TE Vwgh Erkenntnis 2001/3/6 2000/05/0200

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Veröffentlicht am 06.03.2001
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E3L E12300000;
E3L E13309900;
L78006 Elektrizität Steiermark;
L78009 Elektrizität Wien;
58/02 Energierecht;

Norm

31996L0092 Elektrizitätsbinnenmarkt-RL Art18 litii;
31996L0092 Elektrizitätsbinnenmarkt-RL Art18 litiii;
31996L0092 Elektrizitätsbinnenmarkt-RL Art19;
ElektrizitätswirtschaftsG Wr 1999 §56;
ElWOG 1998 §20 Abs1;
ElWOG 1998 §20 Abs2;
ElWOG 1998 §20;
ElWOG 1998 §21 Abs1;
ElWOG 1998 §44 Abs1;
ElWOG 1998 §44;
ElWOG 1998 §7 Z26;
ElWOG Stmk 1999 §22 Abs1;
ElWOG Stmk 1999 §50 Abs1;
ElWOG Stmk 1999 §50 Abs2;
EURallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde der Steiermärkischen Elektrizitäts-AG in Graz, vertreten durch Kaan, Cronenberg & Partner, Rechtsanwälte in Graz, Kalchberggasse 1, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit vom 4. August 2000, Zl. 551.610/42- VIII/1/00, betreffend Verweigerung des Netzzuganges (mitbeteiligte Partei: Telekom Austria AG in Wien, vertreten durch Cerha, Hempel & Spiegelfeld, Partnerschaft von Rechtsanwälten in Wien I, Parkring 2), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zwischen der mitbeteiligten Partei einerseits und der EVN AG und der Wienstrom Gesellschaft mbH. andererseits besteht eine Vereinbarung über die Lieferung von elektrischer Energie an Verbrauchsanlagen der mitbeteiligten Partei. Mit Schriftsatz vom 29. Februar 2000 hat die Energievertriebs- und Servicegesellschaft mbH (e&s) unter Berufung auf eine ihr von der mitbeteiligten Partei erteilte Vollmacht für die in einer Beilage zu diesem Schreiben genannten ca. 50 Standorte eine Durchleitung von Elektrizität und damit den Zugang zum Netz der Beschwerdeführerin beantragt. Nach Darlegung näherer Angaben hinsichtlich dieser Standorte durch die e&s hat die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 24. März 2000 der e&s ihre Auffassung mitgeteilt, wonach es sich bei den Anlagen der mitbeteiligten Partei im Versorgungsgebiet der Beschwerdeführerin um keine einheitliche Verbrauchsstätte handle. Die mitbeteiligte Partei sei demnach kein zugelassener Kunde im Sinne des § 44 ElWOG, weshalb der Antrag auf Netzzugang abgelehnt werde.

Mit Schreiben vom 17. April 2000, eingelangt bei der belangten Behörde am 20. April 2000, stellte die mitbeteiligte Partei den Antrag auf bescheidmäßige Feststellung, dass sie durch die Verweigerung des Netzzuganges durch die Beschwerdeführerin laut Schreiben vom 24. März 2000 hinsichtlich näher beschriebener Lieferungen in ihrem gesetzlich gewährleisteten Recht auf Gewährung des Netzzuganges verletzt wurde.

Am 8. Mai 2000 hat die belangte Behörde eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Die Mitbeteiligte wies darauf hin, dass ihr gesamter Jahresverbrauch an Elektrizität im Jahre 1999 ca. 140 GWh betragen habe, jedenfalls habe er im Jahre 1999 beim Objekt Arsenal und beim Objekt Fernamt Wien Schillerplatz gemeinsam über 20 GWh betragen. Die Beschwerdeführerin meinte, dass sich die verfahrensgegenständlichen Einrichtungen, soweit sie sich nach den angegebenen Adressen im Versorgungsgebiet der Beschwerdeführerin befänden, auf verschiedenen, voneinander getrennten Liegenschaften befänden und demnach miteinander räumlich bzw. geografisch nicht verbunden seien. Weiters wies die Beschwerdeführerin darauf hin, dass diese Einrichtungen jedenfalls nicht durch ein der Mitbeteiligten gehörendes oder in ihrer Verfügungsgewalt stehendes "Elektrizitätsnetz" im Sinne der verschiedenen in diesem Zusammenhang relevanten Begriffsdefinitionen des Elektrizitätswirtschaftsrechtes miteinander verbunden seien.

Weiters brachte die Beschwerdeführerin vor, dass die Mitbeteiligte im Kalenderjahr 1999 im Versorgungsgebiet der Beschwerdeführerin bei keinem Objekt Energie über 20 GWh verbraucht habe und auch der Energieverbrauch der Mitbeteiligten im Versorgungsgebiet der Beschwerdeführerin im Kalenderjahr 1999 insgesamt weit unter 20 GWh gelegen sei. Es sei Sache der Mitbeteiligten nachzuweisen, dass sie als "zugelassener Kunde" anzusehen sei bzw. derart behandelt werden müsse; ein derartiges Vorbringen fehle. Dem entgegnete die Mitbeteiligte, dass es sich bei ihrem "Netz" um eine durch eigene Leitungen erfolgende physische Verbindung handle, wobei bereits der Ausfall eines Teiles dieses Leitungsnetzes (Wählamt) einen Teilausfall dieses Netzes zur Folge habe, was bewirke, dass die Mitbeteiligte ihrer den Kunden gegenüber bestehenden Dienstleistungsverpflichtung nicht vollständig nachkommen könne. Allgemein auf ihr Netz bezogen brachte die Mitbeteiligte vor, dass es sich in ihrer alleinigen Verfügungsmacht und auch in ihrem Eigentum befinde. Um den Versorgungsauftrag erfüllen zu können, müssten alle Teile dieses Netzes gleichzeitig in Betrieb sein.

In der Folge wurde neben einem Schriftverkehr zum Eigentum hinsichtlich bestimmter Einrichtungen der Mitbeteiligten und dem auf diese Einrichtungen bezogenen Grundbuchsstand von der Beschwerdeführerin bei der Steiermärkischen Landesregierung der Antrag gestellt, diese möge, gestützt auf § 50 Abs. 2 Z. 2, § 50 Abs. 5 in Verbindung mit § 20, § 2 Z. 22, 23, 24 und 25 Stmk. ElWOG, mit Bescheid feststellen, dass für die Mitbeteiligte die Voraussetzungen des § 50 Abs. 2 Z. 2 des Stmk. ElWOG dafür, dass sie zugelassener Kunde sei, nicht vorlägen, in eventu, dass die Voraussetzungen für die Mitbeteiligte, dass sie gemäß § 50 Abs. 2 Z. 2 leg. cit. zugelassener Kunde ist, für ihre in einer Beilage besonders gekennzeichneten Standorte nicht vorlägen. Dieses Verfahren ist bei der Steiermärkischen Landesregierung anhängig.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde unter Punkt 1.) gemäß § 20 Abs. 2 und § 21 Abs. 1 ElWOG festgestellt, dass die Mitbeteiligte durch die Verweigerung des Netzzuganges seitens der Beschwerdeführerin hinsichtlich der im Rahmenvertrag über die Zusammenarbeit der Mitbeteiligten und der EVN AG und Wienstrom GmbH. vorgesehenen Stromlieferungen bezüglich näher angeführter Einrichtungen in ihrem gemäß § 20 des Steiermärkischen Elektrizitätswirtschafts- und - organisationsgesetzes, sowie § 26 des Wiener Elektrizitätswirtschaftsgesetzes 1999 gesetzlich gewährleisteten Recht auf Netzzugang verletzt worden ist. Es folgen unter a) Einrichtungen, die einen Bestandteil des Fernmeldenetzes der Mitbeteiligten (Vermittlungsstellen) bilden sowie unter b) Einrichtungen, die keinen Bestandteil des Fernmeldenetzes der Mitbeteiligten (Bautruppenunterkünfte/Lagerplätze) bilden. Unter Punkt 2.) wurde der Antrag der Mitbeteiligten gemäß §§ 20 Abs. 2 und 21 Abs. 2 ElWOG mangels Rechtsverletzungsmöglichkeit gemäß § 20 des Steiermärkischen Elektrizitätswirtschafts- und - organisationsgesetzes 1999 sowie des § 26 des Wiener Elektrizitätswirtschaftsgesetzes 1999 hinsichtlich bestimmter Einrichtungen zurückgewiesen.

Zur Begründung wurde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens ausgeführt, zufolge des eindeutigen Wortlautes des § 20 Abs. 2 ElWOG sei die Zuständigkeit der belangten Behörde zur Entscheidung in der Sache bereits dann gegeben, wenn der Antragsteller behaupte, durch die Verweigerung des Netzzuganges in seinem gesetzlich eingeräumten Recht auf Gewährung des Netzzuganges verletzt worden zu sein. Die Hauptfrage, über die als Sachentscheidung abzusprechen sei, sei in diesem Verfahren, ob überhaupt eine Netzzugangsverweigerung vorliege und bejahendenfalls, ob diese Netzzugangsverweigerung auf einen der im § 20 Abs. 1 ElWOG angeführten Netzverweigerungstatbestände gestützt werden könne. Die Frage der Netzzugangsberechtigung, der Qualifikation der Mitbeteiligten als zugelassener Kunde sowie insbesondere, ob das von der Mitbeteiligten betriebene Fernmeldenetz als Verbrauchsstätte im Sinne des § 44 Abs. 1 iVm. § 7 Z. 6 und § 27 ElWOG zu qualifizieren sei, habe hingegen die belangte Behörde als Vorfrage zu beurteilen. Die Beschwerdeführerin habe gemäß § 50 Stmk. ElWOG an die Steiermärkische Landesregierung den Antrag gestellt, diese möge feststellen, dass für die Mitbeteiligte die Voraussetzungen dafür, dass sie zugelassener Kunde sei, nicht vorliegen, in eventu, dass die Voraussetzungen für die Mitbeteiligte, zugelassener Kunde zu sein, für die in einer Beilage gekennzeichneten Standorte nicht vorlägen. In Verfahren über Netzzugangsverweigerungen sei besonders rasch zu entscheiden. Würde die belangte Behörde zur Beurteilung dieser Vorfragen das Verfahren aussetzen und die Entscheidung der zuständigen Behörde abwarten, hätte dies zur Folge, dass die vom Verfassungsgesetzgeber vorgeschriebene einmonatige Entscheidungsfrist keinesfalls eingehalten werden könnte, sondern eine Entscheidung erst nach Abschluss des Feststellungsverfahrens möglich wäre. Da auch nicht auszuschließen sei, dass nach der Entscheidung der Landesregierung eine am Verfahren gemäß § 5 beteiligte Partei den Übergang der Zuständigkeit gemäß Art. 12 Abs. 3 B-VG an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit beantrage, sei die belangte Behörde jedenfalls verhalten, die im vorliegenden Verfahren auftretenden Vorfragen selbst dann zu beurteilen, wenn diese Vorfrage bereits Gegenstand eines bei der zuständigen Behörde anhängigen Verfahrens bildet. Das Fernmeldenetz der Mitbeteiligten decke von jeher und auch heute als dominante Betreiberin das gesamte Bundesgebiet ab. Unter dem "Netz" sei die Gesamtheit der Verteilungsleitungen und Einrichtungen eines Versorgungssystems für elektrische Nachrichten zu verstehen. Der Elektrizitätsverbrauch habe im Jahre 1999 bei der Fernmeldezentralanlage "Arsenal" und beim Fernmeldeamt "Schillerplatz" gemeinsam mehr als 20 GWh betragen. Die im Versorgungsgebiet der Beschwerdeführerin gelegenen technischen Einrichtungen, hinsichtlich deren Stromversorgung der Netzzugang verweigert worden sei, seien ein Bestandteil des von der Mitbeteiligten betriebenen Fernmeldenetzes. Es handle sich dabei um rund 30 an verschiedenen Standorten befindliche Objekte, die sich auf verschiedenen voneinander räumlich getrennten Liegenschaften befänden. Für die Funktionsfähigkeit des Netzes der Mitbeteiligten seien Verstärkeranlagen in variablen Distanzen voneinander erforderlich, diese würden mit elektrischer Energie betrieben, sie stellten jedoch kein Verteiler- oder Übertragungsnetz im Sinne der elektrizitätsrechtlichen Vorschriften dar. Der Ausfall eines Teiles des Leitungsnetzes der Mitbeteiligten (Wählamt) bewirke, dass die Mitbeteiligte ihrer den Kunden gegenüber bestehenden Dienstleistungsverpflichtung nicht vollständig nachkommen könne. Die im Spruch Punkt 1 lit. b genannten Objekte lägen zwar nicht im Fernmeldenetz der Mitbeteiligten, als zugelassenem Kunden stehe der Mitbeteiligten aber das Recht zum Vertragsabschluss mit Unternehmen ihrer Wahl über die Lieferung von Elektrizität zur Deckung ihres Bedarfes zu. Da der Eigenbedarf alle Verbrauchsstätten umfasse, sei die Mitbeteiligte auch hinsichtlich der übrigen Verbrauchsstätten netzzugangsberechtigt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde, in eventu Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift, ebenso wie die mitbeteiligte Partei, die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 20 des Elektrizitätswirtschafts- und - organisationsgesetzes, BGBl. I 1998/143 (ElWOG), lautet wie folgt:

"§ 20

Verweigerung des Netzzuganges

(1) (Grundsatzbestimmung) Die Ausführungsgesetze haben vorzusehen, dass Netzzugangsberechtigten der Netzzugang aus nachstehenden Gründen verweigert werden kann:

1.

außergewöhnliche Netzzustände (Störfälle);

2.

mangelnde Netzkapazitäten;

3.

wenn der Netzzugang für Stromlieferungen für einen Kunden abgelehnt wird, der in dem System, aus dem die Belieferung erfolgt oder erfolgen soll, nicht als zugelassener Kunde gilt;

              4.              wenn ansonsten Elektrizität aus fernwärmeorientierten, umwelt- und resourcenschonenden sowie technisch-wirtschaftlich sinnvollen Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen oder aus Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien trotz Eingehens auf die aktuellen Marktpreise verdrängt würde, wobei Möglichkeiten zum Verkauf dieser elektrischen Energie an Dritte zu nutzen sind.

Die Verweigerung ist gegenüber dem Netzzugangsberechtigten zu begründen.

(2) (Verfassungsbestimmung) Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten hat über Antrag desjenigen, der behauptet, durch die Verweigerung des Netzzuganges in seinem gesetzlich eingeräumten Recht auf Gewährung des Netzzuganges verletzt worden zu sein, innerhalb eines Monats festzustellen, ob die Voraussetzungen für die Verweigerung eines Netzzuganges gemäß Abs. 1 vorliegen. Der Netzbetreiber hat das Vorliegen der Verweigerungstatbestände (Abs. 1) nachzuweisen. Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten hat in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Einigung zwischen Netzzugangsberechtigtem und Netzbetreiber hinzuwirken."

§ 44 leg. cit. lautet samt Überschrift wie folgt:

7. Teil

Zugelassene Kunden

Qualifikation

§ 44. (Grundsatzbestimmung) (1) Die Ausführungsgesetze haben

1.

ab 19. Februar 1999 Endverbraucher, deren Verbrauch 40 GWh,

2.

ab 19. Februar 2000 Endverbraucher, deren Verbrauch 20 GWh,

3.

ab 19. Februar 2003 Endverbraucher, deren Verbrauch 9 GWh

im vorangegangenen Abrechnungsjahr überschritten hat, als zugelassene Kunden vorzusehen. Der Verbrauch berechnet sich je Verbrauchsstätte und einschließlich der Eigenerzeugung.

(2) Betreiber von Verteilernetzen, die auch Übertragungsnetzbetreiber sind, sind jedenfalls ab dem 19. Februar 1999 als zugelassene Kunden vorzusehen. Sonstige Betreiber von Verteilernetzen sind als zugelassene Kunden vorzusehen, sofern deren unmittelbare Abgabe an Endverbraucher im vorangegangenen Abrechnungsjahr

1.

ab 19. Februar 2002 den Wert von 40 GWh;

2.

ab 19. Februar 2003 den Wert von 9 GWh

überschritten hat.

(3) Die Ausführungsgesetze haben vorzusehen, dass Betreiber von Verteilernetzen über die Strommenge, die ihre Kunden, die als zugelassene Kunden benannt wurden, innerhalb ihres Verteilernetzes verbrauchen, zum Zweck der Belieferung dieser Kunden Lieferverträge unter den Bedingungen des Netzzuganges abschließen können."

Gemäß § 22 Abs. 1 des Steiermärkischen Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetzes 1999 - Stmk. ElWOG 1999, LGBl. Nr. 32/2000, kann ein Netzbetreiber den Netzzugang aus nachstehenden Gründen ganz oder teilweise verweigern:

1.

bei außergewöhnlichen Netzzuständen (Störfällen),

2.

bei mangelnden Netzkapazitäten,

3.

wenn der zugelassene Kunde aus einem System beliefert werden soll, in dem er nicht als zugelassener Kunde gilt oder

              4.              wenn ansonsten Elektrizität aus fernwärmeorientierten, umwelt- und ressourcenschonenden sowie technisch-wirtschaftlich sinnvollen Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen oder aus Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien trotz Eingehens auf die aktuellen Marktpreise verdrängt würde, wobei Möglichkeiten zum Verkauf dieser Elektrizität an Dritte zu nutzen sind.

Nach Abs. 2 dieser Bestimmung hat der Netzbetreiber die Verweigerung gegenüber dem Netzzugangsberechtigten schriftlich zu begründen.

Nach § 20 Abs. 1 leg. cit. sind Netzbetreiber verpflichtet, den Netzzugangsberechtigten den Zugang zu ihren Systemen und die Durchleitung zu genehmigten Allgemeinen Netzbedingungen und zu bestimmten Systemnutzungstarifen inklusive eines allfälligen Zuschlages gemäß § 47 Abs. 4 ElWOG, BGBl. I Nr. 143/1998, auf Grund privatrechtlicher Verträge zu gewähren.

Nach Abs. 2 dieser Bestimmung haben die Netzzugangsberechtigten unter Bedachtnahme auf § 21 einen Rechtsanspruch, auf Grundlage der genehmigten Allgemeinen Netzbedingungen und der bestimmten Systemnutzungstarife inklusive eines allfälligen Zuschlages gemäß § 47 Abs. 4 ElWOG, BGBl. I Nr. 143/1998, die Nutzung der Netze zu verlangen.

§ 50 des Stmk. ElWOG 1999 lautet wie folgt:

"§ 50

Zugelassene Kunden

(1) Zugelassene Kunden sind berechtigt, mit Elektrizitätsunternehmen Verträge über die Lieferung von Elektrizität zur Deckung ihres Bedarfes zu schließen.

(2) Zugelassene Kunden sind

1.

ab 19. Februar 1999 Endverbraucher, deren Verbrauch 40 GWh,

2.

ab 19. Februar 2000 Endverbraucher, deren Verbrauch 20 GWh,

3.

ab 19. Februar 2003 Endverbraucher, deren Verbrauch 9 GWh

im vorangegangenen Abrechnungsjahr überschritten hat. Der Verbrauch berechnet sich je Verbrauchsstätte und einschließlich der Eigenerzeugung.

(3) Betreiber von Verteilernetzen, die auch Übertragungsnetzbetreiber sind, sind ab 19. Februar 1999 zugelassene Kunden. Sonstige Betreiber von Verteilernetzen sind zugelassene Kunden, sofern deren unmittelbare Abgabe an Endverbraucher im vorangegangenen Abrechnungsjahr

1.

ab 19. Februar 2002 den Wert von 40 GWh,

2.

ab 19. Februar 2003 den Wert von 9 GWh

überschritten hat.

(4) Betreiber von Verteilernetzen können über die Strommenge, die ihre zugelassenen Kunden innerhalb ihres Verteilernetzes verbrauchen, zum Zwecke der Versorgung dieser Kunden Lieferverträge unter den Bedingungen des Netzzuganges abschließen.

(5) Bestehen Zweifel über die Qualifikation, so hat die Behörde über Antrag des Kunden oder des Netzbetreibers festzustellen, ob die Voraussetzungen gemäß Abs. 2, 3 oder 4 vorliegen."

Nach § 2 Z. 8 leg. cit. sind "zugelassene Kunden" Kunden, denen bei Vorliegen der gemäß § 50 festgelegten Voraussetzungen Netzzugang zu gewähren ist.

Nach § 2 Z. 29 leg. cit. sind "Netzzugangsberechtigte" zugelassene Kunden und Erzeuger, denen bei Vorliegen der gemäß §§ 50 und 51 festgelegten Voraussetzungen Netzzugang zu gewähren ist.

§ 56 des Wiener Elektrizitätswirtschaftsgesetzes 1999 (WElWG) ist bis zum Wort "vorliegen" im Abs. 5 wortgleich mit § 50 des Stmk. ElWOG, im Anschluss daran enthält es noch die Bestimmung, dass diese Feststellung auch von Amts wegen getroffen werden kann.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 24. Oktober 2000, Zl. 2000/05/0080, ausgesprochen hat, ist die Zuständigkeit des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten (nunmehr für Wirtschaft und Arbeit) zur Entscheidung in Fällen der Netzzugangsverweigerung ausschließlich durch die Verfassungsbestimmung des § 20 Abs. 2 ElWOG begründet. In dieser Bestimmung ist der Umfang umschrieben, in welchem der Bundesminister zu entscheiden hat, nämlich darüber, ob die Voraussetzungen für die Verweigerung eines Netzzuganges gemäß Abs. 1 vorliegen. Demgegenüber beinhaltet § 21 Abs. 1 leg. cit. nur insofern eine Ausweitung der sachlichen Zuständigkeit des Bundesministers, als der Landesgesetzgeber weitere Netzzugangsverweigerungstatbestände als im § 20 Abs. 1 ElWOG bestimmt vorsehen könnte, über deren Rechtmäßigkeit einzig und allein der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit entscheiden soll.

Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Ansicht der belangten Behörde, wonach der Bundesminister als zur Entscheidung über die Frage des Vorliegens der Voraussetzungen für die Verweigerung eines Netzzuganges gemäß § 20 Abs. 1 Stmk. ElWOG zuständige Behörde gemäß § 38 AVG die im Verfahren auftauchenden Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zu Grunde zu legen hat.

In Artikel 19 der Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie werden der Marktöffnungsgrad, der zumindest erreicht werden muss, und dessen Ermittlung bestimmt. Die Mitgliedstaaten können im Sinne der Subsidiarität die zugelassenen Kunden nach eigenen Kriterien definieren (Industriekunden, Verteiler), es müssen jedoch Endverbraucher mit mehr als 100 GWh (je Verbrauchsstätte, inkl. Eigenerzeugung) Jahresverbrauch jedenfalls Zugang zum Markt haben. Die in der ElektrizitätsbinnenmarktRL verankerte "Automatik" sieht vor, dass der Schwellenwert für die Berechnung nach drei Jahren auf 20 GWh Jahresverbrauch und nach insgesamt sechs Jahren auf einen Schwellenwert von 9 GWh Jahresverbrauch gesenkt wird. Damit ergibt sich folgender gewichteter EU-Marktöffnungsgrad als Mindestregel (die von allen Mitgliedstaaten überschritten werden kann):

 

Schwellenwert

Marktöffnungsgrad

Inkrafttreten der Richtlinie

  

19. Februar 1997

40 GWh

25,4 %

3 Jahre nach inraftrteten,

  

19. Februar 2000

20 GWh

rd 28,4 %

6 Jahre nach Inkraftreten,

  

19. Februar 2003

9 GWh

rd 33,0 %

(vgl. Schanda, ElWOG, S. 82)

Sowohl § 44 Abs. 1 ElWOG als auch § 50 Abs. 2 Stmk. ElWOG und § 56 WElWG entsprechen der in der RL verankerten "Automatik".

Im Sinne des ElWOG und der Ausführungsgesetze des § 22 Stmk. ElWOG und des § 56 WElWG war zunächst zu klären, ob die mitbeteiligte Partei zugelassener Kunde ist.

Da § 44 ElWOG hinsichtlich der Schwellenwerte der ElektrizitätsbinnenmarktRL entspricht, muss davon ausgegangen werden, dass die dort festgesetzten Werte für das gesamte Bundesgebiet Gültigkeit haben. Wenn daher in den ausführenden Landesgesetzen die selben Schwellenwerte angeführt sind wie in der Grundsatzbestimmung des Bundesgesetzes, so kann dieser Schwellenwert in den einzelnen Landesgesetzen richtlinienkonform nicht dahingehend verstanden werden, dass diese Schwellenwerte in jedem einzelnen Bundesland verwirklicht werden müssten. Jedes einzelne Landeselektrizitätswirtschafts- und Organisationsgesetz muss vielmehr so interpretiert werden, dass es jedenfalls ausreicht, wenn im örtlichen Geltungsbereich eines Landesgesetzes der Schwellenwert erreicht wird, wobei in diesem Zusammenhang die Frage wesentlich ist, was unter einer Verbrauchsstätte zu verstehen ist, da sich der Endverbrauch je Verbrauchsstätte berechnet.

