TE AsylGH Erkenntnis 2009/03/09 S4 404529-1/2009

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Veröffentlicht am 09.03.2009
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Spruch

S4 404.529-1/2009/3E

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Huber als Einzelrichter über die Beschwerde des I. P., StA. von Irak, vertreten durch RA Dr. Gerhard Mory, Wolf-Dietrich-Straße 19, 5020 Salzburg, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 2.2.2009, Zahl:

08 11.302-EAST West, zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 5 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 1 und Abs. 4 AsylG abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Der Asylwerber ist Staatsangehöriger von Irak und eigenen Angaben zufolge am 11.10.2008 von Irak (über die Türkei) am 20.10.2008 nach Griechenland eingereist. Letztlich ist der Antragsteller - ohne in Griechenland einen Asylantrag gestellt zu haben - weiter über Italien am 7.11.2008 in Österreich eingereist, wo er am 13.11.2008 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte (vgl. Aktenseite 3 ff.).

 

Mit E-Mail (via DubliNet) vom 27.11.2008 (Aktenseite 205ff) ersuchte Österreich Griechenland um Übernahme des Asylwerbers. Griechenland hat zunächst durch Unterlassen einer fristgerechten Antwort seine Zuständigkeit gem. Art. 18 Abs. 7 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) und die Aufnahme des Asylwerbers akzeptiert (vgl. AS 21 des Dublin-Aktes).

 

In der Folge erklärte sich Griechenland weiters auch mit Fax vom 10.1.2009 (AS 275) ausdrücklich zur Rückübernahme des Beschwerdeführers bereit, und sicherte unter einem ausdrücklich zu, dass der Antragsteller bei der Ankunft in Griechenland die Möglichkeit hat einen Asylantrag zu stellen, falls er das wünscht.

 

Anlässlich seiner Einvernahmen im Polizeianhaltezentrum Bludenz am 14.11.2008 sowie vor dem Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle West, am 25.11.2008 erklärte der Antragsteller übereinstimmend, dass er vom Irak über die Türkei und Griechenland, weiter nach Italien und von dort nach Österreich gereist sei. Die griechische Grenzstadt wisse er nicht, er sei in Griechenland aber in Athen gewesen (AS 159 und 179-181).

 

Mit Schriftsatz vom 23.1.2009 behauptete der - zwischenzeitig rechtsfreundlich vertretene -Asylwerber, dass er niemals in Griechenland gewesen sei, er habe dies nur gesagt, weil ihm dies vom Dolmetscher empfohlen worden sei. Im Übrigen sei in Griechenland die Behandlung von Flüchtlingen menschenrechtswidrig und katastrophal.

 

Mit Bescheid vom 2.2.2009, Zahl: 08 11302-EAST West, wurde der Antrag auf internationalen Schutz gem. § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und wurde Griechenland gemäß Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) für zuständig erklärt. Gleichzeitig wurde der Asylwerber aus dem Bundesgebiet nach Griechenland ausgewiesen.

 

Die Erstbehörde traf in diesem Bescheid Feststellungen zur Versorgung von Asylwerbern und zum Zugang zum Asylverfahren nach einer "Dublin Überstellung", die sich zum Teil auf das Ergebnis einer Fact Finding Mission der schwedischen Migrationsbehörde von April 2008 und einem diesbezüglichen Bericht vom 7.5.2008, sowie auf Anfragebeantwortungen des Greek Councils for Refugees vom 24.12.2008 und Auskünften der österreichischen Botschaft Athen vom 30.10.2008 stützen. Darüber hinaus berücksichtigte die Erstbehörde auch kritische Berichte des UNHCR vom Dezember 2008, sowie von Human Rights Watch und Pro Asyl vom November 2008. In ihrer Bescheidbegründung setzt sich die Erstbehörde mit all diesen Quellen auseinander und zieht daraus sinngemäß den Schluss, dass dem Beschwerdeführer, der in Griechenland noch keinen Asylantrag gestellt hat, jedenfalls der volle Zugang zum Asylverfahren offen stehe, die Grundversorgung gewährleistet sei und keine maßgebliche Wahrscheinlichkeit bestehe, dass der Asylwerber im Falle seiner Überstellung nach Griechenland dort eine Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung zu gewärtigen hätte.

