TE AsylGH Erkenntnis 2008/07/23 S5 400563-1/2008

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Veröffentlicht am 23.07.2008
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Spruch

S5 400.563-1/2008/4E

 

Erkenntnis

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Benda als Einzelrichter über die Beschwerde des S. C., geb. 1992, StA. der Russischen Föderation, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 24.6.2008, Zahl: 08 00.082-EAST Ost, gem. § 66 Abs. 4 AVG iVm § 61 Abs. 3 Z 1 lit b des Asylgesetzes 2005 idgF (AsylG) zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 5 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 1 und Abs. 4 AsylG abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Der minderjährige Asylwerber ist Staatsangehöriger von Russland, stammt aus Tschetschenien und ist zusammen mit seiner Schwester und seinem Cousin über Weißrussland nach Polen gereist, wo er und oben genannte Personen am 18.12.2007 Asylanträge gestellt haben. Der Asylwerber ist sodann mit seinem Cousin illegal nach Österreich weitergereist, wo er am 2.1.2008 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat (Aktenseite 3 u. 5).

 

Mit E-mail vom 7.1.2008 ersuchte Österreich Polen um Übernahme des Asylwerbers.

 

Polen hat sich mit Fax vom 5.3.2008, datiert 15.1.2008, (Aktenseite 25) bereit erklärt, den Asylwerber gem. Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) wieder aufzunehmen und seinen Asylantrag zu prüfen.

 

Anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt erklärte der Asylwerber nach Vorhalt, dass Polen zur Prüfung seines Antrages auf internationalen Schutz zuständig sei, dass er nicht nach Polen wollte, da er dort niemanden habe. Weiters sei Polen zu nahe an Russland. In Österreich würde außerdem sein Bruder als anerkannter Flüchtling leben.

 

Dieser Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 24.6.2008, Zahl: 08 00.082-EAST Ost, gem. § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und der Antragsteller gem. § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen.

 

Gegen diesen Bescheid hat der Asylwerber durch seine gesetzlichen Vertreter fristgerecht Beschwerde erhoben und hiebei im Wesentlichen geltend gemacht, dass seiner Ausweisung familiäre Bindungen in Österreich iSd Art. 8 EMRK entgegenstünden. In Österreich lebe seit vier Jahren sein Bruder, der anerkannter Flüchtling sei und bereits die Obsorge ihn betreffend beantragt habe und sich um ihn intensiv kümmern würde. Im erstinstanzlichen Verfahren sei weiters sein Recht auf Parteiengehör verletzt worden, da er zwar nicht zur für den 23.6.2008 anberaumten Einvernahme erschienen sei, das Bundesasylamt jedoch in Aussicht gestellt habe, dass vor Bescheiderlassung eine weitere Einvernahme erfolgen würde, wozu es dann letztlich nicht gekommen sei. Weiters könne seine Sicherheit in Polen eventuell nicht gewährleistet werden.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Mit 1.7.2008 ist das Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) in Kraft getreten.

 

Mit 1.1.2006 ist das Asylgesetz 2005 (AsylG) in Kraft getreten.

 

§ 61 AsylG 2005 lautet wie folgt:

 

(1) Der Asylgerichtshof entscheidet in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über

 

Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und

 

Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.

 

(2) Beschwerden gemäß Abs. 1 Z 2 sind beim Asylgerichtshof einzubringen. Im Fall der Verletzung der Entscheidungspflicht geht die Entscheidung auf den Asylgerichtshof über. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden des Bundesasylamtes zurückzuführen ist.

 

(3) Der Asylgerichtshof entscheidet durch Einzelrichter über Beschwerden gegen

 

1. zurückweisende Bescheide

 

a) wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4;

 

b) wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5

 

c) wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG, und

 

2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung

 

(4) Über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde entscheidet der für die Behandlung der Beschwerde zuständige Einzelrichter oder Senatsvorsitzende.

 

Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Dublin - Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist.

 

Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Dublin - Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist.

 

Gemäß § 5 Abs. 2 AsylG ist auch nach Abs. 1 vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.

 

Gemäß § 5 Abs. 3 AsylG ist, sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesasylamt oder beim Asylgerichtshof offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird.

 

Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn 1. dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder 2. diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden.

 

Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG ist, wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, gleichzeitig mit der Ausweisung auszusprechen, dass die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben ist.

 

Gemäß § 10 Abs. 4 AsylG gilt eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen.

 

Polen hat auf Grundlage des Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) akzeptiert, den Asylwerber wieder aufzunehmen und seinen Asylantrag zu prüfen.

 

Bereits das Bundesasylamt hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, darunter auch Feststellungen zum polnischen Asylverfahren und dessen Praxis sowie zur Versorgungslage von Asylwerbern in Polen sowie die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage rechtsrichtig ausgeführt. Der Asylgerichtshof schließt sich den Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenen Bescheid hinsichtlich beider Spruchpunkte vollinhaltlich an und erhebt diese zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses.

 

Der Asylwerber ist als unbegleiteter Minderjähriger nach Polen eingereist, wo er am 18.12.2007 einen Asylantrag gestellt hat. Es liegen keine Anhaltespunkte dafür vor, dass er in einem (anderen) Mitgliedsstaat einen Familienangehörigen iSd Art. 2 lit. i der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates hat, sodass sich hieraus bereits die Zuständigkeit Polens für die Prüfung des nunmehr in Österreich gestellten Antrages auf internationalen Schutz ergibt.

 

Soweit der minderjährige Asylwerber im Beschwerdeschriftsatz die Intensität der Nahebeziehung zu seinem in Österreich lebenden Bruder, der ihn auch bei sich aufgenommen habe, betont, ist einzuwenden, dass das Vorliegen eines besonderen engen familiären Bandes zwischen dem Antragsteller und seinem Bruder (der ja nicht zum Kreis der "Familienangehörigen iSd Art. 2 lit. i der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) zählt) allein augrund der Kürze seines nunmehrigen Aufenthaltes im Bundesgebiet in Zusammenhang mit der langen Zeitspanne, in welcher er von seinem - bereits seit vier Jahren im Bundesgebiet befindlichen - Bruder getrennt gewesen ist, ausgeschlossen werden muss. Weiters haben sich keine Hinweise dafür ergeben, dass der Asylwerber vor der Ausreise des Bruders nach Österreich mit diesem eine derartige qualifizierte Nahebeziehung geführt hätte, dass sein Bruder für ihn etwa die Rolle eines ein Ersatzelternteiles übernommen hätte. Es wird nicht verkannt, dass der Asylweber wohl von seinem Bruder in Österreich Unterstützung insofern erhalten mag, als ihn dieser bei sich aufgenommen hat und für seinen Unterhalt sorgt, jedoch reicht dies allein zur Begründung eines Familienlebens iSd Art. 8 EMRK bei weitem nicht aus. Letztlich hat das Bundesasylamt im angefochtenen Bescheid zu Recht darauf verwiesen, dass die Schwester des Asylwerbers, mit welcher er gemeinsam aus Tschetschenien geflüchtet ist, in Polen zeitgleich mit dem Asylwerber um Asyl angesucht hat, sodass zu erwarten ist, dass der Asylwerber im Falle seiner Rückschiebung nach Polen in einen Mitgliedstaat verbracht würde, in welchem sich jedenfalls eine ihm nahestehende Person aus seiner Familie befinden würde. Ein weiterer familiärer Anknüpfungspunkt des Asylwerbers in Polen ergibt sich aus dem Umstand, dass über die Beschwerde gegen den den Asylantrag seines Cousins zurückweisenden Bescheid des Bundesasylamtes (AIS-Zahl: 08 00.083), worin auch dessen Ausweisung nach Polen verfügt wurde, in zweiter Instanz bereits rechtskräftig negativ entschieden wurde, sodass bei einer abwägenden Gesamtbetrachtung letztlich nicht erkannt werden kann, dass die Überstellung des Asylwerbers nach Polen einen unverhältnismäßigen Eingriff in dessen Recht gemäß Art. 8 EMRK darstellen würde.

 

Soweit der Asylwerber in seiner Beschwerde eine Verletzung des Parteiengehörs geltend macht und dies damit begründet, dass sein gesetzlicher Vertreter mangels einer weiteren Einvernahme (im Anschluss an jene für den 23.6.2008 anberaumte Einvernahme, zu welcher der Asylwerber ohne plausible Entschuldigung nicht erschienen ist) keine Gelegenheit gehabt hätte, Anträge zu stellen bzw. seine intensive Bindung zum in Österreich lebenden Bruder eingehender darzulegen, ist wiederum auf die Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenen Bescheid zu verweisen, die eine mangelnde Mitwirkung des Asylwerbers im Verfahren klar aufzeigen (vgl. im Detail hierzu Seite 23 des angefochtenen Bescheides). Auch muss dem Asylwerber, der sein Fernbleiben von der Einvernahme am 23.6.2008 damit zu rechtfertigen sucht, dass ein "Missverständnis" zwischen ihm und seinem Bruder sein Erscheinen an diesem Termin verhindert hätte, entgegengehalten werden, dass sich aus einem Aktenvermerk des Referenten der Erstbehörde vom 1.7.2008 ergibt, dass der Bruder des Asylwerbers, der das Nichterscheinen des Asylwerbers eben mit Berufung auf eine "Verwechslung" entschuldigen wollte, auf Nachfrage nicht einmal imstande war, dies näher darzulegen (vgl. Aktenseite 195). Vor diesem Hintergrund erschiene es nun aber nicht sachgerecht, wenn der Asylwerber eine nicht erfolgte Einvernahme nach dem ursprünglich angesetzten Einvernahmetermin, zu welchem er ohne nachvollziehbare Erklärung nicht erschienen ist, als Verfahrensverletzung erfolgreich geltend machen könnte.

 

Der Vollständigkeit halber ist zu ergänzen, dass sich im Verfahren nicht die geringsten Anhaltspunkte dafür ergeben haben, dass der Beschwerdeführer an einer lebensbedrohenden Krankheit (im Endstadium), die überdies in Polen nicht behandelbar wäre, leidet, sodass nach der strengen Judikatur des EGMR zu Art. 3 EMRK seine Überstellung nach Polen nicht einmal ansatzweise eine für eine Verletzung seiner Rechte gem. Art. 3 EMRK relevante Gravität erreicht.

 

Hinsichtlich der vom Asylwerber in der Beschwerde behaupteten problematischen Bedingungen tschetschenischer Asylwerber in Polen ist auf die umfangreichen erstinstanzlichen Feststellungen im angefochtenen Bescheid, an deren inhaltlicher Richtigkeit seitens der erkennenden Behörde keine Zweifel bestehen, zu verweisen. Aus diesen Feststellungen ergibt sich, dass jedem Asylwerber, der nicht in der Lage ist, für seinen Aufenthalt in Polen selbst aufzukommen, eine umfassende Versorgung gewährt wird, wobei hierzu eine medizinische Versorgung, Unterkunft und ausreichende Verpflegung gehören, deren Kosten vom polnischen Staat getragen werden (Seite 15 u. 20 des angefochtenen Bescheides), sodass insgesamt betrachtet auch nicht zu befürchten ist, dass der Asylwerber im Falle seiner Überstellung nach Polen in eine existentielle Notlage geraten müsste. Auch ist den erstinstanzlichen Länderfeststellungen zu entnehmen, dass Tschetschenen in Polen regelmäßig subsidiären Schutz (tolerated stay) erhalten und dass seit dem Jahr 2004 keine Fälle bekannt sind, dass Tschetschenen aus Polen abgeschoben worden wären (Seite 20 des angefochtenen Bescheides). Umstände, die darauf schließen ließen, dass der Antragsteller in Polen selbst einer unmenschlichen Behandlung iSd Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre, sind vor dem Hintergrund der erstinstanzlichen Feststellungen somit letztlich ebenso wenig vorhanden, wie dass ihm Polen entsprechenden Schutz versagen würde, sofern ihm im Heimatstaat unmenschliche Behandlung drohen würde.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Ausweisung, familiäre Situation, Mitwirkungspflicht, soziale Verhältnisse
Zuletzt aktualisiert am
17.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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