Gemäß § 7 Z. 26 der Grundsatzbestimmung des ElWOG bezeichnet der Ausdruck "Verbrauchsstätte" ein oder mehrere zusammenhängende, im Eigentum oder in der Verfügungsgewalt eines Endverbrauchers stehende Betriebsgelände (Z. 25), für das oder die ein Endverbraucher (Z. 9) elektrische Energie bezieht und über ein eigenes Netz zu Selbstkosten verteilt; eine Betriebsstätte sowie Einrichtungen, die eine einheitliche Betriebsanlage darstellen, sind jedenfalls auch dann Verbrauchsstätten, wenn kein eigenes Netz vorliegt.

Eine (einheitliche) Betriebsstätte liegt deshalb vor, weil, wie die belangte Behörde zutreffend festgestellt hat, die Mitbeteiligte zur Übermittlung von Signalen ein Netz betreibt, das der Datenübertragung dient. Die Weiterleitung der Signale erfolgt teilweise über Leitungsanlagen und Stationen, die untereinander physikalisch verbunden sind (Festnetz), teilweise über Lichtwellenleiter und Richtfunkstationen, die mit den übrigen Teilen des Netzes lediglich in einem funktionellen Zusammenhang stehen, jedoch für die Funktionsfähigkeit des Netzes erforderlich sind. Wesentlich für die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des Netzes sind Verstärkeranlagen, die mit elektrischer Energie betrieben werden, jedoch kein Verteiler - oder Übertragungsnetz im Sinne der elektrizitätsrechtlichen Vorschriften darstellen (vgl. die Ausführungen bei Steffek/Schmelz/Mayer, S. 37, zu Rohrleitungssystemen bei Pipelines bzw. Gleisanlagen).

Es liegt somit hinsichtlich der im Punkt 1a des angefochtenen Bescheides genannten Einrichtungen eine Verbrauchsstätte im ganzen Bundesgebiet vor. Hinsichtlich dieser Verbrauchsstätte wurde aber jedenfalls im Land Wien Strom von mehr als 20 GWh im Jahre 1999 verbraucht, sodass die Mitbeteiligte auf Grund des Verbrauches als zugelassener Kunde sowohl gemäß § 44 ElWOG, als auch gemäß § 50 Abs. 2 Stmk. ElWOG und § 56 WElWG gilt.

Da die Mitbeteiligte jedenfalls hinsichtlich des Festnetzes sowie der Lichtwellenleiter und Richtfunkstation als zugelassener Kunde gilt, andere Versagungstatbestände des § 22 Abs. 1 Stmk. ElWOG nicht behauptet wurden, erfolgte die Verweigerung des Netzzuganges hinsichtlich der unter Punkt 1a im angefochtenen Bescheid genannten Einrichtungen zu Unrecht.

Die im angefochtenen Bescheid unter Punkt 1b angeführten Einrichtungen bilden zwar keine Bestandteile des Fernmeldenetzes, da die Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie jedoch in Art. 18 Abs. 1 lit. ii und iii auf die "Deckung des Eigenbedarfs" abstellt, ist der Auslegung der Vorzug zu geben, dass zugelassenen Kunden hinsichtlich aller Verbrauchsstätten, also auch jener, die den jeweiligen Grenzwert nicht erfüllen, der Netzzugang zu gewähren ist (vgl. Steffek/Schmelz/Mayer, ElWOG, Elektrizitätswirtschafts- und- organisationsgesetz, Seite 58), weil auch hinsichtlich der weiteren Verbrauchsstätten Eigenbedarf vorliegt.

Da gemäß § 50 Abs. 1 Stmk. ElWOG zugelassene Kunden uneingeschränkt zum Vertragsabschluss mit Elektrizitätsunternehmen (ihrer Wahl) über die Lieferung von Elektrizität zur Deckung ihres Bedarfes berechtigt sind, hat daher die belangte Behörde auch hinsichtlich der im angefochtenen Bescheid unter 1b genannten Einrichtungen zu Recht festgestellt, dass der Netzzugang diesbezüglich zu Unrecht verweigert wurde.

Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 6. März 2001

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4 Gemeinschaftsrecht Richtlinie richtlinienkonforme Auslegung des innerstaatlichen Rechts EURallg4/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2000050200.X00

Im RIS seit

13.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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