TE Vwgh Erkenntnis 2001/3/20 2000/11/0252

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Veröffentlicht am 20.03.2001
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Index

90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

KDV 1967 §30 Abs1 Z1;
KFG 1967 §73 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des Dr. W in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 19. Juli 1999, Zl. MA 65-11/82/97, betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

In dem vor dem 1. November 1997 eingeleiteten Verfahren wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 19. Juli 1999 dem Beschwerdeführer gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 die Lenkerberechtigung für die Gruppe B entzogen und gemäß § 73 Abs. 2 leg. cit. ausgesprochen, dass ihm für die Dauer der gesundheitlichen Nichteignung keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden darf.

Ein vom amtsärztlichen Sachverständigen unter Zugrundelegung insbesondere des aktuellen Befundes der Universitätsklinik für Psychiatrie des Allgemeinen Krankenhauses erstattetes Gutachten führte zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführer seit vielen Jahren wegen rezidivierenden depressiven Episoden und Zwangsphänomenen in psychiatrischer Behandlung stehe. Die verordneten Psychopharmaka nehme der Beschwerdeführer nicht regelmäßig ein. Seine Reaktionsfähigkeit, -sicherheit und -geschwindigkeit sei reduziert; er sei unkonzentriert und zerstreut. Aufgrund dieses Ergebnisses sei der Beschwerdeführer zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe B nicht geeignet.

Der Beschwerdeführer unterzog sich in der Folge am 19. April 1999 einer verkehrspsychologischen Untersuchung beim Kuratorium für Verkehrssicherheit, die folgendes Ergebnis erbrachte:

"Die kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeiten zeigen wesentliche Störungen in der Beobachtungsfähigkeit (visuelle Strukturierungsfähigkeit), in der Belastbarkeit des Reaktionsverhaltens und in der Konzentrationsfähigkeit aber auch in der kraftfahrtypischen Sensomotorik, entsprechen daher in ihrer Gesamtheit derzeit nicht den Mindestanforderungen zum sicheren Führen eines Kraftfahrzeuges. Die intellektuellen Voraussetzungen zum Führen eines Kraftfahrzeuges wären gegeben. Seitens der Persönlichkeit liegen keine ausreichenden Kompensationsmöglichkeiten vor, vielmehr waren testmäßig deutlich hohe emotionale Labilität, Belastetheit und erhöhte soziale Konfliktbereitschaft objektivierbar.

Vom Standpunkt verkehrspsychologischer Begutachtung ist daher Herr (Beschwerdeführer) in Anbetracht der Gesamtbefundlage, insbesondere wegen mangelnder kraftfahrspezifischer Leistungsfähigkeit, zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klasse B derzeit nicht geeignet."

Aufgrund dieses verkehrspsychologischen Befundes des Kuratoriums für Verkehrssicherheit erstattete der amtsärztliche Sachverständige am 28. Juni 1999 folgendes abschließendes Gutachten:

"Der verkehrspsychologische Befund des Kuratoriums für Verkehrssicherheit vom 10. Juni 1999 bestätigt die ha. Vorgutachten, wonach Herr (Beschwerdeführer) zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe B nicht geeignet ist.

Herrn (Beschwerdeführer) visuelle Auffassung war bei dieser Untersuchung extrem verlangsamt, die Reaktionszeit war deutlich verlängert, die Dauerbelastbarkeit gravierend beeinträchtigt, die Konzentrationsfähigkeit unzureichend. Die Bewegungsabläufe waren deutlich erschwert, ein Tremor der Hände war nachweisbar.

Herr (Beschwerdeführer) ist daher derzeit wegen mangelhafter kraftfahrspezifischer Leistungsfähigkeit zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klasse B nicht geeignet."

In der Begründung des angefochtenen Bescheides wurde ausgeführt, dass das Gutachten des amtsärztlichen Sachverständigen schlüssig und nachvollziehbar sei, zumal sich dieses mit der im Befund des Kuratoriums für Verkehrssicherheit festgestellten mangelnden kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers auseinander gesetzt habe. Aufgrund der extrem verlangsamten visuellen Auffassung, der deutlich verlängerten Reaktionszeit, der gravierend beeinträchtigten Dauerbelastbarkeit und der unzureichenden Konzentrationsfähigkeit des Beschwerdeführers, welche von diesem auch nicht bestritten werde, habe der Sachverständige die gesundheitliche Eignung des Beschwerdeführers zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe B zutreffend begründet verneint. Der Beschwerdeführer sei diesem Gutachten nicht mit einem auf gleicher wissenschaftlicher Ebene stehenden Gegengutachten entgegengetreten. Es sei daher von einem Mangel der gesundheitlichen Eignung des Beschwerdeführers im Sinne des § 30 Abs. 1 zweiter Satz KDV 1967 auszugehen und deswegen die Entziehung der Lenkerberechtigung für die Gruppe B auszusprechen, weil die Berufungsbehörde ihrer Entscheidung die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides zugrunde zu legen habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich seinem gesamten Vorbringen zufolge in dem Recht auf Nichtentziehung seiner Lenkerberechtigung bzw. Erteilung einer unbefristeten Lenkerberechtigung verletzt. Er macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Beschwerdeführer replizierte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer die Lenkerberechtigung gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 deshalb entzogen, weil er gesundheitlich nicht geeignet ist.

Gemäß § 41 Abs. 1 Führerscheingesetz, BGBl. Nr. 120/1997 in der Fassung BGBl. I Nr. 94/1998, (FSG) sind die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes (d.i. gemäß § 43 Abs. 1 dieses Bundesgesetzes der 1. November 1997) anhängigen Verfahren aufgrund der §§ 64 bis 77 KFG 1967 nach der bisher geltenden Rechtslage zu Ende zu führen. (Die Ausnahmebestimmung des zweiten Satzes dieser Gesetzesstelle findet auf den Beschwerdefall keine Anwendung.)

Gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 ist Besitzern einer Lenkerberechtigung, die nicht mehr im Sinne des § 66 verkehrszuverlässig sind, nicht mehr geistig oder körperlich geeignet oder nicht mehr fachlich befähigt sind, ein Kraftfahrzeug zu lenken, die Lenkerberechtigung entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit ganz oder nur hinsichtlich bestimmter Gruppen zu entziehen oder durch Befristungen, Auflagen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen der Gültigkeit einzuschränken; dies gilt auch sinngemäß, wenn die geistige und körperliche Eignung nicht mehr in vollem Umfang gegeben ist oder nur für eine bestimmte Zeit angenommen werden kann und Nachuntersuchungen erforderlich sind.

Gemäß Abs. 2 dieser Gesetzesstelle ist bei der Entziehung auch auszusprechen, für welche Zeit keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden darf.

Gemäß § 30 Abs. 1 Z. 1 KDV 1967 gilt als zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer bestimmten Gruppe geistig und körperlich geeignet, wer für das sichere Beherrschen dieser Kraftfahrzeuge und das Einhalten der für das Lenken dieser Kraftfahrzeuge geltenden Vorschriften ausreichend frei von psychischen Krankheiten und geistigen Behinderungen ist.

Darüber hinaus müssen gemäß § 30 Abs. 1 zweiter Satz KDV 1967 die nötige kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit und Bereitschaft zur Verkehrsanpassung gegeben sein.

Gemäß § 31 dieser Verordnung gelten als ausreichend frei von psychischen Krankheiten und geistigen Behinderungen im Sinne des § 30 Abs. 1 Z. 1 Personen, bei denen weder Erscheinungsformen von solchen Krankheiten oder Behinderungen, noch schwere geistige und seelische Störungen vorliegen, die eine Beeinträchtigung des Fahrverhaltens erwarten lassen. Wenn sich aus der Vorgeschichte oder bei der Untersuchung der Verdacht eines krankhaften Zustandes ergibt, der die geistige Eignung zum Lenken eines Kraftfahrzeuges einschränken oder ausschließen würde, ist eine Untersuchung durch einen entsprechenden Facharzt, die eine Prüfung der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit einzubeziehen hat, anzuordnen.

Die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid aufgrund des abschließenden amtsärztlichen Sachverständigengutachtens angenommene fehlende kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers betrifft die geistige und körperliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 12. Februar 1991, Zl. 90/11/0172, und vom 23. April 1996, Zl. 95/11/0226). Die auf Grundlage des Befundes der verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle (Kuratorium für Verkehrssicherheit) beim Beschwerdeführer festgestellten wesentlichen Störungen in der Beobachtungsfähigkeit (visuelle Strukturierungsfähigkeit), der Belastbarkeit des Reaktionsverhaltens und der kraftfahrtypischen Sensomotorik, die in ihrer Gesamtheit nicht den Mindestanforderungen zum sicheren Führen eines Kraftfahrzeuges entsprechen, haben den Mangel der geistigen und körperlichen Eignung zum Lenken eines Kraftfahrzeuges gemäß § 30 Abs. 1 Z. 1 KDV 1967 zur Folge (siehe hiezu die hg. Erkenntnisse vom 22. Jänner 1991, Zl. 90/11/0143 und vom 12. Februar 1991, Zl. 90/11/0172). Die auf § 73 Abs. 1 KFG 1967 im Zusammenhang mit § 30 Abs. 1 Z. 1 KDV 1967 gestützte Entziehung der Lenkerberechtigung erweist sich daher im Beschwerdefall frei von Rechtsirrtum, zumal aus dem Befund der verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle, auf welche sich das abschließende Gutachten des Amtssachverständigen stützt, hervorgeht, dass trotz der intellektuellen Voraussetzungen des Beschwerdeführers zum Führen eines Kraftfahrzeuges derzeit in seiner Persönlichkeit keine ausreichenden Kompensationsmöglichkeiten bezüglich der festgestellten Mängel der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit bestehen, vielmehr aus den vorgenommenen Tests deutlich eine hohe emotionale Labilität, Belastetheit und erhöhte soziale Konfliktbereitschaft objektiviert worden ist.

Bedenken gegen die Schlüssigkeit der für die Feststellung der Nichteignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen herangezogenen Befunde und ärztlichen Gutachten bestehen nicht. Dem verkehrspsychologischen Befund sind neben den durchgeführten Untersuchungsverfahren auch die Ergebnisse mit einem Vergleich zu den Normwerten zu entnehmen und daher mit der erforderlichen Aussagekraft dargestellt.

Der Beschwerdeführer ist den von der belangten Behörde dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Gutachten nicht in tauglicher Weise entgegengetreten und vermag mit seinen Beschwerdeausführungen einen relevanten Begründungsmangel nicht aufzuzeigen.

Der Spruch des angefochtenen Bescheides entspricht den Bestimmtheitserfordernissen des § 59 Abs. 1 AVG. In unzweideutiger Weise hat die belangte Behörde gemäß § 73 Abs. 2 KFG 1967 ausgesprochen, dass dem Beschwerdeführer "für die Dauer der gesundheitlichen Nichteignung keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden darf". Die dem Beschwerdeführer übermittelte Ausfertigung des angefochtenen Bescheides (vom Beschwerdeführer dem Verwaltungsgerichtshof in Kopie vorgelegt) entspricht den Inhalts- und Formerfordernissen des § 58 AVG. Der behauptete Formmangel liegt daher ebenfalls nicht vor.

Der angefochtene Bescheid erweist sich somit insgesamt frei von Rechtsirrtum. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte im Hinblick auf § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden.

Wien, am 20. März 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2000110252.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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