 

Gegen diesen Bescheid hat der Asylwerber fristgerecht Beschwerde erhoben und hiebei im Wesentlichen ausgeführt, dass er "keinesfalls über Griechenland" nach Italien gereist sei, während der ganzen Flucht sei er in einem LKW gewesen und habe keine eigenen Wahrnehmungen über den Reiseweg machen können. Erst auf Anraten des Dolmetschers, der gemeint habe, dass er wohl über Griechenland gekommen sein müsse, sei er auf die Idee gekommen, zu behaupten, dass er in Griechenland gewesen sei. Sein tatsächlicher Reiseweg sei nicht ermittelt worden. Im Übrigen rügte der Asylwerber, dass das griechische Asylverfahren völlig überlastet und mangelhaft sei, es Schwierigkeiten beim Zugang zum Asylverfahren und lange Wartefristen (2 Monate bis 4 Jahre) bis zur Entscheidung gebe, Entscheidungen auch durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen können, falls ein Antragsteller keine Adresse angeben könne, die griechischen Asylbehörden gegenüber dem zuständigen Ministerium weisungsgebunden seien, es nur sehr geringe Asylanerkennungsqoten gibt, Asylsuchenden oftmals keine Unterkunft zur Verfügung gestellt wird, die griechische Polizei Einwanderer systematisch verhafte, tagelang anhalte und in der Haft misshandle, sodass insgesamt betrachtet Griechenland kein verfolgungssicherer Staat sei.

 

Die gegenständliche Beschwerde samt erstinstanzlichem Verwaltungsakt langte der Aktenlage nach am 23.2.2009 beim Asylgerichtshof ein.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Mit 1.7.2008 ist das Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) in Kraft getreten.

 

Gemäß § 23 AsylGHG sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Mit 1.1.2006 ist das Asylgesetz 2005 (AsylG) in Kraft getreten.

 

§ 61 AsylG 2005 lautet wie folgt:

 

(1) Der Asylgerichtshof entscheidet in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über

 

Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und

 

Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.

 

(2) Beschwerden gemäß Abs. 1 Z 2 sind beim Asylgerichtshof einzubringen. Im Fall der Verletzung der Entscheidungspflicht geht die Entscheidung auf den Asylgerichtshof über. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden des Bundesasylamtes zurückzuführen ist.

 

(3) Der Asylgerichtshof entscheidet durch Einzelrichter über Beschwerden gegen

 

1. zurückweisende Bescheide

 

a) wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4;

 

b) wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5

 

c) wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG, und

 

2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung

 

(4) Über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde entscheidet der für die Behandlung der Beschwerde zuständige Einzelrichter oder Senatsvorsitzende.

 

Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Dublin - Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist.

 

Gemäß § 5 Abs. 2 AsylG ist auch nach Abs. 1 vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.

 

Gemäß § 5 Abs. 3 AsylG ist, sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesasylamt oder beim Asylgerichtshof offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird.

 

Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn 1. dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder 2. diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden.

 

Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG ist, wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, gleichzeitig mit der Ausweisung auszusprechen, dass die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben ist.

 

Gemäß § 10 Abs. 4 AsylG gilt eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen.

 

Die Dublin II VO ist eine Verordnung des Gemeinschaftsrechts im Anwendungsbereich der 1. Säule der Europäischen Union (vgl. Art. 63 EGV), die Regelungen über die Zuständigkeit zur Prüfung von Asylanträgen von Drittstaatsangehörigen trifft. Sie gilt also nicht für mögliche Asylanträge von EU-Bürgern, ebenso wenig ist sie auf Personen anwendbar, denen bereits der Flüchtlingsstatus zuerkannt wurde. Das wesentliche Grundprinzip ist jenes, dass den Drittstaatsangehörigen in einem der Mitgliedstaaten das Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Asylverfahren zukommt, jedoch nur ein Recht auf ein Verfahren in einem Mitgliedstaat, dessen Zuständigkeit sich primär nicht aufgrund des Wunsches des Asylwerbers, sondern aufgrund der in der Verordnung festgesetzten hierarchisch geordneten Zuständigkeitskriterien ergibt.

 

Es ist daher zunächst zu überprüfen, welcher Mitgliedstaat nach den hierarchisch aufgebauten (Art. 5 Abs 1 Dublin II VO) Kriterien der Art. 6-12 bzw. 14 und Art. 15 Dublin II VO, beziehungsweise dem Auffangtatbestand des Art. 13 Dublin II VO zur inhaltlichen Prüfung zuständig ist.

