TE AsylGH Erkenntnis 2009/03/09 E12 316106-1/2008

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.03.2009
beobachten
merken
Spruch

E12 316.106-1/2008-9E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. ZOPF als Vorsitzende und den Richter Dr. STEININGER als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Fr. Mittermayr über die Beschwerde des Herrn S. G., StA. Türkei, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 14.11.2007, FZ. 05 22.997-BAL, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 23.02.2009 zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 7, 8 Abs. 1 und Abs. 2 AsylG 1997, BGBl I 76/1997, als unbegründet abgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

 

I. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger der Türkei, brachte am 27.12.2005 beim Bundesasylamt (BAA) einen Antrag auf internationalen Schutz ein. Dazu wurde er erstbefragt und zu den im Akt ersichtlichen Daten von einem Organwalter des BAA niederschriftlich einvernommen. Der Verlauf dieser Einvernahmen ist im angefochtenen Bescheid vollständig wieder gegeben, weshalb an dieser Stelle hierauf verwiesen wird.

 

Als Begründung für das Verlassen des Herkunftsstaates brachte er im Wesentlichen vor, dass

 

er Kurde sei. Sein Vater sei Mitglied der DEHAP gewesen. Vor der Geburt des BF sei sein Vater deswegen 5 Jahre in Haft gewesen, wo man ihn auch gefoltert hätte. Er habe bereits in der Schule deswegen Probleme gehabt. Als Kurde sei er immer wieder von den Nationalisten geschlagen worden. Im Cafe des Vaters habe es ständige Polizeikontrollen gegeben. Ein Jahr vor seiner Ausreise sei er auch einmal festgenommen und mit Folter bedroht worden. Dies revidierte der BF bei seiner 2. Einvernahme vor dem BAA dahingehend, dass er nie festgenommen worden und nie in Haft gewesen sei. Außerdem wolle er nicht 15 Monate beim türkischen Militär dienen.

 

Der Antrag auf internationalen Schutz wurde folglich mit Bescheid des BAA vom 14.11.2007 FZ 05 22.997-BAL, gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 AsylG 1997 wurde die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Türkei für zulässig erklärt (Spruchpunkt II.). Gemäß § 8 Abs.2 AsylG 1997 wurde die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Türkei verfügt (Spruchpunkt III.).

 

Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die belangte Behörde das Vorbringen des BF als nicht glaubwürdig. Zunächst wurden aufgrund mangelnder Kenntnisse der kurdischen Sprache und Schrift bereits Zweifel an der kurdischen Abstammung des BF gehegt. Außerdem habe er versucht, den Reiseweg zu verschleiern, zumal der BF diesbezüglich nur unbestimmte und vage Aussagen getroffen hat. Da der BF nicht darlegte, dass er ausschließlich wegen seiner Nationalität oder politischen Gesinnung einberufen worden wäre, habe man nicht von einer Verfolgungshandlung im Sinne der GFK ausgehen können. Außerdem sei der BF noch nicht einmal bei der Musterung gewesen, sodass nicht einmal klar war, ob er überhaupt tauglich ist. Auch der Umstand, dass sich der BF noch 2005 einen Reisepass ausstellen ließ und mit diesem auch aus der Türkei ausreiste, deute darauf hin, dass der BF offenbar keine Verfolgungshandlungen durch die Behörden seines Heimatstaates befürchtete. Auch der Vergangenheit des Vaters komme keine Bedeutung zu, da Sippenhaft in der Türkei nicht als gegeben anzunehmen sei.

 

Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 25.11.2007 innerhalb offener Frist Berufung [jetzt Beschwerde] erhoben. Hinsichtlich des detaillierten Inhaltes der Beschwerde wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.

 

Im Wesentlichen brachte der BF vor, dass der Wehrdienstverweigerung sehr wohl eine Asylrelevanz zukomme. Gerade die Möglichkeit in einer doch sehr brisanten Situation Wehrdienst leisten zu müssen, schrecke viele Kurden ab, sich in einer Region militärisch zu engagieren, die von politischen Beobachtern als sehr gefährlich geschildert werde. Der BF würde im Fall seiner Rückkehr sofort zum Militär einberufen und damit der Gefahr ausgesetzt, Teilnehmer eines Krieges zu werden, der sich gegen Kurden in einem Nachbarland richtet.

 

Am 23.2.2009 wurde vor dem Asylgerichtshof darüber eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt des BF, seine ergänzende Einvernahme als Partei sowie eingehende Erörterung der aus der Verhandlungsschrift vom 23.2.2009 ersichtlichen Erkenntnisquellen.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Der AsylGH hat durch Einsicht in den vorliegenden Verwaltungsakt, Einvernahme des BF und Erörterung der o.a. Erkenntnisquellen mit dem BF Beweis erhoben. Der festgestellte Sachverhalt steht aufgrund der außer Zweifel stehenden Aktenlage (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) fest.

 

Die vom BAA vorgenommene Beweiswürdigung ist im hier dargestellten Rahmen im Sinne der allgemeinen Denklogik und der Denkgesetze in sich schlüssig und stimmig.

 

Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess, der den Regeln der Logik zu folgen hat und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch-empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76). Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens,

5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305, führen beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.02.1987, Zahl 13 Os 17/87, aus: Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Tatrichter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen.

 

Aus Sicht des Asylgerichtshofes ist unter Heranziehung dieser, von der höchstgerichtlichen Judikatur festgelegten, Prämissen für den Vorgang der freien Beweiswürdigung dem Bundesasylamt nicht entgegenzutreten, wenn es das ausreisekausale Vorbringen im dargestellten Ausmaß als nicht glaubhaft qualifiziert. Die Unglaubwürdigkeit des BF wurde durch seine Aussage vor dem Asylgerichtshof sogar noch verstärkt, und zwar aus folgenden Gründen:

 

Wenn der BF behauptet, als Schüler geschlagen, bedroht und bestohlen worden zu sein, erscheint dies unter dem Aspekt, dass dies nie bei der Polizei angezeigt wurde und auch die Eltern des BF seine angeblichen Kontrahenten nie zur Rede gestellt haben, nicht sonderlich glaubwürdig. Dies umso mehr, als der BF vor dem Asylgerichtshof nicht einmal angeben kann, von wann bis wann er die Schule besucht hat. Während der BF vor dem BAA einmal behauptete, einmal festgenommen worden zu sein und dann wieder, nie festgenommen worden zu sein, gab er vor dem Asylgerichtshof wiederum an, 2004 ( genaues Datum unbekannt) einmal festgenommen worden zu sein. Man habe ihm gesagt, als Kurde solle er auf sein Verhalten achten. Dies ist insoferne unglaubwürdig, weil die Polizei niemand festnimmt, nur um ihm zu sagen, er solle als Kurde auf sein Verhalten achten. Wenn der BF das ganze auf eine Übertretung von Jugendschutzbestimmungen durch ihn und andere Jugendliche zurückführt, ist es nur legitim, dass die Polizei ihren ihr gesetzlich obliegenden Verpflichtungen nachkommt. Dass der BF mit staatlichen Institutionen kein Problem gehabt haben kann, zeigt sich auch daraus, dass ihm 2005 offenbar problemlos ein Reisepass ausgestellt wurde. Soweit der BF seine Probleme und die seiner nach wie vor in der Türkei lebenden Familie vor dem Asylgerichtshof erstmals auf die Verwandtschaft mit XY zurückführt, ist dies ebenfalls unglaubwürdig: Zum einen handelt es sich um eine Steigerung des Vorbringens des BF, zum anderen handelt es sich bei der vorgelegten Kopie der Leichnambeerdigungs- und Transportgenehmigung für XY um eine plumpe Fälschung. Dieses Schriftstück weist weder irgendeinen Stempel, ein Rundsiegel etc. auf, was auf ein offizielles Schriftstück schließen ließe. Die diesbezügliche Erklärung des BF, dass das Schreiben eine Kopie sei und deswegen Stempel bzw. Rundsiegel nicht sichtbar seien, mutet geradezu lächerlich an. Unter diesem Aspekt ist auch zu sehen, dass der BF in weiterer Folge behauptete, dass er dieses Schriftstück dem BAA deswegen nicht vorgelegt habe, weil die PKK als terroristische Organisation eingestuft sei und er gehört habe, dass Leute die über die PKK erzählen, in die Türkei abgeschoben würden. Auch die vorgelegte Kopie einer Vorstrafenanfrage des Vaters des BF kann zum ggst Asylverfahren nichts beitragen, weil dessen Verurteilung nicht angezweifelt wird. Er hat dafür seine Haftstrafe vor über 20 Jahren verbüßt und lebt offenbar ohne gröbere Probleme mit der Familie nach wie vor in der Türkei und betreibt dort auch ein Geschäft. Dies belegt auch die Aussage des BF auf die Frage, ob der Vater anlässlich der Eröffnung des Lebensmittelgeschäftes Probleme mit den Behörden gehabt habe: Er wisse das nicht so detailliert, er habe sich nicht darum gekümmert. Dies ist aber unter dem Aspekt, dass der BF mit seiner Familie in der Türkei in Kontakt ist und diese ihm auch unterlagen bzw. Kopien davon nach Österreich nachgeschickt hat wenig glaubwürdig bzw. lässt den Schluss zu, dass die Familie offenbar keine Probleme hat. Dies trifft auch auf den 2 Jahre jüngeren Bruder des BF zu, der bislang offenbar keine Veranlassung sah, das Heimatland -auch trotz des bevorstehenden Wehrdienstes zu verlassen.

 

Der BF konnte auch keine asylrelevante Verfolgung wegen seiner Religion glaubhaft machen. So erscheint es zunächst zweifelhaft, ob er überhaupt ein Alevite ist, da er relativ wenig Grundwissen über den Alevismus besitzt und zB nicht einmal das Symbol der Aleviten kennt. Doch selbst, wenn man unterstellt, dass der BF tatsächlich Alevit ist, ist seine darum gerankte, angebliche Verfolgung unglaubwürdig. So behauptet er nur allgemein, dass ihm die Leute deswegen den Weg abgeschnitten und ihn geschlagen hätten, ohne allerdings auch nur ein konkretes Ereignis benennen zu können.

 

Soweit der BF Wehrdienstverweigerung als Fluchtgrund angibt und in der Beschwerde ausführt, beim Militär möglicherweise gegen Kurden im Nachbarstaat kämpfen zu müssen, erscheint dies ebenfalls wenig glaubwürdig. So steht noch nicht einmal fest, ob er überhaupt wehrtauglich ist, da er bis jetzt erst den letzten Musterungsbefehl erhalten hat. Außerdem hat der BF -entgegen den Ausführungen in der Beschwerdeschrift- in all seinen Einvernahmen mit keinem Wort erwähnt, dass er nicht gegen Kurden im Nachbarstaat kämpfen möchte. So gab er vor dem Asylgerichtshof vielmehr an, dass er wegen der angeblichen PKK-Angehörigkeit seines Cousins beim Militär umgebracht würde. Im Widerspruch dazu steht auch die Tatsache, dass sich der 19-jährige Bruder des BF nach wie vor in der Türkei befindet und derartige Bedenken offenbar nicht hegt. Darauf angesprochen erklärte der BF nur lapidar, sein Bruder möchte auch nicht zum Militär, allerdings ohne einen entsprechenden Grund dafür anzugeben. Es mag durchaus sein, dass viele junge Männer in der Türkei, auch Türken heute keinen Wehrdienst ableisten wollen, nichtsdestotrotz handelt es sich dabei um eine allgemeine Staatsbürgerpflicht - ebenso wie auch in Österreich oder anderen westlichen Staaten. Überdies hätte sich der BF auch vom Wehrdienst freikaufen können. Mit dem an den Schlepper bezahlten Betrag von 4.000 Euro hätte er schon den Großteil des erforderlichen Betrages zur Verfügung gehabt. Außerdem gab er selbst an, in der Türkei keine finanziellen Probleme gehabt zu haben.

 

Soweit der BF seine exilpolitische Tätigkeit ins Treffen führt, erscheint diese ebenfalls fragwürdig, da er keinerlei Nachweise hiefür vorlegen kann. Außerdem machte er auch hiezu nur sehr vage Angaben. Zudem behauptet er selbst, nur einfaches Mitglied zu sein um keine Funktion auszuüben und den Verein nur alle 2 bis 3 Wochen aufzusuchen, was nach den vorliegenden Länderberichten zutreffendenfalls eine Asylrelevanz aber ebenfalls ausschließt.

 

Die in der Beschwerde des BF zitierten Berichte zeigen zum einen keinerlei konkreten Bezug zum Fall des BF auf, zum anderen sind sie älteren Datums als die vom Asylgerichtshof herangezogenen Erkenntnisquellen, sodass sie nicht in der Lage sind, diese auf gleicher Ebene zu begegnen.

 

Insgesamt kam daher der Asylgerichtshof zum Schluss, dass die vorgetragene Fluchtgeschichte des BF weitestgehend frei erfunden ist und ihr daher jegliche Glaubwürdigkeit abzusprechen war.

 

Dem BF ist es auch in keiner Weise gelungen, der Beweiswürdigung des Bundesasylamtes dermaßen konkret und substantiiert entgegen zu treten, dass Zweifel daran aufgekommen wären. Vom BF wurde es unterlassen, durch klare, konkrete und substantiierte Ausführungen darzulegen, warum er vom Vorliegen einer mangelhaften Ermittlungstätigkeit durch das Bundesasylamt ausgeht. Insbesondere wurde nicht näher ausgeführt, was noch das BAA hätte ermitteln sollen. Da somit weder aus dem amtswegigen Ermittlungsergebnis im Beschwerdeverfahren noch aus den Ausführungen des BF ein substantiierter Hinweis auf einen derartigen Mangel vorliegt, kann ein solcher nicht festgestellt werden.

 

Die Wertung des Bundesasylamtes, die Angaben des BF seien unglaubwürdig bzw. nicht asylrelevant, ist demzufolge nicht zu beanstanden und sind schon allein die Argumente des BAA im Hinblick auf die widersprüchlichen Angaben des BF geeignet, den Befund der Unglaubwürdigkeit zu tragen. Bestätigt wird dies, nimmt man die weitere Argumentation des BAA und die Angaben des BF vor dem Asylgerichtshof.

 

III. Rechtliche Beurteilung

 

III.1.

 

Artikel 151 Abs. 39 Z. 1 und 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) lauten:

 

(39) Art. 10 Abs. 1 Z 1, 3, 6 und 14, Art. 78d Abs. 2, Art. 102 Abs. 2, Art. 129, Abschnitt B des (neuen) siebenten Hauptstückes, Art. 132a, Art. 135 Abs. 2 und 3, Art. 138 Abs. 1, Art. 140 Abs. 1erster Satz und Art. 144a in der Fassung des Bundesverfassungsgesetzes BGBl. I Nr. 2/2008 treten mit 1. Juli 2008 in Kraft. Für den Übergang zur neuen Rechtslage gilt:

 

Z 1: Mit 1. Juli 2008 wird der bisherige unabhängige Bundesasylsenat zum Asylgerichtshof.

 

Z 4: Am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren sind vom Asylgerichtshof weiterzuführen.

 

Gemäß § 61 (1) AsylG 2005 BGBl I Nr. 100/2005 idF BGBl I Nr. 4/2008 entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über

 

1. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und

 

2. [..]

 

(2) [..]

 

(3) Der Asylgerichtshof entscheidet durch Einzelrichter über Beschwerden gegen

 

1. zurückweisende Bescheide

 

[..]

 

2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung.

 

(4) Über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde entscheidet der für die Behandlung der Beschwerde zuständige Einzelrichter oder Senatsvorsitzende.

 

Gem. § 23 des Bundesgesetzes über den Asylgerichtshof, BGBl. I, Nr. 4/2008 (Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG) idgF sind, soweit sich aus dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, nichts anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffes Berufung der Begriff Beschwerde tritt, weshalb im gegenständlichen Fall im hier ersichtlichen Umfang das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51 zur Anwendung gelangt.

 

Gemäß § 66 Abs 4 AVG idgF hat der Asylgerichtshof [Berufungsbehörde], sofern die Beschwerde [Berufung] nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Er [sie] ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) seine [ihre] Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Gem. § 73 (1) Asylgesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG 2005) tritt dieses Gesetz mit der Maßgabe des § 75 (1) leg. cit in Kraft, wonach alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen sind.

 

Gegenständliches Verfahren war am 31.12.2005 anhängig, weshalb es nach den Bestimmungen des AsylG 1997 idgF zu führen war.

 

Das Bundesasylamt hat ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung in der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Die Erstbehörde hat sich sowohl mit dem individuellen Vorbringen auseinander gesetzt, als auch ausführliche Sachverhaltsfeststellungen zur allgemeinen Situation in der Türkei auf Grundlage ausreichend aktuellen und unbedenklichen Berichtsmaterials getroffen und in zutreffenden Zusammenhang mit der Situation des BF gebracht. Auch die rechtliche Beurteilung begegnet keinen Bedenken.

 

III.2. Zu Spruchpunkt I

 

Die hier maßgebliche Bestimmung des § 7 AsylG lautet:

 

Die Behörde hat Asylwerbern über Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Flüchtling im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

 

Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380).

 

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262). Die Verfolgungsgefahr muss nicht nur aktuell sein, sie muss auch im Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194).

 

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Konvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes befindet.

 

Wie bereits in der Beweiswürdigung ausführlich erörtert wurde, war dem Vorbringen des BF zu den behaupteten Ausreisegründen insgesamt die Glaubwürdigkeit abzusprechen, weshalb die Glaubhaftmachung eines Asylgrundes von vornherein ausgeschlossen werden kann. Es sei an dieser Stelle betont, dass die Glaubwürdigkeit des Vorbringens die zentrale Rolle für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Asylgewährung einnimmt (vgl. VwGH v. 20.6.1990, Zl. 90/01/0041).

 

Im gegenständlichen Fall erachtet das erkennende Gericht in dem im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegten Umfang die Angaben als unwahr, sodass die vom BF behaupteten Fluchtgründe nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden können, und es ist auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohl begründeter Furcht vor Verfolgung nicht näher zu beurteilen (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380).

 

Dem Bundesasylamt ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau jedenfalls beizupflichten, dass kein Sachverhalt hervorkam, welcher bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen den Schluss zuließe, dass der BF im Falle einer Rückkehr in die Türkei dort einer Gefahr im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ausgesetzt wäre.

 

III.3. Zu Spruchpunkt II

 

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 in der hier anzuwendenden Fassung hat die Behörde im Fall einer Abweisung des Asylantrages von amtswegen bescheidmäßig festzustellen, ob eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist.

 

Gem. der Judikatur des EGMR muss der Beschwerdeführer die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr schlüssig darstellen (vgl. EKMR, Entsch. vom 7.7.1987, Nr. 12877/87 - Kalema gg. Frankreich, DR 53, S. 254, 264). Dazu ist es notwendig, dass die Ereignisse vor der Flucht in konkreter Weise geschildert und auf geeignete Weise belegt werden.

 

Rein spekulative Befürchtungen reichen ebenso wenig aus (vgl. EKMR, Entsch. vom 12.3.1980, Nr. 8897/80: X u. Y gg. Vereinigtes Königreich), wie vage oder generelle Angaben bezüglich möglicher Verfolgungshandlungen (vgl. EKMR, Entsch. vom 17.10.1986, Nr. 12364/86: Kilic gg. Schweiz, DR 50, S. 280, 289).

 

Auch nach Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder nicht effektiv verhinderbaren Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, Zl. 95/18/1293, VwGH 17.7.1997, Zl. 97/18/0336). So auch der EGMR in stRsp, welcher anführt, dass es trotz allfälliger Schwierigkeiten für den Antragsteller "Beweise" zu beschaffen, es dennoch ihm obliegt -so weit als möglich- Informationen vorzulegen, die der Behörde eine Bewertung der von ihm behaupteten Gefahr im Falle einer Abschiebung ermöglicht ( z. B. EGMR Said gg. die Niederlande, 5.7.2005)

 

Der VwGH geht davon aus, dass der Beschwerdeführer vernünftiger Weise (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380) damit rechnen muss, in dessen Herkunftsstaat (Abschiebestaat) mit einer über die bloße Möglichkeit (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262) hinausgehenden maßgeblichen Wahrscheinlichkeit von einer aktuellen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194) Gefahr betroffen zu sein. Wird dieses Wahrscheinlichkeitskalkül nicht erreicht, scheidet die Gewährung von subsidiärem Schutz somit aus.

 

Im gegenständlichen Fall wurde eine Gefährdung iSd § 50 FPG 2005 bereits unter Punkt III.2. geprüft und ausgeschlossen.

 

Eine Gefährdung aufgrund der behaupteten Bedrohung bzw. Verfolgung durch Privatpersonen oder staatliche Organe hat sich - wie bereits ausgeführt - als nicht glaubhaft erwiesen.

 

Hinweise auf das sonstige Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige Elementarereignisse) liegen ebenfalls nicht vor, weshalb hieraus aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Art. 2 und/oder 3 EMRK abgeleitet werden kann.

 

Es kann nicht festgestellt werden, dass eine nicht sanktionierte ständige Praxis grober, offenkundiger, massenhafter Menschenrechtsverletzungen (iSd VfSlg 13.897/1994, 14.119/1995, vgl. auch Art. 3 des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984) herrschen würde und praktisch, jeder der sich im Hoheitsgebiet des Staates aufhält schon alleine aufgrund des Faktums des Aufenthaltes aufgrund der allgemeinen Lage mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, von einem unter § 50 FPG subsumierbaren Sachverhalt betroffen ist.

 

Aus der sonstigen allgemeinen Lage kann ebenfalls bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Bestehen eines unter § 50 FPG subsumierbaren Sachverhalts abgeleitet werden.

 

Weitere, in der Person des BF begründete Rückkehrhindernisse können bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen ebenfalls nicht festgestellt werden. Der BF ist ein 20-jähriger, gesunder junger Mann, der durchaus in der Lage ist, seinen Lebensunterhalt durch eine entsprechende Erwerbstätigkeit zu bestreiten. Es stehen ihm auch, zumindest im Bereich der Großstädte und in den Tourismusgebieten ausreichend Arbeitsstellen zur Verfügung. Außerdem stehen ihm für die erste Zeit nach seiner Rückkehr die Eltern, Großeltern sowie 2 Geschwister soziales Auffangnetz zur Verfügung. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass seine Onkel, die ihn jetzt in Österreich unterstützen, diese finanziellen Mittel in die Türkei schicken. Die vom BF vage in den Raum gestellte angebliche psychische Beeinträchtigung konnte nicht verifiziert werden, da er laut eigener Angabe derzeit weder in ärztlicher Behandlung ist noch Medikamente nimmt und derartige Probleme derzeit auch nicht hat. Doch selbst, wenn diese Probleme in der Türkei wieder auftreten sollten, wären sie laut den vorliegenden Länderberichten behandelbar.

 

Aufgrund der getroffenen Ausführungen ist davon auszugehen, dass der BF vernünftiger Weise nicht damit rechnen muss, in dessen Herkunftsstaat (Abschiebestaat) mit einer über die bloße Möglichkeit hinausgehenden maßgeblichen Wahrscheinlichkeit von einer aktuellen Gefahr betroffen zu sein, weshalb die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Ausweisung zu recht für zulässig erklärt wurde.

 

III.4. Zu Spruchpunkt III

 

Grundsätzlich begegnet die rechtliche Beurteilung der Ausweisungsentscheidung des Bundesasylamtes keinen Bedenken.

 

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG hat die Behörde den Bescheid mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Asylantrag abgewiesen ist und die Überprüfung gem. § 8 Abs. 1 ergeben hat, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Herkunftsstaat zulässig ist.

 

Bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen bestehen keine Hinweise, dass durch eine Ausweisung in den Herkunftsstaat auf unzulässige Weise in das Privat- und Familienleben des BF gem. Art. 8 EMRK eingegriffen werden würde. Hier wird besonders auf die jüngste Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts (Erk. d. VfGH vom 29.9.2007, Zahl B 1150/07-9 und Erk. d. VwGH vom 17.12.2007, Zahl 2006/01/0216 bis 219-6), sowie des EGMR (Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06) verwiesen, bei deren umfassender Beachtung kein Hinweis zu Tage kommt, dass eine Ausweisung des BF in unzulässiger Weise in sein durch Art. 8 EMRK geschütztes Privat- und/oder Familienleben eingreift.

 

Der BF wohnt bei seinen Onkeln und wird von diesen finanziell unterstützt. Er ist im Dezember 2005 unter Umgehung der Grenzkontrolle in Österreich eingereist. Er hat bis jetzt nicht deutsch gelernt, arbeitet nicht, ist bei keinem Verein und auch sonst nicht integriert.

 

Verwandtschaftliche Beziehungen zwischen Neffe und Onkel sind nur dann als Familienleben geschützt, wenn eine hinreichend starke Nahebeziehung besteht. Nach Ansicht der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ist für diese Wertung insbesondere Dauer und Intensität des Zusammenlebens von Bedeutung. Dabei werden vor allem das Zusammenleben und die gegenseitige Unterhaltsgewährung zur Annahme eines Familienlebens iSd Art. 8 EMRK führen, soweit nicht besondere Abhängigkeitsverhältnisse, wie die Pflege eines behinderten oder kranken Verwandten, vorliegen. Letztgenannte Umstände sind allerdings im ggst. Fall nicht zutage getreten. Das BAA hat zu Recht einen Familienbezug in Österreich angenommen.

 

Die vom BAA abschließend durchgeführte Interessensabwägung begegnet ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken.

 

Hinzuzufügen ist noch, dass dem BF bei der Antragstellung auch klar sein musste, dass der Aufenthalt in Österreich im Falle der Abweisung des Asylantrages nur vorübergehend ist. Ebenso indiziert die Einreise unter Umgehung der Grenzkontrolle den Umstand, dass es dem BF in Unmöglichkeit der legalen Einreise und dauerhaften Niederlassung bewusst war, da davon auszugehen ist, dass er in diesem Fall diese weitaus weniger beschwerliche Art der Einreise und Niederlassung gewählt hätte.

Schlagworte
Ausweisung, Glaubwürdigkeit, non refoulement, soziale Verhältnisse
Zuletzt aktualisiert am
15.04.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten