TE OGH 2009/2/18 15Os3/09v

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Veröffentlicht am 18.02.2009
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Februar 2009 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek und Dr. T. Solé als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Klugar als Schriftführerin in der Strafsache gegen Harald K***** und andere Beschuldigte wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB, AZ 8 HR 271/08d des Landesgerichts Klagenfurt, über die Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten Harald K***** gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Beschwerdegericht vom 26. November 2008, AZ 11 Bs 493/08w, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Harald K***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Gegen Harald K***** und andere Beschuldigte ist beim Landesgericht Klagenfurt ein Strafverfahrens wegen des Verdachts des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB anhängig. Nach den Annahmen des Oberlandesgerichts Graz ist der Genannte dringend verdächtig, er habe in Krumpendorf zwischen 2006 und 11. Oktober 2008 als Prokurist der A***** AG seine ihm durch Rechtsgeschäfte eingeräumte Befugnis, über die Wertpapierdepots und die zugehörigen Verrechnungskonten der A***** AG (bis 16. Februar 2007 A*****AG) bei der R***** AG in Wien und der C***** AG in Graz sowie das Wertpapierdepot und das zugehörige Verrechnungskonto der A***** AG bei der C***** AG in Graz, somit über fremdes Vermögen, zu verfügen und die genannten Berechtigten aus den Depots und den Konten zu verpflichten, wissentlich missbraucht und dadurch der A***** AG und der A***** AG einen 50.000 Euro übersteigenden Vermögensnachteil zugefügt, indem er ungeachtet nicht ausreichender Sicherheiten der beiden von ihm vertretenen Aktiengesellschaften über deren Depots insbesondere Aktien der V***** AG, der E***** AG, der F***** AG, der G***** AG, der R***** AG, der V***** AG und der C***** AG kaufte und verkaufte sowie Optionsvereinbarungen hinsichtlich Aktien der R***** AG und der E*****rste AG abschloss, wobei er hiebei auch Broker der Landesbank B***** (*****), der R***** AG, der R***** GmbH, der C***** und der N***** involvierte und wobei er durch Beiziehung dieser Broker den für diese tätigen Personen und sich selbst Gewinne aus jenen Geschäften durch den Aufschlag von unüblich hohen bzw ad hoc vereinbarten Sonderprovisionen zu Lasten der beiden von ihm vertretenen Aktiengesellschaften verschaffte, durch Verschiebung von Wertpapieren der beiden Aktiengesellschaften über Nostro-Konten der C***** und der L***** Wertpapiere der beiden Aktiengesellschaften verkaufte, diese dort zwischenparkte, hiedurch Abrechnungs- und Valutatage änderte und die Papiere anschließend wieder zurückkaufte, bei einzelnen Transaktionen in eigener Person in die Transaktion eintrat und sich hiedurch einerseits selbst Barmittel zu Lasten der von ihm vertretenen beiden Aktiengesellschaften zueignete, teils für die Brokerhäuser überhöhte Einkommen aus zu häufigen Transaktionen („Churning") lukrierte, wodurch den von ihm vertretenen beiden Aktiengesellschaften ein Vermögensnachteil von insgesamt weit über einer Million Euro entstand.

Über Harald K***** wurde mit Beschluss vom 25. Oktober 2008 die Untersuchungshaft aus dem Haftgrund der Verdunkelungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 2 StPO verhängt. Nach durchgeführter Haftverhandlung wurde diese mit Beschluss vom 10. November 2008 fortgesetzt. Der dagegen gerichteten Beschwerde gab das Oberlandesgericht Graz mit dem angefochtenen Beschluss nicht Folge und ordnete die weitere Fortsetzung aus dem angeführten Grund bis längstens 25. Dezember 2008 an. Über Antrag der Staatsanwaltschaft wurde die Untersuchungshaft am 18. Dezember 2008 aufgehoben und der Beschwerdeführer enthaftet.

Rechtliche Beurteilung

Gegen den Fortsetzungsbeschluss des Oberlandesgerichts richtet sich die - ausschließlich die Annahme des Haftgrunds der Verdunkelungsgefahr kritisierende - Grundrechtsbeschwerde des Harald K*****; sie schlägt fehl.

Im Rahmen des Grundrechtsbeschwerdeverfahrens überprüft der Oberste Gerichtshof die rechtliche Annahme der im § 180 Abs 2 StPO genannten Gefahr (Prognoseentscheidung) darauf, ob sich diese angesichts der zugrunde gelegten bestimmten Tatsachen als willkürlich, mit anderen Worten als nicht oder nur offenbar unzureichend begründet darstellt (RIS-Justiz RS0117806).

Die Beschwerde behauptet eine unzureichende Würdigung der gegen den Haftgrund der Verdunkelungsgefahr sprechenden Umstände und zieht aus diesen mit eigenständiger Gewichtung für den Angeklagten günstigere Schlüsse. Eine willkürliche Annahme des Haftgrunds wird damit jedoch nicht dargetan. Denn die Prognose des Oberlandesgerichts, wonach - ungeachtet einer vorangegangenen theoretischen Möglichkeit zur Absprache - aus den im Beschluss näher dargelegten Gründen die Befürchtung einer zukünftigen Zeugenbeeinflussung gegeben sei, wurde ohne Verstoß gegen die Kriterien logischen Denkens und grundlegende Erfahrungen begründet und ist daher nicht willkürlich. Soweit die Grundrechtsbeschwerde unter Berufung auf VfSlg 11.491/1987 behauptet, Verdunkelungsgefahr dürfe nicht angenommen werden, wenn der Beschuldigte zu der befürchteten Verdunkelung „längst Gelegenheit" gehabt hätte, ist diese - aus dem Gesetz nicht ableitbare - These der zitierten Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs (die sich mit dem Begriff der „Gefahr in Verzug" auseinandersetzt, ohne eine Aussage zum Haftgrund der Verdunkelungsgefahr zu treffen) gerade nicht zu entnehmen. Der Verweis auf Bertel/Venier, Strafprozessrecht2 Rz 363 wiederum scheitert daran, dass die genannten Kommentatoren ihrerseits nur das genannte Verfassungsgerichtshofserkenntnis fehlzitieren, ohne eine inhaltliche Begründung für ihre These zu bieten. Die vom Oberlandesgericht konkret aufgezeigte Absprache des Beschuldigten mit Mirko L***** (wobei es keine Rolle spielt, auf wessen Intention diese stattfand) bietet vielmehr einen logischen Anhaltspunkt für die Befürchtung weiterer Absprachen, möge zu solchen auch bereits vor Inhaftierung Gelegenheit bestanden haben.

Die Anführung der Absprache der Verantwortung des Beschuldigten mit mehreren Gesprächspartnern steht nicht in Widerspruch zur im Beschluss allein (beispielsweise) konkretisierten Chat-Kommunikation mit Mirko L***** vom 9. Oktober 2008. Der Grundrechtsbeschwerde zuwider war das vom Oberlandesgericht als Beleg für die Annahme der Verdunkelungsgefahr zitierte Chat-Protokoll des Beschuldigten mit Mirko L***** vom 9. Oktober 2008 nicht von der Akteneinsicht ausgeschlossen, findet es sich doch nicht in ON 20, sondern in ON 40. Die Annahme einer Nahebeziehung des Beschwerdeführers zu Markus B***** erfolgte unter Bezugnahme auf die Chat-Protokolle nicht willkürlich. Durch die Verwendung der Worte „offenkundig" und „offensichtlich" in Zusammenhang mit der Annahme, dass die Vernehmung bestimmter Zeugen noch nicht erfolgt sei, bewirkte das Oberlandesgericht keine Undeutlichkeit der Sachverhaltsgrundlage zum angenommenen Haftgrund, sondern wies auf die nach der Aktenlage bestehende Beweissituation hin.

Die keine Verletzung des verfassungsmäßig geschützten Rechts auf persönliche Freiheit aufzeigende Grundrechtsbeschwerde war daher ohne Kostenausspruch (§ 8 GABG) abzuweisen.

Anmerkung

E8997115Os3.09v

Schlagworte

Kennung XPUBL - XBEITRDiese Entscheidung wurde veröffentlicht inJus-Extra OGH-St 4274 = JBl 2010,69 (Bertel)XPUBLEND

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0150OS00003.09V.0218.000

Zuletzt aktualisiert am

23.02.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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