TE AsylGH Erkenntnis 2008/07/31 E7 246266-0/2008

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Veröffentlicht am 31.07.2008
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Spruch

E7 246.266-0/2008-6E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. NIKOLAS BRACHER als Einzelrichter über die Beschwerde des U. I., geb. 1980, StA. Türkei, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 19.01.2004, 03 34.523 BAS, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 28.05.2008 zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 7 und 8 AsylG 1997 idF BGBl. 126/2002 als unbegründet abgewiesen.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

 

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden auch: BF) stellte, nach erfolgter illegaler Einreise in das Bundesgebiet am 30.10.2003, mit Schriftsatz seines bevollmächtigten Vertreters vom 06.11.2003 an die Außenstelle Salzburg des Bundesasylamtes einen Asylantrag gemäß § 3 AsylG.

 

2. Am 13.08.2003 fand an der Außenstelle des Bundesasylamtes eine niederschriftliche Einvernahme des BF statt.

 

Als Identitätsnachweis legte er im Zuge dessen einen türkischen Personalausweis, ausgestellt 2003 von der zuständigen Behörde vor.

 

Er brachte auf Befragen in türkischer Sprache vor, er sei in A., Türkei, geboren, Angehöriger der türkischen Volksgruppe, Moslem, und ledig. Seine Mutter U. D. sei 1982 verstorben, sein Vater U. I., geb. 1946, lebe in A., er sei dort als Hausmeister tätig. Seine Geschwister U. S. und C. G. leben ebenso in A., seine Schwester S. D. in Antalya.

 

Der BF selbst habe zuletzt vor der Ausreise aus der Türkei bei seinem Bruder in A. gewohnt. Registriert sei er aber an der Adresse seines Vaters gewesen.

 

In A. habe er zwischen 1987 und 1992 die Grundschule besucht. Seinen Militärdienst habe er von 2000 bis 2001 absolviert.

 

Auf weiteres Befragen gab er an, er sei illegal in einem LKW von Istanbul aus bis Österreich gereist. Er besitze keinen Reisepass, seinen Personalausweis habe er sich selbst in A. ausstellen lassen.

 

Nach seinem früheren Lebensunterhalt in der Heimat befragt gab er an, er habe vor dem Militärdienst als Mechaniker und als Schweißer in A. gearbeitet, danach als Kellner u.a. vom Mai bis November 2002 in Antalya, zuletzt habe er bis Ende Februar 2003 in S. in einem Hotel als Kellner gearbeitet. In der Folge sei er von seinen Geschwistern unterstützt worden.

 

Zu seinen Ausreisegründen gab er zusammengefasst an, er habe während des Militärdienstes einen ihm gewährten zehntägigen Ausgang um sechs Tage überschritten, auf dem Weg in die Kaserne sei er bei einer Personenkontrolle mit seinem Militärausweis erwischt und festgenommen, in der Folge vom Staatsanwalt einvernommen und danach von der Militärpolizei in die Kaserne gebracht worden, wo er sechs Tage Arrest bekommen habe sowie ein Militärstrafverfahren gegen ihn eingeleitet wurde, im Zuge dessen er wiederum eine Haftstrafe von 10 Monaten erhalten habe. Anwaltlich vertreten habe er gegen dieses Urteil Berufung eingelegt. Zwischenzeitig sei es in Rechtskraft erwachsen und werde er daher von den türkischen Behörden gesucht, was er nach der Ausreise von seinem Vater erfahren habe. Ergänzend legte er im Weiteren dar, die erwähnte Berufung gegen das erste Urteil sei verspätet eingebracht worden, weshalb ein weiteres Rechtsmittel von seinem Anwalt erhoben worden sei. Im Falle einer Rückkehr in die Türkei würde er wohl in Haft kommen und "Schwierigkeiten bekommen, weil er geflüchtet sei".

 

Der BF legte als Beweis für dieses Vorbringen die Visitenkarte seines Rechtsanwalts in A. (AS 35), und eine Beschlussausfertigung des Militärgerichts zum Verfahren vor. Letzterem war zu entnehmen, dass der BF mit Urteil von 2001 wegen "Missbrauchs seines Urlaubs während seines Militärdienstes" nach dem türk. Militärstrafgesetz gem. § 66/1-b zu 10 Monaten Haft verurteilt wurde, dieses Urteil 2001 zugestellt wurde und dagegen am 00.00.2001, somit um einen Tag verspätet Berufung erhoben wurde, welche daher als verspätet zurückgewiesen wurde, wogegen neuerlich Berufung möglich sei.

