TE AsylGH Beschluss 2011/04/18 D1 318235-2/2011

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Veröffentlicht am 18.04.2011
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Spruch

D1 318235-2/2011/7E

 

BESCHLUSS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. STRACKER als Vorsitzenden und den Richter Mag. KANHÄUSER als Beisitzer über den Antrag des XXXX auch XXXX auch XXXX alias XXXX auch XXXX alias XXXX alias XXXX, StA. Weißrussland, vom 15.01.2011 auf Zustellung des Erkenntnisses des Asylgerichtshofes vom 04.11.2010, Zl. D1 318235-1/2008/8E, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

 

Dem Antrag auf Zustellung des Erkenntnisses des Asylgerichtshofes vom 04.11.2010, Zl. D1 318235-1/2008/8E, wird stattgegeben.

Text

BEGRÜNDUNG:

 

I. 1. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 04.11.2010, Zl. D1 318235-1/2008/8E, wurde die Beschwerde des Antragstellers vom 12.03.2008 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 15.02.2008, Zl. 04 21.431-BAT, gemäß §§ 7 und 8 Abs. 1 Asylgesetz 1997 sowie § 10 Abs. 1 Z 2 Asylgesetz 2005 als unbegründet abgewiesen.

 

Dieses Erkenntnis wurde der vom Beschwerdeführer bevollmächtigten Vertreterin Frau Karin KLARIC in ihrer Eigenschaft als Obfrau des Vereines "Purple Sheep" mit 18.11.2010 durch Hinterlegung an der Adresse 1120 Wien, Arndtstraße 88/4, zugestellt.

 

Am 10.12.2010 wurde dieses Erkenntnis mit dem Vermerk "zurück, nicht behoben" an den Asylgerichtshof retourniert.

 

Mit Schreiben vom 04.01.2011 gab der Antragsteller dem Asylgerichtshof bekannt, dass er an der Adresse 1020 Wien, Große Sperlgasse 4, postalisch erreichbar sei und einen Brief der Bundespolizeidirektion Wien betreffend die Verhängung des gelinderen Mittels erhalten habe, woraus er schließe, dass bereits eine Entscheidung des Asylgerichtshofes ergangen sei und ersuchte um Zustellung der Entscheidung zu seinen eigenen Handen.

 

Dem Antragsteller wurde daraufhin mit Schriftsatz vom 11.01.2011 mitgeteilt, dass das Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 04.11.2010, Zl. D1 318235-1/2008/8E, an die von ihm am 21.05.2010 bevollmächtigte Vertreterin Frau Karin KLARIC, Verein "Purple Sheep", mit 18.11.2010 zugestellt worden sei.

 

2. Mit Schriftsatz vom 15.01.2011 brachte der Antragsteller einen als "Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 Abs. 1 AVG" bezeichneten und mit "UNVERTRETEN" übertitelten Schriftsatz beim Asylgerichtshof ein, in welchem er darlegt, dass ihm anlässlich der Unterzeichnung der Vollmacht für den Verein "Purple Sheep" respektive deren Obfrau Karin KLARIC nicht bewusst gewesen sei, dass es sich um eine Vollmacht bzw. Zustellvollmacht handle. Da nunmehr "allgemein bekannt" sei, dass Frau KLARIC einen Großteil der von den Asylbehörden übermittelten Schriftstücke nicht behebe und diese daraufhin in Rechtskraft erwachsen würden, hätten der Behörde Zweifel über das Bestehen des Vollmachtsverhältnisses kommen müssen und wäre es sinnvoll, diese Angelegenheit von Amts wegen zu überprüfen, ob gegenständlich tatsächlich ein Vollmachtsverhältnis zu Stande gekommen sei. Er stelle daher den Antrag, dass der Asylgerichtshof seinem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattgeben wolle und ihm das Erkenntnis zur Zahl D1 318235-1/2008/10Z [gemeint: 8E] zu eigenen Handen zustelle.

 

Der Asylgerichtshof forderte daraufhin die Obfrau des Vereines "Purple Sheep", Frau Karin KLARIC, mit Schreiben vom 21.01.2011 auf, hinsichtlich des Zustandekommens des Vollmachtsverhältnisses Stellung zu nehmen.

 

Am 09.02.2011 übermittelte die genannte Obfrau des Vereines "Purple Sheep" eine ausführliche Stellungnahme hinsichtlich der am 21.05.2010 erteilten Vollmacht und äußerte sich darin auch gleichzeitig - unter Nennung eines vom Bundesasylamt, Außenstelle Eisenstadt, in diesem Zusammenhang bereits durchgeführten Ermittlungsverfahrens - zu den vom Antragsteller aufgestellten Vorwürfen hinsichtlich mangelnder Sorgfaltspflicht bei Zustellungen.

 

Mit Schreiben vom 17.02.2011 und 24.03.2011 wurde die Obfrau des Vereines "Purple Sheep" aufgefordert, bekannt zu geben, warum das den nunmehrigen Antragsteller betreffende ab 18.11.2010 beim Postamt 1120 Wien zur Abholung bereitgehaltene Erkenntnis des Asylgerichtshofes, Zl. D1 318235-1/2008/8E, nicht behoben wurde.

 

In der darauffolgenden Stellungnahme vom 07.04.2011 gab die Obfrau des Vereines "Purple Sheep" bekannt, dass weder sie noch bevollmächtigte Kollegen das betreffende Schreiben beheben hätten können, da ihnen "aufgrund von Fehlern des Postbediensteten" die Hinterlegungsanzeige nicht zugekommen sei.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Gemäß § 23 Abs. 1 AsylGHG, BGBl. I Nr. 4/2008, sind soweit sich aus dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt. Gemäß § 23 Abs. 2 AsylGHG, BGBl. I Nr. 4/2008 in der Fassung BGBl. I Nr. 147/2008, sind die Erkenntnisse im Namen der Republik zu verkünden und auszufertigen.

 

Der Asylgerichtshof entscheidet gemäß Art. 129c Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 2/2008, in Verbindung mit § 61 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2009 in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 oder 3a leg. cit. vorgesehen ist, durch Einzelrichter über

 

1. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und

 

2. Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.

 

Gemäß § 22 Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 in der Fassung BGBl. I Nr. 4/2008, zweiter Satz, ergehen Entscheidungen des Asylgerichtshofes in der Sache selbst in Form eines Erkenntnisses, alle anderen in Form eines Beschlusses.

 

2.1. Gemäß § 10 Abs. 1 AVG können sich Beteiligte und ihre gesetzlichen Vertreter, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, durch eigenberechtigte natürliche Personen, juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften vertreten lassen. Bevollmächtigte haben sich durch eine schriftliche, auf Namen oder Firma lautende Vollmacht auszuweisen. Vor der Behörde kann eine Vollmacht auch mündlich erteilt werden; zu ihrer Beurkundung genügt ein Aktenvermerk. Schreitet eine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person ein, so ersetzt die Berufung auf die ihr erteilte Vollmacht deren urkundlichen Nachweis.

 

Gemäß § 10 Abs. 2 AVG richten sich Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis nach den Bestimmungen der Vollmacht; hierüber auftauchende Zweifel sind nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen. Die Behörde hat die Behebung etwaiger Mängel unter sinngemäßer Anwendung des § 13 Abs. 3 von Amts wegen zu veranlassen.

 

2.2. Gemäß § 71 Abs. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft oder die Partei die Berufungsfrist versäumt hat, weil der Bescheid fälschlich die Angabe enthält, dass keine Berufung zulässig sei.

 

Gemäß § 71 Abs. 2 AVG muss der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.

 

Gemäß § 71 Abs. 3 AVG hat die Partei im Falle der Versäumung der Frist die versäumte Handlung gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholen.

 

Gemäß § 71 Abs. 4 AVG ist zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung die Behörde berufen, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war oder die die versäumte Verhandlung angeordnet oder die unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt hat.

 

3. Der sich aus § 37 AVG ergebende Grundsatz der Erforschung der materiellen Wahrheit bedeutet in Verbindung mit der sich aus § 39 AVG ergebenden Offizialmaxime, dass die Behörde nicht an das tatsächliche Parteienvorbringen gebunden ist, sondern vielmehr von sich aus den wahren Sachverhalt (vgl. z.B. VwGH 30.01.1992, Zl. 87/17/0177, oder 20.10.1992, Zl. 91/08/0096) bzw. - wie im gegenständlichen Fall - den wahren Parteiwillen durch Aufnahme der nötigen Beweise zu erforschen bzw. festzustellen hat.

 

Im hier zu beurteilenden Fall begehrt der nunmehr als unvertreten anzusehende Antragsteller (vgl. OZ 1) mit dem "Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 Abs. 1 AVG" vom 15.01.2011 inhaltlich eindeutig - und auch dem Wortlaut des Schriftsatzes nach ausdrücklich - die (neuerliche) Zustellung des Erkenntnisses des Asylgerichtshofes vom 04.11.2010, Zl. D1 318235-1/2008/8E, zu seinen eigenen Handen.

 

Der Asylgerichtshof geht somit davon aus, dass der wahre Parteiwille des Antragstellers - wie im Schriftsatz vom 15.01.2011 zuletzt auch dezidiert festgehalten - darauf abzielt, dass diesem das Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 04.11.2010, Zl. D1 318235-1/2008/8E, zu eigenen Handen zugestellt werde, da dieser der Ansicht ist, dass die dem Verein "Purple Sheep" bzw. deren Obfrau Karin KLARIC erteilte mit 21.05.2010 datierte Vollmacht nicht rechtsgültig zu Stande gekommen ist und eine allfällige Zustellung an dessen Adresse keine Rechtswirksamkeit entfaltet habe.

 

Die diesbezügliche Vollmacht kam nach dem vom Asylgerichtshof durchgeführten Ermittlungsverfahren durch eigenhändige Unterzeichnung des Antragstellers eines als "VOLLMACHT (gem. § 10 [1] AVG)" bezeichneten Schriftstücks, in welchem der Satz: "Die Zustellvollmacht gilt ausdrücklich als erteilt." fettgedruckt im Textkörper aufscheint, am 21.05.2010 zu Stande.

 

Darüber hinaus gab die Obfrau des Vereines "Purple Sheep" in ihrer am 09.02.2011 eingebrachten Stellungnahme glaubwürdig an, dass der Inhalt einer Vertretungs- und Zustellvollmacht den betreffenden Personen unter Zuhilfenahme eines Dolmetschers immer genauestens erklärt werde und dass insbesondere bei der Aufklärungskampagne zur - auch vom Antragsteller angesprochenen - "Registrierungsaktion" aufgrund des zum damaligen Zeitpunkt noch kurzen Bestehens des Vereines "Purple Sheep" explizit und zusätzlich darauf hingewiesen worden sei, dass es sich hierbei um einen neuen, eigenständigen und von jeder anderen Organisation unabhängigen Verein handle. Zudem werde immer dann, wenn eine Vertretungs- oder Zustellvollmacht übernommen werde, im Beisein eines Dolmetschers deren Bedeutung und die damit verbundenen "Pflichten" - unter anderem allfällige andere Rechtsberater darüber in Kenntnis zu setzen oder sie über eine Auflösung des Vollmachtsverhältnisses zu informieren - hingewiesen.

 

Obwohl dem Antragsteller somit zuzugestehen ist, dass er als Asylwerber mit weißrussischer Staatsangehörigkeit weder als sprachnoch rechtskundig angesehen werden kann, ist die von diesem im gegenständlichen Zusammenhang behauptete Unkenntnis der Erteilung einer (Zustell-)Vollmacht bzw. die Behauptung, dass ihm beim Unterfertigen der Vollmacht nicht bewusst gewesen sei, dass es sich bei Frau Karin KLARIC um keine Mitarbeiterin von Frau Ute BOCK gehandelt habe, schon aufgrund der oben dargelegten Ausführungen der Obfrau des Vereines "Purple Sheep" nicht glaubhaft bzw. hätte diesem nach Auffassung des Asylgerichtshofes - als voll geschäfts- und einsichtsfähiger Person - auch sonst zumindest bewusst sein müssen, dass die Leistung einer Unterschrift unter ein für sein Asylverfahren relevantes Schriftstück rechtliche Wirkung(en) entfaltet.

 

Der Asylgerichtshof geht somit davon aus, dass die am 21.05.2010 dem Verein "Purple Sheep" erteilte Vollmacht (inkl. Zustellvollmacht) rechtswirksam erteilt worden ist und auch zum Zeitpunkt der Zustellung des Erkenntnisses des Asylgerichtshofes vom 04.11.2010, Zl. D1 318235-1/2008/8E, aufrecht war.

 

Aufgrund des Umstandes, dass bereits in mehreren denselben Zeitraum wie das Verfahren des Beschwerdeführers betreffenden Verfahren (vgl. Zlen. 10 01.652-BAE; 09 14.313-BAE und 10 00.653-BAE) durch das Bundesasylamt, Außenstelle Eisenstadt, festgestellt wurde, dass es im Zuge der Übersiedlung des Vereines "Purple Sheep" von der Adresse 1020 Wien, Sperlgasse 18, nach 1120 Wien, Arndtstraße 88/4, trotz nachweislich gültigen Nachsendeauftrages zu Zustellproblemen, die von Bediensteten der Österreichischen Post AG verursacht worden seien (vgl. auch die Stellungnahme der Obfrau des Vereines "Purple Sheep" vom 09.02.2011), gekommen ist und mit einer Betrauung des Vereines "Purple Sheep" mit der Vertretung keine auffallende Sorglosigkeit verbunden sei, geht der Asylgerichtshof aber davon aus, dass es auch im gegenständlichen Fall zu einem Zustellmangel gekommen ist (vgl. auch das Schreiben der Obfrau des Vereines "Purple Sheep" vom 07.04.2011) und das Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 04.11.2010, Zl. D1 318235-1/2008/8E, bis dato noch nicht rechtswirksam zugestellt wurde.

 

Dem Antrag auf (neuerliche) Zustellung des Erkenntnisses des Asylgerichtshofes vom 04.11.2010, Zl. D1 318235-1/2008/8E, zu Handen des nunmehr unvertretenen Antragstellers war daher im Ergebnis stattzugeben.

 

Der Vollständigkeit halber wird zuletzt noch angemerkt, dass die Frage der rechtswirksamen Zustellung und somit Erlassung des Erkenntnisses des Asylgerichtshofes vom 04.11.2010 der Frage der Zulässigkeit der Erhebung eines darauf Bezug nehmenden Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - somit eines Rechtsbehelfes gegen die Versäumung einer (hier: außerordentlichen Rechtsmittel-)Frist - vorgelagert ist, sodass auf diese Frage im gegenständlichen Fall nicht mehr näher einzugehen war.

Schlagworte
Zustellmangel, Zustellung
Zuletzt aktualisiert am
29.04.2011
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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