TE AsylGH Erkenntnis 2009/03/09 B4 205764-5/2008

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Veröffentlicht am 09.03.2009
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Spruch

B4 205.764-5/2008/9E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Florian NEWALD als Vorsitzenden und die Richterin Mag. Karin WINTER als Beisitzerin über die Beschwerde des B.H., kosovarischer Staatsangehöriger, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 8.2.2004, Zl. 02 27.755-BAL, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß § 7 des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002, und § 8 Abs. 1 des Asylgesetzes 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 (AsylG), mit der Maßgabe abgewiesen, dass die Wortfolge "nach Serbien-Montenegro, Provinz Kosovo" in Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides durch die Wortfolge "in die Republik Kosovo" ersetzt wird.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Der Beschwerdeführer reiste zuletzt am 14.7.2002 (im Hinblick auf eine ihm am 12.3.2002 von der Bezirkhauptmannschaft Eferding erteilte und bis 16.8.2002 gültige Aufenthaltserlaubnis als Saisonarbeitskraft legal) nach Österreich ein und beantragte am 14.9.2002 die Gewährung von Asyl.

 

2. Am 10.12.2002 beim Bundesasylamt zu seinem Asylantrag niederschriftlich einvernommen, gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen Folgendes an: Er sei jugoslawischer Staatsangehöriger, gehöre der albanischen Volksgruppe an, sei muslimischen Glaubens und stamme aus der im Kosovo gelegenen Gemeinde R.. Seit 1993 habe er sich jedes Jahr als Saisonarbeiter in Österreich aufgehalten. In den Jahren 1998 und 1999 habe im Kosovo Krieg geherrscht; in dieser Zeit sei er zwei Jahre lang als Asylwerber in Österreich gewesen. Nachdem er aber einen negativen Bescheid erhalten hätte, sei er in den Kosovo zurückgekehrt. Dann sei er wieder mit einem für sechs Monate gültigen Visum nach Österreich gekommen und habe hier wieder gearbeitet. Sein Visum sei immer wieder verlängert worden. Am 13.7.2002 sei der Beschwerdeführer wieder "zu Hause" gewesen. Die "UCK-Bande" habe ihn vertrieben. Die Mitglieder dieser Bande seien (erg.: während der kriegerischen Auseinandersetzungen im Kosovo) vertrieben gewesen. Der Beschwerdeführer sei geschlagen worden und man habe ihn auch umbringen wollen, es sei an einem Freitag gewesen. Der Beschwerdeführer sei dann noch am gleichen Tag zu seiner Tante gefahren. Der Beschwerdeführer habe erfahren, dass später auch sein Vater verprügelt worden und er selbst zu Hause gesucht worden sei. An dem Tag, an dem der Beschwerdeführer Probleme bekommen habe, sei er von zu Hause weggegangen, zwei Tage später sei er geflüchtet. Den Vorfall, bei dem er geschlagen worden sei, schilderte der Beschwerdeführer folgendermaßen: Er sei in ein Café gegangen; dort sei eine Gruppe von "UCK-Banditen" an einem Tisch gesessen. Man habe ihn gefragt, warum er denn kein Geld für die UCK geschickt habe. Dann sei er geschlagen worden und geflüchtet. Um Mitternacht sei die Bande dann auch in sein Elternhaus gekommen, habe dort nach ihm gesucht und seinen Vater geschlagen. Befragt, was er im Falle einer Rückkehr erwarte, gab der Beschwerdeführer an, dass sie ihn umbringen könnten; sein Vater sei schon insgesamt dreimal geschlagen worden. Probleme mit Polizei oder Behörden, UNMIK oder KFOR habe er nie gehabt. Auf die Frage, ob er in einer Partei oder politisch tätig gewesen sei, gab der Beschwerdeführer an, dass er vor dem Krieg Mitglied der LDK gewesen sei. Er habe den Vorfall nicht bei der Polizei, UNMIK oder der KFOR angezeigt, da man im Kosovo umgebracht werde, wenn man zur KFOR gehe. Auf die Frage, von wem er umgebracht worden wäre, verwies der Beschwerdeführer auf die "UCK-Banditen". Die Frage, ob er jemanden davon gekannt habe, verneinte der Beschwerdeführer; sie seien maskiert gewesen. Auf Vorhalt, dass der Beschwerdeführer ausgeführt habe, dass sich der Vorfall in einem Café zugetragen habe, und die Frage, ob man in R. maskiert in einem Café sitze, meinte der Beschwerdeführer, dass die Personen im Café sicherlich andere Personen gewesen seien. Auf die Frage, was dann mit den Personen im Café gewesen sei, brachte er vor, diese hätten ihn geschlagen und sicherlich die anderen, maskierten Leute aufgehetzt. Die weitere Frage, ob auch die maskierten Männer ihm etwas getan hätten, beantwortete der Beschwerdeführer dahingehend, dass er geflüchtet sei und er zuvor die Personen gemeint habe, die zu ihm nach Hause gekommen seien und seinen Vater geschlagen hätten. Er habe sichtbare Verletzungen gehabt und dies auch seinem Arbeitgeber in Österreich gezeigt, woraufhin sein Rechtsvertreter die schriftlichen Einvernahme des Arbeitgebers beantragte.

 

3. Mit Schriftsatz vom 27.12.2002 führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen Folgendes aus: Weder UNMIK noch KFOR würden ausreichenden Schutz bieten, um die Einhaltung der Menschenrechte "insbesondere von Angehörigen der Ethnie der Kosovo-Albaner" zu gewährleisten. Im Jahresbericht vom Amnesty International Deutschland 2002 werde ausgeführt, dass es nach wie vor zu Gewaltverbrechen "gegen Angehörige von Minderheiten, wie Serben, Roma, Moslem sowie Kosovo-Albaner" komme und nur wenige Täter "straflich" zur Verantwortung gezogen würden. Vor diesem Hintergrund sei auch der Übergriff im Juli 2002 zu sehen, "wo Angehörige bzw. ehemalige Angehörige der UCK bzw. der UCPMB" nicht nur den Beschwerdeführer, sondern auch dessen Vater verprügelt hätten. Bei den vom Beschwerdeführer geschilderten Vorfällen handle es sich um kein Einzelschicksal, sondern um Menschenrechtsverletzungen trotz Präsenz internationalen Einheiten. Dass solche an der Tagesordnung stünden, ergebe sich aus dem genannten Bericht von Amnesty International, wonach überdies die unsichere Lage massive Auswirkungen auf Minderheiten habe. Eine inländische Fluchtalternative liege nicht vor, sodass die Flucht des Beschwerdeführers nach Österreich der einzige Ausweg gewesen sei, um ein menschenwürdiges Dasein zu führen. Auch bleibe der Antrag auf Einvernahme des Arbeitgebers aufrecht, und zwar zum Beweis dafür, dass unmittelbar nach der Rückkehr des Beschwerdeführers aus dem Kosovo erhebliche Verletzungen auf seinem Rücken ersichtlich gewesen seien.

 

4. Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 Asylgesetz 1997 idF vor der Novelle BGBl I Nr. 101/2003 ab (Spruchpunkt I.) und erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers "nach Serbien-Montenegro, Provinz Kosovo" gemäß § 8 leg. cit für zulässig (Spruchpunkt II.). Das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers erachtete das Bundesasylamt als unglaubwürdig, seine Angaben seien zu "blass", wenig detailreich und oberflächlich; auch sei nicht plausibel, dass es der Beschwerdeführer unterlassen habe, sich an die Behörden oder die Polizei zu wenden, obwohl er behauptet habe, mit diesen nie Probleme gehabt zu haben. Weiters sie die vom Beschwerdeführer behauptete "Angst" in Hinblick auf die allgemeinen Verhältnisse im Kosovo nicht nachvollziehbar. Von der zeugenschaftlichen Einvernahme des Arbeitgebers des Beschwerdeführers sei abgesehen worden, da der Zeuge mangels Anwesenheit im Kosovo keine Aussagen darüber hätte machen können, wie die vom Beschwerdeführer behaupteten Verletzungen entstanden seien. Die Angaben des Beschwerdeführers in seiner Stellungnahme seien insofern nicht schlüssig, als er dort auf die Situation von Minderheitsangehörigen Bezug nehme, obwohl er selbst einer solchen nicht angehöre. Die Behauptung, Angehörige der UCPMB hätten den Beschwerdeführer und dessen Vater verprügelt, sei insofern unglaubwürdig, als es unwahrscheinlich sei, dass ehemalige Angehörige dieser Organisation, die aus Südserbien stammten, sich ins entfernte R. begeben würden, um den Beschwerdeführer und seinen Vater zu schlagen. Auch sei nicht bekannt, dass es Übergriffe von ehemaligen Mitgliedern der UCPMB gegen Privatpersonen im Kosovo gegeben habe. Die Abweisung des Asylantrages begründete das Bundesasylamt überdies damit, dass angenommen werden müsse, dass die staatlichen Behörden des Herkunftsstaates willens und auch in der Lage seien, dem Beschwerdeführer Schutz vor Verfolgung zu gewähren. Zur Refoulement-Entscheidung wies das Bundesasylamt darauf hin, es gebe keine Anhaltpunkte dafür, dass im Kosovo gegenwärtig eine extreme Gefahrenlage herrsche, in der praktisch jeder der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Artikel 3 EMRK geschützten Rechtsgüter ausgesetzt sei. Auch sei die Grundversorgung der zurückkehrenden Kosovo-Albanern gesichert.

 

5. Gegen beide Spruchpunkte dieses Bescheides richtet sich die rechzeitige - nunmehr als Beschwerde zu wertende - Berufung. Darin wird das vor dem Bundesasylamt geschilderte Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers wiederholt und insofern erläutert, als es sich bei den ehemaligen UCK-Mitgliedern um Maskierte gehandelt habe, weshalb der Beschwerdeführer in Ermangelung einer exakten Täterbeschreibung den Vorfall nicht zur Anzeige habe bringen können. Wesentlicher Grund der Unterlassung einer Anzeige sei jedoch gewesen, dass der Beschwerdeführer davon ausgegangen sei, dass diese ihre Drohung, ihn zu töten verwirklichen würden, und er abermals Misshandlungen und Schlägen, jedoch diesmal heftigerer Art, ausgesetzt sein würde. Überdies übersehe das Bundesasylamt, dass die asylrelevanten Tatsachen des Beschwerdeführers nicht bewiesen, sondern bloß glaubhaft gemacht werden müssten. Außerdem sei der Beschwerdeführer durch die Unterlassung der Einvernahme seines Arbeitgebers zu den Verletzungsfolgen in seinen Parteirechten verletzt worden.

 

6. Mit Schreiben vom 6.2.2009 teilte der Asylgerichtshof den Verfahrensparteien mit, dass er davon ausgehe, dass der Beschwerdeführer nunmehr Staatsangehöriger der Republik Kosovo sei, und übermittelt ihnen zugleich vorläufige Sachverhaltsannahmen zur Situation in der Republik Kosovo.

 

7. Mit Schriftsatz vom 23.2.2009 nahm der Beschwerdeführer dazu Stellung (vgl. dazu Pkt. II.1.2.4.); vom Bundesasylamt langte hingegen keine Äußerung ein.

 

II. Der Asylgerichtshof erwogen:

 

1. Festgestellt wird:

 

1.1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Republik Kosovo, gehört der albanischen Volksgruppe an, ist muslimischen Bekenntnisses und stammt aus der kosovarischen Gemeinde R..

 

Dies ergibt sich aus den diesbezüglichen glaubwürdigen Angaben des Beschwerdeführers. Zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers ist darauf hinzuweisen, dass er in seiner Stellungnahme der Annahme des Asylgerichtshofes, er sei nunmehr kosovarischer Staatsangehöriger, nicht entgegen getreten ist (vgl. überdies das Papier des [dt.] Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom Mai 2008, Kosovo Länderreport, Band 1, 17f).

 

1.2. Zur Situation in der Republik Kosovo:

 

1.2.1.a. Allgemeines:

 

Im Kosovo, einem Gebiet von ca. 11.000 qkm, leben ca. 2,1 Millionen Menschen, davon 92 Prozent ethnische Albaner, 5,3 Prozent Serben, 0,4 Prozent Türken, 1,1 Prozent Roma sowie 1,2 Prozent anderer Ethnien. Die Amtssprachen sind Albanisch und Serbisch, auf Gemeindeebene auch Bosnisch, Romanes und Türkisch. (Quelle:

Kosovo-Bericht 20.3.2008 von Obstlt. Andreas Pichler, Verbindungsbeamter des BMI, 3ff.)

 

1.2.1.b. Lageentwicklung:

 

1.2.1.b.1. Kosovo unter UN-Verwaltung:

 

Am 24.3.1999 begann die NATO die Luftangriffe gegen die Bundesrepublik Jugoslawien mit dem erklärten Ziel, "eine humanitäre Katastrophe zu verhindern (und) das Morden im Kosovo zu beenden". Im Juni 1999 rückten die unter Führung der NATO gebildeten KFOR-Einheiten in den Kosovo ein. Am 10.6.1999 wurde das Gebiet auf der Basis der Sicherheitsrats-Resolution 1244 der vorläufigen zivilen UN-Verwaltung "United Nations Interim Administration Mission in Kosovo (UNMIK)" unterstellt. Völkerrechtlich gehörte der Kosovo aber nach wie vor zur Bundesrepublik Jugoslawien. (Quelle: [dt.] Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Entscheidungen Asyl 03/2008, 2.)

 

1.2.1.b.2. Statusverhandlungen:

 

Der VN-Generalsekretär hat für die Verhandlungen zum Status des Kosovo den ehemaligen finnischen Staatspräsidenten Martti Ahtisaari zu seinem Sondergesandten ernannt. Ahtisaari hat am 21.10.2005 die Statusgespräche begonnen. Nach anfänglicher Pendeldiplomatie zwischen Wien und Pristina bzw. Belgrad begannen am 22.2.2006 direkte Gespräche zwischen beiden Delegationen. VN-Sondergesandter Ahtisaari hat am 2.2.2007 den Parteien einen Entwurf des Statuspakets übergeben. Abschließend hat sich der UN-Sicherheitsrat mit der Statuslösung befasst. In intensiven Verhandlungen bis Ende Juli 2007 konnte jedoch keine Einigung über einen Resolutionstext erzielt werden, und die Befassung des UN-Sicherheitsrates wurde zunächst auf Eis gelegt. Unter Federführung einer "Troika" aus USA, Russland und EU begannen am 1.8.2007 neue Verhandlungen, die jedoch am 10.12.2007 endgültig scheiterten. (Quelle: [dt.] Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Serbien u. Montenegro [Kosovo], 29.11.2007, 7; [dt.] Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Entscheidungen Asyl 03/2008, 2.)

 

1.2.1.b.3. Wahlen:

 

Am 17.11.2007 fanden Parlaments-, Kommunal- und Bürgermeisterwahlen, die ohne besondere Zwischenfälle abliefen, statt. Der mit der Wahlbeobachtung betraute Europarat hat bestätigt, dass die Wahlen nach internationalen und europäischen Standards verlaufen sind. (Quelle: Kosovo-Bericht 20.3.2008 von Obstlt. Andreas Pichler, Verbindungsbeamter des BMI, 28f.)

 

Am 9.1.2008 hat das Parlament sowohl Präsident Fatmir Sejdiu in seinem Amt als auch das Kabinett von Ministerpräsident Hashim Thaci (Demokratische Partei des Kosovo, PDK) bestätigt. Das neue Kabinett hat zwei Vizeministerpräsidenten und 15 Minister, sieben davon kommen der PDK, fünf dem Koalitionspartner LDK und drei den Minderheiten zu. (Quelle: APA 9.1.2008: Kosovos neue Führungsspitze von Parlament bestätigt.)

 

1.2.1.b.4. Unabhängigkeit des Kosovo:

 

Das kosovarische Parlament erklärte am 17.2.2008 gegen den Willen Serbiens seine Unabhängigkeit. Die Proklamation enthält neben dem Bekenntnis zur Verwirklichung des Ahtisaari-Plans für eine überwachte Unabhängigkeit eine Einladung an die EU, die Staatswerdung des Kosovo mit einer eigenen Mission zu begleiten, und an die NATO, ihre Schutztruppen im Land aufrechtzuerhalten. Die einseitige Sezession ist völkerrechtlich und international umstritten. Gleichwohl haben mittlerweile über 30 Staaten, allen voran die USA und die Mehrzahl der EU-Staaten (darunter auch Österreich), den Kosovo förmlich anerkannt.

 

Das neue Staatswesen ist zwar formal souverän, die internationale Staatengemeinschaft wird jedoch weiterhin sowohl zivil als auch militärisch präsent sein. Die Außenminister der EU und die NATO haben sich verständigt, die KFOR nicht abzuziehen; rund 17.000 NATO-Soldaten bleiben im Kosovo. Die EU-Staats- und Regierungschefs haben die Entsendung einer ca. 2.000 Mann starken EU-Mission (EULEX) beschlossen. Sie soll die UN-Verwaltung (UNMIK) nach einer Übergangszeit ablösen. Rund 70 Experten sind für ein International Civilian Office (ICO) unter Leitung eines EU-Sondergesandten mit weitreichenden Befugnissen vorgesehen. Als Leiter von EULEX wurde der französische General und ehemalige KFOR-Kommandeur Yves de Kermabon, zum EU-Sondergesandten (EUSR) der Niederländer Pieter Feith bestellt. (Quelle: [dt.] Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Entscheidungen Asyl 03/2008, 2f.)

 

Am 9.12.2008 hat EULEX die Tätigkeit aufgenommen. Der offizielle Start der EU-Rechtsstaatsmission EULEX im Kosovo ist ohne Zwischenfälle verlaufen. Landesweit nahmen rund 1.400 EULEX-Vertreter ihre Arbeit auf. In den Wintermonaten soll eine geplante Stärke von rund 1.900 internationalen und etwa 1.100 lokalen Mitarbeitern erreicht werden. Dann arbeiten 1.400 internationale Polizeibeamte, 300 Justizbeamte - darunter 40 Richter und etwa 20 Staatsanwälte - sowie 27 Zollbeamte im Rahmen von EULEX für mehr Rechtsstaatlichkeit im Kosovo. (Quelle: Der Standard 9.12.2008: Start der EU-Mission ohne Zwischenfälle.)

 

Unter UNMIK-Verwaltung haben sich im Kosovo demokratische Strukturen entwickelt; es gibt ein Parlament und eine demokratisch legitimierte (provisorische) Regierung. Gewaltenteilung ist gewährleistet. Das Justizsystem bedarf an vielen Stellen noch der Verbesserung. Eine kosovarische Polizei wurde aufgebaut, die sich bislang als gute Stütze der demokratischen Strukturen etabliert hat. Der Transitionsprozess, d. h. die schrittweise Übertragung der Kompetenzen von UNMIK auf kosovarische Institutionen hat bereits begonnen. Nach dem vorliegenden Verfassungsentwurf ist die Republik Kosovo ein demokratisches, multiethnisch zusammengesetztes Staatswesen, das den Minderheiten starke Rechte zusichert. Der Entwurf enthält alle notwendigen Schutzmaßnahmen gegen Bedrohungen oder Diskriminierung von Minderheiten. Nationale Identitäten, Kulturen, Religionen und Sprachen werden darin respektiert. (Quelle:

[dt.] Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Entscheidungen Asyl 03/2008, 2f.)

 

Die Verfassung wurde am 15.6.2008 vom Parlament verabschiedet, welche am selben Tag in Kraft trat. (Quelle: UN, Security Council:

Report of the Secretary-General on the United Nations Interim Administration Mission in Kosovo, 12.6.2008.)

 

Die serbische Staatsführung bezeichnete die Verfassung der abtrünnigen Provinz als "rechtlich nicht existent". Präsident Boris Tadic kündigte an, die Proklamation der Kosovo-Verfassung werde von Belgrad nicht als rechtsgültig anerkannt. Nach den Übergangsbestimmungen der Verfassung sind alle kosovarischen Institutionen verpflichtet, mit dem Internationalen Beauftragten, internationalen Organisationen und anderen Akteuren voll zu kooperieren, deren Mandat im Status Vorschlag des UNO-Vermittlers Ahtisaari definiert wurde. Auch die im Kosovo seit Juni 1999 stationierte NATO-geführte internationale Schutztruppe KFOR wird weiterhin das Mandat und die Befugnisse im Einklang mit einschlägigen internationalen Instrumenten genießen, die UNO-Resolution 1244 eingeschlossen. (Quelle: APA 10.6.2008: Der Kosovo will Heimat aller seiner Bürger sein.)

 

1.2.1.b.4.1.Staatsangehörigkeit:

 

Das Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) der Republik Kosovo trat am 15.6.2008 in Kraft. Nach Art. 155 StAG haben alle rechtmäßigen Bewohner Kosovos einen Anspruch auf die kosovarische Staatsbürgerschaft. Außerdem haben ihn alle Bürger (und deren Abkömmlinge) der ehemaligen Bundesrepublik Jugoslawien, die am 1.1.1998 ihren ständigen Wohnsitz in Kosovo, unabhängig vom derzeitigen Wohnort, hatten. Ein Bürger kann auch Bürger eines oder mehrerer anderer Staaten sein, der Erwerb oder Besitz einer anderen Staatsbürgerschaft bedeutet nicht den Verlust der kosovarischen Staatsangehörigkeit.

