TE AsylGH Erkenntnis 2009/03/11 A4 267370-0/2008

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Veröffentlicht am 11.03.2009
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Spruch

A4 267.370-0/2008/6E

 

Im Namen der Republik

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Lammer als Vorsitzenden und die Richterin Dr. Holzschuster als Beisitzerin im Beisein der Schriftführerin VB Wilhelm über die Beschwerde des O.C., StA. Nigeria, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 14.12.2005, FZ. 04 19.167-BAG, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 20.11.2008 zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I,. Spruchpunkt II. und Spruchpunkt III. abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I.1. Der (nunmehrige) Beschwerdeführer, seinen Angaben nach Staatsangehöriger von Nigeria, reiste am 20.09.2004 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf Asylgewährung. Zu seinem Fluchtweg und den Fluchtgründen wurde er im Beisein eines Dolmetschers für die englische Sprache am 27.09.2004 vor dem Bundesasylamt einvernommen. Hiebei gab er im Wesentlichen an, seine Heimatadresse am 04.07.2004 verlassen zu haben und am selben Tag über Benin City nach Lagos gereist zu sein. Am 04.07.2004 hätte er Lagos in Richtung Tunesien per LKW verlassen. Dann wäre er mit einem Flugzeug zu einem ihm unbekannten Ort, weitergereist. Von dort aus sei er dann mit dem Flugzeug illegal in das Bundesgebiet gelangt (20.09.2004).

 

Sein Vater wäre König in ihrem Heimatdorf, U., und wäre in eine Korruption verwickelt gewesen. Ein Mann namens C., hätte Geld vom Staat Nigeria bekommen, um eine Straße zu bauen. Er habe seinem Vater Geld gegeben, damit dieser bestätige, dass die Straße gebaut worden wäre. Die Straße sei aber nicht errichtet worden. Da sein Vater das Geld genommen hätte, wären die Dorfbewohner der Ansicht, dass er es für das Dorf verwenden hätte sollen. Da er dies nicht getan hat, sei er am 00.00.00. umgebracht worden. Dorfbewohner hätten ihr Haus - in dem sich sein Vater befunden hätte - angezündet. Da die Leute im Dorf glaubten, dass der Vater das Geld auf das Konto des Beschwerdeführers überwiesen habe, sei er nun von diesen verfolgt. Aus diesen Gründen wäre er zu seinem Onkel nach Benin City geflüchtet, der ihm zur Ausreise aus Nigeria verholfen hätte. Er wäre von den Dorfbewohnern mit Messern von allen möglichen Waffen verfolgt worden, an das genaue Datum könne er sich aber nicht erinnern. Sein Onkel wäre bei der Polizei gewesen und sei diese auch im Dorf gewesen. Die Dorfbewohner hätten aber nicht erlaubt, dass jemand festgenommen werde. Er könne sich der Verfolgung durch Umzug in einen anderen Ort nicht entziehen, da ihm die Dorfbewohner überall finden könnten.

 

Am 14.09.2005 wurde der Beschwerdeführer erneut niederschriftlich einvernommen. Im Wesentlichen wiederholte er sein bisheriges Vorbringen, führt aber aus, dass der Vater im 00.00.00. getötet worden wäre. Das genaue Datum wäre ihm nicht erinnerlich. Es hätte nach der Ausreise Nachforschungen durch die Polizei gegeben, die aber erfolglos verliefen. Er wäre erst im Juli 2004 in das Dorf gekommen und hätten ihn die Dorfleute nicht sprechen lassen wollen. Er sei von den Dorfbewohnern angegriffen worden und zu seinem Onkel geflüchtet. Bei seiner Rückkehr befürchte er, Probleme mit den Dorfbewohnern zu bekommen. Nachdem sein Vater getötet worden wäre, wisse er nicht, was ihm passieren könnte.

 

2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 14.12.2005, FZ. 04 19.167-BAG, wurde der am 20.9.2004 gestellte Asylantrag gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) abgewiesen (Spruchpunkt I.) und gleichzeitig festgestellt, dass gemäß § 8 Abs. 1 AsylG die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt II.). Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG wurde der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria ausgewiesen (Spruchpunkt III.).

 

Das Bundesasylamt versagte dem Beschwerdeführer die Glaubwürdigkeit.

 

3. Gegen diese Entscheidung erhob er am 23.12.2005 fristgerecht und zulässig Berufung, nunmehr Beschwerde.

 

II. Am 20.11.2008 wurde vor dem Asylgerichtshof eine öffentliche mündliche Verhandlung anberaumt. Im Zuge der Verhandlung wurde Beweis erhoben durch ergänzende Einvernahme des Beschwerdeführers als Partei sowie durch Verlesung und Erörterung folgender vom Vorsitzenden Richter beigeschafften Berichte zur politischen und menschenrechtlichen Lage in Nigeria:

 

Nigeria, Auswärtiges Amt Berlin. 6. November 2007 (Beilage A);

 

Bericht Freedom House, 2008 (Beilage B);

 

Bericht des US Department of State, Nigeria, März 2008 (Beilage C);

 

Bericht des US Department of State, Nigeria, 11. März 2007 (Beilage D).

 

Vom Beschwerdeführer wurde eine Heiratsurkunde des Standesamtes der Landeshauptstadt Graz vorgelegt. Diesen geht hervor, dass der Beschwerdeführer seit 15.10.2005 mit einer aus Ghana stammenden, nunmehr österreichischen Staatsbürgerin, verheiratet ist (siehe Beilage E).

 

Auf Grundlage des vom Bundesasylamt durchgeführten Beweisverfahrens und des dargestellten ergänzenden Ermittlungsverfahrens wird folgender Sachverhalt festgestellt und der Entscheidung zugrunde gelegt:

 

Die erkennende Behörde geht davon aus, dass der Beschwerdeführer Staatsangehöriger von Nigeria ist. Seine Identität steht fest. Der von ihm behauptete Fluchtgrund (Angst vor Nachstellung durch Bewohner seines Heimatdorfes wegen einer Bestechung des Vaters, Ermordung des Vaters durch die Dorfbewohner) wird der Entscheidung nicht zugrunde gelegt. Der Reiseweg des Beschwerdeführers (Zeitpunkt und Art der Reise von Nigeria nach Österreich) kann nicht festgestellt werden.

 

Zur politischen und menschenrechtlichen Situation in Nigeria werden folgende Feststellungen getroffen:

 

Die Situation in Nigeria ist grundsätzlich ruhig, die Staatsgewalt (Polizei und Justiz) funktionsfähig. Anzumerken ist jedoch, dass die nigerianische Bundespolizei in personeller Hinsicht im Vergleich zu westlichen Staaten relativ schlecht ausgestattet und verschiedentlich auch mangelhaft ausgebildet ist, weshalb in einzelnen Bundesstaaten so genannte Bürgerwehren polizeiliche Aufgaben übernommen haben. In einzelnen Landesteilen Nigerias (z.B. in den nördlichen Bundesstaaten Kano und Kaduna) kommt es wiederholt zu religiös motivierten Auseinandersetzungen zwischen Christen und Moslems. Weiters kommt es im Niger-Delta verschiedentlich zu Auseinandersetzungen zwischen verfeindeten Volksgruppen. In bestimmten Fällen wurde das Militär zur Niederschlagung von Unruhen eingesetzt. Abgesehen von diesen lokal begrenzten Auseinandersetzungen ist die Situation in Nigeria jedoch ruhig. Im Zuge der Gouverneurs- und Präsidentenwahlen 2007 kam es in einzelnen Landesteilen zu Unruhen, es herrscht jedoch kein Bürgerkriegszustand.

 

Die im Mai 1999 in Kraft getretene nigerianische Verfassung verfügt im Kapitel V über einen Grundrechtskatalog, der sich an den einschlägigen völkerrechtlichen Instrumenten orientiert. Die nigerianische Regierung bekennt sich auch politisch zum Schutz der Menschenrechte und zählt diesen zu den Prioritäten des Regierungshandelns. Die Verfassung garantiert die Religionsfreiheit, definiert Nigeria als säkularen Staat und verbietet es dem Bundesstaat oder einzelnen Bundesstaaten, eine Religion zur Staatsreligion zu machen.

 

Es liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass abgelehnte Asylwerber bei der Rückkehr nach Nigeria nach Beantragung von Asyl in einem westeuropäischen Land mit staatlichen Repressionen zu rechnen haben. Außergewöhnliche Vorkommnisse bei der Einreise (z.B. Verhaftung) von abgeschobenen oder freiwillig ausgereisten Asylwerbern sind bisher nicht bekannt geworden. Die Basisversorgung der Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln zumindest im städtischen Bereich grundsätzlich gewährleistet. In den Großstädten ist eine ausreichende medizinische Versorgungslage gegeben. Es gibt sowohl staatliche als auch zahlreiche privat betriebene Krankenhäuser.

 

Grundsätzlich kann örtlich begrenzten Konflikten bzw. Verfolgungsmaßnahmen durch Übersiedlung in einen anderen Landesteil ausgewichen werden. Alle nigerianischen Großstädte sind multi-ethnisch. In der Regel wohnen die Angehörigen der jeweiligen Volksgruppe möglichst in derselben Gegend, wenn sie nicht sogar ausschließlich ganze Stadtviertel belegen. Jeder der fremd in eine Stadt kommt, wird sich in die Gegend begeben, wo er "seine Leute" findet. Unter "seinen Leuten" können nicht nur Angehörige derselben Ethnie, sondern auch Personen desselben Religionsbekenntnisses, Absolventen derselben Schule oder Universität, Bewohner desselben Dorfes oder derselben Region verstanden werden. Von diesen Personengruppen kann der Betreffende Unterstützung erwarten. In der Regel wird ihm die Bestreitung des Lebensunterhaltes ermöglicht werden.

 

Die Feststellungen gründen sich auf folgende Beweiswürdigung:

 

Zu den Negativ-Feststellungen betreffend die vom Beschwerdeführer vorgebrachten, auf seine Person bezogenen Fluchtgründe:

 

Eingangs fällt auf, dass der Beschwerdeführer den Zeitpunkt der Ermordung des Vaters durch die Bewohner seines Heimatdorfes verwechselt. So gibt er anlässlich der Befragung vor dem Bundesasylamt am 27.09.2004, AS. 25, an dass sein Vater am 00.00.00. beim Brand des Hauses umgekommen sei. Anlässlich der Niederschrift vor dem Bundesasylamt am 14.09.2005, AS 57, brachte er vor, dass der Vater im 00.00.00. ermordet worden wäre. An das genaue Datum könne er sich aber nicht erinnern.

 

Schon diese widersprüchlichen Angaben zum Datum der Ermordung des Vaters zeigen, dass der Beschwerdeführer versucht, eine konstruierte Geschichte zu präsentieren. Es kann von einem Asylwerber nach der allgemeinen Lebenserfahrung doch verlangt werden, dass so ein einschneidendes und grausames Geschehnis im Leben eines Menschen im Gedächtnis verankert bleibt, um so mehr, als der Beschwerdeführer eine für afrikanische Verhältnisse höhere Bildung aufweist (6 Jahre Grundschule und 4 Jahre Mittelschule in Benin City).

 

Hinzu kommt noch, dass es dem Beschwerdeführer nach seiner Flucht aus seinem Heimatdorf zu seinem Onkel nach Benin City nicht möglich war, eine genaue Wohnadresse des Onkels anzugeben. Der Beschwerdeführer behauptet, für 4 Jahre die Mittelschule in Benin City besucht zu haben und müsste es ihm deshalb möglich sein, die Wohnadresse des Onkels aufzuschreiben.

 

Weiters ist auffällig, dass der Beschwerdeführer nicht in der Lage war, das Datum, wann er Benin City verlassen hat, anzugeben. So bringt er vor dem Bundesasylamt am 27.09.2004, AS 23, vor, seine Heimatadresse am 04.07.2004 verlassen zu haben und nach Benin City zu seinen Onkel gereist zu sein. Noch am selben Tag wäre er weiter nach Lagos und wäre noch am selben Tag mit einem LKW nach Tunesien abgefahren. Anlässlich der mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof am 20.11.2008, siehe Niederschrift Seite 4, führt er hingegen widersprüchlich aus, von Benin City aus sein Heimatland verlassen zu haben. Auf Seite 4 dieser Niederschrift bringt er zum Fluchtvorbringen im Widerspruch plötzlich vor, nunmehr von der Polizei (und nicht von den Dorfbewohnern) gesucht zu werden.

 

Vor diesem Hintergrund darf noch darauf hingewiesen werden, dass er am 27.09.2004, AS 25, vorgebracht hat, dass die Polizei - nach der Anzeige seines Onkels - im Dorf gewesen wäre. Anlässlich der Niederschrift vor dem Asylgerichtshof führte er widersprüchlich aus, dass er und sein Onkel Anzeige bei der Polizei in U. erstattet hätten (siehe Seite 6). Anlässlich derselben Niederschrift bringt er dazu nochmals widersprüchlich vor, dass nur sein Onkel bei der Polizei gewesen wäre (Seite 6 der Niederschrift vom 20.11.2008, unten). Darüberhinaus behauptet er nunmehr nicht mehr zu wissen, ob die Polizei im Dorf gewesen sei (siehe Seite 7, oben). Er könne sich nunmehr nicht mehr erinnern.

 

Schon diese Widersprüchlichkeiten und zeitlich wie örtlich gravierenden unterschiedlichen Angaben deuten nach Ansicht der erkennenden Behörde darauf hin, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht den Tatsachen entsprechen kann.

 

Zusammenfassend ist der Asylgerichtshof zur Auffassung gelangt, dass dem Vorbringen des Beschwerdeführers zur behaupteten Verfolgung die Glaubwürdigkeit zu versagen war.

 

Der Reiseweg von Nigeria nach Österreich konnte nicht festgestellt werden, zumal der Beschwerdeführer hiezu ebenfalls widersprüchliche Angaben macht (siehe dazu oben).

 

Der Reiseweg von Nigeria nach Österreich konnte nicht festgestellt werden, zumal der Beschwerdeführer nur allgemeine, nicht objektivierbare Angaben macht.

 

Die Feststellungen zur allgemeinen politischen und menschenrechtlichen Lage in Nigeria gründen sich auf die der Verhandlungsschrift vom 20.11.2008 angeschlossenen Berichte A. und

D. Diesen Berichten ergibt sich, dass die nigerianische Staatsgewalt

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abgesehen von zeitlich und lokal begrenzten gewalttätigen Auseinandersetzungen verfeindeter ethnischer oder religiöser Gruppen

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grundsätzlich funktionsfähig ist. Die Feststellungen zu internen Fluchtmöglichkeiten innerhalb Nigerias gründen sich auf Beilage I., Seite 18, Punkt 3.

 

Rechtlich folgt aus dem festgestellten Sachverhalt:

 

Gemäß § 75 Abs. 1 AsylG 2005 (Art. 2 BG BGBl. I 100/2005) sind "[A]lle am 31.12.2005 anhängigen Verfahren [...] nach den Bestimmungen des AsylG 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt."

 

Laut § 44 Abs. 1 AsylG 1997 idF BGBl. I 101/2003 sind Verfahren zur Entscheidung über Asylanträge und Asylerstreckungsanträge, die bis zum 30. April 2004 gestellt wurden, nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 126/2002 zu führen.

 

Gemäß § 44 Abs. 2 AsylG 1997 (in der Folge: AsylG) i. d. F. der AsylG-Nov. 2003 sind Verfahren über Asylanträge, die ab dem 01.05.2004 gestellt worden sind, nach den Bestimmungen des AsylG in der jeweils geltenden Fassung, d. i. nunmehr die Fassung der AsylG - Nov. 2003, zu führen.

 

Gemäß § 61 Abs. 1 AsylG entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter (1.) über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und (2.) Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.

 

Soweit sich aus dem B-VG, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, sind gemäß § 22 Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Gemäß § 7 Asylgesetz hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Flüchtling im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

 

Zentrales Element dieses Flüchtlingsbegriffes ist die "begründete Furcht vor Verfolgung". Diese begründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn objektiver weise eine Person in der individuellen Situation der Asylwerberin Grund hat, eine Verfolgung zu fürchten. Unter Verfolgung ist ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, welche geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in diesen Staat zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Konvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes befindet.

 

Im gegenständlichen Fall sind nach Ansicht des Asylgerichtshofes die dargestellten Voraussetzungen, nämlich eine aktuelle Verfolgungsgefahr aus einem in der GFK angeführten Grund nicht gegeben. Dies im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer die behaupteten Fluchtgründe (angeblich drohende Verfolgung wegen der Korruption des Onkels) nicht glaubhaft machen konnte.

 

Demnach war der Beschwerde hinsichtlich der Abweisung des Asylantrages der Erfolg zu versagen. Da das Vorbringen des Beschwerdeführers zur Verfolgungssituation nicht glaubhaft ist, kommt den Ausführungen, die sich auf die Möglichkeit, staatlichen Schutz zu erlangen, beziehen, keine Bedeutung zu.

 

Zum Ausspruch über die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers ist Folgendes auszuführen:

 

Die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde (§ 8 Abs 1 AsylG iVm § 57 Abs. 1 Fremdengesetz idF BGBl. I 126/2002) bzw. dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der GFK iVm § 57 Abs. 2 FrG und § 8 Abs 1 AsylG).

 

Gemäß § 8 Abs 1 AsylG iVm § 57 Abs. 1 FrG idgF ist die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung eines Fremden demnach unzulässig, wenn dieser dadurch der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen würde (§ 57 Abs. 1 FrG idF BGBl. I 126/2002 iVm Art. 3 EMRK), wenn sein Recht auf Leben verletzt würde (§ 57 Abs. 1 FrG idF BGBl. I 126/2002 iVm Art. 2 EMRK) oder ihm die Vollstreckung der Todesstrafe drohen würde (§ 57 Abs. 1 FrG idF BGBl. I 126/2002 iVm Art. 1 des 6. Zusatzprotokolls zur EMRK). Da sich § 57 Abs. 1 FrG in der durch BGBl I 126/2002 geänderten Fassung inhaltlich weitestgehend mit § 57 Abs. 1 FrG in der ursprünglichen Fassung (BGBl I 75/1997) deckt und die Neufassung im Wesentlichen nur der Verdeutlichung dienen soll, kann die bisherige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu § 57 Abs. 1 FrG idF BGBl I 75/1997 weiterhin als Auslegungsbehelf herangezogen werden. Nach dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, Zl. 95/18/1293, VwGH 17.7.1997, Zl. 97/18/0336). Voraussetzung für das Vorliegen einer relevanten Bedrohung ist sohin auch in diesem Fall, dass eine von staatlichen Stellen zumindest gebilligte oder nicht effektiv verhinderbare Bedrohung der relevanten Rechtsgüter vorliegt oder dass im Heimatstaat des Asylwerbers keine ausreichend funktionierende Ordnungsmacht mehr vorhanden ist und damit zu rechnen wäre, dass jeder dorthin abgeschobene Fremde mit erheblicher Wahrscheinlichkeit der in § 57 Abs. 1 FrG umschriebenen Gefahr unmittelbar ausgesetzt wäre (vgl. VwGH 95/21/0294 vom 26.6.1997). Unter "außergewöhnlichen Umständen" (z.B. fehlende medizinische Behandlung bei lebensbedrohender Erkrankung) können auch von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertretende lebensbedrohende Ereignisse ein Abschiebungshindernis im Sinne von Art. 3 EMRK iVm § 57 Abs. 1 FrG darstellen (Urteil des EGMR in D vs. Vereinigtes Königreich vom 2.5.1997).

 

Auf Basis der Sachverhaltsfeststellungen liegt daher nach Ansicht der erkennenden Behörde keine aktuelle Bedrohung im Sinne von § 8 Abs. 1 AsylG iVm § 57 Abs. 1 und 2 FrG vor. Dies im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer die seine Person betreffenden Fluchtgründe (angebliche drohende Opferung durch Geheimgesellschaft) nicht glaubhaft machen konnte.

 

Es besteht auch kein Hinweis auf "außergewöhnliche Umstände" (lebensbedrohende Erkrankung oder dergleichen), die eine Abschiebung im Sinne von Art. 3 EMRK und § 57 Abs. 1 FrG unzulässig machen könnten. Zu verweisen ist diesbezüglich auch auf die Feststellung, wonach in Nigeria keine Bürgerkriegssituation herrscht und die Staatsgewalt funktionsfähig ist. Insbesondere ist darauf zu verweisen, dass die religiös oder ethnisch bedingten Unruhen zeitlich und lokal auf einzelne Städte Nigerias begrenzt sind. Der Beschwerdeführer hat im Übrigen weder eine lebensbedrohende Erkrankung noch einen sonstigen auf seine Person bezogenen "außergewöhnlichen Umstand" behauptet, der ein Abschiebungshindernis im Sinne von Art. 3 EMRK iVm § 57 Abs. 1 FrG darstellen könnte.

 

Da die Grundversorgung mit Lebensmitteln im städtischen Bereich gewährleistet ist, besteht auch kein Anhaltspunkt, dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückführung in eine aussichtslose Situation geraten könnte.

 

Die Beschwerde erweist sich sohin auch hinsichtlich des Ausspruches über die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Nigeria als nicht berechtigt.

 

Zur Abweisung der Beschwerde gegen Spruchpunkt III. ist folgendes auszuführen:

 

Das Asylverfahren ist, wie sich aus den vorangehenden Entscheidungsteilen ergibt, für den Beschwerdeführer negativ entschieden worden; seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Herkunftsstaat ist zulässig, sodass - falls damit kein unzulässiger Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens der berufenden Partei vorliegt (Art. 8 Abs. 1 EMRK) - der Bescheid mit einer Ausweisung zu verbinden ist.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in Ausübung dieses Rechts ist gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist. Zu den in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 8 EMRK entwickelten Grundsätzen zählt unter anderem auch, dass das durch Art. 8EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Familienlebens, das Vorhandensein einer "Familie" voraussetzt.

 

Im konkreten Fall ist aufgrund der Heirat des Beschwerdeführers mit einer nunmehr österreichischen Staatsbürgerin davon auszugehen, dass ein Familienleben im Sinn des Art. 8 Abs. 1 EMRK vorhanden ist. Abs. 2 der zitierten Bestimmung besagt jedoch, dass der Eingriff einer .öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechtes nur statthaft ist, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist. Es ist demnach eine Interessenabwägung durchzuführen.

 

Der EGMR hat in den letzten Jahren für einen solchen Eingriff in das Familienleben wiederholt folgende Faktoren genannt, die bei der Abwägung privater und öffentlicher Interessen maßgebend seien, um die Verhältnismäßigkeit einer Ausweisung beurteilen zu können:

 

den Umfang, inwieweit Familienleben tatsächlich unterbrochen wird,

 

den Grad der Integration im Gastland,

 

die Existenz unüberwindlicher Hindernisse für ein Familienleben im Herkunftsstaat sowie

 

allfällige wiederholte Verstöße gegen das Einwanderungsrecht oder

 

Erfordernisse der öffentlichen Ordnung (siehe hiezu EGMR 24.11.1998,40447/98, EGMR 26.4.2007, 16351/03 u.a.).

 

Zudem sei maßgeblich, ob das Familienleben in einem Zeitraum entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren und nicht mit der Fortsetzung ihres Familienlebens im Gastland rechnen durften. Diesfalls müssten außergewöhnliche Umstände einer Abschiebung entgegenstehen, um eine Verletzung nach Artikel 8 EMRK nach sich zu ziehen.

 

Im vorliegenden Fall stellte der Beschwerdeführer am 20.09.2004 seinen Antrag auf Asylgewährung, am 14.12.2005 erging der erste abweisende Bescheid. Am 15.10.2005 verehelichte er sich in Österreich. Es musste ihm bewusst sein, dass es sich bei der Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG um eine mit der Dauer des Verfahrens befristete Berechtigung handelt und das Asylverfahren ganz generell nicht dazu dient, den Aufenthalt von Angehörigen zum Aufenthalt berechtigter Fremder zu legalisieren oder zu verfestigen. Eine andere Beurteilung würde zu einem Aufweichen der gesetzlichen Normen führen und kann daher nicht im öffentlichen Interesse sein.

 

In der hiezu ergangenen Rechtsprechung des VwGH wird betont, dass der Asylwerber keine rechtliche Möglichkeit hätte, sich in Österreich aufzuhalten, wenn er nicht einen Asylantrag gestellt hätte. Wenn der Gesetzgeber deshalb eine Ausweisung im Fall der negativen Erledigung des Asylantrages vorsieht, um den bloß wegen des (unbegründeten) Asylantrags berechtigten Aufenthalt zu beenden, ist dies nicht nur die Konsequenz dafür, dass sich der Aufenthalt nach der rechtskräftigen Abweisung des Antrags als illegal erweist und auch keine legale Beschäftigung mehr denkbar ist, was auch das wirtschaftliche Wohl des Landes beeinträchtigen würde. Auch kann der Asylwerber während seines Asylverfahrens nicht darauf vertrauen, dass ein in dieser Zeit entstehendes Familienleben auch nach Erledigung seines Asylantrages fortgesetzt werden kann. Die Rechte aus der Genfer Flüchtlingskonvention dürfen nicht dazu dienen, die Einwanderungsregeln, insbesonders das Gebot der Auslandsantragstellung, zu umgehen (VwGH 9.8.2000, 2000/19/0043).

 

Umgekehrt mindert eine lange Dauer des Asylverfahrens, wenn sie nicht auf ein verzögerndes Verhalten des Asylwerbers zurückzuführen ist, das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung insofern, als die Ausweisung nicht im Interesse der Einhaltung der öffentlichen Ordnung dringen geboten sein kann, wenn das Verfahren nicht rasch durchgeführt wurde. Von einer solch unverhältnismäßig langen Dauer des Verfahrens kann im vorliegenden Fall jedoch nicht ausgegangen werden.

 

Beim Beschwerdeführer liegt weiters keine Selbsterhaltungsfähigkeit vor. Es kann daher außer seiner Eheschließung nicht von einer darüber hinausgehenden beruflichen oder sozialen Verfestigung, die eine "gelungene Integration" erkennen lassen würde, gesprochen werden. An dieser Beurteilung vermag auch sein Vorbringen, im Hotel, auf Baustellen und als Zeitungskolporteur gearbeitet zu haben, nicht zu ändern. Des Weiteren lebt die Gattin (eine gebürtige Ghanesin) des Beschwerdeführers mit dem Kind seit 2007 in Großbritannien und pendelt nur ab und zu nach Österreich.

 

Wie oben erwähnt ist dem Asylwerber auch eine Reintegration im Heimatstaat auch unter Fortsetzung seines Familienlebens in Nigeria durchaus zumutbar und möglich.

 

Die Frage, inwieweit in Österreich sesshaften Familienangehörigen des Ausländers, diesen in die Heimat begleiten können, um das Familienleben fortzusetzen, stellt nach der Judikatur des EGMR und des VwGH einen wichtigen Aspekt dar. Dieser betrifft nicht nur die Möglichkeit einer gemeinsamen Niederlassung im Heimatstaat, sondern auch die Zumutbarkeit einer "Begleitung" des Asylwerbers durch seine Angehörigen.

 

In Nigeria wird Englisch gesprochen, die Bevölkerung in Nigeria gehört wie auch der Beschwerdeführer selbst zu einem nicht unbeträchtlichen Anteil der christlichen Religion an, welche auch die Ehegattin des Beschwerdeführers zugehört, es gibt von der Verfassung her garantierte Grundrechte, große Städte, wo Frauen in keinster Weise mit einer Diskriminierung rechnen müssen und auch gute Chancen am Arbeitsmarkt vorfinden, sodass davon ausgegangen werden kann, dass eine Übersiedlung der Ehegattin, welche zum Zeitpunkt der Eheschließung ja ebenfalls damit rechnen musste, dass der Aufenthalt ihres Ehegatten in Österreich zeitlich begrenzt ist, mit dem Beschwerdeführer nach Nigeria durchaus möglich und zumutbar ist.

 

Aufgrund dieser Erwägungen kann die geforderte Interessenabwicklung des Art. 8 EMRK daher aufgrund der konkreten Umstände im Einzelfall nicht zugunsten des Beschwerdeführers ausgehen.

 

Die Ausweisungsentscheidung der belangten Behörde steht somit im Einklang mit den gesetzlichen Voraussetzungen und war daher zu bestätigen.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Ausweisung, bestehendes Familienleben, Ehe, Glaubwürdigkeit, Interessensabwägung, non refoulement, soziale Verhältnisse
Zuletzt aktualisiert am
24.04.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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