TE AsylGH Erkenntnis 2008/07/29 S3 400059-1/2008

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Veröffentlicht am 29.07.2008
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Spruch

S3 400.059-1/2008/6E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Pipal als Einzelrichter über die Beschwerde von I.Z., geb. 00.00.1998, StA. Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 06.06.2008, GZ 07 12.309-BAL, zu Recht erkannt:

 

Der Beschwerde wird gemäß § 66 Abs. 4 AVG stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

 

1. Der Beschwerde liegt folgendes Verwaltungsverfahren zugrunde:

 

Die Beschwerdeführerin brachte nach ihrer illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 29.12.2007 den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz ein.

 

Eine EURODAC-Abfrage ergab, dass die Beschwerdeführerin bereits am 07.11.2007 in Polen einen Asylantrag stellte.

 

Das Bundesasylamt richtete am 05.01.2008 ein auf Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin-Verordnung gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Polen. Mit Schreiben vom 08.01.2008, eingelangt am 09.01.2008, stimmte Polen dem Wiederaufnahmeersuchen gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin-Verordnung ausdrücklich zu.

 

Am 03.04.2008 wurde das Verfahren der Beschwerdeführerin zugelassen.

 

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde I. der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Polen gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin-Verordnung zur Prüfung dieses Antrages zuständig ist, sowie II. die Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen und festgestellt, dass demzufolge die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Polen gemäß § 10 Abs. 4 AsylG 2005 zulässig ist.

 

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

 

Die Beschwerdevorlage langte laut Eingangsstempel des Asylgerichtshofes am 07.07.2008 bei diesem Gerichtshof ein.

 

2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und der Beschwerde wird folgender Sachverhalt festgestellt:

 

Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige der Russischen Föderation. Sie stellte laut EURODAC-Treffer am 07.11.2007 in Polen einen Asylantrag, bevor sie am 29.12.2007 illegal in das österreichische Bundesgebiet einreiste und den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz einbrachte. Es wird weiters festgestellt, dass das Bundesasylamt am 05.01.2008 ein auf Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin-Verordnung gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Polen richtete und Polen mit Schreiben vom 08.01.2008, eingelangt am 09.01.2008, der Wiederaufnahme der Beschwerdeführerin gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin-Verordnung ausdrücklich zustimmte, die Beschwerdeführerin jedoch bisher noch nicht nach Polen überstellt wurde.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 idF BGBl I Nr. 4/2008 ist ein nicht gemäß § 4 erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist.

 

Nach § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 23 AsylGHG hat außer dem in Abs. 2 erwähnten Fall der Asylgerichtshof, sofern die Beschwerde nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Er ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) seine Anschauung an die Stelle jener des Bundesasylamtes zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

In den Art. 5ff Dublin-Verordnung werden die Kriterien aufgezählt, nach denen der zuständige Mitgliedstaat bestimmt wird.

 

Art. 10 Abs. 1 Dublin-Verordnung lautet: "Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Art. 18 Abs. 3 genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach Kapitel III der Verordnung (EG) Nr. 2725/2000 festgestellt, dass ein Asylbewerber aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts."

 

Art. 13 Dublin-Verordnung sieht für den Fall, dass sich anhand der Kriterien dieser Verordnung nicht bestimmen lässt, welchem Mitgliedstaat die Prüfung des Asylantrags obliegt, vor, dass der erste Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig ist.

 

Art. 20 Abs. 2 Dublin-Verordnung lautet: "Wird die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt, so geht die Zuständigkeit auf den Mitgliedstaat über, in dem der Asylantrag eingereicht wurde. Diese Frist kann höchstens auf ein Jahr verlängert werden, wenn die Überstellung oder die Prüfung des Antrags aufgrund der Inhaftierung des Asylbewerbers nicht erfolgen konnte, oder höchstens auf achtzehn Monate, wenn der Asylbewerber flüchtig ist."

 

Die Beurteilung der Rechtsfrage ergab, dass der Beschwerde stattzugeben ist:

 

Zur Frage der Unzuständigkeit Österreichs ist dem Bundesasylamt zwar darin beizupflichten, dass sich aus dem festgestellten Sachverhalt die Zuständigkeit Polens ergab, und zwar gemäß Art. 10 Abs. 1 und Art. 13 Dublin-Verordnung. Da jedoch die Überstellung der Beschwerdeführerin nach Polen nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt wurde, ging gemäß Art. 20 Abs. 2 Dublin-Verordnung die Zuständigkeit mit Ablauf des 09.07.2008 auf die Republik Österreich über. Unstrittig war der Umstand, dass im vorliegenden Fall keine Fristverlängerung nach Art. 20 Abs. 2 Dublin-Verordnung eintrat.

 

Da die gegenständliche Entscheidung des Bundesasylamtes außerhalb des Zulassungsverfahrens erging und somit § 41 Abs. 3 zweiter und dritter Satz AsylG 2005 nicht anwendbar sind, stützt sich das Erkenntnis auf die allgemeine Norm des § 66 Abs. 4 AVG, die dem Asylgerichtshof das Recht einräumt, den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Gemäß § 41 Abs. 7 AsylG 2005 konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben. Die öffentliche Verkündung des Erkenntnisses hatte gemäß § 41 Abs. 9 Z 2 AsylG 2005 zu entfallen.

Schlagworte
Familienverfahren, Fristversäumung
Zuletzt aktualisiert am
17.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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