TE Vwgh Erkenntnis 2009/2/27 2008/02/0051

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.02.2009
beobachten
merken

Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

StVO 1960 §43 Abs1;
StVO 1960 §43;
StVO 1960 §44 Abs1;
StVO 1960 §44;
StVO 1960 §52 lita Z10a;
StVO 1960 §97 Abs5;
StVO 1960 §99 Abs3 lita;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Becker, über die Beschwerde des W A in M, vertreten durch Dr. Josef Dengg, Dr. Milan Vavrousek und Mag. Thomas Hölber, Rechtsanwälte in 5600 St. Johann/Pongau, Pöllnstraße 2, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 14. Jänner 2008, Zl. Senat-ME-07-0074, betreffend Übertretung der StVO, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer wurde mit Straferkenntnis vom 9. August 2007 schuldig erkannt, am 30. März 2007 auf der Westautobahn bei Straßenkilometer 134,212 in Fahrrichtung Linz mit einem dem Kennzeichen nach näher bestimmten PKW die auf Grund des angebrachten Vorschriftzeichens "Geschwindigkeitsbeschränkung" erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 58 km/h überschritten zu haben, wofür über ihn gemäß § 52 lit. a Z. 10a iVm § 99 Abs. 3 lit. a StVO eine Geldstrafe von EUR 450,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 216 Stunden) verhängt wurde.

In der dieser Bestrafung zu Grunde liegenden Anzeige der Autobahnpolizeiinspektion Amstetten vom 2. April 2007 ist zur Beschreibung des Tatortes festgehalten, dass "zum Tatzeitpunkt ... das Ausleitsystem des VKP Haag in Betrieb (war). Es bestand in diesem Bereich eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 80 km/h."

In seiner Stellungnahme vom 18. Juni 2007 bestritt der Beschwerdeführer unter anderem die ordnungsgemäße Kundmachung der Geschwindigkeitsbeschränkung von 80 km/h.

Mit Schreiben vom 24. Juni 2007 teilte die Autobahnpolizeiinspektion Amstetten der BH Melk mit, dass die in Rede stehende Geschwindigkeitsbeschränkung auf der Grundlage der Verordnung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) vom 20. Jänner 2005, Zl. BMVIT-138.001/0002- II/ST5/2005, durch entsprechende Verkehrszeichen deutlich kundgemacht worden sei.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen das Straferkenntnis vom 9. August 2007 mit hier nicht wesentlichen Maßgaben abgewiesen.

In der Begründung gab die belangte Behörde den Gang des Verwaltungsstrafverfahrens wieder und zitierte die genannte Verordnung vom 20. Jänner 2005, in der auf Grund des § 43 Abs. 1 StVO verordnet wurde, dass für den Fall von Verkehrskontrollen auf dem Parkplatz Haag und für den Fall von Kontrollen von Fahrzeugen aller auf der Autobahn erlaubten Fahrzeuggattungen unter anderem die erlaubte Höchstgeschwindigkeit auf 80 bzw. 60 km/h beschränkt werden kann.

Ebenfalls in der Begründung des angefochtenen Bescheides hat die belangte Behörde ein Schreiben des BMVIT vom 29. November 2007 abgelichtet, in dem dieser im Hinblick auf die genannte Verordnung ausführte, dass

"eine aus gegebenem Anlass gemeinsam mit dem Bundesministerium für Inneres durchgeführte Überprüfung der Grundlagen für diese Verordnung ... jedoch ergeben (hat), dass § 97 Abs. 5 StVO eine ausreichende Grundlage für die im Rahmen der Kontrolle erforderlichen Verkehrsmaßnahmen darstellt und eine Verordnung daher nicht erforderlich ist. Ebenso hat sich ergeben, dass gegen eine derartige Verordnung sogar Bedenken hinsichtlich der Gesetzmäßigkeit bestehen ... Aus Gründen der Rechtsklarheit und -sicherheit wird daher die eingangs erwähnte Verordnung uE aufgehoben."

Weiter hielt die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid fest, dass der Tatort, an dem das Fahrzeug des Beschwerdeführers mit 138 km/h gemessen worden sei, auf jenem Abschnitt der Westautobahn gelegen sei, auf dem, wenn das Ausleitsystem des Verkehrskontrollplatzes Haag zum Zweck von LKW-Kontrollen aktiviert werde, gemäß der genannten Verordnung eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 80 km/h kundzumachen gewesen sei. Zur Tatzeit sei das Ausleitsystem aktiviert gewesen. Die Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h sei mit Vorschriftszeichen gemäß § 52 lit. a Z. 10a StVO kundgemacht worden.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, dass die Autobahnpolizei mit der Aufnahme der Kontrolltätigkeit am Verkehrskontrollplatz Haag die Geschwindigkeitsbeschränkung durch Einschalten der elektronischen Anzeigevorrichtungen gemäß § 48 Abs. 1a StVO aktiviert habe. Diese Art der Verkehrsbeeinflussung entspreche einer Anordnung gemäß § 97 Abs. 5 StVO mit dem Anspruch auf generelle Gültigkeit. Dass die Anordnung gemäß den Vorgaben der genannten Verordnung vom 20. Jänner 2005 erfolgt sei, sei unbeachtlich; die Annordnung hätte auch im Fall einer unterbliebenen Verständigung der zuständigen Behörde gegolten. Der mit Berufung bekämpfte Bescheid sei daher dem Grunde nach zu bestätigen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Behörde hat gemäß § 43 Abs. 1 StVO für bestimmte Straßen oder Straßenstrecken oder für Straßen innerhalb eines bestimmten Gebietes in näher genannten Fällen durch Verordnung Verkehrsverbote oder Verkehrsbeschränkungen zu erlassen.

Nach § 44 Abs. 1 erster Satz StVO sind die im § 43 bezeichneten Verordnungen, sofern sich aus den folgenden Absätzen nichts anderes ergibt, durch Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen kundzumachen und treten mit deren Anbringung in Kraft.

Gemäß § 97 Abs. 5 StVO sind die Organe der Straßenaufsicht berechtigt, durch deutlich sichtbare oder hörbare Zeichen Fahrzeuglenker zwecks Lenker- oder Fahrzeugkontrolle, zwecks anderer, den Fahrzeuglenker oder eine beförderte Person betreffende Amtshandlungen oder zwecks Durchführung von Verkehrserhebungen (wie Verkehrszählungen u. dgl.) zum Anhalten aufzufordern. Der Fahrzeuglenker hat der Aufforderung Folge zu leisten. Bei solchen Amtshandlungen sind die Organe der Straßenaufsicht auch berechtigt, die aus Gründen der Verkehrssicherheit allenfalls notwendigen Verkehrsbeschränkungen (zB sogenannte Geschwindigkeitstrichter) anzuordnen und durch Straßenverkehrszeichen kundzumachen sowie eine allenfalls notwendige Regelung mit Lichtzeichen vorzunehmen. Für die Anwendung dieser Maßnahme gilt § 44b Abs. 2 bis 4.

Während der Kundmachung - etwa einer Geschwindigkeitsbeschränkung -gemäß § 44 StVO eine Verordnung nach § 43 StVO zu Grunde liegen muss, sind bei den in § 97 Abs. 5 StVO angeführten Amtshandlungen die Organe der Straßenaufsicht berechtigt, die aus Gründen der Verkehrssicherheit allenfalls notwendigen Verkehrsbeschränkungen anzuordnen und durch Straßenverkehrszeichen kundzumachen. An die Stelle der einer Kundmachung gemäß § 44 StVO zu Grunde liegenden Verordnung tritt demnach die "Anordnung" des Organes der Straßenaufsicht verbunden mit der Kundmachung durch Straßenverkehrszeichen.

Im vorliegenden Fall wurde die den Beschwerdeführer

belastende Geschwindigkeitsbeschränkung - unstrittig - auf Basis

der Verordnung vom 20. Jänner 2005 kundgemacht. Dies sei nach Meinung der belangten Behörde aber unbeachtlich, weil durch die Aktivierung der elektronischen Anzeigevorrichtung, wodurch die Geschwindigkeitsbeschränkung kundgemacht wurde, jedenfalls eine Anordnung eines Organes der Straßenaufsicht gemäß § 97 Abs. 5 StVO vorliege.

Die belangte Behörde ging demnach von einer unwirksamen Kundmachung der Geschwindigkeitsbeschränkung auf Grund der genannten Verordnung aus, stützte die in Rede stehende Geschwindigkeitsbeschränkung auf § 97 Abs. 5 StVO und damit auf eine Anordnung eines Organes der Straßenaufsicht. Wie die belangte Behörde selbst ausführte, erfolgte die "Anordnung gemäß den Vorgaben der Verordnung des BMVIT", erklärte dies jedoch unter Hinweis auf die Anwendbarkeit des § 97 Abs. 5 StVO für "unbeachtlich".

Es gibt allerdings keine Anhaltspunkte für die Annahme der belangten Behörde, die Organe der Straßenaufsicht hätten die zum Tatzeitpunkt angezeigte Geschwindigkeitsbeschränkung auf der Grundlage des § 97 Abs. 5 StVO und nicht die "Behörde" auf der Grundlage der Verordnung vom 20. Jänner 2005 angeordnet und kundgemacht. Damit liegt aber im konkreten Fall eine nach § 97 Abs. 5 StVO kundgemachte Geschwindigkeitsbeschränkung nicht vor; die von der belangten Behörde angenommene Rechtsgrundlage konnte daher im Beschwerdefall auch nicht zur Bestrafung des Beschwerdeführers wegen Überschreitung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit führen.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 27. Februar 2009

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2009:2008020051.X00

Im RIS seit

20.03.2009

Zuletzt aktualisiert am

09.11.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten