TE AsylGH Erkenntnis 2008/07/21 S5 400433-1/2008

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.07.2008
beobachten
merken
Spruch

S5 400.433-1/2008/3E

 

Erkenntnis

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Benda als Einzelrichter über die Beschwerde des K. I., geb. 2001, StA. der Russischen Föderation, vertreten durch RA Dr. Lennart Binder, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 24.06.2008, Zahl: 08 01.585-AST Ost, zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 5 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 1 und Abs. 4 AsylG abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Am 13.02.2008 wurde für den minderjährigen russischen Staatsangehörigen K. I., 2001 geb., durch die gesetzliche Vertreterin G. I., 1973 geb., (Mutter) ein Antrag auf internationalen Schutz eingebracht.

 

Der aus Tschetschenien stammende Antragssteller ist gemeinsam mit seiner Mutter und seinen Geschwistern am 08.02.2008 mit dem Zug von Moskau kommend via Brest nach Polen gereist, wo die gesetzliche Vertreterin für sich sowie ihrer minderjährigen Kinder die Asylgewährung beantragte.

 

Mit E-mail vom 14.02.2008 ersuchte Österreich Polen um Übernahme des Asylwerbers.

 

Polen hat sich mit Fax vom 25.02..2008, datiert 20.02.2008, (Aktenseite 79) bereit erklärt, den Asylwerber gem. Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) wieder aufzunehmen und seinen Asylantrag zu prüfen.

 

Anlässlich der niederschriftlichen Einvernahmen vor dem Bundesasylamt erklärte die gesetzliche Vertreterin des Antragstellers nach Vorhalt, dass Polen zur Prüfung seines Antrages auf internationalen Schutz zuständig sei, sie würde nicht nach Polen zurückkehren wollen, da sie mit ihrem Mann zusammenleben wolle, welcher sich in Österreich aufhalte. Für ihre vier minderjährigen Kinder würden dieselben Flucht- und Asylgründe gelten, wie für ihren Ehemann.

 

Mit Bescheid vom 24.06.2008, Zl. 08 01.585-AST Ost, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und wurde Polen gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) für zuständig erklärt. Gleichzeitig wurde der Asylwerber gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des im Betreff Genannten nach Polen gemäß § 10 Abs. 4 AsylG für zulässig erklärt.

 

Sachverhalt:

 

Die Identität des Beschwerdeführers steht aufgrund der Vorlage eines als unbedenklich zu qualifizierenden Personaldokuments zweifelsfrei fest. Der Antragssteller ist am 08.02.2008 gemeinsam mit seiner gesetzlichen Vertreterin sowie seinen drei minderjährigen Geschwistern in das österreichische Bundesgebiet eingereist und wurde am 13.02.2008 ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Der Antragsteller bedarf keiner akuten medizinischer Betreuung oder Behandlung.

 

Festgestellt wird weiters, dass am 14.02.2008 seitens Österreichs gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates ein Wiederaufnahmegesuch an Polen gestellt wurde. Polen stimmte mit Telefax vom 25.02.2008 diesem Wiederaufnahmeersuchen Österreichs zu und erklärte sich zur Rückübernahme des Antragstellers bereit.

 

Nicht festgestellt werden kann, dass ein Familienleben des Asylwerbers im Sinne des Art. 8 EMRK zu einem dauernd aufenthaltsberechtigten Fremden in Österreich besteht.

 

Der Antrag auf internationalen Schutz des Vaters des Antragsstellers K. U. wurde mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 11.02.2008, Zahl 317.294-1/2E-VI/18/08 gemäß §§ 5, 10 AsylG 2005 negativ finalisiert.

 

Der Antrag auf internationalen Schutz der Mutter des Antragsstellers G. I., 00.00.1973 geb., wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 17.07.2008 gemäß § 5 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z1 und Abs. 4 AsylG abgewiesen.

 

Gegen diesen Bescheid hat der Asylwerber fristgerecht Beschwerde erhoben

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Mit 1.7.2008 ist das Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) in Kraft getreten.

 

Mit 1.1.2006 ist das Asylgesetz 2005 (AsylG) in Kraft getreten.

 

§ 61 AsylG 2005 lautet wie folgt:

 

(1) Der Asylgerichtshof entscheidet in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über

 

Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und

 

Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.

 

(2) Beschwerden gemäß Abs. 1 Z 2 sind beim Asylgerichtshof einzubringen. Im Fall der Verletzung der Entscheidungspflicht geht die Entscheidung auf den Asylgerichtshof über. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden des Bundesasylamtes zurückzuführen ist.

 

(3) Der Asylgerichtshof entscheidet durch Einzelrichter über Beschwerden gegen

 

1. zurückweisende Bescheide

 

a) wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4;

 

b) wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5

 

c) wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG, und

 

2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung

 

(4) Über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde entscheidet der für die Behandlung der Beschwerde zuständige Einzelrichter oder Senatsvorsitzende.

 

Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Dublin - Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist.

 

Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Dublin - Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist.

 

Gemäß § 5 Abs. 2 AsylG ist auch nach Abs. 1 vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.

 

Gemäß § 5 Abs. 3 AsylG ist, sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesasylamt oder beim Asylgerichtshof offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird.

 

Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn 1. dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder 2. diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden.

 

Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG ist, wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, gleichzeitig mit der Ausweisung auszusprechen, dass die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben ist.

 

Gemäß § 10 Abs. 4 AsylG gilt eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen.

 

Polen hat auf Grundlage des Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) akzeptiert, den Asylwerber wieder aufzunehmen und seinen Asylantrag zu prüfen.

 

Bereits das Bundesasylamt hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens sowie die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage rechtsrichtig ausgeführt. Der Asylgerichtshof schließt sich den Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenen Bescheid hinsichtlich beider Spruchpunkte vollinhaltlich an und erhebt diese zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses.

 

Der Berufungswerber ist von einem Drittland kommend über Polen weiter nach Österreich gereist, sodass gem. Art. 10 Abs. 1 erster Satz leg. cit. Polen zur Prüfung ihres Asylantrages zuständig ist.

 

Gemäß Artikel 16 Abs. 1 lit. c der VO (EG) Nr. 343/2003 des Rates ist der Mitgliedstaat, der nach der vorliegenden Verordnung zur Prüfung des Asylantrags zuständig ist, gehalten, einen Antragsteller, der sich während der Prüfung seines Antrags unerlaubt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates aufhält, nach Maßgabe des Artikel 20 wieder aufzunehmen.

 

Die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates ist gemäß ihrem Art. 29 auf Asylanträge anwendbar, die ab 1.9.2003 gestellt werden.

 

Dem Bundesasylamt ist nun darin beizupflichten, dass der Antrag auf internationalen Schutz des Berufungswerbers gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückzuweisen ist. Denn einerseits ergibt sich aus dem festgestellten Sachverhalt die Zuständigkeit Polens gemäß Art. 10 Abs. 1 iVm Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates. Andererseits kann aus folgenden Gründen nicht angenommen werden kann, dass Österreich im gegenständlichen Fall verpflichtet wäre, von seinem Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates Gebrauch zu machen:

 

Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (VfGH 15.10.2004, G 237/03 u. a.; 17.6.2005, B 336/05) sieht die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vor, dass jeder Mitgliedstaat - auch wenn ein anderer Mitgliedstaat nach den Kriterien der Verordnung zuständig wäre - einen von einem Drittstaatsangehörigen eingebrachten Asylantrag selbst prüfen kann (Art. 3 Abs. 2). Er wird damit zum zuständigen Mitgliedstaat (sog. Selbsteintrittsrecht). Ein solches Selbsteintrittsrecht war schon im - noch heute für das Verhältnis zu Dänemark geltenden - Dubliner Übereinkommen vorgesehen. Der EGMR hat zum Dubliner Übereinkommen ausgesprochen, dass derartige Vereinbarungen die Mitgliedstaaten nicht von ihren Verpflichtungen aus der Konvention entbinden (7.3.2000, 3844/98 - T.I. gegen Vereinigtes Königreich; 12.1.1998, 32829/96 - Iruretagoyena gegen Frankreich; 5.2.2002, 51564/99 - Conka gegen Belgien). Im Erkenntnis VfSlg. 16.122/2001 hatte der Verfassungsgerichtshof aus Anlass der Anfechtung des § 5 AsylG in der Stammfassung im Hinblick auf das Dubliner Übereinkommen ausgeführt, dass das dort "in Art. 3 Abs. 4 festgelegte Eintrittsrecht Österreichs als Mitgliedstaat des Dubliner Übereinkommens zwingend zu berücksichtigen" sei. Dieses Eintrittsrecht schaffe "nicht etwa ein durch innerstaatliche Rechtsvorschriften ausschaltbares Recht österreichischer Staatsorgane, die betreffende Asylsache an sich zu ziehen, sondern verpflichtet die zuständige Asylbehörde unter bestimmten Voraussetzungen zur Sachentscheidung in der Asylsache und damit mittelbar dazu, keine Zuständigkeitsbestimmung im Sinn des § 5 vorzunehmen und von der Annahme einer negativen Prozessvoraussetzung in der Asylsache abzusehen." Eine "strikte, zu einer Grundrechtswidrigkeit führende Auslegung (und somit Handhabung) des § 5 Abs. 1 [sei] durch die Heranziehung des Art. 3 Abs. 4 des Dubliner Übereinkommens von der Asylbehörde zu vermeiden". Der Verfassungsgerichtshof ging im Hinblick auf die inhaltlich gleiche Regelung in der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates davon aus, dass diese zum Dubliner Übereinkommen angestellten Überlegungen auch für das Selbsteintrittsrecht des Art. 3 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zutreffen.

 

Gemäß Artikel 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates ist Polen als zuständiger Mitgliedstaat gehalten, einen Antragsteller, der sich während der Prüfung seines Antrags unerlaubt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates aufhält, nach Maßgabe des Artikels 20 wieder aufzunehmen.

 

Die erkennende Behörde gelangt insgesamt zu dem Ergebnis, dass im vorliegenden Fall keine reale Gefahr ("real risk") einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung besteht. Mit dem nicht hinreichend konkreten Beschwerdevorbringen, gelang es dem Antragsteller nicht, dem in § 5 Abs. 3 AsylG normierten Erfordernis, besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft zu machen; solche für eine reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechenden Gründe sind auch nicht bei der Behörde offenkundig, sodass in Folge dieser gesetzlichen Bestimmung davon auszugehen ist, dass der Beschwerdeführer in einem Staat nach Absatz 1 Schutz vor Verfolgung findet. Ergänzend ist in diesem Zusammenhang festzustellen, dass es sich im Falle Polens um einen Rechtsstaat mit funktionierender Staatsgewalt handelt und sich der Asylwerber im Falle eventueller Bedrohung seiner Person, welche im übrigen in jedem Land möglich ist, an diese wenden und von dieser Schutz erwarten könnte. Insgesamt kann somit den Ausführungen der erstinstanzlichen Behörde gefolgt werden, dass sich auch aus der Rechtsprechung des EGMR eine systematische, notorische Verletzung fundamentaler Menschenrechte in Polen keinesfalls erkennen lässt und im übrigen die Mitgliedsstaaten der EU als sichere Staaten für Drittstaatsangehörige gelten. Zudem war festzustellen, dass ein im besonderen Maße substantiiertes Vorbringen bzw. das Vorliegen besonderer vom Antragsteller bescheinigter außergewöhnlicher Umstände, die die Gefahr einer Verletzung der EMRK im Falle einer Überstellung ernstlich möglich erscheinen ließen, im Verfahren nicht hervorgekommen sind. Konkret, besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass die Berufungswerberin etwa im Zuge einer so genannten "ungeprüften Kettenabschiebung" in ihr Heimatland, also in die Russische Föderation, zurückgeschoben werden könnte. Somit ergibt sich aus den Sachverhaltsfeststellungen, dass in Polen sowohl asylrechtlicher Schutz als auch Refoulement-Schutz gewährleistet ist und Polen der Wiederaufnahme des Antragstellers ausdrücklich zugestimmt hat.

 

Hinsichtlich Spruchpunkt II. ist Folgendes festzuhalten: Es sind keine Hinweise für eine Unzulässigkeit der Ausweisung im Sinne des § 10 Abs. 2 AsylG ersichtlich, da weder ein nicht auf das Asylgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht aktenkundig ist noch des Antragstellers in Österreich über Familienangehörige mit dauerndem Aufenthaltsrecht i. S. d. Art. 8 EMRK verfügt.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Ausweisung, Familienverfahren
Zuletzt aktualisiert am
17.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten