TE OGH 2009/2/17 11Os199/08m

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Veröffentlicht am 17.02.2009
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Februar 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Schörghuber als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Johann F***** wegen der Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 und Z 3 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom 11. September 2008, GZ 22 Hv 32/08h-32, sowie dessen Beschwerde gegen den Beschluss auf Widerruf einer bedingten Entlassung nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch in Rechtskraft erwachsene Freisprüche des Angeklagten enthält, wurde Johann F***** der Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 und Z 3 StGB (1./b./ und c./) sowie der Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (1./a./) und der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (2./) schuldig erkannt.

Danach hat Johann F*****

1./ Vildana H***** mit Gewalt bzw durch gefährliche Drohungen teilweise mit dem Tod, zu nachgenannten Handlungen bzw zu einer Unterlassung genötigt, und zwar

a./ der Nacht von 9. auf 10. Mai 2008, indem er sie an den Schultern packte und ihren Kopf gegen den Tisch drückte, zum „Schnupfen" einer nicht näher bekannten weißen Substanz;

b./ zu nicht näher bekannten Zeitpunkten zwischen 19. Mai 2008 und 20. Juni 2008 durch die Äußerungen „Ich habe so viele Haberer, das kannst du dir nicht vorstellen. Ein Anruf und du bist weg. Ich bringe dich zum Arzt, der wird dir Blut nehmen und dann wird man feststellen, dass du 'Zeug' im Blut hast und dann wird man dir das Kind wegnehmen und ich werde es dann adoptieren" sowie „ich dresche dich, ich schmeiße dich aus dem Fenster, wenn ich dir eine gebe, dann fliegt dein Kopf davon! Den Salih mach ich auch fertig, dem schicke ich auch die Leute von Salzburg, den bringe ich um. Er hat auch das gleiche verdient wie du", zur Fortsetzung der Prostitution; c./ in der Nacht von 2. auf 3. Juni 2008 durch die Äußerung „Wenn du mir dein Telefon nicht gibst, dann schmeiß ich das Baby auf den Boden. Willst du die Bullen rufen? Willst du die Polizei anrufen? Weißt du noch immer nicht, wer ich bin", wobei er zur Untermauerung seines beabsichtigten Vorgehens den etwa drei Monate alten Sohn der Vildana H***** mit ausgestreckten Armen in die Höhe hielt, sohin mit dem Tod oder zumindest einer erheblichen Verstümmelung des Kindes drohte, zur Übergabe des Telefons und zur Abstandnahme von der Verständigung der Polizei;

2./ in der Nacht von 2. Juni auf 3. Juni 2008 Vildana H***** vorsätzlich am Körper verletzt, indem er sie gegen einen Heizkörper stieß, sie sodann an beiden Oberarmen und den Händen festhielt und hin- und herzerrte, wodurch sie ein Hämatom am linken Oberarm erlitt.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 StPO gestützte, als „Berufung wegen Nichtigkeit" bezeichnete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die fehlschlägt. Eine Unvollständigkeit der Beweiswürdigung (Z 5 zweiter Fall) erblickt der Beschwerdeführer darin, dass das Erstgericht sich nicht mit der Beendigung der Beziehung zwischen der Zeugin Vildana H***** und deren ehemaligen Lebensgefährten und ihrer Flucht in ein Frauenhaus in Linz auseinandergesetzt hätte.

Ein Urteil ist aber nur dann unvollständig im Sinn der Z 5, wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse unberücksichtigt ließ (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 421; RIS-Justiz RS0118316). Mit erheblichen Tatsachen sind Verfahrensergebnisse gemeint, welche die Eignung haben, die dem Gericht durch die Gesamtheit der übrigen Beweisergebnisse vermittelte Einschätzung vom Vorliegen oder Nichtvorliegen einer entscheidenden Tatsache maßgebend zu beeinflussen, wovon aber bei der Beendigung der früheren Lebensgemeinschaft des Opfers keine Rede sein kann. Das weitere, einen inneren Widerspruch der Urteilsbegründung behauptende Vorbringen, die Zeugin Vildana H***** sei vom Erstgericht als „in sich völlig glaubwürdig" bezeichnet worden, obwohl der Angeklagte von einem Teil der auf ihren Aussagen im Ermittlungsverfahren beruhenden Anklagevorwürfen freigesprochen worden wäre, übersieht einerseits, dass das Erstgericht bezüglich dieser aus gänzlich anderen Erwägungen zu einem Freispruch gelangte, andererseits, dass die Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit einer Person aus § 281 Abs 1 Z 5 StPO nicht releviert werden kann (RIS-Justiz RS0106588; RS0099649).

Als Rechtsmittel gegen ein Urteil eines Kollegialgerichts stehen die Nichtigkeitsbeschwerde oder die Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe bzw über die privatrechtlichen Ansprüche offen. Eine Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld (§ 464 Z 2 StPO) ist zur Anfechtung schöffengerichtlicher Urteile nicht vorgesehen (§§ 280 erster Satz, 283 Abs 1 StPO). Diese war daher ebenso wie die Nichtigkeitsbeschwerde bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (wegen Strafe) sowie die Beschwerde (ON 34 S 9) folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO). Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Anmerkung

E8994311Os199.08m

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0110OS00199.08M.0217.000

Zuletzt aktualisiert am

01.04.2009
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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