TE Vfgh Beschluss 1998/6/24 V86/97

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.06.1998
beobachten
merken

Index

32 Steuerrecht
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
EStG 1988 §2 Abs2
Verordnung des Bundesministers für Finanzen zu §2 Abs2 EStG 1988, BGBl 734/1996

Leitsatz

Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung einer Verordnung zum EStG 1988 betreffend Verlustausgleichsbeschränkungen infolge Zumutbarkeit des Verwaltungsrechtsweges

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. Der Antragsteller ist Rechtsanwalt und übt nach eigenen Angaben die Tätigkeit des gewerblichen Wertpapierhandels aus. Er begehrt gemäß Art139 Abs1 B-VG die Aufhebung der zu §2 Abs2 EStG 1988 ergangenen Verordnung des Bundesministers für Finanzen vom 19. Dezember 1996, BGBl. 734, wegen Gesetzwidrigkeit.

Nach §2 Abs2 Satz 2 EStG 1988 sind Verluste aus Betrieben, deren Unternehmensschwerpunkt im Verwalten unkörperlicher Wirtschaftsgüter gelegen ist, weder ausgleichs- noch vortragsfähig. Sie sind mit Gewinnen aus diesem Betrieb frühestmöglich zu verrechnen (Satz 3).

Die angefochtene Verordnung lautet:

"Als Verwalten unkörperlicher Wirtschaftsgüter ist sowohl die Verwaltung von Anlagevermögen als auch die Verwaltung von Umlaufvermögen zu verstehen. Darunter fällt insbesondere auch der gewerbliche Handel mit unkörperlichen Wirtschaftsgütern."

Der Antrag legt die Bedenken gegen die Verordnung im einzelnen dar.

Zur Antragslegitimation führt er aus, daß die angefochtene Verordnung auch ohne Erlassung eines Bescheides für den Antragsteller wirksam geworden sei, da ihn der Inhalt dieser Verordnung daran hindere, im Jahre 1997 eine gewerbliche Tätigkeit auf dem Gebiet des Wertpapierhandels auszuüben. Es sei ihm nämlich die Möglichkeit genommen, die im Jahre 1996 erlittenen Verluste, die zu einer Verminderung seines Vermögens geführt hätten, mit Einkünften aus selbständiger Tätigkeit ab 1997 auszugleichen bzw. endgültige Gewinne zu erzielen. Dies habe zur Folge, daß die Verluste des Jahres 1996 nicht nur als steuerlich nicht kompensabel, sondern als endgültig eingetreten anzusehen seien. Die Ausschöpfung des Instanzenzuges sei ihm nicht zumutbar. Eine Veranlagung für das Jahr 1996 sei bis zur Einbringung des Antrages auf Aufhebung der Verordnung beim Verfassungsgerichtshof noch nicht erfolgt. Andere Personen in gleicher Lage könnten daher früher als er eine Bescheidbeschwerde erheben, aufgrund der die angefochtene Verordnung in Prüfung gezogen und als gesetz- bzw. verfassungswidrig aufgehoben werden könnte. Dann bestünde die Gefahr, daß er mangels Anlaßfallwirkung keine Möglichkeit mehr hätte, die erlittenen Verluste aus dem Wertpapierhandel mit einem Gewinn aus selbständiger Arbeit auszugleichen. Schließlich sei die Ausschöpfung des Instanzenzuges auch im Hinblick auf die im Wirtschaftsjahr 1996 unter Miteinbeziehung der Verluste aus gewerblichen Wertpapierhandel geleisteten Einkommensteuervorauszahlungen unzumutbar. Die durch den Einkommensteuerbescheid vorzunehmende Erledigung werde durch die Verordnung inhaltlich vorweggenommen.

Schließlich führt der Antragsteller aus:

"Entgegen dem vom Gesetzgeber ursprünglich verfolgten Ziel sollte rechtspolitisch aus Gründen der Rechtssicherheit dem Individualantrag nach Artikel 139 B-VG der Vorzug gegenüber der Bescheidbeschwerde nach Artikel 144 B-VG gegeben werden, um zu verhindern, daß durch eine gesetz- bzw. verfassungswidrige generelle Norm eine mehr oder minder große Anzahl 'fehlerhafter' Einzelentscheidungen ergeht mit nachfolgender Aufhebung der generellen Norm. Dahingestellt sei, ob dieser Denkansatz auch als Beitrag zur Eindämmung der Beschwerdeflut miteinbezogen werden kann."

II. Der Antrag ist unzulässig.

1. Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, daß der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung - im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, daß die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Dazu nimmt der Gerichtshof seit seinen Beschlüssen VfSlg. 8009/1977 (der zur vergleichbaren Rechtslage nach Art140 B-VG erging) und VfSlg. 8058/1977 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt ein, die Antragslegitimation nach Art139 Abs1 B-VG setze voraus, daß durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden. Der durch Art139 Abs1 B-VG dem einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf ist dazu bestimmt, Rechtsschutz gegen rechtswidrige Verordnungen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB VfSlg. 11726/1988, 12799/1991).

2. Ob und in welcher Weise sich die angefochtene Verordnung auf die Möglichkeit des Verlustausgleiches aus gewerblichem Wertpapierhandel für den Antragsteller auswirkt, ist im Abgabenverfahren zu klären. Gegen den Einkommensteuerbescheid für 1996 kann der Antragsteller nach Erschöpfung des Instanzenzuges beim Verfassungsgerichtshof Beschwerde erheben und in deren Rahmen die gegen die Gesetzmäßigkeit der Verordnung sprechenden Bedenken darlegen.

Umstände, die das Beschreiten dieses Weges als unzumutbar erscheinen ließen, sind nicht zu erkennen. Insbesondere hindert die angefochtene Verordnung den Antragsteller nicht daran, weiterhin die Tätigkeit des Wertpapierhandels auszuüben. Die Möglichkeit, daß aufgrund der Beschwerde einer anderen Person die angefochtene Verordnung als gesetz- oder verfassungswidrig aufgehoben wird, bevor der Antragsteller in die Lage kommt, ihre Gesetzwidrigkeit in einer eigenen Beschwerde zu rügen, vermag an der Zumutbarkeit des Verwaltungsrechtsweges nichts zu ändern. Es handelt sich eben kraft Entscheidung des Verfassungsgesetzgebers beim Individualantrag auf Normenkontrolle um einen bloß subsidiären Rechtsbehelf, der nur insoweit zu gewähren ist, als ein anderer zumutbarer Weg nicht in Betracht kommt (vgl. etwa VfSlg. 11479/1987, 11684/1988 und 14246/1995).

3. Dem Antragsteller mangelt es demzufolge an der Legitimation für sein Begehren. Der Antrag ist daher gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung als unzulässig zurückzuweisen.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Einkommensteuer, Verlustzuweisung, Verlustabzug

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1998:V86.1997

Dokumentnummer

JFT_10019376_97V00086_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten