TE Vfgh Erkenntnis 2009/3/11 B1367/08

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Veröffentlicht am 11.03.2009
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Index

92 Luftverkehr
92/01 Luftverkehr

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
AVG §58, §60
LuftFG §68 Abs2, §74 Abs3, §139a Abs2
VO (EG) 1107/2006 über die Rechte von behinderten Flugreisenden und Flugreisenden mit eingeschränkter Mobilität (EU-PRM-VO) Art8, Art14

Leitsatz

Verletzung im Gleichheitsrecht durch willkürliche Genehmigung einesgeringeren als des beantragten "PRM-Tarifes" pro Fluggast angesichtseiner Bescheidbegründung ohne Begründungswert

Spruch

Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie) ist schuldig, der beschwerdeführenden Gesellschaft zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2.380,-- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die beschwerdeführende Gesellschaft stellte am 14. Mai

2008 gemäß §74 Abs3 iVm §68 Abs2 des Bundesgesetzes vom 2. Dezember 1957 über die Luftfahrt (Luftfahrtgesetz - LFG), BGBl. 253 idgF, sowie gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1107/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 über die Rechte von behinderten Flugreisenden und Flugreisenden mit eingeschränkter Mobilität (im Folgenden kurz: EU-PRM-VO), an den (damaligen) Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie den Antrag, einen "PRM-Tarif" in der Höhe von € 0,49 pro abfliegenden Fluggast als Aufschlag zum Fluggasttarif und die an diesen neuen Tarif angepasste Tarifordnung der Zivilflugplatz-Benützungsbedingungen für den Flughafen Innsbruck mit Wirksamkeit vom 1. Juli 2008 zu genehmigen. Dem Antrag angeschlossen wurde u.a. eine auf der tatsächlichen und hochgerechneten Passagieranzahl für das Jahr 2008 basierende Kostenaufstellung für den Flughafen Innsbruck, die der beantragten Tarifhöhe zugrunde gelegt wurde.

Gemäß der EU-PRM-VO soll - neben anderen Maßnahmen - der "PRM (Person with Reduced Mobility)-Tarif" als besondere Umlage sicherstellen, dass behinderte Flugreisende und Flugreisende mit eingeschränkter Mobilität mit anderen Personen vergleichbare Flugreisemöglichkeiten haben und ihnen entsprechend ihren besonderen Bedürfnissen auf Flughäfen und an Bord von Luftfahrzeugen unter Einsatz des erforderlichen Personals und der notwendigen Ausstattung Hilfe gewährt wird. Der beschwerdeführenden Gesellschaft obliegt es in diesem Zusammenhang als Leitungsorgan des Flughafens Innsbruck, diese Umlage "angemessen, kostenabhängig, transparent" und aufgeteilt auf alle Flughafennutzer, im Verhältnis zu der Gesamtzahl der Fluggäste, gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit den Flughafennutzern über den Flughafennutzerausschuss, festzusetzen (vgl. Art8 Abs4 EU-PRM-VO). Als "Durchsetzungsstelle" iSd Art14 Abs2 EU-PRM-VO iVm §139a Abs2 LFG gewährleistet der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie die zufrieden stellende Durchführung des die Verantwortung für die Hilfeleistung auf Flughäfen regelnden Art8 EU-PRM-VO einschließlich der Bestimmungen über die Umlage.

2. Über den Antrag der beschwerdeführenden Gesellschaft erging ein - elektronisch gefertigter und ebenso übermittelter - nicht datierter Bescheid des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie, mit dem gemäß §74 Abs3 iVm §68 Abs2 LFG, §20 der Verordnung des Bundesministeriums für Verkehr und Elektrizitätswirtschaft vom 26. Feber 1962, betreffend den Betrieb von Zivilflugplätzen (Zivilflugplatz-Betriebsordnung - ZFBO), BGBl. 72 idgF, sowie gemäß Art8 Abs4 und Art14 Abs2 EU-PRM-VO ein "PRM-Flughafentarif" in der Höhe von € 0,34 mit Wirksamkeit vom 1. Juli 2008 unter der Auflage einer näher ausgeführten Nachkalkulation über den Zeitraum von 1. Juli 2008 bis 30. Juni 2009 genehmigt und die Tarifordnung der Zivilflugplatz-Benützungsbedingungen des Flughafens Innsbruck entsprechend geändert wurde. Der Bescheid enthält folgende Begründung:

"Die von TFG vorgelegte Berechnung des neuen PRM-Tarifes in Höhe von 49 Cent pro Fluggast ist zwar korrekterweise als Umlage der PRM-Kosten auf die Passagiere nach den Bestimmungen des Art8 Abs4 EU-PRM-VO Nr.1107/2006 sowie nach den Empfehlungen der ICAO (Doc 9082/7) für die Kalkulation von Flughafentarifen vorgenommen worden.

Jedoch die PRM-Kostenbasis konnte insbesondere betr. der für die

künftig von TFG zu erbringenden PRM-Dienstleistungen angesetzten

Personalressourcen ho   n i c h t   nachvollzogen werden. Diese

PLAN-Daten sind mit dem Nutzerausschuss am Flughafen Innsbruck

(vertreten durch die Vorsitzende) am 28.5. und 18.6.2008 diskutiert

und   n i c h t   plausibel gefunden worden und wurde dementsprechend

der TFG-TOA dem BMVIT zur   A b l e h n u n g   empfohlen.

Die als weiteres Eingangsdatum in der Kalkulation verwendete TFG-Passagierprognose 2008 wurde hingegen für plausibel gefunden."

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz behauptet und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides sowie dessen Abänderung, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt wird.

Auf das Wesentliche zusammengefasst bringt die beschwerdeführende Gesellschaft vor, dass die Genehmigung eines Tarifes von lediglich € 0,34 im Vergleich zu anderen Flughäfen, insbesondere dem Flughafen Salzburg, gleichheitswidrig sei; die belangte Behörde habe eine nicht nachvollziehbare, willkürliche Entscheidung getroffen. Zudem sei auf die der belangten Behörde vorgelegte detaillierte Kostenkalkulation nicht entsprechend eingegangen worden.

4. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie dem Beschwerdevorbringen entgegentritt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige -

Beschwerde erwogen:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes wird das Gleichheitsrecht insbesondere dadurch verletzt, dass die Behörde bei der Erlassung des Bescheides Willkür übt. Dies ist ihr u.a. dann vorzuwerfen, wenn der angefochtene Bescheid wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch steht (zB VfSlg. 11.436/1987, 12.030/1989, 14.394/1995). Eine in die Verfassungssphäre reichende Mangelhaftigkeit kann aber auch dann vorliegen, wenn die Behörde einen Bescheid mit Ausführungen begründet, denen kein Begründungswert zukommt (zB VfSlg. 13.302/1992, 14.506/1996, 17.230/2004). Ein derartiger Fall ist hier gegeben:

Im Hinblick auf die in den §§58 Abs2 und 60 AVG festgelegte Begründungspflicht wäre die belangte Behörde den Umständen nach gehalten gewesen, im angefochtenen Bescheid - der im Übrigen weder das Datum der Bescheiderlassung enthält noch die beschwerdeführende Gesellschaft als Bescheidadressat korrekt bezeichnet - die Gründe für das Abgehen von der beantragten Tarifhöhe sowohl in sachverhaltsmäßiger als auch in rechtlicher Hinsicht darzulegen. Die belangte Behörde hat sich jedoch lediglich darauf beschränkt, die - im Antrag detailliert dargelegte - Kostenbasis der beantragten Tarifhöhe im Hinblick auf angesetzte Personalressourcen als nicht nachvollziehbar zu bezeichnen und zu behaupten, dass "[d]iese PLAN-Daten" vom Nutzerausschuss des Flughafens Innsbruck nach Diskussion "n i c h t plausibel" gefunden wurden. Derartige Ausführungen erlauben aber keinen Rückschluss auf die maßgeblichen Beweggründe, zumal weder die tatsächlichen Kritikpunkte des bezogenen Nutzerausschusses an der beantragten Tarifhöhe noch die Gründe für die Beanstandung der von der beschwerdeführenden Gesellschaft berechneten Personalressourcen näher dargelegt wurden.

Dass nach Zustellung des angefochtenen Bescheides am 30. Juni 2008 mittels eines der beschwerdeführenden Gesellschaft elektronisch übermittelten, mit 8. Juli 2008 datierten "Entwurfs" einer "Neubegründung" die für die Genehmigung eines bloß geringeren Tarifes maßgeblichen Beweggründe dargelegt wurden, vermag den Mangel in der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht zu sanieren. Ebenso wenig kann die aufgezeigte Mangelhaftigkeit weder dadurch beseitigt werden, dass - wie die belangte Behörde in der erstatteten Gegenschrift vorbringt - mit der beschwerdeführenden Gesellschaft "umfangreiche Konsultationen und (schriftliche) Diskussionen" geführt wurden, noch dadurch, dass die belangte Behörde ihre Motivation in der Gegenschrift darlegte; die Begründung des Bescheides muss nämlich aus diesem selbst hervorgehen (vgl. dazu etwa VfSlg. 10.057/1984, 10.758/1986).

Der aufgezeigte Begründungsfehler wiegt nicht weniger schwer als das vom Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung zum Gleichheitsgebot als gravierend gewertete Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt (VfSlg. 10.092/1984, 11.032/1986).

Der angefochtene Bescheid war sohin wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz aufzuheben.

III. 1. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten sind Umsatzsteuer sowie der Ersatz der gemäß §17a VfGG entrichteten Eingabengebühr im verzeichneten Ausmaß enthalten.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Luftfahrt, EU-Recht, Tarif, Bescheidbegründung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2009:B1367.2008

Zuletzt aktualisiert am

26.11.2010
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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