 

Jeder, der die Voraussetzungen erfüllt, gilt automatisch als Staatsbürger der Republik Kosovo. Nach Art. 28 StAG ist jede Person, die als "habitual resident" gemäß UNMIK Regulation No. 2000/13 im Zivilregister registriert wurde, als Staatsbürger Kosovos zu betrachten (shall be considered) und als solcher in einem Staatsbürgerschaftsregister zu erfassen. (Quelle: [dt.] Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Entscheidungen Asyl 08/2008.)

 

1.2.1.c. Religionsfreiheit:

 

Im Kosovo sind Islam und Christentum mit verschiedenen Untergruppen vertreten. Die Bevölkerung ist sehr religionstolerant, trotz verstärkter Versuche vor allem der arabischen Staaten den sehr pragmatischen Islam fundamentalistischer zu gestalten, war das in der breiten Bevölkerung nicht erfolgreich. Die freie Religionsausübung ist im Kosovo uneingeschränkt möglich, es besteht eine gegenseitige Akzeptanz. (Quelle: Kosovo-Bericht 29.9.2008 von Obstlt. Andreas Pichler, Verbindungsbeamter des BMI, 7ff.)

 

1.2.2. Sicherheitslage:

 

1.2.2.a. generelle Lageentwicklung:

 

Insgesamt hat sich die Sicherheitslage seit Juni 1999 verbessert, mit den Unruhen Mitte März 2004 wieder punktuell eingetrübt (ohne auf das Niveau von 1999 zurückzufallen). Nach den Ausschreitungen im März 2004 gab es keine weiten Unruhen mehr. (Quelle: [dt.] Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Entscheidungen Asyl 03/2008, 9.)

 

Für den Großteil der Bevölkerung im Südkosovo und auch in den anderen serbischen Gemeinden außerhalb des Brennpunktes Mitrovica gestaltet sich das Leben völlig normal und ist in keiner Weise von mangelnder Sicherheit betroffen. (Quelle: Kosovo-Bericht 29.9.2008 von Obstlt. Andreas Pichler, Verbindungsbeamter des BMI, 46f.)

 

1.2.2.b. Sicherheitsaspekte in Bezug UCK und AKSh:

 

Seit 2002 macht die "Albanische Nationale Armee" (AKSh), vormals "Front für Albanische Nationale Einheit" (FBKSh), durch wiederholte großalbanische Propaganda in den Medien und durch die Übernahme der Verantwortung für den Sprengstoffanschlag auf die Eisenbahnlinie bei Zveçan/Zvecan im April 2003 auf sich aufmerksam. Eine akute Gefährdung der Sicherheitslage in der Region stellt diese bewaffnete Gruppierung, die Verbindungen zu ehemaligen und aktiven Mitgliedern des KPC und mutmaßlich auch zu Strukturen der organisierten Kriminalität hat, derzeit jedoch nicht dar. UNMIK hat diese bewaffnete Gruppierung als terroristische Organisation verboten, wodurch schon die reine Mitgliedschaft zu einer strafbaren Handlung wird. Auch 2006 verübte die AKSh vermutlich weitere kriminelle Handlungen. (Quelle: [dt.] Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Serbien u. Montenegro [Kosovo], 29.11.2007, 8.)

 

Nach den zur Verfügung stehenden Quellen wird durch die Gruppe keine zwangsweise Rekrutierung von Personen durchgeführt, auch sind keine Fälle von "Bestrafungen" bekannt. Die in Österreich, Deutschland und der Schweiz vorgelegten Ladungen und Drohschreiben wurden bisher immer als Fälschungen eingestuft.

 

Personengruppen versuchen unter dem Deckmantel "AKSh" ihre kriminellen Tätigkeiten auszuüben (Straßenraub, etc), bzw. Druck auf politische Verantwortungsträger unter dieser Bezeichnung durchzuführen. Das Auftreten von diversen Gruppen passiert meist in der Nacht bei Stützpunkten auf der Straße, welche - wie oben angeführt - meist kriminellen Zwecken dienen. Zwei in diesem Zusammenhang ergangene Verurteilungen zeigen, dass wirksamer Schutz durch die kosovarischen Behörden besteht. Zusätzlich sind bei Bedarf noch Unterstützungen durch KFOR und EULEX-Police im Anlassfall möglich. (Quelle: Kosovo-Bericht 29.9.2008 von Obstlt. Andreas Pichler, Verbindungsbeamter des BMI, 51.)

 

Es sind keine Fälle bekannt geworden, dass in den Kosovo zurückgekehrte Personen wegen ihrer Weigerung, die UCK zu unterstützen, organisierten Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt waren (Quelle: Auskunft des [dt.] Bundesamt für Verfassungsschutz vom 10.3.2000, Zl. V A 4-059-A-000 022-2/00, an das VG Köln)

 

1.2.2.c. Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit der Behörden:

 

1.2.2.c.1. Kosovo Police (KP), ehemals Kosovo Police Service KPS/ShPK:

 

KPS geht Anzeigen professionell nach. Beschwerden und Anzeigen gegen Angehörige von KPS werden sehr genau auch im Zuge von Disziplinarverfahren untersucht, Konsequenzen wie Suspendierungen, etc werden nach den bisherigen Erfahrungswerten fast rascher ausgesprochen als in Österreich. (Quelle: Auskunft des Verbindungsbeamten Obstlt. Andreas Pichler, 22.10.2006, Zahl 154/07 an das Bundesasylamt; Commission of the European Communities: Kosovo Under UNSCR 1244 2007 Progress Report, COM(2007) 663 final, 6.11.2007, 46.)

 

Die EULEX-Police überwacht KP auch im Hinblick darauf, ob Anzeigen entgegengenommen werden. (Quelle: Auskunft des Verbindungsbeamten Obstlt. Andreas Pichler, 15.1.2009, Zahl 10/09 an den Asylgerichtshof.)

 

KFOR hat keine Exekutivgewalt im Kosovo und leitet (gegebenenfalls) Anzeige an eine dafür zuständige Stelle weiter. Als weitere Möglichkeit bietet sich eine direkte Anzeige bei der Justiz (Staatsanwalt) an, wo dann über die weitere Vorgangsweise entschieden wird.

 

Die Beamten von KPS tragen deutlich sichtbar ihre jeweilige Dienstnummer, wodurch eine Zuordnung ohne Probleme möglich ist. Die Tätigkeit ist in den Dienstberichten dokumentiert und transparent nachvollziehbar.

 

Das Einbringen von Beschwerden ist jederzeit möglich, aufgrund der Sensibilisierung werden Beschwerden auch rasch behandelt und führen - wenn berechtigt - zu den entsprechenden Konsequenzen für den betroffenen Funktionsträger. Missstände in der Verwaltung können auch beim Ombudsmann angezeigt werden. Dieser strich bei einem persönlichen Gespräch hervor, dass Beschwerden gegen KPS von dieser Institution unverzüglich und effizient bearbeitet werden, was bei anderen Institutionen absolut nicht der Fall wäre. (Quelle:

Kosovo-Bericht 31.3.2007 von Obstlt. Andreas Pichler, Verbindungsbeamter des BMI, 9f.)

 

Zudem wird die Tätigkeit jeder Polizeidienststelle von der OSZE (Security Issues Officer) überwacht. Täglich werden Polizeiberichte verfasst, welche auch der OSZE übermittelt werden. Gegebenenfalls kann sich eine Person auch an die OSZE wenden, sollte ein KPS Mitarbeiter seine Kompetenzen überschritten bzw. nicht erfüllt haben. (Quelle: Demaj, Violeta: Gutachten zu Aktivitäten der AKSh, 7.5.2007, 11.)

 

1.2.2.c.2. UNMIK Police/EULEX Police:

 

Seit August 1999 war UNMIK-Police im Kosovo präsent. Konkrete operative Aufgaben bestanden in der Region Mitrovica (noch nicht an KPS übergeben), in der Abteilung für Organisierte Kriminalität, im Interpol-Büro, bei Kriegsverbrechen und im Ordnungsdienst (Demonstrationen, etc). Sonderfälle waren die Einheiten für Zeugenschutz, Transport von Häftlingen und Personenschutz. Sonst hatte UNMIK-Police eine beobachtende Funktion von KPS eingenommen. Nunmehr hat EULEX Police die Rolle von UNMIK-Police übernommen. Der Aufgabenbereich liegt in Überwachung und Beratung der lokalen Polizei. Operative Aufgaben im Polizeibereich sind:

Finanzverbrechen, Kriegsverbrechen, Organisierte Kriminalität, Wirtschaftsverbrechen, Terrorismus. (Quelle: Auskunft des Verbindungsbeamten Obstlt. Andreas Pichler, 15.1.2009, Zahl 10/09 an den Asylgerichtshof.)

 

Generell ist für alle ethnischen Albaner, auch solchen in Gebieten, wo sie eine Minderheit bilden, hinlänglicher Schutz durch UNMIK/KPS verfügbar. UNMIK/KPS sind willens und auch in der Lage, denjenigen, die Verfolgung befürchten, Schutz zu gewähren und stellen einen rechtlichen Mechanismus zur Ermittlung, Strafverfolgung und Bestrafung von Verfolgungsmaßnahmen sicher. (Quelle: Home Office, Operational Guidance Note Kosovo, 22.7.2008, 4f.)

 

1.2.2.c.3. Kosovo Protection Corps KPC/TMK - Kosovo Security Force

KSF/FSK:

 

KPC/TMK wurde nach der Demilitarisierung der Kosovo Liberation Army KLA/UCK 1999 gegründet und wird in Ausrüstung, Training und Dienstversehung durch Kosovo Force KFOR unterstützt. Nach Ablauf der Übergangsphase von 120 Tagen nach Ausrufung der einseitigen Unabhängigkeitserklärung sollte KPC/TMK in eine Kosovo Security Force KSF/FSK übergeleitet werden. Die Schaffung der neuen Einheit ist im Ahtisaari-Paket vorgesehen. Die Auflösung von KPC/TMK wurde im Parlament mittels Gesetz 2008/03-L083 am 13.6.2008 beschlossen. (Quelle: Kosovo-Bericht 29.9.2008 von Obstlt. Andreas Pichler, Verbindungsbeamter des BMI, 42.)

 

Umgesetzt wird der Plan am 20.1.2009: KPC/TMK wird aufgelöst, am 21.1.2009 wird KSF die Tätigkeit aufnehmen. Die Truppe (bis zu 2500 Aktive und 800 Reservisten) wird anfangs für Krisenmanagement, Zivilschutz und Minenräumung verantwortlich sein und unter Überwachung von KFOR stehen. (Quelle: SETimes 15.1.2009: Kosovo Security Force to begin work within days.)

 

Zum ersten Befehlshaber wurde General Sylejman Selimi ernannt, einer der Gründer und auch Generalstabschef der albanischen Kosovo-Befreiungsarmee UCK. (Quelle: APA 20.12.2008: Kosovo ernannte Befehlshaber für neue Sicherheitskräfte.)

 

1.2.2.c.4. KFOR:

 

KFOR hat eine Präsenz von ca. 16.000 Soldaten und gliedert sich in fünf Regionen, welche jeweils unter verschiedener Führung stehen, das Hauptquartier ist in Pristina. Das Vertrauen der Bevölkerung in KFOR ist im Vergleich mit anderen internationalen Institutionen am höchsten. KFOR führt immer wieder zahlreiche Projekte durch, mit welchen die Infrastruktur im Kosovo verbessert werden soll. (Quelle:

Kosovo-Bericht 29.9.2008 von Obstlt. Andreas Pichler, Verbindungsbeamter des BMI, 45f.)

 

1.2.2.c.5. Municipal Community Safety Council:

 

In allen Gemeinden des Kosovo besteht ein "Municipal Community Safety Council" (MCSC, Rat zum Schutz der Volksgruppen). Dem Rat gehören neben KFOR, UNMIK-Polizei, KPS auch Vertreter der verschiedenen Glaubensgemeinschaften (orthodoxe, katholische, islamische Gemeinschaft) wie auch alle Dorfvorsitzenden der Gemeinde an. Zweck des Rates, welcher vom Gemeindepräsidenten einberufen wird, ist es, einmal pro Monat über die Sicherheitslage im Allgemeinen und eventuelle Bedenken bzw. Bedürfnisse der einzelnen ethnischen bzw. religiösen Minderheiten zu beraten und wenn erforderlich korrigierende Maßnahmen zu ergreifen. Personen, die sich unsicher fühlen, können sich an diesen Rat wenden bzw. über ihre Dorfräte ihre Sicherheitsbedenken den zuständigen Behörden bekannt machen. So klagte beispielsweise der Dorfrat eines Dorfes im albanischen Grenzgebiet in der Gemeinde Gjakove/Djakovica (der MCSC wurde in dieser Gemeinde im August 2006 eingerichtet) über Raubüberfälle (vorwiegend Viehraub) durch maskierte Banden. Zur Verbesserung des Schutzes der Bevölkerung dieser Gegend verstärkte die KFOR ihre Truppen in der Region und auch die Polizei führt seither mehr Patrouillen in der Region durch. (Quelle: Demaj, Violeta: Gutachten zu Aktivitäten der AKSh, 7.5.2007, 11f.)

 

1.2.2.d. Sicherheitslage für ethnische Albaner:

 

Der UNHCR wies bereits im Januar 2003 darauf hin, dass die überwiegende Mehrheit der Kosovo-Albaner, die während der Kosovo-Krise geflohen waren, nach Hause zurückgekehrt ist. Die Sicherheitslage hat sich im Allgemeinen für Angehörige der albanischen Mehrheitsbevölkerung in den letzten Jahren kontinuierlich verbessert. Nicht zuletzt die größere Effizienz der lokalen Polizei "KPS" und eine Verbesserung des lokalen Gerichtswesens haben dazu beigetragen, die Situation (für ethnische Albaner) zu verbessern. Zudem haben aber auch das - für Nachkriegssituationen typische - allgemeine Chaos und die relative Normenungebundenheit, die in der Gesellschaft vorherrschte nachgelassen und ein mehr geregeltes gesellschaftliches Leben ist an deren Stelle getreten. Gegenwärtig gibt die allgemeine Sicherheitslage für ethnische Albaner, d.h. Angehörige des nunmehrigen Mehrheitsvolkes in Kosovo, bis auf genau definierte Ausnahmen zu Besorgnissen keinen Anlass mehr. (Quelle: Müller, Stephan: Allgemeines Gutachten zur Situation im Kosovo, 15.2.2007,

4f.)

 

Im Positionspapier des UNHCR vom Juni 2006 wird aber darauf hingewiesen, dass es immer noch einige Kategorien von Kosovo-Albanern (so z.B. aus Gebieten in denen sie eine ethnische Minderheit bilden oder Kosovo-Albaner in Mischehen und Personen gemischt-ethnischer Herkunft, Kosovo-Albaner, die der Mitarbeit mit dem serbischen Regime nach 1990 verdächtigt werden sowie Opfer von Menschenhandel) gibt, die mit ernsten Problemen, einschließlich pyhsischer Gefahr, konfrontiert werden könnten, wenn sie derzeit nach Hause zurückkehren würden. (Quelle: UNHCR-Positionspapier vom Juni 2006, 9.)

 

Katholische Albaner sind im politischen wie wirtschaftlichen Leben voll integriert und sind keinerlei Benachteiligungen durch die mehrheitlich moslemischen Albaner ausgesetzt.

 

Für eine Diskriminierung bzw. Verfolgung der katholischen Albaner im Kosovo durch die mehrheitlich moslemische Bevölkerung gibt es keine Anhaltspunkte. Auch sind keine Einzelfälle von Übergriffen bekannt geworden. Katholische Albaner sind keiner Verfolgung bzw. besonderen Gefährdung aufgrund ihrer religiösen Überzeugung ausgesetzt. (Quelle: Demaj, Violeta: Katholische Albaner im Kosovo. Gutachten erstellt im Juli 2006, 13ff.)

 

1.2.3. Rückkehrfragen (Wirtschaft, Grundversorgung und Gesundheitssystem im Kosovo):

 

1.2.3.a. Wirtschaft:

 

Trotz der Unabhängigkeit ist die wirtschaftliche Lage in der rohstoffreichen Region weiterhin äußerst prekär. Mit einem Bruttoinlandsprodukt von ca. 1.100 Euro/Kopf ist der Kosovo Schlusslicht in Europa. Die Arbeitslosigkeit beträgt über 40 Prozent. Das Land hat mit einem Durchschnittsalter von 25 Jahren die jüngste Bevölkerung Europas und die höchste Geburtenrate. Ein Drittel der Einwohner ist jünger als 14 Jahre. Jährlich drängen 36.000 junge Leute neu auf den Arbeitsmarkt. (Quelle: [dt.] Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Entscheidungen Asyl 03/2008, 2f.)

 

1.2.3.b. Grundversorgung/Sozialwesen:

 

Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist gewährleistet. Die Bevölkerung des Kosovo ist bis auf wenige Ausnahmen (z.B. sozial schwache Bewohner von Enklaven) nicht mehr auf die Lebensmittelversorgung durch internationale Hilfsorganisationen angewiesen.

 

Bedürftige Personen erhalten Unterstützung in Form von Sozialhilfe, die von den "Municipalities" ausgezahlt wird, sich allerdings auf sehr niedrigem Niveau bewegt. (Quelle: [dt.] Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Serbien u. Montenegro [Kosovo], 29.11.2007, 17.)

 

Die Kriterien für die Sozialhilfe sind entsprechend geregelt und auch im Verwaltungsweg durchsetzbar.

 

Der Zusammenhalt der Familien besonders im ländlichen aber auch im städtischen Bereich sichert das wirtschaftliche Überleben, verbunden mit Unterstützungszahlungen von Verwandten aus dem Ausland. Zusätzliche Einnahmequellen bestehen in der Landwirtschaft bzw. durch die Erledigung von Gelegenheitsarbeiten vor allem in der Baubranche. (Quelle: Kosovo-Bericht 29.9.2008 von Obstlt. Andreas Pichler, Verbindungsbeamter des BMI, 15.)

 

Darüber hinaus finden sich im Kosovo nach wie vor einzelne internationale und nationale humanitäre Organisationen (Mutter Teresa, Rotes Kreuz, Caritas, ...), die humanitäre Hilfe ermöglichen.

 

Weiters sind zahlreiche NGOs im Kosovo tätig, die eine zusätzliche Möglichkeit darstellen, bei auftretenden Problemen welcher Art auch immer entsprechende Unterstützung zu erhalten. (Quelle: Auskunft des Verbindungsbeamten Obstlt. Andreas Pichler, 12.11.2007, Zahl 536/07 an das Bundesasylamt.)

 

1.2.3.c. Im Kosovo existiert grundsätzlich eine funktionierende Grundversorgung im Gesundheitswesen, allerdings liegt die Gesundheitsversorgung wie auch die Möglichkeiten zur Behandlung bestimmter Krankheiten, nicht auf dem Niveau westeuropäischer Staaten.

 

Für bestimmte Personengruppen ist die Gesundheitsversorgung kostenlos; allerdings werden seitens des medizinischen Personals gewisse "Aufmerksamkeiten" erwartet. Diese "Aufmerksamkeiten" haben jedoch - in der Regel für Angehörige der albanischen Volksgruppe - keine existenzbedrohenden Ausmaße. (Quelle: Müller, Stephan: Allgemeines Gutachten zur Situation im Kosovo, 15.2.2007, 12)

 

1.2.4. Diese Feststellungen stützen sich auf die genannten Berichte namhafter staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen. Dass diese nicht den Tatsachen entsprechen würden, konnte der Beschwerdeführer weder durch die (nicht durch Herkunftsländerinformationen belegte) Behauptung, sowohl einheimische als auch die internationale Polizei bzw. Militärpräsenz sei weitgehend machtlos, aufzeigen noch durch seinen Hinweis darauf, dass maskierte AKSh-Mitglieder im Mai 2007 im Schutz der Dunkelheit einen Bombenanschlag durchgeführt hätten und die Täter bislang nicht gefasst werden hätten können sowie dass seinem Bruder im Jahr 2006 das Auto gestohlen und zerstört worden sei und niemand ihm den Schaden ersetzt habe. Weiters gehen auch die Feststellungen davon aus, dass zwar die wirtschaftliche Lage im Kosovo schlecht und die Arbeitslosigkeit hoch, die Grundversorgung der Bevölkerung aber dennoch gesichert sei; dies stellt der Beschwerdeführer auch nicht in Abrede.

 

1.3. Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer vor seiner Ausreise aus dem Kosovo vorgeworfen worden sei, nicht für den Kampf der UCK gespendet zu haben, und dass er deshalb geschlagen worden sei.

 

Zur Beweiswürdigung ist zunächst auf die zutreffenden Argumente hinzuweisen, die bereits das Bundesasylamt im angefochtenen Bescheid gegen die Glaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens ins Treffen geführt hat. Überdies sind die Angaben des Beschwerdeführers in Hinblick auf seine Ausführungen zum Umstand, dass die "UCK-Banditen" maskiert gewesen seien, unglaubwürdig: Denn auch dadurch, dass er vor dem Bundesasylamt letztlich angab, er habe damit die Personen gemeint, die zu seinem Elternhaus gekommen seien und seinen Vater geschlagen hätten, konnte er das entstandene Spannungsverhältnis nicht aufklären: Denn die Frage, ob er von den Tätern jemanden erkannt habe, bezog sich klarerweise auf die Personen, mit denen der Beschwerdeführer selbst Kontakt hatte. Auch hatte in dem zuvor erstatteten Vorbringen des Beschwerdeführers nichts darauf hingedeutet, dass die Personen, die ihn geschlagen hätten, nicht mit jenen ident seien, von denen sein Vater verprügelt worden sei (vgl. dazu Verwaltungsakt des Bundesasylamtes, 21) Schließlich spricht auch die unter Punkt 1.2.2.b. getroffene Feststellung, es seien keine Fälle bekannt geworden, dass in den Kosovo zurückgekehrte Personen wegen ihrer Weigerung, die UCK zu unterstützen, organisierten Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt waren, dafür, dass das Fluchtvorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

 

2. Rechtlich folgt:

 

2.1.1. Gemäß § 75 Abs. 1 Asylgesetz 2005 sind "[A]lle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren [...] nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt."

 

Gemäß § 44 Abs. 1 Asylgesetz 1997 idF der AsylG-Novelle 2003 sind Verfahren über Asylanträge, die bis zum 30.4.2004 gestellt worden sind, (abgesehen von einzelnen Bestimmungen, darunter § 8, in denen die Novellenfassung anzuwenden ist) nach dem Asylgesetz 1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002 zu führen.

 

Der Beschwerdeführer hat seinen Asylantrag am 14.9.2002 gestellt; das Verfahren war am 31.12.2005 anhängig und ist daher nach dem Asylgesetz 1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002 (mit der genannten Maßgabe) zu führen.

 

2.1.2. Gemäß § 23 Abs. 1 Asylgerichtshofgesetz (Art. 1 Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz BGBl. I Nr. 4/2008 idF BGBl. I Nr. 147/2008, in der Folge: AsylGHG) ist auf Verfahren vor dem Asylgerichtshof grundsätzlich das AVG mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt. Gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 23 Abs. 1 AsylGHG hat der Asylgerichtshof, sofern die Beschwerde nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden.

 

Die Zuständigkeit des Asylgerichtshofes stützt sich auf § 38 Asylgesetz 1997. Diese Bestimmung spricht zwar vom "unabhängigen Bundesasylsenat" und ist durch das AsylGH-EinrichtungsG nicht geändert worden; auch die Übergangsbestimmungen des Asylgesetzes 2005 ergeben insoweit nichts. Da jedoch gemäß Art. 151 Abs. 39 Z 1 B-VG der unabhängige Bundesasylsenat am 1.7.2008 zum Asylgerichtshof geworden ist und dieser gemäß Art. 151 Abs. 39 Z 4 B-VG die am 1.7.2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängigen Verfahren weiterzuführen hat, ist davon auszugehen, dass sich § 38 Asylgesetz 1997 nunmehr auf den Asylgerichtshof bezieht. Ebenso ist davon auszugehen, dass sich jene Bestimmungen des Asylgesetz 1997, die von "Berufungen" sprechen, nunmehr auf Beschwerden beziehen (vgl. dazu AsylGH 12.8.2008, C5 251.212-0/2008/11E).

 

2.1.3. Gemäß § 41 Abs. 7 Asylgesetz 2005 hat der Asylgerichtshof § 67d AVG mit der Maßgabe anzuwenden, dass eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Diese Bestimmung ist auch in Verfahren, die nach dem Asylgesetz 1997 zu führen sind, anzuwenden (vgl. dazu ebenfalls AsylGH 12.8.2008, C5 251.212-0/2008/11E).

 

2.2.1. Gemäß § 7 AsylG hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt. Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

 

Zentraler Aspekt der dem § 7 AsylG zugrundeliegenden, in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung (vgl. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334). Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sei, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen (vgl. VwGH 21.9.2000, 2000/20/0241; VwGH 14.11.1999, 99/01/0280). Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 19.4.2001, 99/20/0273; VwGH 22.12.1999, 99/01/0334). Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 19.10.2000, 98/20/0233; VwGH 9.3.1999, 98/01/0318). Gemäß Art. 1 C Z 5 GFK fällt eine Person nicht mehr unter die Konvention, wenn sie nach Wegfall der Umstände, aufgrund derer sie als Flüchtling anerkannt worden ist, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Staates in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt.

 

2.2.2. Ist ein Asylantrag abzuweisen, so hat die Behörde gemäß § 8 Abs. 1 AsylG von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat nach § 57 Fremdengesetz 1997, BGBl. I Nr. 75/1997 (FrG), zulässig ist; diese Entscheidung ist mit der Abweisung des Asylantrages zu verbinden.

 

§ 8 Abs. 1 AsylG verweist auf § 57 Fremdengesetz; BGBl. I Nr. 75/1997 (FrG), wonach die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig ist, wenn dadurch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der der Todesstrafe verletzt würde.

 

Überdies ist gemäß § 57 Abs. 2 FrG die Zurückweisung oder die Zurückschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. 78/1974).

 

Der Prüfungsrahmen des § 57 FrG ist jedoch durch § 8 Abs. 1 AsylG auf den Herkunftsstaat des Fremden beschränkt.

 

Gemäß Art. 5 § 1 des Fremdenrechtspakets BGBl. I 100/2005 ist das FrG mit Ablauf des 31.12.2005 außer Kraft getreten; am 1.1.2006 ist gemäß § 126 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (Art. 3 BG BGBl. I 100/2005; in der Folge: FPG) das FPG in Kraft getreten. Gemäß § 124 Abs. 2 FPG treten, soweit in anderen Bundesgesetzen auf Bestimmungen des FrG verwiesen wird, an deren Stelle die entsprechenden Bestimmungen des FPG. Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, dass das jeweilige andere Bundesgesetz nunmehr auf die entsprechenden Bestimmungen des FPG verweist. Demnach wäre die Verweisung des § 8 Abs. 1 AsylG auf § 57 FrG nunmehr auf die "entsprechende Bestimmung" des FPG zu beziehen, di. § 50 FPG. Ob dies wirklich der Absicht des Gesetzgebers entspricht - da doch Asylverfahren, die am 31.12.2005 bereits anhängig waren, nach dem AsylG 1997 weiterzuführen sind - braucht nicht weiter untersucht zu werden, da sich die Regelungsgehalte beider Vorschriften (§ 57 FrG und § 50 FPG) nicht in einer Weise unterscheiden, die für den vorliegenden Fall von Bedeutung wäre und da sich die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die sich - unmittelbar oder mittelbar - auf § 57 FrG bezieht, insoweit auch auf § 50 FPG übertragen ließe. Angemerkt sei jedoch, dass ein Verweis des § 8 Abs. 1 AsylG auf § 50 FPG nicht etwa jene Rechtslage herstellte, die dem Asylgesetz 2005 entspricht; § 8 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (der inhaltlich dem § 8 Abs. 1 AsylG entspricht) verweist nämlich nicht auf § 50 FPG, sondern regelt den subsidiären Rechtsschutz etwas anders als § 8 Abs. 1 AsylG, er zählt auch die maßgeblichen Bedrohungen selbst auf, und zwar in einer Weise, die nicht wörtlich dem § 50 FPG entspricht (vgl. dazu den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 13.2.2006, Zl. 252.076/0-X/47/04).

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (für viele: VwGH 26.6.1997, 95/18/1291; 17.7.1997, 97/18/0336). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind, und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.9.1993, 93/18/0214). Bei der Beurteilung des Vorliegens einer Gefährdung im Sinn des § 57 Abs. 1 und 2 FrG ist die konkrete Einzelsituation in ihrer Gesamtheit, gegebenenfalls vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse, in Form einer Prognose für den gedachten Fall der Abschiebung des Antragstellers in diesen Staat zu beurteilen. Für diese Beurteilung ist nicht unmaßgeblich, ob etwa allenfalls gehäufte Verstöße der in § 57 Abs. 1 FrG umschriebenen Art durch den genannten Staat bekannt geworden sind (vgl. VwGH 25.1.2001, 2001/20/0011).

 

Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 MRK gewährleisteten (oder anderer in § 8 Abs. 1 AsylG erwähnter) Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwSlg. 15.437 A/2000; VwGH 25.11.1999, 99/20/0465; 8.6.2000, 99/20/0203; 8.6.2000, 99/20/0586;

21.9.2000, 99/20/0373; 25.1.2001, 2000/20/0367; 25.1.2001, 2000/20/0438; 25.1.2001, 2000/20/0480; 21.6.2001, 99/20/0460;

16.4.2002, 2000/20/0131; vgl. dazu überdies EUGH 17.2.2009, Elgafaji, C-465/07, Slg. 2009, I-0000, Randnr. 45, wonach eine Bedrohung iSd Art. 15 lit. c der Richtline 2004/83/EG des Rates vom 29.4.2004 [StatusRL] auch dann vorliegt, wenn der einen bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls in die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein). Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 MRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat (unter dem Gesichtspunkt des § 57 FrG, dies ist nun auf § 8 Abs. 1 AsylG zu übertragen) als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.2.2001, 98/21/0427; 20.6.2002, 2002/18/0028).

 

2.3.1. Zur Abweisung des Asylantrages ist zunächst auszuführen, dass - wie oben dargelegt - das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen unglaubwürdig ist. Auch würde sich bei hypothetischer Zugrundelegung dieses Vorbringens am Ergebnis insofern nichts ändern, als aufgrund der unter Punkt 1.2.2.c getroffenen Feststellungen nicht angenommen werden kann, dass der Beschwerdeführer gegen Übergriffe Dritter keinen ausreichenden behördlichen Schutz in Anspruch nehmen könnte bzw. dass ein Schutzersuchen des Beschwerdeführers an die Behörden seines Herkunftsstaates offensichtlich aussichtslos erscheinen würde und ihm ein solcher Versuch daher nicht zuzumuten wäre (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13.11.2008, 2006/01/0191, in dem dieser grundsätzlich von der Schutzfähigkeit der im Kosovo stationierten Kräfte ausgeht). Abgesehen davon könnte sich der Beschwerdeführer (entgegen seinem unsubstantiierten Vorbringen, er verfüge über keine innerstaatliche Fluchtalternative) der von ihm dargelegten Bedrohung dadurch entziehen, dass er sich in andere Teile des Kosovo, etwa nach Pristina oder Prizren, begibt (vgl. dazu etwa den genannten Bericht des [dt]. Auswärtigen Amtes vom 29.11.2007, 14, wonach eine Übersiedlung in andere Teile des Kosovos jederzeit möglich ist): Denn es kann weder davon ausgegangen werden, dass dem Beschwerdeführer von den von ihm genannten Privatpersonen im gesamten Staatsgebiet des Kosovo Gefahr drohen würde, noch dass dem 00.00.00 geborenen, gesunden Beschwerdeführer eine derartige Relokation insofern nicht zumutbar wäre, als er dadurch in eine Situation geriete, in der seine Existenzgrundlage gefährdet wäre. Sollte er (entgegen der Ansicht des Asylgerichtshofes) nicht in der Lage sein, seinen Lebensunterhalt auch außerhalb seines Heimatortes zu verdienen, bestünde (wie sich aus den Feststellungen zu Punkt 1.2.3.b. ergibt) die Möglichkeit, Sozialhilfe zu erlangen sowie nötigenfalls die Hilfe von Hilfsorganisationen in Anspruch zu nehmen.

 

2.3.2. Zur Refoulement-Entscheidung ist Folgendes festzuhalten: Wie bereits oben ausgeführt, bestehen keine stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass das Leben oder die Freiheit des Beschwerdeführers aus Gründen seiner Rasse, seiner Religion, seiner Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Ansichten bedroht wäre; daher liegt kein Fall des § 57 Abs. 2 FrG vor. Zu prüfen bleibt, ob es begründete Anhaltspunkte dafür gibt, dass durch die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat Art. 2 oder 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 zur EMRK verletzt würde. Dazu ist zunächst festzuhalten, dass - wie oben unter Punkt. 2.3.1. ausgeführt - nicht angenommen werden kann, dass der Beschwerdeführer im Kosovo Übergriffen ausgesetzt wäre, gegen die er keinen effektiven behördlichen Schutz erhalten könnte oder dem er sich nicht durch eine zumutbare Relokation in andere Teile des Kosovo entziehen könnte. Auch besteht im Kosovo nicht eine solch extreme Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne der Art. 2 und 3 EMRK ausgesetzt wäre; ebenso wenig liegt eine Bedrohungssituation iSd Art. 15 lit. c StatusRL vor (vgl. dazu das bereits zitierte Urteil des EUGH vom 17.2.2009, Elgafaji, C-465/07, Slg. 2009, I-0000, Randnr. 41, wonach es Sache der Gerichte der Mitgliedsstaaten ist, sich um eine Auslegung des nationalen Rechts zu bemühen, die in Einklang mit der genannten Richtlinie steht). Der Beschwerdeführer hat auch keinen auf seine Person bezogenen "außergewöhnlichen Umstand" glaubhaft machen können, der ein Abschiebungshindernis bilden könnte. Angesichts des oben unter Punkt 2.3.1. (insbesondere zur Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Relokationsmöglichkeit) Ausgeführten kann auch nicht gesagt werden, dass der Beschwerdeführer (der nach seinen Angaben über im Kosovo lebende Familienangehörige, und zwar seine Eltern und fünf Geschwister, und somit über Anknüpfungspunke im Herkunftsstaat verfügt) nach einer Rückkehr in den Kosovo in seiner Lebensgrundlage gefährdet wäre. Überdies ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach sich aus schlechten Lebensbedingungen keine Gefährdung bzw. Bedrohung im Sinne des § 57 FrG ergibt (vgl. etwa VwGH 30.1.2001, 2001/01/0021).

 

3. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 41 Abs. 7 Asylgesetz 2005 unterbleiben. Von der Einvernahme des Arbeitgebers des Beschwerdeführers konnte abgesehen werden, da (wie aufgezeigt) auch die hypothetische Zugrundelegung des Fluchtvorbringens am Ergebnis nichts ändern würde.

Schlagworte
Glaubwürdigkeit, innerstaatliche Fluchtalternative, Lebensgrundlage, mangelnde Asylrelevanz, private Verfolgung, soziale Verhältnisse, staatlicher Schutz, Zumutbarkeit
Zuletzt aktualisiert am
21.04.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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