TE OGH 2009/1/20 4Ob176/08y

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Veröffentlicht am 20.01.2009
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei „Ö*****"-*****, vertreten durch Berger Saurer Zöchbauer, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagten Parteien 1.) K***** Gesellschaft mbH & Co KG, 2.) K***** Gesellschaft mbH, *****, beide vertreten durch Gheneff-Rami-Sommer Rechtsanwälte KEG in Wien, wegen Unterlassung, Urteilsveröffentlichung und Zahlung (Gesamtstreitwert 64.000 EUR sA), über die außerordentlichen Revisionen sämtlicher Streitteile gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 22. Juli 2008, GZ 1 R 9/08p-13, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 5. November 2007, GZ 18 Cg 89/07p-9, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

Spruch

Der außerordentlichen Revision der klagenden Partei wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass das Ersturteil wiederhergestellt wird.

Die beklagten Parteien sind schuldig, der klagenden Partei die mit 4.748,11 EUR bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin 577,23 EUR USt und 1.284,80 EUR Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die außerordentliche Revision der beklagten Parteien wird zurückgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist Medieninhaberin, Eigentümerin und Verlegerin des periodischen Druckwerks „Österreich". Die Erstbeklagte ist Eigentümerin des periodischen Druckwerks „Kronen Zeitung"; die Zweitbeklagte ist Komplementärin der Erstbeklagten. In der „Kronen-Zeitung" vom 26. April 2007 erschien folgender Artikel:

„Lieber Erwin Pröll, weil Sie mein Lieblingslandeshauptmann und -spitzenpolitiker sind, weil ich Ihre scharfe Zunge (die ein glasklarer Verstand an der Kandare hat) schätze, weil Ihre Analysen, Kommentare und Polit-Bonmots zum Trefflichsten und mitunter Amüsantesten gehören, was unsere traurig-graue-Gusi-Pilz-Stoisits-Flöttl-Bawag-Elsner-ORF-Reform-und-dergleichen-mehr-Republik zu bieten hat, weil Sie und Ihre volksnahe Eloquenz, Sie Stern von Niederösterreich, Sie Wein-Waldviertler Solitär, in Zeiten wie diesen und schlichtweg überhaupt unverzichtbar sind ... Darf ich Sie heute fragen: Was ist los mit Ihnen? Und feststellen: Ich vermisse Sie. Vermisse seit Wochen und Monaten den scharfen Erwin-Pröll-Senf, dem jener des bieder-braven Neffen Josef leider nicht das Wasser reicht. Dürste nach Pröll'scher Interpretation dessen, was die Alpenrepublik bewegt. Will endlich wissen, was Sie beispielsweise zum (Clini-)Clown-Auftritt Ihrer Parteifreundin Kondom ... Pardon:

Kdolsky, zu Helmut Elsners fabelhafter Langzeitkur, zur wahrscheinlichen Volksanwältin Stoisits, zum fürstlichen Austro-Tschechen und erklärten Temelin-Freund Schwarzenberg, zu Wolfgang Schüssel im Ausgedinge (?) oder zu Michael Häupl, 'der es der ÖVP zeigen will', zu sagen haben. Also lieber Erwin Pröll, reden Sie, reden Sie. Bei uns in der 'Krone', in „News" und 'Profil', in ORF oder meinetwegen auch im 'Kurier'. Nur das Geschenk- und Perlen-vor-die-Säue-Blattl ÖSTERREICH lassen s' bitte aus. Herzlichst Ihr ..."

In der Ausgabe der „Kronen Zeitung" vom 11. Mai 2007 wurde auf Seite 14 nachstehender Artikel verbreitet:

„Lieber Götz von Berlichingen, Du rauer Ritter, vertrauter und zeitloser Geselle. Weil Du kürzlich von Herrn Steininger - Du weißt schon, der Euro-Fighter-Lobbyist, der nix redt - optisch brutal missbraucht worden bist (Dein Schöpfer, der Geheimrat Goethe, hat sich in seinem Grabe umgedreht) solltest Du das schiefe Licht, in welches Dich dieser Mensch gebracht hat, schnellstens korrigieren. Auf die althergebrachte, verbale Art und Weise, die Dein Markenzeichen ist.

Ach, Du meinst, Du sähest hierzulande den Wald vor lauter Bäumen nicht, könntest Dich nicht entscheiden, wer oder was Deiner Zitat-Visite würdig ist? Na gut, ich helfe Dir.

Also da hätten wir zum Einstieg das BZÖ, den orangen Trümmerhaufen und Intrigantenstadl, der seinen Wählerauftrag ad absurdum führt. Danach empfehle ich die Billig-Postille Österreich, die das Land mit exklusiven Schlagzeilen-Enten bezüglich des Ausschlusses unserer Athleten von der Olympiade nervt. Sodann wäre ein Kurzbesuch 'Mitten im 8en' bzw bei den 'größten Reformern aller Zeiten' angebracht. Und auch die skrupellosen Wirte, die das Koma-Saufen erfunden haben, sollten Dich persönlich kennenlernen. Ganz besonders aber, Freund Götz, verdienen Dich jene strohdummen Witzbolde, die seit gestern bei uns in der 'Krone' anrufen und schandmäulerisch kundtun: Mir ham da an schworzen Bombenkoffer, den was ma eich vorbeibringen wern!' - Du siehst, es ist genug zu tun! An die Arbeit!!, Herzlichst Dein ..."

Die Klägerin begehrte, die Beklagten zur Unterlassung der Äußerungen, „Österreich" sei ein „Perlen-vor-die-Säue-Blattl" und/oder verdiene sich das „Götz-Zitat" und/oder sinngleiche Äußerungen zu verpflichten. Mit dem Unterlassungsbegehren verband sie ein Veröffentlichungsbegehren sowie ein Zahlungsbegehren in Höhe von 12.000 EUR sA. Die Beklagten verbreiteten seit geraumer Zeit äußerst negative und massiv herabsetzende Artikel, Leserbriefe etc über die Klägerin. Die zusammenhang-, anlass- und niveaulose Bezeichnung der Zeitung der Klägerin als „Geschenk-und-Perlen- vor-die-Säue-Blattl" sei eine Beschimpfung. Dies gelte auch für die Äußerung, die Zeitung der Klägerin verdiene sich das Götz-Zitat und sei bloß dieses Hinweises wert oder würdig. Die pauschale Abwertung und unnötige Bloßstellung sei sitten- und damit wettbewerbswidrig, jedenfalls aber eine zivilrechtliche Ehrenbeleidigung. Aufgrund der massiven Herabsetzung habe die Klägerin nach § 16 Abs 2 UWG Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung für die ideellen Nachteile in Höhe von 6.000 EUR pro Artikel.

Die Beklagten wendeten ein, die beanstandeten Äußerungen seien vom Grundrecht der freien Meinungsäußerung gedeckt. Bei der Beurteilung, ob eine Herabsetzung unnötig oder unsachlich sei, sei der journalistische Stil des Verletzten zu berücksichtigen. Die Klägerin selbst bediene sich einer reißerischen Sprache und kräftigen Ausdrucksweise. An diesem Stil werde im beanstandeten Artikel Kritik geübt. Der Verfasser habe eine drastische, dem Stil der Klägerin adäquate Sprache verwendet. Die „Kronen Zeitung" sei wiederholt mit ehrverletzenden, in derber Sprache verfassten Artikeln der Klägerin konfrontiert gewesen. Diese über einen langen Zeitraum hinweg fortgesetzten Angriffe würden die in den beanstandeten Artikeln geübte Kritik rechtfertigen. Die Klägerin habe nicht einmal vorgebracht, es liege eine Beeinträchtigung des seelischen oder körperlichen Wohlbefindens vor, die den mit jeder Wettbewerbshandlung verbundene, natürlichen Ärger übersteige.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt. Die Klägerin sei in unsachlicher und unnötiger Weise herabgesetzt worden. Die Pauschalabwertungen und groben Beschimpfungen seien sittenwidrig und nicht durch das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gedeckt. Da die Herabsetzung den mit einer sittenwidrigen Wettbewerbshandlung gewöhnlich verbundenen Ärger bei weitem überstiegen habe, gebühre Schadenersatz nach § 16 Abs 2 UWG. Aufgrund der großen Verbreitung der qualifizierten Beschimpfung sei der begehrte Ersatzbetrag gerechtfertigt, um dem dem Schadenersatzrecht auch innewohnenden Sanktions- und Präventionsgedanken ausreichend Rechnung zu tragen. Das Berufungsgericht bestätigte die erstgerichtliche Unterlassungsverpflichtung sowie Veröffentlichungsermächtigung, wies aber das Schadenersatzbegehren ab. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision mangels erheblicher Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig sei.

Der Ausdruck „Geschenk-und-Perlen-vor- die-Säue-Blattl" habe für sich allein genommen keinen klaren Bedeutungsinhalt. Im Gesamtzusammenhang sei die Äußerung jedoch unzweifelhaft als Aufforderung zu verstehen, eloquente und wertvolle Diskussionsbeiträge nicht an das Druckwerk der Klägerin zu verschwenden, weil man sie dort - im Gegensatz zu anderen Medien, etwa der Zeitung der Beklagten - weder verstehe noch zu schätzen wisse. Der beanstandeten Sprachschöpfung liege damit nicht nur eine abschätzige und unnötig abwertende Tendenz zugrunde, es werde damit auch eine pauschale Überlegenheit der Beklagten zum Ausdruck gebracht. Mit der Äußerung, Götz von Berlichingen möge der „Billig-Postille Österreich" seine Zitat-Visite machen, werde die Klägerin unverblümt mit dem Götz-Zitat, einer pauschal herabsetzenden groben Beschimpfung, bedacht. Der Gebrauch des Götz-Zitats werde allgemein als Bekundung der totalen Missachtung verstanden. Eine derartige Geschäftsehrverletzung widerspreche nicht nur dem Sachlichkeitsgebot, sondern sei auch eine typische Form des sittenwidrigen Behinderungswettbewerbs, weil sie den angesprochenen Interessenten keine Information über die eigenen Leistungen liefere, sondern - mit dem Mittel einer unsachlichen und aggressiven Stimmungsmache - allein darauf abziele, die pauschal herabgesetzten Mitbewerber zu hindern, ihre Leistungen zum Vergleich zu stellen. Die Beklagten hätten sich in den beanstandeten Artikeln nicht mit angeblichen Wettbewerbsverstößen der Klägerin auseinandergesetzt und auch nicht daran Kritik geübt. Die pauschale Herabsetzung ihres Mitbewerbers überschreite die Grenzen einer zulässigen Abwehrmaßnahme. Sittenwidrige schlagwortartige Pauschalherabsetzungen von Mitbewerbern seien mit dem Grundrecht der freien Meinungsäußerung nicht zu rechtfertigen. Der Sachverhalt falle sowohl unter die Generalklausel des § 1 UWG idF vor der Novelle 2007, als auch unter die Generalklausel des § 1 UWG idgF.

Die Klägerin habe zu den Voraussetzungen des § 16 Abs 2 UWG lediglich vorgebracht, ihr stehe aufgrund der massiven Herabsetzung ein Entschädigungsanspruch von 6.000 EUR pro Artikel zu. Sie habe dies auch ungeachtet der Rüge der Beklagten, dies sei ungenügend, nicht näher präzisiert. Bei einem Begehren auf Ersatz des ideellen Schadens nach § 16 Abs 2 UWG sei ein besonders strenger Maßstab an die zureichende Konkretisierung des Klagegrundes anzulegen. Das Begehren auf Zahlung einer Buße setze die Behauptung und den Nachweis besonderer Umstände voraus, insbesondere die bestimmte Behauptung, dass und warum der Kläger die Wettbewerbshandlung als besondere Kränkung empfinde. Auch müssten Umstände vorgebracht werden, die für die Höhe der verlangten Buße von Bedeutung seien. Diesen Anforderungen werde das Klagevorbringen nicht gerecht. Es sei nicht einmal abzuleiten, ob der Ersatzbetrag für die erlittene Kränkung (wofür zumindest Angaben zur Gesellschaftsstruktur der Klägerin erforderlich wären) oder für andere persönliche Nachteile begehrt werde. Weder den Behauptungen noch den Feststellungen sei ferner zu entnehmen, welche persönlichen Nachteile und welche nachhaltige schwere Rufbeeinträchtigung mit den beanstandeten Äußerungen verbunden gewesen sein sollten.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der Klägerin, mit der sie die Verurteilung der Beklagten auch zur Zahlung des begehrten Entschädigungsbetrags anstrebt, ist infolge Widerspruchs des Berufungsurteils zur Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zulässig und berechtigt.

Die außerordentliche Revision der Beklagten ist nicht zulässig.

Zur Revision der Klägerin:

Der erkennende Senat hat zu 4 Ob 49/95 (= SZ 68/177 = ÖBl 1996, 134 - Leserverblödung) nach ausführlicher Auseinandersetzung mit Lehre und Rechtsprechung ausgesprochen, dass (auch) juristischen Personen, die wegen ihrer Struktur keinen Schadenersatzanspruch wegen „erlittener Kränkung" haben können, nach § 16 Abs 2 UWG eine dem richterlichen Ermessen unterliegende Geldbuße zuzusprechen ist, wenn mit einem ernstlich beeinträchtigenden Wettbewerbsverstoß eine Verletzung des äußeren sozialen Geltungsanspruchs als Ausfluss des Persönlichkeitsrechts verbunden ist. Dabei können auch die damit verbundenen, nicht bezifferbaren Vermögensschäden berücksichtigt werden. In jedem Fall muss es sich aber - im Interesse der Gleichbehandlung mit physischen Personen - um eine besonders schwere Beeinträchtigung der sozialen Wertstellung der betroffenen juristischen Person handeln. Gradmesser für die Höhe des Schadens sind der von der betroffenen juristischen Person erlangte Ruf und seine durch die Schwere der Wettbewerbsverletzung herbeigeführte Beeinträchtigung. Daran ist auch nach Kritik in der Lehre (Fellner, Persönlichkeitsschutz juristischer Personen [2007] 231, FN 1246; Koppensteiner, Österreichisches und europäisches Wettbewerbsrecht3 764, FN 222; Korn in Mayer, Persönlichkeitsschutz und Medienrecht 47 [87 f]) festzuhalten. Auch juristischen Personen ist - wegen der vom Gesetz geforderten Gleichstellung mit physischen Personen - Ersatz zuzuerkennen, wenn ihre soziale Wertstellung innerhalb der Gemeinschaft beeinträchtigt wird (4 Ob 49/95 mwN).

Das - nach Ansicht der Beklagten - verdiente Götz-Zitat wurde mit „Billig-Postille" und „nervenden Schlagzeilen-Enten" in Zusammenhang gebracht, was der Beschimpfung auch einen herabsetzenden und rufschädigenden Tatsachenkern (Hinweis auf unrichtige Information sowie ungenügende Recherche) verleiht, sodass die schwer bezifferbare materielle sowie die immaterielle Schädigung der Klägerin als Eigentümerin/Verlegerin einer auflagenstarken Tageszeitung auf der Hand liegt. Diese bedarf daher - entgegen der von den Beklagten vertretenen Ansicht - weder weiterer Ausführungen (Klagebehauptungen) noch eines Beweisanbots. In diesem Zusammenhang ist ganz allgemein darauf hinzuweisen, dass eine unwiederbringliche Schädigung bei Persönlichkeitsverletzungen regelmäßig als evident angesehen wird und deshalb keines besonderen Prozessvorbringens und Beweisanbots bedarf (RIS-Justiz RS0011399, RS0102054).

Die im vorliegenden Fall beanstandeten Beschimpfungen sind mit den seinerzeit von der Muttergesellschaft der Beklagten als Grundlage des zu 4 Ob 49/95 zuerkannten Schadenersatzanspruchs nach § 16 Abs 2 UWG herangezogenen Vorwürfen/Beschimpfungen (Leserverblödung, Schwachsinn) durchaus vergleichbar, sodass auch hier eine besonders schwere Beeinträchtigung der Persönlichkeitsrechte der Klägerin anzunehmen ist, welche die für zwei Eingriffe geltend gemachte Geldbuße gerechtfertigt erscheinen lässt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 und 50 ZPO.

Zur außerordentlichen Revision der Beklagten:

Die Beklagten machen als erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO geltend, es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Anwendbarkeit des strafprozessualen Grundsatzes „in dubio pro reo" auch bei Beurteilung auf Ehrverletzungen gestützter zivilrechtlicher Ansprüche. Der Oberste Gerichtshof lege seiner Beurteilung in (Medien-)Strafsachen in Anwendung dieses Grundsatzes bei mehrdeutigen Äußerungen die für den Beschuldigten günstigste Auslegung zugrunde. Im Strafrecht bildet die Frage, wie eine Äußerung zu verstehen ist, nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs eine Tatfrage (RIS-Justiz RS0092588), während die Auslegung der beanstandeten Äußerung bei Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche als Rechtsfrage gesehen wird (RIS-Justiz RS0043590). Die Zweifelsregel „in dubio pro reo", die verlangt, Unklarheiten bei Klärung der Tatfrage nicht zum Nachteil des Angeklagten ausschlagen zu lassen, ist daher ebenso wie die von den Beklagten angesprochene strafrechtliche Judikatur nicht auf die hier zu beurteilenden zivilrechtlichen Fragen übertragbar (3 Ob 178/08k). Der Oberste Gerichtshof hat sich bereits mit der Frage befasst, inwieweit die Anwendung der lauterkeitsrechtlichen Unklarheitenregel im Einklang mit der in Art 10 EMRK verbrieften Meinungsäußerungsfreiheit steht. Zu 4 Ob 98/07a (= WBl 2007, 608 - VÖB) wurde festgehalten, dass auch bei Anwendung der Unklarheitenregel die Freiheit der Meinungsäußerung zu berücksichtigen ist und diese bei der lauterkeitsrechtlichen Beurteilung beanstandeter Aussagen ein höheres Gewicht hat, wenn ein Mitbewerber - wenngleich in Wettbewerbsabsicht - an einer Debatte teilnimmt, die öffentliche Interessen betrifft, als bei rein unternehmensbezogenen Äußerungen. Dabei ist insbesondere die Bedeutung des Themas zu berücksichtigen, zu dem die Äußerung erfolgte. Je größer das Informationsinteresse der Öffentlichkeit ist und je weniger die Wettbewerbsabsicht des Äußernden im Vordergrund steht, umso eher wird die Äußerung zulässig sein.

Die Anwendung dieser Grundsätze auf den Einzelfall wirft - von einer hier nicht vorliegenden im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifenden Fehlbeurteilung abgesehen - ebenso wenig eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf, wie die Frage, wie eine Äußerung nach dem Eindruck der angesprochenen Kreise zu verstehen ist (RIS-Justiz RS0031883 [T6, T28]; vgl auch RS0043000). Da das Berufungsgericht überdies die beanstandeten Äußerungen eindeutig in einem bestimmten, eine lauterkeitsrechtswidrige Pauschalabwertung bildenden Sinn verstand, bleibt für die Anwendung der Unklarheitenregel kein Raum (3 Ob 178/08k mwN).

Die außerordentliche Revision der Beklagten war daher zurückzuweisen.

Anmerkung

E896434Ob176.08y

Schlagworte

Kennung XPUBLDiese Entscheidung wurde veröffentlicht inMR 2009,55 - Perlen vor die Säue = wbl 2009,259/116 - wbl 2009/116 -„Perlen-vor-die-Säue"XPUBLEND

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0040OB00176.08Y.0120.000

Zuletzt aktualisiert am

16.06.2009
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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