 

Der erst später im Verfahren erhobenen Behauptung, dass der Asylwerber doch nicht über Griechenland in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten eingereist sei, kann nicht gefolgt werden, da diese Behauptung völlig unglaubwürdig erscheint:

 

Generell kommt früheren Angaben von Asylwerbern im Regelfall höhere Glaubwürdigkeit zu als erst relativ spät im Verfahren geltend gemachtem Vorbringen, da Asylwerber nach der Erfahrung des Bundesasylamtes, vormals des Unabhängigen Bundesasylsenates, und dem Asylgerichtshof spontan Aussagen tätigen, die der Wahrheit am Nächsten kommen, während später im Verfahren oftmals Behauptungen aus Opportunitätsgründen in den Raum gestellt werden.

 

In casu fällt auf, dass der Asylwerber bereits im Rahmen der Erstbefragung am 14.11.2008 zu Protokoll gegeben hat, dass er über Griechenland (Richtung Athen) in die EU eingereist ist (AS 7). Diese Angaben bestätigte er in der Folge am 25.11.2008 bei seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt, indem er ausführte, dass er den Namen der griechischen Grenzstadt nicht wisse, er aber in Athen gewesen sei (AS 181). Bei der weiteren Einvernahme am 14.1.2009 erklärte der Asylwerber, dass seine (bisherigen) Angaben richtig seien. Bei den Einvernahmen waren 2 verschiedene Dolmetscher beigezogen, sodass zunächst ein sprachliches Missverständnis über den Aufenthalt in Griechenland ausgeschlossen werden kann. Wenn der Asylwerber nun behauptet, dass er vom ersten Dolmetscher aufgefordert worden sei, fälschlich einen Griechenlandaufenthalt anzugeben, so ist zum einen zu entgegnen, dass überhaupt nicht erkannt werden kann, aus welchem Motiv heraus der Dolmetscher den Asylwerber "in diese Richtung hätte drängen" sollen, und zum anderen, dass im weiteren Verfahren ein anderer Dolmetscher beigezogen war und der Asylwerber ausdrücklich bekräftigte, dass er in Athen gewesen sei. Spätestens bei der zweiten Einvernahme hätte der Asylwerber doch Gelegenheit gehabt, seine Angaben über Griechenland zu korrigieren, wenn diese falsch gewesen wären, es ist aber nicht nachvollziehbar, dass er statt dessen noch einen Aufenthalt in Athen ausdrücklich angegeben hätte, wenn dies nicht der Wahrheit entsprechen würde. Vielmehr passt gerade in das Bild der Erfahrung der Asylbehörden, dass der Asylwerber offensichtlich später erkannt hat, dass ein Leugnen des Griechenlandaufenthaltes eventuell die Chance birgt, das Zuständigkeitssystem der Dublin II VO zu umgehen. Seine späteren Angaben erweisen sich auch insoferne als unschlüssig, als er einerseits behauptet, "keinesfalls" über Griechenland gereist zu sein, anderseits aber, dass er im LKW "über den Reiseweg keine eigene Wahrnehmung" machen konnte. Diesfalls könnte er auch nicht angeben, dass er keinesfalls in Griechenland gewesen sei.

 

Für den Asylgerichtshof steht daher aufgrund seiner früheren, nachvollziehbaren und wiederholten Aussagen fest, dass der Asylwerber über Griechenland in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten eingereist ist.

 

Dementsprechend ist auszuführen, dass eine Zuständigkeit Griechenlands gemäß Art. 10 Abs. 1 erster Satz Dublin II VO kraft Ersteinreise in der Europäischen Union besteht. Griechenland hat seine Zuständigkeit durch Unterlassen einer fristgerechten Antwort sowie nachträglich mit Fax vom 10.1.2009 durch ausdrückliche Zustimmung zur Rückübernahme des Asylwerbers akzeptiert. Die erste Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der getroffenen Unzuständigkeitsentscheidung ist somit gegeben und ist diese im Verfahren nicht bestritten worden.

 

Es sind auch aus der Aktenlage keine Hinweise ersichtlich, wonach die Führung der Konsultationen im gegenständlichen Fall derart fehlerhaft erfolgt wäre, sodass von Willkür im Rechtssinn zu sprechen wäre und die Akzeptanz Griechenlands zur Zuständigkeit für die Prüfung des Asylantrages wegen Verletzung der gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensgrundsätze aus diesem Grund ausnahmsweise keinen Bestand haben könnte (Filzwieser, Subjektiver Rechtsschutz und Vollziehung der Dublin II VO - Gemeinschaftsrecht und Menschenrechte, migraLex, 1/2007, 22ff; vgl. auch das Gebot der Transparenz im "Dublin-Verfahren", VwGH 23.11.2006, Zl. 2005/20/0444). Das Konsultationsverfahren erfolgte mängelfrei.

 

Das Bundesasylamt hat ferner von der Möglichkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO keinen Gebrauch gemacht. Es war daher noch zu prüfen, ob von diesem Selbsteintrittsrecht im gegenständlichen Verfahren ausnahmsweise zur Vermeidung einer Verletzung der EMRK zwingend Gebrauch zu machen gewesen wäre.

 

Der VfGH hat mit Erkenntnis vom 17.06.2005, Zl. B 336/05-11 festgehalten, die Mitgliedstaaten hätten kraft Gemeinschaftsrecht nicht nachzuprüfen, ob ein anderer Mitgliedstaat generell sicher sei, da eine entsprechende normative Vergewisserung durch die Verabschiedung der Dublin II VO erfolgt sei, dabei aber gleichzeitig ebenso ausgeführt, dass eine Nachprüfung der grundrechtlichen Auswirkungen einer Überstellung im Einzelfall gemeinschaftsrechtlich zulässig und bejahendenfalls das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs 2 Dublin II VO zwingend geboten sei.

 

Die Judikatur des VwGH zu den Determinanten dieser Nachprüfung lehnt sich richtigerweise an die Rechtsprechung des EGMR an und lässt sich wie folgt zusammenfassen: Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen. Wenn keine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigende notorische Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Mitgliedstaaten der EU in Bezug auf Art. 3 EMRK vorliegen (VwGH 27.09.2005, Zl. 2005/01/0313), bedarf es zur Glaubhaftmachung der genannten Bedrohung oder Gefährdung konkreter auf den betreffenden Fremden bezogener Umstände, die gerade in seinem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung im Fall seiner Abschiebung als wahrscheinlich erscheinen lassen (VwGH 26.11.1999, Zl 96/21/0499, VwGH 09.05.2003, Zl. 98/18/0317; vgl auch VwGH 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059): "Davon abgesehen liegt es aber beim Asylwerber, besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, vorzubringen und glaubhaft zu machen. Dazu wird es erforderlich sein, dass der Asylwerber ein ausreichend konkretes Vorbringen erstattet, warum die Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat gerade für ihn die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes, insbesondere einer Verletzung von Art 3 EMRK, nach sich ziehen könnte, und er die Asylbehörden davon überzeugt, dass der behauptete Sachverhalt (zumindest) wahrscheinlich ist." (VwGH 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949).

 

Die Vorlage allgemeiner Berichte ersetzt dieses Erfordernis in der Regel nicht (vgl VwGH 17.02.1998, Zl. 96/18/0379; EGMR Mamatkulov & Askarov v Türkei, Rs 46827, 46951/99, 71-77), eine geringe Anerkennungsquote, eine mögliche Festnahme im Falle einer Überstellung ebenso eine allfällige Unterschreitung des verfahrensrechtlichen Standards des Art. 13 EMRK sind für sich genommen nicht ausreichend, die Wahrscheinlichkeit einer hier relevanten Menschenrechtsverletzung darzutun. Relevant wäre dagegen etwa das Vertreten von mit der GFK unvertretbaren rechtlichen Sonderpositionen in einem Mitgliedstaat oder das Vorliegen einer massiv rechtswidrigen Verfahrensgestaltung im individuellen Fall, wenn der Asylantrag im zuständigen Mitgliedstaat bereits abgewiesen wurde (Art. 16 Abs 1 lit. e Dublin II VO). Eine ausdrückliche Übernahmeerklärung des anderen Mitgliedstaates hat in die Abwägung einzufließen (VwGH 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582, VwGH 31.05.2005, Zl. 2005/20/0025, VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/19/0673), ebenso andere Zusicherungen der europäischen Partnerstaaten Österreichs (zur Bedeutung solcher Sachverhalte Filzwieser/Liebminger, Dublin II VO, K13. zu Art 19 Dublin II VO).

 

Weiterhin hatte der Asylgerichtshof folgende Umstände zu berücksichtigen:

 

Bei entsprechender Häufung von Fällen, in denen in Folge Ausübung des Selbsteintrittsrechts die gemeinschaftsrechtliche Zuständigkeit nicht effektuiert werden kann, kann eine Gefährdung des "effet utile" Grundsatzes des GemeinschaftsrechtsFehler! Textmarke nicht definiert. entstehen.

 

Zur effektiven Umsetzung des Gemeinschaftsrechts sind alle staatlichen Organe kraft Gemeinschaftsrechts verpflichtet.

 

Der Verordnungsgeber der Dublin II VO, offenbar im Glauben, dass sich alle Mitgliedstaaten untereinander als "sicher" ansehen können, wodurch auch eine Überstellung vom einen in den anderen Mitgliedstaat keine realen Risken von Menschenrechtsverletzungen bewirken könnte (vgl. insbesondere den 2. Erwägungsgrund der Präambel der Dublin II VO), hat keine eindeutigen verfahrens- oder materiellrechtlichen Vorgaben für solche Fälle getroffen, diesbezüglich lässt sich aber aus dem Gebot der menschenrechtskonformen Auslegung des Gemeinschaftsrechts und aus Beachtung der gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensgrundrechte ableiten, dass bei ausnahmsweiser Verletzung der EMRK bei Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat eine Überstellung nicht stattfinden darf. Die Beachtung des Effizienzgebots (das etwa eine pauschale Anwendung des Selbsteintrittsrechts oder eine innerstaatliche Verfahrensgestaltung, die Verfahren nach der Dublin II VO umfangreicher gestaltet als materielle Verfahren verbietet) und die Einhaltung der Gebote der EMRK stehen daher bei richtiger Anwendung nicht in Widerspruch (Filzwieser, migraLex, 1/2007, 18ff, Filzwieser/Liebminger, Dublin II VO², K8-K13. zu Art. 19).

 

Die allfällige Rechtswidrigkeit von Gemeinschaftsrecht kann nur von den zuständigen gemeinschaftsrechtlichen Organen, nicht aber von Organen der Mitgliedstaaten rechtsgültig festgestellt werden. Der EGMR hat festgestellt, dass der Rechtsschutz des Gemeinschaftsrechts regelmäßig den Anforderungen der EMRK entspricht (30.06.2005, Bosphorus Airlines v Irland, Rs 45036/98).

 

Es bedarf sohin europarechtlich eines im besonderen Maße substantiierten Vorbringens und des Vorliegens besonderer vom Antragsteller bescheinigter außergewöhnlicher Umstände, um die grundsätzliche europarechtlich gebotene Annahme der "Sicherheit" der Partnerstaaten der Europäischen Union als einer Gemeinschaft des Rechts im individuellen Fall erschüttern zu können. Diesem Grundsatz entspricht auch die durch das AsylG 2005 eingeführte gesetzliche Klarstellung des § 5 Abs 3 AsylG, die Elemente einer Beweislastumkehr enthält. Es trifft zwar ohne Zweifel zu, dass Asylwerber in ihrer besonderen Situation häufig keine Möglichkeit haben, Beweismittel vorzulegen (wobei dem durch das Institut des Rechtsberaters begegnet werden kann), und dies mitzubeachten ist (VwGH, 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949), dies kann aber nicht pauschal dazu führen, die vom Gesetzgeber - im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht - vorgenommene Wertung des § 5 Abs 3 AsylG überhaupt für unbeachtlich zu erklären. Eine Rechtsprechung, die in Bezug auf Mitgliedstaaten der EU faktisch höhere Anforderungen entwickelte, als jene des EGMR in Bezug auf Drittstaaten wäre jedenfalls gemeinschaftsrechtswidrig.

 

Sohin ist zu prüfen, ob der Asylwerber im Falle der Zurückweisung seines Asylantrages und seiner Ausweisung nach Griechenland gem. §§ 5 und 10 AsylG - unter Bezugnahme auf seine persönliche Situation - in seinen Rechten gem. Art. 3 EMRK (eine Verletzung seiner Rechte gem. Art. 8 EMRK wurde seitens des Antragstellers nicht behauptet und liegen auch keinerlei Anhaltspunkte hiefür vor, da der Asylwerber laut eigenen Angaben keine Familienangehörigen oder sonstige Verwandtschaft in Österreich hat (Aktenseite 181) und erst seit sehr kurzer Zeit - etwa 31/2 Monate - im Bundesgebiet aufhältig ist) verletzt werden würde, wobei der Maßstab des "real risk" anzulegen ist.

 

Bereits das Bundesasylamt hat ausgeführt, dass Personen, die noch nie in Griechenland einen Asylantrag gestellt haben, nach ihrer Überstellung vollen Zugang zum Asylverfahren haben (Aktenseite 18 des angefochtenen Bescheides). Damit in Einklang steht auch die Erfahrung des schwedischen Migrationsamtes im Rahmen der fact finding mission vom April 2008, wonach in 26 überprüften Fällen nach Rücküberstellungen für alle 26 Antragsteller ein inhaltliches Asylverfahren betrieben wurde. Zweifel am Zugang zu einem Asylverfahren liegen daher nicht vor. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass Personen bei der Ersteinreise nach Griechenland allenfalls aufgrund von Engpässen in der Kapazität des griechischen Asylbehörden faktisch Schwierigkeiten haben können, einen Asylantrag zu stellen. Es wird die Kritik des UNHCR an der hohen Belastung des griechischen Asylsystems nicht übersehen, doch darf in Fällen, in denen Asylwerber im Rahmen der Dublin II-VO von einem Staat nach Griechenland rücküberstellt werden, ebenfalls nicht übersehen werden, dass bei der Rücküberstellung naturgemäß bereits im Vorlauf der Überstellung ein zwischenstaatlicher Behördenkontakt besteht und Griechenland aufgrund von Terminvereinbarungen den Antragsteller übernimmt, sodass der Antragsteller jedenfalls Kontakt zu griechischen Behörden hat und diese bereits wissen, dass es sich um einen Asylwerber handelt.

 

Dem weiteren Einwand, dass erstinstanzliche Entscheidungen, dann, wenn Asylwerber keine Adresse bekanntgeben können, durch öffentlichen Aushang zugestellt und rechtskräftig werden können, ist zu entgegnen, dass bei unbekannter Abgabestelle eine Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung (Anschlag an der Amtstafel) auch dem österreichischem Zustellrecht bekannt ist (§ 25 ZustellG).

 

Auch die in der Beschwerde gerügten Umstände, dass die griechischen Asylbehörden dem zuständigen Ministerium gegenüber weisungsgebunden sind, sowie dass es längere Wartefristen bis zur Entscheidung von Anträgen gibt, indizieren per se keine Verletzung von Rechten der Asylwerber nach Art. 3 EMRK.

 

Soweit der Asylwerber vorbringt, dass es in Griechenland keine Möglichkeit auf Unterbringung gebe und er seine überlebensnotwendigste Minimalgrundversorgung nicht erhalten könnte, ist zunächst zu entgegnen, dass diese Angaben mit dem Ergebnis der Fact finding mission, welche das schwedische Migrationsamt im April 2008 durchgeführte und demzufolge die Aufnahme von erwachsenen Asylwerbern in Griechenland auf akzeptablem Niveau steht und jeder Asylwerber Zugang zu öffentlicher medizinischer und gesundheitlicher Versorgung hat, nicht zu vereinbaren sind. In diesem Zusammenhang ist weiters auszuführen, dass der Asylwerber auch angesichts der erstinstanzlichen Feststellungen, wonach Asylwerber in Griechenland für die Dauer des Verfahrens legal einer Arbeit nachgehen können (Seite 16 des angefochtenen Bescheides), mit seinem Vorbringen zur Versorgungslage keine maßgeblich wahrscheinliche Verletzung seiner Rechte gem. Art. 3 EMRK im Hinblick auf seine Existenz- und Unterbringungsmöglichkeiten darzutun vermag. Der Asylwerber hat den griechischen Behörden letztlich dadurch, dass er gar keinen Asylantrag gestellt hat, nicht einmal die "Chance" eingeräumt, ihm Unterstützung angedeihen zu lassen.

 

Zudem ist die Judikatur des EGMR, wann eine Verletzung von Rechten von Personen im Hinblick auf Art. 3 EMRK - vergleichsweise etwa zu Fragen der medizinischen Behandlung - vorliegt, so streng, dass diese Maßstäbe, umgelegt auf die Versorgungslage von Asylwerbern, erst dann eine Verletzung ihrer Rechte gem. Art. 3 EMRK indizieren, wenn Asylwerber im Zielstaat tatsächlich in ihrer Existenz gefährdet wären. Dass das Überleben von Asylwerbern in Griechenland mangels Nahrung und Wohnraum tatsächlich in-Frage-gestellt wäre, lässt sich aus der Berichtslage nicht ableiten.

 

Die allgemeine Kritik, dass Asylwerber bzw. Einwanderer in Griechenland von der Polizei belästig oder gar geschlagen werden, wird bereits dadurch relativiert, dass dem Asylwerber Derartiges offensichtlich nicht widerfahren ist. Eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit, dass der Asylwerber im Falle seiner Rücküberstellung nach Griechenland von der Polizei misshandelt werden würde, kann jedenfalls nicht erkannt werden.

 

Da im konkreten Fall der Asylwerber in Griechenland erst einen Asylantrag stellen wird, falls er das wünscht, verbieten sich auch spekulative Erwägungen über dessen Ausgang und die Erfolgsaussichten des Beschwerdeführers. Auch der von der Erstinstanz herangezogene Bericht des Schwedischen Migrationsamtes bestätigt, dass das reale Risiko einer Verletzung des Art. 3 EMRK durch eine Kettenabschiebung infolge Verstoßes gegen das Non-Refoulement Gebot nicht besteht. Dass gerade der Beschwerdeführer - bei dem Faktoren einer besonderen Vulnerabilität nicht bestehen - bei einer Rückkehr in eine aussichtslose Situation geraten würde, lässt sich aus der allgemeinen Berichtslage, bei aller Kritik an Einzelfällen, nicht ableiten.

 

Akut existenzbedrohende Krankheitszustände des Asylwerbers sind der Aktenlage nicht zu entnehmen, sodass aus medizinischer Sicht seiner Überstellung nach Griechenland kein Hinderungsgrund entgegensteht.

 

Im Ergebnis hat die vorgenommene Prüfung somit nicht ergeben, dass allgemein Überstellungen nach Griechenland nicht vorgenommen werden dürfen. Dies entspricht der Rechtsansicht der Europäischen Kommission (vgl Pressemitteilung vom 09.04.2008). Es liegen auch keine höhergerichtlichen Entscheidungen von Gerichten anderer Mitgliedsstaaten vor, in denen Überstellungen generell für unzulässig erklärt worden sind, im Gegenteil haben sowohl der englische Court of Appeal mit Urteil vom 14.05.2008 in der Rechtssache Nassari ([2008] EWCA Civ 464), als auch der schwedische Oberste Gerichtshof für Migrationssachen mit Urteil in der Rechtssache UM200397-08 (Oktober 2008) Überstellungen nach Griechenland in einzelnen Fällen für zulässig erklärt. Diese Linie findet ihre Bestätigung in der Unzulässigkeitsentscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 02.12.2008 in der Rechtssache 32733/08 (K.R.S. gegen das Vereinigte Königreich).

 

In Ermangelung sonstiger individueller Gründe und relevanten individuellen Vorbringens des Beschwerdeführers erweist sich daher in diesem Fall das von der Erstbehörde beigeschaffte Tatsachensubstrat als ausreichend und die individuelle Beweiswürdigung als zutreffend. Zusammengefasst stellt daher eine Überstellung des Beschwerdeführers nach Griechenland nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verletzung des Art. 3 EMRK und somit auch keinen Anlass zur Ausübung des Selbsteintrittsrechtes Österreichs nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO dar.

 

Spruchpunkt I der erstinstanzlichen Entscheidung war sohin bei Übernahme der Beweisergebnisse der Erstbehörde mit obiger näherer Begründung zu bestätigen. Hinsichtlich der vom Beschwerdeführer bekämpften Ausweisung ist festzuhalten, dass das Bundesasylamt eine korrekte Interessensabwägung im Sinne der Rechtsprechung vorgenommen hat. Familiäre Anknüpfungspunkte, die im Hinblick auf Art. 8 EMRK relevant sein könnten, hat der Asylwerber im Bundesgebiet nicht, und liegt schon aufgrund der Kürze seines Aufenthaltes kein schützenswertes Privatleben in Österreich vor. Den Ausführungen zu Spruchpunkt II des erstinstanzlichen Bescheides ist seitens des Asylgerichtshofes für den konkreten Fall somit ebenfalls zuzustimmen.

 

Gemäß § 41 Abs. 4 AsylG konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden. Eine gesonderte Erwägung bezüglich einer allfälligen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konnte angesichts des Spruchinhaltes entfallen.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Ausweisung, Lebensgrundlage, real risk, Rechtsschutzstandard
Zuletzt aktualisiert am
15.04.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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