TE Vfgh Erkenntnis 2010/12/15 U533/10

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Veröffentlicht am 15.12.2010
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Index

41 Innere Angelegenheiten
41/02 Staatsbürgerschaft, Paß- und Melderecht, Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §3, §8, §10
AVG §60, §67
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinanderdurch Abweisung des Asylantrags und Ausweisung der Beschwerdeführerinnach Ghana; kein ausreichendes Ermittlungsverfahren und keineAuseinandersetzung mit dem Beschwerdevorbringen hinsichtlich derdrohenden Genitalverstümmelung

Spruch

Die Beschwerdeführerin ist durch die angefochtene Entscheidung in dem durch das BVG BGBl. Nr. 390/1973 verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden.

Die Entscheidung wird aufgehoben.

Der Bund (Bundeskanzler) ist schuldig, der Beschwerdeführerin zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2.400,-- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Beschwerdeführerin, eine im Jahr 1975 geborene

Staatsangehörige von Ghana, stellte am 7. Dezember 2006 nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz und führte zu ihren Fluchtgründen aus, dass sie in ihrer Heimat beschnitten werden sollte und sie keinen Schutz seitens der Behörden bekommen habe. Das erste Mal habe man versucht sie zu beschneiden, als sie neunzehn oder zwanzig Jahre alt gewesen sei, das zweite Mal im Jahr 2006.

2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 6. Juni 2007 wurde der Asylantrag gemäß §3 Asylgesetz 2005, BGBl. I 100/2005 "idgF" (im Folgenden: Asylgesetz 2005) abgewiesen, der Status einer subsidiär Schutzberechtigten gemäß §8 Asylgesetz 2005 nicht zuerkannt und die Ausweisung nach Ghana gemäß §10 Asylgesetz 2005 verfügt. Das Bundesasylamt hatte der Beschwerdeführerin zuvor folgende Länderfeststellungen zur weiblichen Genitalverstümmelung vorgehalten und diese auch wortwörtlich in den Bescheid aufgenommen:

"Genitalverstümmelung (Female Genital Mutilation - FGM)

Genitalverstümmelung (Female Genital Mutilation - FGM) wird nach Art69A des ghanaischen Strafgesetzbuches mit einer Mindestfreiheitsstrafe von drei Jahren bestraft. Seit 1994 haben zwölf Strafverfahren stattgefunden, fünf Beschuldigte sind zu je mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt worden (zuletzt wurde eine Frau zu fünf Jahren Freiheitsstrafe wegen der Vornahme von FGM an mindestens sieben Mädchen verurteilt).

Die CHRAJ, Nichtregierungsorganisationen wie auch die Polizei (Women and Juvenile Unit) drängen darauf, die gesetzlichen Vorschriften dahingehend zu erweitern, dass auch die Mitwirkung bei einer Genitalverstümmelung (Festhalten des Opfers durch Bekannte oder Familienangehörige) unter Strafe gestellt wird. Genitalverstümmelung wird vor allem in den nördlichen Landesteilen praktiziert.

Die strafrechtliche Verfolgung in Ghana hat dazu geführt, dass die Praxis zum Teil in die Illegalität abgedrängt wurde. Zur Durchführung der Genitalverstümmelung wird zunehmend auch über die Grenzen nach Burkina Faso und Togo ausgewichen. Während viele afrikanische Stämme die Genitalverstümmelung im Kleinkindalter durchführen (in der Upper West Region üblicherweise bereits im Alter von zwei Wochen), findet sie bei einigen Stämmen in Ghana bei Erreichen des heiratsfähigen Alters (ca. 15 Jahre), vor der Eheschließung oder sogar noch während der Geburt des ersten Kindes statt.

Veranlasst werden die Genitalverstümmelungen jeweils von der Familie, gegen deren erklärten Willen es hierzu nicht kommt. Der soziale Druck auf die Opfer wie auch deren Familien, eine Genitalverstümmelung vornehmen zu lassen, ist im Norden Ghanas erheblich.

Man kann nicht davon ausgehen, dass sich Opfer in jedem Fall der Genitalverstümmelung entziehen können. Genitalverstümmelung wird in Einzelfällen auch gewaltsam, gegen den Willen der Opfer vorgenommen. Migration der Opfer in den Süden des Landes bietet relative, aber nicht völlige Sicherheit, da es angesichts der sehr engen und breit gefächerten Familienbeziehungen in Ghana schwierig ist, völlig unterzutauchen, zumal auch in den großen Städten im Süden bereits größere Migranten-Communities aus dem Norden ansässig sind.

Das Risiko zum Opfer zu werden, differiert stark nach Region, Stammeszugehörigkeit, Alter und Aufenthaltsort. Da Genitalverstümmelung tief in den Traditionen der praktizierenden Stämme verankert ist, kommen relativ wenige Mädchen und junge Frauen auf den Gedanken, sich ihr zu entziehen. Durch staatliche Maßnahmen (Seminare, Aufklärungskampagnen, etc.) wird versucht, einen Bewusstseinswandel bei den praktizierenden Personengruppen herbeizuführen. Nach Angaben einer Nichtregierungsorganisation im Norden Ghanas wurde die Zahl der Mädchen, an denen Genitalverstümmelung praktiziert wird, teilweise von 8% im Jahr 2002 auf etwa 3% in 2004 reduziert. Die Praxis wird öffentlich geächtet.

(AUSWÄRTIGES AMT Berlin, den 22. Januar 2007, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Ghana (Stand: Dezember 2006))"

Auf Nachfrage in der Einvernahme gab die Beschwerdeführerin vor dem Bundesasylamt an, zu diesen Feststellungen nichts anführen zu wollen.

3. In der gegen den Bescheid des Bundesasylamts erhobenen Berufung vom 26. Juni 2007 führt die Beschwerdeführerin an, dass die Länderfeststellungen nur allgemeiner Natur seien und nicht auf die einzelnen Stämme, insbesondere jenen ihres Vaters, und die Traditionen eingehen würden. Zudem würden jegliche Feststellungen zum innerstaatlichen Schutz durch die Polizei fehlen. Auch sei die Beweiswürdigung nicht nachvollziehbar. Das Thema der weiblichen Genitalverstümmelung sei ein Tabu in Ghana, die Details würden den betroffenen Frauen verschwiegen, um ihnen nicht Angst zu machen. Aus diesem Grund könne man der Beschwerdeführerin nicht vorwerfen, vage Aussagen getätigt zu haben. Auch habe sich das Bundesasylamt nicht mit den Länderfeststellungen auseinandergesetzt, aus denen klar hervorginge, dass Frauen bis ins Erwachsenenalter, auch noch während der Geburt des ersten Kindes, beschnitten werden würden. Es sei nicht nachvollziehbar, wie das Bundesasylamt zu dem Schluss käme, Beschneidungen seien im Alter der Beschwerdeführerin nicht mehr gebräuchlich. Der behauptete Widerspruch hinsichtlich des Ortes Winiba ließe sich dadurch aufklären, dass dies der Name für eine Provinz als auch für eine Stadt sei. So habe sich die Beschwerdeführerin zuerst in der Stadt Winiba und dann in Takrati, einem in der Provinz Winiba gelegenen Ort, aufgehalten. Weiters würde die Tatsache, dass seit 1994 lediglich zwölf Gerichtsverfahren durchgeführt worden seien, davon zeugen, dass das Gesetz zum Verbot der Beschneidung nicht fruchte. Auch habe die Beschwerdeführerin die Tatsache, dass nicht einmal ihr Vater den Schutz der Polizei für die Beschwerdeführerin erwirken habe können, daran zweifeln lassen, dass man ihr selbst glauben würde. Da weibliche Genitalverstümmelung überall in Ghana betrieben würde, gäbe es auch keine innerstaatliche Fluchtalternative.

Die Beschwerdeführerin gehöre somit zur sozialen Gruppe der Frauen aus Ghana, die beschnitten werden sollten. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung gebühre ihr Asyl. Zumindest hätte man ihr aber subsidiären Schutz gewähren müssen. Schließlich sei ihre körperliche Integrität durch die drohende Genitalverstümmelung gefährdet.

4. Diese Berufung (nunmehr: Beschwerde) hat der Asylgerichtshof mit gegenständlich angefochtenem Erkenntnis vom 18. Februar 2010 abgewiesen. Darin bezweifelt der Asylgerichtshof die Glaubwürdigkeit der Beschwerdeführerin, da sie nicht angeben konnte, warum sie in ihrem Alter noch beschnitten habe werden sollen. Es sei nach Auffassung des Asylgerichtshofes wenig überzeugend, dass die Beschwerdeführerin - nach einem bereits zuvor erfolgten Beschneidungsversuch, der nach den Angaben der Beschwerdeführerin an ihrer damaligen Schwangerschaft gescheitert sein soll - trotz konkreter Gefahr in das Dorf zurückgekehrt sein will. Es sei nicht überzeugend, dass eine Beschneidung der Beschwerdeführerin erst im Erwachsenenalter erfolgen sollte, und es sei unglaubwürdig, dass nur die Beschwerdeführerin, nicht aber ihre Schwester hätte beschnitten werden sollen.

Zu den Länderfeststellungen verweist die angefochtene Entscheidung einerseits auf den erstinstanzlichen Bescheid, andererseits wird zusammenfassend ausgeführt:

"Demnach ist Genitalverstümmelung in Ghana per Strafgesetz verboten. Soweit diese nun illegal durchgeführt wird, wird diese insbesondere im Norden des Landes an Kleinkindern oder bei Erreichen des heiratsfähigen Alters, vor Eheschließung und sogar während der Geburt vorgenommen. Veranlasst wird diese von der Familie. Gegen deren erklärten Willen wird die Beschneidung nicht durchgeführt, wobei der soziale Druck im Norden Ghanas erheblich sein kann (Aktenseite 167 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes, im Folgenden kurz: AS). Die Grundversorgung in Ghana ist gewährleistet und kann sich jeder überall in Ghana niederlassen (AS 181)."

Aktuelle Ermittlungen oder Feststellungen zum Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin können der Entscheidung des Asylgerichtshofes nicht entnommen werden.

5. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende Beschwerde nach Art144a B-VG, in der die Aufhebung der Entscheidung wegen Verletzung der nach Art3, 8 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte sowie des durch ArtI BVG BGBl. 390/1973 verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander und der gesetzlich zustehende Kostenersatz beantragt werden. Weiters brachte die Beschwerdeführerin vor, sie habe am 10. Mai 2009 eine Tochter zur Welt gebracht und für diese einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, der noch beim Bundesasylamt anhängig sei. Auch das Asylverfahren ihres Lebensgefährten sei noch beim Bundesasylamt anhängig.

6. Der Asylgerichtshof hat als belangte Behörde die Gerichts- und Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen und die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat zur - zulässigen - Beschwerde erhoben:

1. Nach der mit VfSlg. 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. etwa VfSlg. 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg. 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl. 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein - auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes - Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist. Eine Verletzung dieses Grundrechts liegt unter anderem vor, wenn die Behörde Willkür geübt hat.

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001).

Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (s. etwa VfSlg. 13.302/1992 mit weiteren Judikaturhinweisen, 14.421/1996, 15.743/2000). Für Entscheidungen des Asylgerichtshofes gelten sinngemäß dieselben verfassungsrechtlichen Schranken.

2. Ein solches willkürliches Verhalten ist dem belangten Asylgerichtshof vorzuwerfen:

2.1. Gemäß dem - aus dem Blickwinkel des Falles verfassungsrechtlich unbedenklichen - §23 AsylGHG sind auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt. Nach §60 AVG sind in der Begründung eines Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.

Der Asylgerichtshof ist - ungeachtet der sinngemäßen Anwendbarkeit des AVG - nicht als Berufungsbehörde eingerichtet. Anders als die Unabhängigen Verwaltungssenate und insbesondere noch der Unabhängige Bundesasylsenat ist der Asylgerichtshof nicht eine Verwaltungsbehörde, sondern ein Gericht; anders als die Bescheide jener Behörden unterliegen seine Entscheidungen nicht der nachprüfenden Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes.

Bereits aus diesen Unterschieden wird deutlich, dass die zu §67 iVm §60 AVG ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die Berufungsbehörde berechtigt ist, näher bezeichnete Teile des angefochtenen Bescheides zum Inhalt ihrer Entscheidung zu erheben, ohne sie wiederholen zu müssen (zB VwGH 4.10.1995, 95/01/0045; 24.11.1999, 99/01/0280; 8.3.1999, 98/01/0278; 25.3.1999, 98/20/0559; 30.11.2000, 2000/20/0356), auf Entscheidungen des Asylgerichtshofes nicht übertragbar ist.

Mag eine entsprechende Verweisung auf unterinstanzliche Bescheide in Bescheiden von Berufungsbehörden noch im Interesse der Verfahrensökonomie gelegen sein, so ist diese Begründungstechnik dann nicht mehr hinnehmbar, wenn die verweisende Entscheidung von einem (nicht im Instanzenzug übergeordneten) Gericht erlassen wird, welches überdies seinerseits nicht mehr der Kontrolle durch ein weiteres Gericht unterliegt.

Es widerspricht auch grundlegenden rechtsstaatlichen Anforderungen an die Begründung von Entscheidungen eines (insoweit erstinstanzlich entscheidenden) Gerichts, wenn sich Sachverhalt, Beweiswürdigung und rechtliche Beurteilung nicht aus der Gerichtsentscheidung selbst, sondern erst aus einer Zusammenschau mit der Begründung der Bescheide ergibt. Die für die bekämpfte Entscheidung maßgeblichen Erwägungen müssen aus der Begründung der Entscheidung hervorgehen, da nur auf diese Weise die rechtsstaatlich gebotene Kontrolle durch den Verfassungsgerichthof möglich ist (vgl. VfSlg. 17.901/2006, 18.000/2006, 18.632/2008).

2.2. Der erstinstanzliche Bescheid führt in den Länderfeststellungen zur Frage der Genitalverstümmelung u.a. aus, dass trotz gesetzlichen Verbotes Genitalverstümmelung in Ghana illegal vorgenommen wird, dies nicht nur im Kleinkindalter, sondern auch bei Erreichen des heiratsfähigen Alters, vor Eheschließung und sogar während der Geburt. Seit 1994 habe es (lediglich) zwölf Strafverfahren gegeben. Das Risiko, einer Genitalverstümmelung zum Opfer zu fallen, variiere je nach Region, Stammeszugehörigkeit, Aufenthaltsort und Alter.

2.3. Wie bereits zu VfSlg. 16.297/2001 festgehalten, entbindet auch in einem Fall wie diesem eine Schilderung, die kaum glaubwürdig und irreal erscheint, die Asylbehörden nicht von ihrer Pflicht, die notwendigen Ermittlungen zu tätigen:

Der Asylgerichtshof hielt die Beschwerdeführerin vor allem aufgrund ihres Alters zum Ausreisezeitpunkt für unglaubwürdig hinsichtlich ihres Vorbringens zur Gefahr der weiblichen Genitalverstümmelung. Der Asylgerichtshof hat sich jedoch trotz dahingehenden Beschwerdevorbringens nicht mit der Frage auseinander gesetzt, ob es im Alter der Beschwerdeführerin noch zu einer Beschneidung kommen könnte. Die vom Asylgerichtshof herangezogenen Länderfeststellungen halten aber gerade fest, dass es in Ghana zu Genitalverstümmelungen auch an erwachsenen Frauen, zum Teil sogar noch während sie ein Kind gebären, kommt. Insofern ist die Erledigung des Asylgerichtshofes grob widersprüchlich.

Auch vermag der Entscheidung keine Auseinandersetzung mit dem weiteren Beschwerdevorbringen zu den, vom Bundesasylamt angeführten Widersprüchen entnommen werden. Der Asylgerichtshof hätte sich von der Glaubwürdigkeit der Beschwerdeführerin ein eigenes Bild machen müssen.

Angesichts des Beschwerdevorbringens gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vermögen auch die Länderfeststellungen des Bundesasylamtes die vom Asylgerichtshof gezogenen Schlussfolgerungen, vor allem zur innerstaatlichen Fluchtalternative, nicht zu stützen (vgl. VfSlg. 18.436/2008, 18.590/2008).

Schließlich fehlt es der Entscheidung des Asylgerichtshofes an jeglichen Ermittlungen und Feststellungen zum Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin. So fehlt in diesem Zusammenhang vor allem eine Bezugnahme auf die minderjährige, 2009 geborene Tochter der Beschwerdeführerin, deren Asylverfahren dem Beschwerdevorbringen nach noch beim Bundesasylamt anhängig ist und als deren gesetzliche Vertreterin die Beschwerdeführerin fungiert.

2.4. Dieses Unterlassen der Ermittlungstätigkeit in mehreren wesentlichen Punkten und die mangelnde Begründung führen dazu, dass die Beschwerdeführerin in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt ist.

3. Die angefochtene Entscheidung war daher aufzuheben.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§88a iVm 88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 400,-- enthalten.

Eine mündliche Verhandlung war entbehrlich (§19 Abs4 erster Satz VfGG).

Schlagworte

Asylrecht, Ausweisung, Ermittlungsverfahren, Bescheidbegründung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2010:U533.2010

Zuletzt aktualisiert am

21.11.2011
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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