TE AsylGH Erkenntnis 2009/03/10 A1 254111-2/2009

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Veröffentlicht am 10.03.2009
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Spruch

A1 254.111-2/2009/2E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Druckenthaner als Einzelrichter über die Beschwerde des M.M. alias S.M. alias B.S. alias M.Z. alias M.H. alias H.P. alias S.A. alias B.A. alias B.I. alias H.H., StA. Marokko, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 4.2.2008, Zahl 08 12.463-EAST-Ost, zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gem. § 68 AVG und § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG abgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe :

 

Verfahrensgang:

 

Der Beschwerdeführer beantragte erstmals am 5.8.2004 beim Bundesasylamt die Gewährung von Asyl. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 30.8.2004 wurde der Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgewiesen, die Abschiebung nach Marokko für zulässig erklärt und der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen. Dagegen erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde, welche mit Erkenntnis des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 27.10.2004, Zl. 254.111/0-III/07/04, gemäß §§ 8 AsylG iVm 57 FrG, §§ 6 Abs1 3 iVm 8 Abs. 2 AsylG abgewiesen wurde. Gegen diese Entscheidung wurde Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof erhoben, der am 26.6.2006, Zl. 2008/01/0016-7, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufhob. Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 21.11.2006, Zl. 254.111/5-III/07/06, wurde gemäß § 32a Abs. 2 AsylG 1997 der Berufung stattgegeben und die Angelegenheit zu neuerlichen Durchführung des Verfahrens und Erlassung eines Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen. Mit Bescheid vom 31.1.2007, Zl. 04 15.782-BAT wurde der Asylantrag schließlich abgewiesen, die Abschiebung nach Marokko für zulässig erklärt und der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Marokko ausgewiesen. Die Zustellung wurde durch die postamtliche Hinterlegung am 7.2.2007 bewirkt. Der Beschwerdeführer erhob dagegen keine Berufung und der Bescheid des Bundesasylamtes vom 31.1.2007 erwuchs mit 21.2.2007 in Rechtskraft.

 

Am 11.12.2008 stellte der Beschwerdeführer im Polizeianhaltezentrum in Wien neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde diesbezüglich am 11.12.2008 von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes und am 27.1.2009 vom Bundesasylamt niederschriftlich einvernommen. Mit Bescheid des Bundesasylamtes Zahl:

 

08 12.463-EAST-Ost vom 4.2.2008 (gemeint: 4.2.2009) wurde der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen und der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Marokko ausgewiesen. Dagegen erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde.

 

Über die Beschwerde hat der Asylgerichtshof in nicht öffentlicher

Sitzung wie folgt erwogen:

 

Zuständigkeit:

 

Anzuwenden war gegenständlich das Asylgesetz 2005, BGBl. I. Nr. 4/2008 (im folgenden AsylG 2005), das AVG, BGBl. I Nr. 51/1991 idgF, da der Beschwerdeführer seinen neuerlichen Antrag auf Gewährung auf internationalen Schutz im Jänner 2009 stellte.

 

Gemäß § 9 Abs. 1 AsylGHG, BGBl. I Nr. 4/2008 idgF entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, soweit eine Entscheidung durch einen Einzelrichter oder Kammersenat nicht bundesgesetzlich vorgesehen ist. Gemäß § 60 Abs. 3 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide nach den §§ 4 und 5 AsylG 2005 und nach § 68 AVG durch Einzelrichter. Gemäß § 42 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof bei Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung oder Rechtsfragen, die sich in einer erheblichen Anzahl von anhängigen oder in naher Zukunft zu erwartenden Verfahren stellt, sowie gemäß § 11 Abs. 4 AsylGHG, wenn im zuständigen Senat kein Entscheidungsentwurf die Zustimmung des Senates findet durch einen Kammersenat.

 

Im vorliegenden Verfahren liegen weder die Voraussetzungen für eine Entscheidung durch einen Senat noch die für eine Entscheidung durch den Kammersenat vor.

 

In der Sache selbst:

 

§ 68 Abs. 1 AVG lautet:

 

Vorbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der § 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, sind, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

 

Das Bundesasylamt hat ein mängelfreies Verfahren durchgeführt und hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides die maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Der Asylgerichtshof schließt sich den Ausführungen des Bundesasylamtes im erstinstanzlichen angefochtenen Bescheid - siehe sogleich - an und erhebt diese zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses.

 

Das Bundesasylamt führte im Bescheid Zahl: 08 12.463-EAST-Ost mit welchem der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde zutreffend aus:

 

Im gegenständlichen Verfahren wurde von Ihnen bekannt gegeben, dass Ihre Fluchtgründe noch immer die gleichen wären, wie in Ihrem ersten Verfahren. Zu diesen Gründen ist anzuführen, dass in Ihrem rechtskräftig abgeschlossenen Erstverfahren sowohl die zur Entscheidung berufenen Erstbehörde als der Unabhängige Bundesasylsenat zum Ergebnis kamen, dass der maßgebende, von Ihnen zum Fluchtgrund bekannt gegebene Sachverhalt, nicht den Tatsachen entspricht.

 

Betreffend der Unglaubwürdigkeit Ihres Vorbringens im Erstverfahren wird auf die Ausführungen und Feststellungen in den Bescheiden des Bundesasylamtes und des Unabhängigen Bundesasylsenates (04 15.782 BAT) verwiesen.

 

Der zur Entscheidung berufene Organwalter des Bundesasylamtes gelangt aufgrund der vorstehenden Ausführungen somit insgesamt zur Ansicht, dass Ihr Vorbringen zum gegenständlichen Asylverfahren insofern keinen glaubhaften Kern aufweist, als dass Sie kein über den Rahmen des Erstverfahren hinausgehendes glaubhaftes Vorbringen erstatten konnte.

 

Das Bundesasylamt ist völlig zutreffend vom Vorliegen einer "entschiedenen Sache" ausgegangen, da sich der Beschwerdeführer lediglich auf Umstände bezieht, die bereits im ersten Asylverfahren umfassend beurteilt wurden und explizit sogar zugibt: "Ich habe keine neuen Fluchtgründe. Die Fluchtgründe aus dem Erstverfahren sind aufrecht.". Damit kann kein neuer Sachverhalt begründet werden.

 

Die Beschwerde ist nicht geeignet, zu einem vom Bundesasylamt abweichenden Ergebnis zu gelangen:

 

Der Beschwerdeführer hat in seiner Beschwerde nicht einmal ansatzweise versucht, der Bescheidbegründung des Bundesasylamtes entgegenzutreten. So begehrt er lediglich ohne nähere Ausführungen eine neuerliche Nachprüfung seines Falles und zwar "aus mehreren Gründen. Darunter die menschliche Situation, die im Akt bei Ihnen dargelegt ist."

 

Das Bundesasylamt hat - so wie im ersten vom Beschwerdeführer initiierten Asylverfahren - umfassende Sachverhaltsfeststellungen getroffen und zur Lage um Herkunftsstaat Folgendes festgestellt:

 

Die diesbezügliche Änderung der Situation in Marokko hat jedoch auf die von ihnen vorgebrachten und als nicht glaubwürdig erachteten Gründe sich nicht entscheidungsrelevant geändert, sodass nunmehr von einer in Bezug auf Ihre Person nicht beachtlichen Änderung der Situation ausgegangen werden kann.

 

Weder aus Ihrem Vorbringen im gegenständlichen Verfahren, noch aus den im Erstverfahren zugrunde gelegten Feststellungen zu Ihrem Heimatland, unter Berücksichtigung von aktualisierten Versionen des im Erstverfahren verwendeten Quellenmaterials, gehen Hinweise auf eine seit dem rechtskräftigen Abschluss des Erstverfahrens maßgeblich geänderte Lage in Ihrem Heimatland hervor.

 

Die Beschwerde bleibt nun gänzlich schuldig, inwiefern durch die Überprüfung seines Falles für den Beschwerdeführer etwas gewonnen wäre, da er lediglich lapidar begehrt, seinen Fall noch einmal zu überprüfen.

 

Der Beschwerdeführer hat also davon Abstand genommen, näher darzulegen, was zu einem vom erstinstanzlichen Bescheid abweichenden Ergebnis führen könnte.

 

Hinsichtlich der Ausweisungsentscheidung (Spruchpunkt II. des erstinstanzlichen Bescheides) brachte der Beschwerdeführer in der Beschwerde lediglich vor, dass seine Frau in einem Monat ein Kind erwarte und sie alleine sei da er sich im Gefängnis befindet.

 

Das Bundesasylamt hat im erstinstanzlichen Bescheid hinsichtlich der Ausweisung zutreffend ausgeführt:

 

...

 

Gem. Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts auf das Privat- und Familienleben nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, welche in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, der Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist. Ausgangspunkt der Abwägung ist die Verankerung im Aufenthaltsstaat und die Konsequenzen der Ausweisung für etwaige familiäre Bindungen.

 

Hiefür können insbesondere folgende Umstände bedeutend sein, wie etwa die Dauer und Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes; Intensität der familiären Bindungen, insbesondere Dauer der Ehe und die Anzahl sowie das Alter der Kinder; Konsequenzen der Beeinträchtigungen dieser Bindungen (z.B. bei Kindern, bei Behinderten); reale Möglichkeit, das Familienleben anderswo zu führen, die aufgrund rechtlicher Hindernisse aber auch infolge Unzumutbarkeit für die mit betroffenen Familienmitglieder fehlen kann; begangene strafbare Handlungen, Rückfälle.

 

Neben diesen Kriterien sind aber gleichzeitig auch die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern zu berücksichtigen, "zumal etwa das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist" (VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479).

 

Dazu ist zu berücksichtigen, dass die Beziehung zur Gattin bzw. Lebensgefährtin zu einem Zeitpunkt entstand, zu dem Ihr Asylverfahren bereits rechtskräftig negativ entschieden war. Bereits zu diesem Zeitpunkt war Ihnen somit bekannt, bzw. musste ihnen bei gehöriger Sorgfältigkeit bekannt sein, dass ein gemeinsames Leben in Österreich nur begrenzt möglich sein würde, solange Ihnen. keine Aufenthaltsberechtigungen für Österreich zustehen würde.

 

Aufgrund dieser Umstände ergibt sich, dass die Ausweisung Ihrer Person in Österreich dringend zur Erreichung der Artikel 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele geboten ist. Ihre diesbezüglichen persönlichen Gründe sind nicht geeignet, das öffentliche Interesse hinsichtlich eines geordneten Fremdenwesens aufzuwiegen.

 

Wie bereits weiter oben angeführt, kann die Familienzusammenführung mit sich in Österreich befindlichen Angehörigen nicht die Aufgabe des Asylverfahrens sein, wären doch sonst die diesbezüglichen Bestimmungen betreffend eines geordneten Fremdenwesens überflüssig. Im Zuge des gegenständlichen Verfahrens haben sich somit insgesamt keine Umstände ergeben, die für eine Entscheidung zu Ihren Gunsten sprechen würden.

 

Soweit durch Ihren mittlerweile zweiten Asylantrag im Bundesgebiet entstandenen privaten Interessen von der Ausweisung betroffen sind, ist anzuführen, dass im gegenständlichen Fall der Aufenthalt in Österreich durch die Einreise unter Umgehung der Grenzkontrolle und anschließender Stellung eines Asylantrages begründet wurde. Die Dauer Ihres Aufenthaltes ergibt sich aus dem wiederholten Ergreifen von ordentlichen Rechtsmitteln und durch neuerliche Asylantragstellungen. Es kann daher nicht im Nachhinein das Argument der Dauer des Aufenthaltes als besonders gewichtiges privates Interesse herangezogen werden, weil die lange Aufenthaltsdauer zum überwiegenden Teil auf Ihre Handlungen zurückzuführen sind und Ihnen immer der Umstand bekannt sein musste, dass diese Handlungen nicht zwingend zu einem dauernden Aufenthalt in Österreich führen müssen, sondern die realistische Wahrscheinlichkeit besteht, dass der vorübergehend legale Aufenthalt durch die Erschöpfung des Instanzenzuges beendet wird. Die durch den langen Aufenthalt entstandenen privaten Interessen sind daher nur minder schutzwürdig. Die gegenteilige Ansicht würde in letzter Konsequenz Fremden die Möglichkeit eröffnen durch bewusste Prolongierung aussichtsloser Asylverfahren in Österreich einen legalen Aufenthalt zu ersitzen, was im eklatanten Widerspruch zu jenen Normen, welche die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, stünde und den öffentlichen Interessen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung entgegenstünde. Sie sprechen zwar deutsch, sind kein Mitglied bei einem Verein oder einer Organisation und haben auch kein Eigentum in Österreich erworben.

 

Demgegenüber stehen die öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Artikel 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (VwGH 16.01.2001, Zl. 2000/18/0251, uva).

 

Es ist nach der Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Notwendigkeit einer Ausweisung von Relevanz, ob der Fremde seinen Aufenthalt vom Inland her legalisieren kann. Ist das nicht der Fall, könnte sich der Fremde bei der Abstandnahme von der Ausweisung unter Umgehung der aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen den tatsächlichen Aufenthalt im Bundesgebiet auf Dauer verschaffen, was dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenrechts zuwiderlaufen würde.

 

Es Ihnen auf Grund geltender Rechtslage (§ 21 NAG) aufgrund Ihrer illegaler Einreise nicht möglich Ihren Aufenthalt vom Inland aus zu legalisieren, was aufgrund der fehlenden Subsumierbarkeit des hier vorliegenden Sachverhaltes unter die Ausnahmen des § 21 (2) NAG auch den offenkundigen Willen des Gesetzgebers entspricht, weshalb Sie schon allein deshalb schon eine Ausreiseverpflichtung trifft und daher mit einer Ausweisung vorzugehen ist. Der EGMR führte zu diesem Themenkreis auf seine Vorjudikatur (Rodrigues da Silva and Hookkamer v. the Netherlands vom 31. Jänner 2006, Zahl 50435/99) verweisend aus, dass Personen, welche die Behörden eines (Vertrags-)Staates ohne die geltenden Rechtsvorschriften zu erfüllen, als fait accompli mit ihrem Aufenthalt konfrontieren, grundsätzlich keinerlei Berechtigung haben, mit der Ausstellung eines Aufenthaltstitels zu rechnen. Es könnte eine Ausweisung allenfalls insbesondere dann eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen, wenn zum Zeitpunkt Ihrer Einreise nach Österreich vernünftiger Weise erwarten konnten, Ihr Familien- oder Privatleben in Österreich weiterzuführen. Konnten Sie zum Zeitpunkt der Einreise hiervon vernünftiger Weise nicht ausgehen, so erscheinen Sie im Sinne des Art. 8 EMRK grundsätzlich nicht schützenswert. Da Sie die beschwerliche und nicht ungefährliche (im Sinne hoher Kosten und Unwägbarkeiten bzw. Unsicherheiten) Art der illegalen Einreise der legalen Antragsstellung bei einer Vertretungsbehörde vorzogen, ist davon auszugehen, dass Sie selbst nicht von der Möglichkeit der legalen Einreise ins Bundesgebiet ausgehen konnten und faktisch auch nicht ausgegangen sind, wodurch die voranstehenden Ausführungen vollinhaltlich auf Ihren Fall anwendbar sind.

 

Zweifellos sind aus der Dauer Ihres bisherigen Aufenthalts und der Tatsache, dass Sie sich grundsätzlich ins Bundesgebiet begeben haben bzw. hier weiterhin verweilen private Interessen an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet ableitbar.

 

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat sich im Urteil vom 8. April 2008 (rk. 8.Juli 2008), NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06 zum Fall einer seit 27.10.1998 als Asylwerberin im Vereinigten Königreich (UK) aufhältigen ugandischen Staatsangehörigen mit der Frage der Interessensabwägung zwischen einem während des Asylverfahrens begründeten Privatleben und dem öffentlichen Interesse an einer effektiven Zuwanderungskontrolle und damit verbundenen Abschiebung erfolgloser Asylwerber im Hinblick auf Artikel 8 EMRK auseinandergesetzt: Die zuständige Kammer des EMGR kommt im Hinblick auf Artikel 8 EMRK zu dem Schluss, dass es nicht erforderlich ist, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob (in diesem Fall) durch das Studium der Beschwerdeführerin im UK, ihr Engagement in der Kirche sowie ihre Beziehung unbekannter Dauer zu einem Mann während ihres fast 10-jährigen Aufenthalts ein Privatleben iS von Art. 8 EMRK entstanden ist. Dies begründet sie damit, dass im vorliegenden Fall auch das Bestehen eines Privatlebens ohne Bedeutung für die Zulässigkeit der Abschiebung wäre, da einerseits die beabsichtigte Abschiebung im Einklang mit dem Gesetz steht und das legitime Ziel der Aufrechterhaltung und Durchsetzung einer kontrollierten Zuwanderung verfolgt; und andererseits jegliches zwischenzeitlich etabliertes Privatleben im Rahmen einer Interessenabwägung gegen das legitime öffentliche Interesse an einer effektiven Einwanderungskontrolle NICHT dazu führen könnte, dass ihre Abschiebung als unverhältnismäßiger Eingriff zu werten wäre.

 

Die zuständige Kammer merkt dazu an, dass es sich hier im Gegensatz zum Fall ÜNER gg. Niederlande (EGMR Urteil vom 05.07.2005, Nr. 46410/99) bei der Beschwerdeführerin um keinen niedergelassenen Zuwanderer handelt, sondern ihr niemals ein Aufenthaltsrecht erteilt wurde und ihr Aufenthalt im UK daher während der gesamten Dauer ihres Asylverfahrens und ihrer humanitären Anträge unsicher war. Ihre Abschiebung in Folge der Abweisung dieser Anträge wird auch durch eine behauptete Verzögerung der Behörden bei der Entscheidung über diese Anträge nicht unverhältnismäßig.

 

Die zuständige Kammer des EGMR differenziert im Hinblick auf die Interessenabwägung zwischen dem Privatleben eines Fremden und dem öffentlichen Interesse an einer Ausweisung ausdrücklich zwischen im Aufenthaltsstaat rechtsmäßig niedergelassenen und bloß aufgrund ihres Status als Asylwerber vorübergehend zum Aufenthalt berechtigten Fremden. Dies ist insofern im Einklang mit der österreichischen höchstgerichtlichen Judikatur als sowohl VwGH als auch VfGH von einer unterschiedlichen Gewichtung der Interessen eines bislang legal aufhältigen Fremden und eines bloß aufgrund seines Asylantrags zum Aufenthalt berechtigten Fremden ausgehen (Vgl. ua VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479 sowie VfGH 17.03.2005, G78/04). Kern dieser Erwägungen ist somit die Frage, ob bzw. in welchem Zeitraum der Betreffende Fremde zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt war bzw. ist.

 

Es kam Ihnen im Zeitraum Ihres Aufenthalts im Bundesgebiet nie ein (nicht auf das Asylrecht begründetes) und dauerhaftes Aufenthaltsrecht zu, wodurch auch dieser Tatbestand vollinhaltlich auf Ihren konkreten Fall anwendbar ist. Eine gegenteilige Ansicht widerspräche den Bestimmungen des Fremdenrechts, welche den Zuzug von Fremden ins Bundesgebiet regeln und würde in letzter Konsequenz bedeuten, dass diese Bestimmungen durch den faktischen Vollzug des Fremdenrechts durch Einreise unter Umgehung der Grenzkontrolle in der Rechtswirklichkeit de facto außer Kraft gesetzt werden würden.

 

Es wird besonders darauf hingewiesen, dass es sich im Gegenständlichen um kein durch besondere Umstände qualifiziertes privates Interesse an einem Aufenthalt im Bundesgebiet handelt, welches im Einzelfall zu einem anderen Resultat führen könnte. Wie bereits angeführt, sind die Dauer Ihres Aufenthalts und die daraus resultierenden privaten Interessen ausschließlich auf Ihre eigenen rechtswidrigen Handlungen zurückzuführen, was unter Berücksichtigung prozessualer Grundsätze kein Recht auf Schutz Ihres privaten Interesses an einem dauernden Aufenthalt im Bundesgebiet ergibt.

 

Dazu wird angemerkt, dass insbesondere aufgrund Ihres als nicht glaubhaft erachteten Vorbringens und aufgrund der allgemeinen Lage im Herkunftsland kein Rückkehrhindernis irgendeiner Art nach Marokko ersichtlich ist. Diesbezüglich haben die im Erstverfahren getroffenen Refoulement relevanten Feststellungen, nach wie vor ihre Gültigkeit. Betreffend die von Ihnen im gegenständlichen Verfahren angeführten Rückkehrbefürchtungen ist neben deren Unglaubhaftigkeit gleichfalls anzuführen, dass sich die von Ihnen. behaupteten Ereignisse, auf welche Sie Ihre jetzigen Rückkehrbefürchtungen stützten, sich vor Ihrer Ausreise zugetragen haben, Ihnen diese bereits vor der Antragstellung zum Erstverfahren bekannt waren und somit im Hinblick auf den Zeitpunkt der Rechtskraft des Erstverfahren, gegenwärtig ebenso einen unveränderten Sachverhalt darstellen, weswegen sich zum jetzigen Zeitpunkt auch hinsichtlich der im Erstverfahren getroffenen Feststellung der Zulässigkeit Ihrer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Marokko ebenfalls keine Änderung ergeben hat und diese daher nach wie vor für zulässig erachtet wird.

 

Aufgrund dieser Überlegungen ist daher im Rahmen einer Gesamtbetrachtung festzustellen, dass Ihren privaten Interesse an einem weiteren Aufenthalt in Österreich im Rahmen einer Interessensabwägung ein wesentlich geringerer Stellenwert zukommt als den öffentlichen Interessen an einer Beendigung Ihres Aufenthaltes im Bundesgebiet. Die gegenteilige Ansicht würde dazu führen, dass Fremde, welche die unbegründete bzw. rechtsmissbräuchliche Asylantragstellung bzw. eine illegale Einreise unterlassen, letztlich schlechter gestellt wären, als Fremde, welche genau zu diesen Mitteln greifen, was zu einer unsachlichen Differenzierung der Fremden untereinander führen würde (vgl. hierzu auch das Estoppel-Prinzip).

 

Das Bundesasylamt hat völlig zutreffend ausgeführt, dass der Beschwerdeführer die Beziehung zu seiner Gattin bzw. Lebensgefährtin zu einem Zeitpunkt begründete, als sein Asylverfahren bereits rechtskräftig negativ entschieden war. Somit war ihm bereits zu diesem Zeitpunkt bekannt, dass ihm in Österreich kein dauerhaftes Familienleben möglich sein wird.

 

Zusätzlich ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer während seines Aufenthaltes im Bundesgebiet insgesamt sieben Mal rechtskräftig strafgerichtlich zu längeren Freiheitsstrafen verurteilt wurde, zuletzt mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien, wegen des Vergehens nach §§ 27 Abs. 1 und 2 Z 2,

1. Fall SMG, § 15 StGB, § 27 Abs. 1 1. und 2. Fall zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten. Bemerkenswert ist auch, dass der Beschwerdeführer somit während seines Aufenthaltes in Österreich zum größten Teil in den verschiedenen Haftanstalten wohnhaft war. Dies spricht jedenfalls gegen eine im Sinne des Art 8 EMRK schützenswerte Integration des Beschwerdeführers.

 

Aus den dargelegten Gründen erfolgte also auch der Ausweisungsausspruch des Bundesasylamtes völlig zu Recht.

 

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt anzusehen war, war von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

 

Es war spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Ausweisung, familiäre Situation, Familienzusammenführung, Interessensabwägung, Privatleben, Prozesshindernis der entschiedenen Sache, strafrechtliche Verurteilung
Zuletzt aktualisiert am
28.04.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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