TE AsylGH Erkenntnis 2008/07/21 S5 400431-1/2008

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Veröffentlicht am 21.07.2008
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Spruch

S5 400.431-1/2008/3E

 

Erkenntnis

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Benda als Einzelrichter über die Beschwerde der G.I., geb. 00.00.1973, StA. der Russischen Föderation, vertreten durch RA Dr. Lennart Binder, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 24.06.2008, Zahl: 08 01.583-EAST Ost, zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 5 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 1 und Abs. 4 AsylG abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Die Asylwerberin, eine Staatsangehörige der Russischen Föderation tschetschenischer Volksgruppenzugehörigkeit, ist in Begleitung ihrer minderjährigen Kinder, eigenen Angaben zufolge via Weißrussland aus Moskau kommend mit dem Zug am 08.02.2008 nach Polen gereist, wo sie am selben Tag einen Asylantrag gestellt hat (vgl. Aktenseite 19 sowie Eurodac-Treffer Aktenseite 9). Sie ist sodann eigenen Angaben zufolge illegal ins österreichische Bundesgebiet weitergereist, wo sie schließlich am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat.

 

Mit E-mail vom 14.02.2008 ersuchte Österreich Polen um Übernahme der Asylwerberin, sowie der sie begleitenden minderjährigen Kinder und hat sich Polen sich mit Fax vom 25.02.2008, datiert 20.02.2008, (Aktenseite 79) bereit erklärt, die Asylwerberin und ihre minderjährigen Kinder gem. Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) wieder aufzunehmen und deren Asylanträge zu prüfen.

 

Anlässlich der niederschriftlichen Einvernahmen vor dem Bundesasylamt erklärte die Antragstellerin nach Vorhalt, dass Polen zur Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz zuständig sei, dass sie nicht nach Polen zurück wolle, da sie mit ihrem (in Österreich befindlichen) Mann zusammenleben wolle.

 

Den der Behörde vorliegenden Unterlagen betreffend das auf internationale Schutzgewährung gerichtete Verfahren des Ehegatten der Antragsstellerin K.A., 00.00.1959 geb., ist entnehmbar, dass dieser am 10.12.2007 vor österreichischen Behörden einen Antrag auf internationalen Schutz eingebracht hat, welcher mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylamtes vom 11.02.2008, Zahl 317.294-1/2E-VI/18/08 gemäß §§ 5, 10 AsylG 2005 rechtskräftig negativ finalisiert wurde.

 

Eine am 27.02.2008 durch einen Facharzt für Neurologie und Psychiatrie im Auftrag der Erstbehörde, durchgeführte Untersuchung der Asylwerberin hatte zum Ergebnis, dass bei der Asylwerberin keine Symptome einer krankheitswertigen psychischen Störung zu explorieren seien. Weiters gebe es keine typischen Symptome einer Traumafolgestörung oder einer belastungsabhängigen anderen psychischen Störung (Aktenseite 83).

 

Der vorliegende Antrag auf internationale Schutzgewährung wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 24.062008, Zahl: 08 01.583-AST Ost gem. § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und die Antragstellerin gem. § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen.

 

Gegen diesem Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.

 

Im Rahmen des Beschwerdeschriftsatzes wurde einerseits gerügt, dass die Erstbehörde sich nicht in ausreichender Weise mit der Situation und den drohenden Gefahren in Polen auseinandergesetzt habe. Des Weiteren wurde ausgeführt, die Berufungswerberin sei schwer traumatisiert und habe sie auch Probleme mit ihren Augen, weshalb sie dringend medizinische Behandlung benötige. Auch sei einer ihrer Söhne an TBC erkrankt und er bedarf medizinischer Behandlung. Des Weiteren sei die Antragsstellerin in ihrem Parteirecht verletzt, da ihr die im bekämpften Bescheid dargestellten Fakten betreffend medizinischer Betreuung und Versorgung, Unterkunft und Verpflegung in Polen nicht vollständig vorgehalten worden seien. Des Weiteren wurde ins Treffen geführt, dass in Polen eine Bedrohung durch radikale polnische Gruppierungen bestehe und würden der Beschwerdeführerin für den Fall ihrer Verbringung nach Polen Übergriffe seitens rechtsradikaler Gruppierungen drohen, wobei ein Schutz durch polnische Behörden nicht zu erwarten sei.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Mit 1.7.2008 ist das Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) in Kraft getreten.

 

Mit 1.1.2006 ist das Asylgesetz 2005 (AsylG) in Kraft getreten.

 

§ 61 AsylG 2005 lautet wie folgt:

 

(1) Der Asylgerichtshof entscheidet in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über

 

Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und

 

Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.

 

(2) Beschwerden gemäß Abs. 1 Z 2 sind beim Asylgerichtshof einzubringen. Im Fall der Verletzung der Entscheidungspflicht geht die Entscheidung auf den Asylgerichtshof über. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden des Bundesasylamtes zurückzuführen ist.

 

(3) Der Asylgerichtshof entscheidet durch Einzelrichter über Beschwerden gegen

 

1. zurückweisende Bescheide

 

a) wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4;

 

b) wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5

 

c) wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG, und

 

2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung

 

(4) Über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde entscheidet der für die Behandlung der Beschwerde zuständige Einzelrichter oder Senatsvorsitzende.

 

Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Dublin - Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist.

 

Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Dublin - Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist.

 

Gemäß § 5 Abs. 2 AsylG ist auch nach Abs. 1 vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.

 

Gemäß § 5 Abs. 3 AsylG ist, sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesasylamt oder beim Asylgerichtshof offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird.

 

Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn 1. dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder 2. diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden.

 

Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG ist, wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, gleichzeitig mit der Ausweisung auszusprechen, dass die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben ist.

 

Gemäß § 10 Abs. 4 AsylG gilt eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen.

 

Sachverhalt:

 

Die Antragstellerin ist Staatsangehörige der Russischen Föderatoin, tschetschenischer Herkunft und hat sie vor ihrer Einreise in das österreichische Bundesgebiet in Polen einen Asylantrag eingebracht, welcher derzeit pendent ist.

 

Explizit festgestellt wird, dass gemäß der seitens des Bundesasylamtes des eingeleiteten fachärztlichen Untersuchung die Beschwerdeführerin unter keiner belastungsabhängigen krankheitswertigen psychischen Störung leidet.

 

Weiters ausdrücklich festzuhalten ist, dass die Antragsstellerin nach Behandlung durch ein österreichisches Klinikum keiner akuten medizinischen Behandlung oder Versorgung bedarf.

 

Polen hat auf Grundlage des Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) akzeptiert, die Asylwerberin wieder aufzunehmen und den Asylantrag zu prüfen.

 

Bereits das Bundesasylamt hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens sowie die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage rechtsrichtig ausgeführt. Der Asylgerichtshof schließt sich den Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenen Bescheid hinsichtlich beider Spruchpunkte vollinhaltlich an und erhebt diese zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses.

 

Hinsichtlich der Festellung betreffend das allfällige Vorliegen einer Traumatischen Belastungsstörung wird auf das im Akt befindliche fachärztliche Gutachten verwiesen, welche eine solche in casu schlüssig als nicht vorliegend beurteilt hat. Soweit die Asylwerberin in seiner Beschwerde erstmals behauptet, dass er traumatisiert sei, ist ihm entgegenzuhalten, dass sie einer medizinischen Untersuchung zugeführt worden ist, die keinerlei Anzeichen für eine Traumafolgestörung bzw. eine sonstige psychische Störung ergeben hat. Die diesbezüglichen Behauptungen sind demgemäß erkennbar bloß der Versuch, die Zulassung zum österreichischen Asylverfahren zu erzwingen.

 

Schließlich kann mit der schlichten Behauptung ders Beschwerdeführerin über das Vorhandensein einer Belastungsstörung keine Erkrankung jener besonderen Schwere dargetan werden, die nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes zu Art. 3 EMRK ein Refoulement verbieten würde (EGMR Goncharova & Alekseytsev, 03.05.2007, 31246/06, betreffend Erkrankung an Posttraumatischer Belastungsstörung mit akuter Selbstmordgefahr nach drei Selbstmordversuchen; Ayegh, 07.11.2006, 4701/05, betreffend Erkrankung an Depression mit Selbstmordgefahr; Karim, 04.07.2006, 24171/05, betreffend Erkrankung an Posttraumatischer Belastungsstörung und Depression mit Selbstmordgefahr; Paramasothy, 10.11.2005, 14492/03, betreffend Erkrankung an Posttraumatischer Belastungsstörung; Ramadan & Ahjredini, 10.11.2005, 35989/03, betreffend Erkrankung an Depression mit psychotischer Charakteristik; Hukic, 27.09.2005, 17416/05, betreffend Erkrankung am Down-Syndrom; Kaldik, 22.09.2005, 28526/05, betreffend Erkrankung an Posttraumatischer Belastungsstörung mit Selbstmordgefahr; Ovdienko, 31.05.2005, 1383/04, betreffend Erkrankung an schwerer Depression mit Selbstmordgefahr; Amegnigan, 25.11.2004, 25629/04, betreffend HIV-Infektion; VfGH 06.03.2008, B 2400/07; VwGH 25.04.2008, 2007/20/0720 bis 0723).

 

Zur medizinischen Komponente wird ergänzend ausgeführt, dass aufgrund weiterer Beschwerden die Antragsstellerin einer eingehenden Untersuchung durch Sonographie des Abdomens und einer gynäkologischen Untersuchung zugeführt wurde. Die Untersuchungen ergaben einerseits einen abortus incompletus (Fehlgeburt) sowie die Therapie einer geburtshiflichen curettage. Letztere Therapiemaßnahme wurde am 12.05.2008 durchgeführt und wurde seitens der gynäkologischen Abteilung mitgeteilt, dass diesbezüglich keine weiteren Behandlungen bzw. Therapien aus medizinischer Sicht geboten seien, weshalb hieraus keinerlei Rückschiebehindernis ableitbar ist.

 

Auf seitens des Bundesasylamtes durchgeführte Anfrage wurde weiters seitens der Österreichischen Botschaft Warschau mitgeteilt, dass Asylwerber jedenfalls das Recht auf medizinische Betreuung basierend auf denselben Regeln wie polnische Staatsbürger haben. Behandlungskosten werden aus Budgetmitteln gedeckt. Asylwerbern wird aufgrund eines Abkommens des Amtes für Repratiierung und der zentralen Klinik des Innenministeriums in Warschau medizinische Betreuung in den Flüchtlingszentren gewährleistet. Der Umfang der medizinischen Betreuung wird durch die Bestimmungen des Abkommens geregelt, welcher Dienstleistungen im Bereich der medizinischen Grundversorgung, Fachberatung, Fachuntersuchung, Hospitalisierung und medzinischer Rettung für Asylwerber umfasst.

 

Auf die des Weitern in der bekämpften Entscheidung in extenso dargestellten medizinischen Behandlungsmöglichkeiten wird verwiesen (AS 10 ff).

 

Zu den weiters in der Beschwerde aufgezeigten Befürchtungen der Beschwerdeführerin, bei Verbringung nach Polen feindlichen Übergriffen ausgesetzt zu werden, ist ausführen, dass die Republik Polen als Mitgliedstaat der Europäischen Union einerseits verpflichtet ist, vor allfälligen Übergriffen Privater, wie sie der Beschwerdeführer befürchtet, effektiv Schutz zu bieten und diese auch hiezu im Stande ist. Die von der Antragsstellerin aufgezeigte Befürchtung stellt sohin kein "real risk" dar.

 

Hinweise für eine Verletzung von Art 8 EMRK sind im Verfahren keine hervorgetreten. Der derzeit in Österreich befindliche Ehegatte der Beschwerdeführerin verfügt über keine dauernde Aufenthaltsberechtigung.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Ausweisung, gesundheitliche Beeinträchtigung, medizinische Versorgung, private Verfolgung, real risk, staatlicher Schutz
Zuletzt aktualisiert am
20.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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