TE Vwgh Erkenntnis 2001/3/20 2000/11/0194

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Veröffentlicht am 20.03.2001
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Index

44 Zivildienst;
49/02 Staatsbürgerschaft Staatenlosigkeit;

Norm

Übk Mehrfache Staatsangehörigkeit Verminderung Militärdienstpflicht Art6 Abs1;
ZDG 1986 §2 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des G in G (Italien), vertreten durch Dr. Georg Getreuer, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Weyrgasse 6, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 4. Juli 2000, Zl. 242298/1-IV/10/ZDF/00, betreffend Feststellung der Zivildienstpflicht, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der im Jahr 1969 geborene Beschwerdeführer ist österreichischer und italienischer Staatsbürger. Seine Stellungspflicht wurde mit Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 26. Juni 1996 festgestellt. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit hg. Erkenntnis vom 18. November 1997, Zl. 96/11/0180, als unbegründet abgewiesen, weil die Stellungspflicht durch das Übereinkommen über die Vermeidung der Fälle mehrfacher Staatsangehörigkeit und über die Militärdienstleistungspflicht in Fällen mehrfacher Staatsangehörigkeit, BGBl. Nr. 471/1975, im Zusammenhalt mit der von Österreich anlässlich der Hinterlegung der Ratifikationsurkunde abgegebenen interpretativen Erklärung nicht berührt wird und demnach unabhängig davon besteht, in welchem der beiden Staaten gemäß Art. 6 Abs. 1 des Abkommens die Militärdienstpflicht zu erfüllen ist.

Der Beschwerdeführer wurde der Stellung unterzogen und für "tauglich" befunden. Im Hinblick auf Auffassungsunterschiede zwischen dem Beschwerdeführer und den Militärbehörden darüber, ob er seinen ordentlichen Wohnsitz im Sinne des Art. 6 Abs. 1 des Abkommens in Italien oder in Österreich hat, stellte der Beschwerdeführer am 16. März 1999 den Antrag auf bescheidmäßige Feststellung, dass er nicht zur Leistung des Präsenzdienstes in Österreich verpflichtet sei.

Mit Schreiben seines Rechtsvertreters vom 9. Mai 2000 übersandte der Beschwerdeführer dem Militärkommando Niederösterreich eine Zivildiensterklärung. In einem Begleitschreiben wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer nach wie vor auf dem Standpunkt steht, nicht zur Ableistung des Wehrdienstes in Österreich verpflichtet zu sein. Die Zivildiensterklärung werde lediglich für den Fall abgegeben, dass im anhängigen Verfahren kein anderes Ergebnis erzielt werde.

Mit Bescheid vom 19. Juni 2000 stellte der im Devolutionsweg zuständig gewordene Bundesminister für Landesverteidigung fest, dass der Beschwerdeführer der Wehrpflicht unterliege und zur Präsenzdienstleistung in Österreich verpflichtet sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid stellte die belangte Behörde fest, dass die Zivildiensterklärung vom 9. Mai 2000 den gesetzlichen Anforderungen gemäß § 2 Abs. 1 Zivildienstgesetz 1986 - ZDG entspreche und der Beschwerdeführer daher mit diesem Tag gemäß § 2 Abs. 4 ZDG zivildienstpflichtig sei.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 2 Abs. 1 ZDG können Wehrpflichtige im Sinne des Wehrgesetzes 1990 - WG, die zum Wehrdienst tauglich befunden wurden, die - im Gesetz näher umschriebene - Zivildiensterklärung abgeben. Gemäß § 2 Abs. 4 ZDG wird der Wehrpflichtige mit Einbringung einer mängelfreien Zivildiensterklärung von der Wehrpflicht befreit und zivildienstpflichtig.

Gemäß § 2 Abs. 5 ist der Zivildienst außerhalb des Bundesheeres zu leisten.

Gemäß § 5 Abs. 4 ZDG hat der Bundesminister für Inneres ohne unnötigen Aufschub mit Bescheid festzustellen, ob die Zivildienstpflicht eingetreten ist.

Voraussetzung dafür, dass die Zivildienstpflicht eintreten kann, ist zufolge § 2 Abs. 1 ZDG, dass die Zivildiensterklärung von einem Wehrpflichtigen stammt, der sich der Stellung unterzogen hat und für tauglich befunden wurde. Die Pflicht zur Zivildienstleistung tritt an die Stelle der Verpflichtung zur Wehrdienstleistung, die aus Gewissensgründen nicht erfüllt werden kann. Voraussetzung für den Eintritt der Zivildienstpflicht des Beschwerdeführers war demnach, dass er gemäß Art. 6 Abs. 1 des genannten Abkommens gegenüber Österreich zur Leistung des Militärdienstes verpflichtet ist. Der oben genannte Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 19. Juni 2000 wurde mit dem hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2000/11/0188, auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG hingewiesen wird, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Im angefochtenen Bescheid fehlen trotz des zugleich mit der Zivildiensterklärung übersandten Schreibens vom 9. Mai 2000 jegliche Erörterungen zur Frage, ob der Beschwerdeführer gemäß Art. 6 Abs. 1 des genannten Abkommens gegenüber Österreich zur Leistung des Militärdienstes verpflichtet ist. Das Fehlen von Erörterungen dazu ist, wie aus den Ausführungen in der Gegenschrift deutlich wird, darauf zurückzuführen, dass die belangte Behörde die Auffassung vertritt, sie müsse sich mit der Frage, ob der Beschwerdeführer in Österreich wehrpflichtig sei, nicht befassen. Diese Auffassung ist, wie zuvor dargelegt wurde, verfehlt, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 20. März 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2000110194.X00

Im RIS seit

10.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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