangsläufig einen Mangel dar. Dem Kläger sei sohin der Beweis eines Mangels an der Kaufsache gelungen. Ebenso habe er bewiesen, dass der Mangel innerhalb der gesetzlichen Vermutungsfrist des § 924 ABGB aufgetreten sei. Es gelte daher die gesetzliche Vermutung, dass der zum Wasserschaden führende Mangel bereits zum Zeitpunkt der Übergabe bestanden habe. Den Gegenbeweis habe der Beklagte nicht erbringen können. Er hafte daher für die Schadensbehebungskosten. Die Betrachtungsweise des Berufungsgerichts würde den Kaufvertrag über eine unbewegliche Sache in die einzelnen Werkverträge zerlegen, die zur Herstellung des Kaufgegenstands führten. Diese Auffassung sei aber unzutreffend, weil der Gewährleistungsanspruch unteilbar sei. Im Übrigen habe der Beklagte seine Überwachungs- und Kontrollpflichten verletzt, was einen Schadenersatzanspruch begründe, der unabhängig davon bestehe, welches Gewerk mangelhaft gewesen sei und zum Wasserschaden geführt habe.

Der Senat hat dazu erwogen:

1. Gemäß § 924 ABGB leistet der Übergeber Gewähr für Mängel, die bei der Übergabe vorhanden sind. Dies wird bis zum Beweis des Gegenteils vermutet, wenn der Mangel innerhalb von sechs Monaten nach der Übergabe hervorkommt. Die Vermutung tritt nicht ein, wenn sie mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar ist.

2. Der Oberste Gerichtshof hat zur Beweislastverteilung nach § 924 Satz 2 ABGB in den Entscheidungen 6 Ob 272/05a und 1 Ob 199/07g, die jeweils Kaufverträge betrafen, ausgesprochen, dass die auf Tatsachenebene über den Zeitpunkt des Eintretens und die Ursache des Mangels verbleibenden Unklarheiten zu Lasten des Übergebers gehen, wenn dieser den ihm gemäß § 924 Satz 3 ABGB obliegenden Entlastungsbeweis nicht erbringen könne. In der einen Werkvertrag betreffenden Entscheidung 8 Ob 124/08f wurde ausgesprochen, dass § 924 Satz 2 ABGB in keiner Weise die Beweislast für das Vorliegen eines Mangels an sich berühre. Die Beweislast dafür, dass die übergebene Sache bzw Leistung aus Werkvertrag überhaupt mangelhaft sei, trage somit (weiterhin) der Übernehmer der Sache bzw Leistung (so auch 4 Ob 157/09f).

3. In der Lehre wird überwiegend vertreten, dass § 924 Satz 2 ABGB nur die Vermutung des Zeitpunkts der Mangelhaftigkeit, nicht aber der Mangelhaftigkeit an sich betreffe (Welser/Jud, Die neue Gewährleistung [2001] § 924 ABGB Rz 2; Ofner in Schwimann, ABGB3 § 933a Rz 29; Rebhahn/Kietaibl ebendort § 1167 Rz 25; Jud in ecolex 2007/210). Reischauer (Probleme der Beweislastregeln des § 924 ABGB, JBl 2010, 217) präzisiert, dass der Übernehmer die Mangelhaftigkeit der Sache - gemessen am Vertragsinhalt - zu beweisen hat. Bei Hervorkommen derselben innerhalb von sechs Monaten (nach Übergabe/Gefahrenübergang) werde sodann die Mangelhaftigkeit der Leistung vermutet (ihm folgend Foglar-Deinhardstein, Zak 2011, 123).

4. Im vorliegenden Fall lagen zwei voneinander getrennte Vertragsverhältnisse und Leistungen vor. Der Beklagte hatte sich zur Übergabe der Wohnung verpflichtet, der Kläger aber hatte - nach eigenen Prozessangaben - seinerseits Installationen „selbst“ in Auftrag gegeben. § 924 ABGB knüpft zwar (allgemein) an den Begriff der „Übergabe“ an, bezieht diese aber auf die vertraglich geschuldete Leistung, den Vertragsgegenstand. Im Verhältnis zwischen den Parteien war Vertragsgegenstand die Wohnung mit Ausnahme der vom Kläger selbst auf eigene Kosten veranlassten Installationen. Der Kläger müsste beweisen, dass der zum Wasserschaden führende Mangel diesen Vertragsgegenstand betrifft. Dieser Beweis ist dem Kläger nicht gelungen, sodass die Vermutung der Mangelhaftigkeit schon bei Übergabe im vorliegenden Fall nicht eingreift.

Reischauer (Probleme der Beweislastregeln des § 924 ABGB, JBl 2010, 219) steht dem nicht entgegen. Er geht vom Regelfall eines Kaufvertrags aus, der die gesamte Sache betrifft. Wenn aber - wie hier - ein Teil der Sache nicht vom Kaufvertrag erfasst war und nicht klar ist, welchem Bereich deren (objektiver) Mangel zuzuordnen ist, geht es nicht um die in § 924 ABGB geregelte zeitliche Vermutung, sondern um die Zuordnung des (objektiven) Mangels der konkret geschuldeten Leistung.

Die vom Berufungsgericht zur Begründung seines Zulässigkeitsausspruchs aufgezeigte (vermeintliche) Judikaturdifferenz besteht nicht. Den Entscheidungen 6 Ob 272/05a und (wohl auch) 1 Ob 199/07g lagen Kaufverträge zu Grunde, somit Fälle, in denen in der Regel an einen objektiven Mangel der „Sache“ angeknüpft werden kann. Die Lieferung der Sache ist ja dort Gegenstand der Leistungspflicht. Hingegen betrafen 8 Ob 124/08f und 4 Ob 157/09f Werkleistungen, die an einer Sache erbracht wurden. In diesen Fällen ist es nicht zwingend, aus der zeitlichen Abfolge zwischen Leistung und Auftreten eines (objektiven) Mangels an der Sache auf einen inhaltlichen Zusammenhang zu schließen.

5. Der Klagsanspruch lässt sich auch nicht auf Schadenersatz stützen: Es wurde keine rechtswidrige und schuldhafte Schadensverursachung durch den Beklagten erwiesen. Soweit der Kläger dem Beklagten Überprüfungspflichten hinsichtlich des Gewerks der Nebenintervenientin anlasten möchte, ist ihm entgegenzuhalten, dass die Installationen durch die Vereinbarung der Eigenleistung aus dem Pflichtenprogramm des Beklagten ausgeschieden sind. Damit fällt auch hier die unklare Ursache der Schäden dem Kläger zur Last.

Der Revision des Klägers war daher nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41 und 50 ZPO.

Textnummer

E96984

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0040OB00234.10F.0412.000

Im RIS seit

03.05.2011

Zuletzt aktualisiert am

13.06.2016
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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