 

Weitere Schwierigkeiten mit türkischen Behörden verneinte der BF, auch politisch sei er nie tätig gewesen.

 

3. Mit dem angefochtenen Bescheid hat das Bundesasylamt den Asylantrag unter Hinweis auf § 7 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I), und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BF in die Türkei gemäß § 8 AsylG für zulässig erklärt (Spruchpunkt II).

 

Begründend wurden - im Gefolge der Wiedergabe der erstinstanzlichen Einvernahme sowie vor dem Hintergrund von umfangreichen länderkundlichen Feststellungen u.a. auch zum türkischen Wehrdienst - von der erstinstanzlichen Behörde die Angaben des BF zu seiner Identität, Nationalität und Volksgruppenzugehörigkeit der Entscheidung zugrunde gelegt. Diese wurden als nachvollziehbar und glaubwürdig erachtet.

 

Mit seinem übrigen Vorbringen zu seinen Ausreisegründen habe er eine mögliche staatliche Verfolgung oder eine mögliche Gefährdung iSd § 57 FrG nicht glaubhaft machen können.

 

Im Rahmen ihrer Beweiswürdigung führte die belangte Behörde aus, im Lichte des Vorbringens des BF sei nicht glaubhaft, dass er aktuell wegen der 2001 erfolgten Verurteilung von den türkischen Behörden gesucht werde. Dies, weil er bis Februar 2003 normal erwerbstätig und bei seinem Vater in A. gemeldet war. Auch ergebe sich aus den vorgelegten Dokumenten, dass das Urteil des Militärgerichts offenbar bereits seit 2001 wegen Überschreitung der Berufungsfrist rechtskräftig sei, weshalb die Annahme nahe liege, dass der BF die gegen ihn verhängte Haftstrafe - wenn überhaupt - bereits vor der Ausreise verbüßt habe. Unplausibel sei auch, dass er wie von ihm behauptet seit Dezember 2003 gesucht werde, da er bereits zuvor ausgereist sei. Unbeschadet dessen könne eine - eventuell auch strenge - Bestrafung wegen bloßer Urlaubsüberschreitung während des Militärdienstes mangels Konnexes zur GFK nicht zur Asylgewährung führen.

 

In der Gesamtsicht dessen sei daher nicht glaubhaft, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung drohe und sei daher der Asylantrag abzuweisen.

 

Im Hinblick auf die Frage der Zulässigkeit der Abschiebung in die Türkei stellte die Behörde fest, dass in der Türkei keine allgemeine Gefahrenlage vorherrsche, durch die praktisch jeder der Gefahr iSd § 57 FrG ausgesetzt wäre. Es lägen daher keine Gründe für die Annahme vor, dass der BF im Falle der Abschiebung einer solchen Gefahr unterworfen wäre. Die Abschiebung sei daher gem. § 8 AsylG zulässig.

 

Der erstinstanzliche Bescheid wurde dem Vertreter des BF per Telefax am 19.01.2004 zugestellt.

 

4. Gegen diesen Bescheid richtete sich die fristgerecht mit 21.01.2004 von diesem per Telefax gegen beide Spruchpunkte erhobene Berufung des BF, mit der die erstinstanzliche Entscheidung wegen Rechtswidrigkeit gerügt und die Abänderung des bekämpften Bescheides im Sinne der Asylgewährung, in eventu der Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung beantragt wurde.

 

Vorgebracht wurde im Wesentlichen, dass der BF, wie von ihm bereits vorgetragen, alle Rechtsmittel im Militärstrafverfahren durch seinen anwaltlichen Vertreter erfolglos ausgeschöpft habe, weshalb er davon auszugehen hatte, dass er seine Haftstrafe antreten musste. Das Ausmaß dieser Strafe sei zudem als unverhältnismäßig anzusehen. Der BF rechne auch damit während der Verbüßung der Haft "geschlagen und gefoltert" zu werden. Zum Beweis der Glaubwürdigkeit des Vorbringens mögen Erhebungen über einen Vertrauensanwalt oder den früheren anwaltlichen Vertreter des BF in der Türkei getätigt werden.

 

5. Das gg. Verfahren wurde mit 25.01.2006 wegen längerfristiger Erkrankung des vormals zuständigen Mitglieds des Unabhängigen Bundesasylsenats als Berufungsbehörde dem nunmehr zur Entscheidung berufenen Richter des Asylgerichtshofs zugeteilt. 6. Am 28.05.2008 wurde eine mündliche Verhandlung in der Sache des BF durchgeführt. Die belangte Behörde war entschuldigt nicht erschienen. Abwesend war auch der Vertreter des BF.

 

Zum bisher behaupteten Sachverhalt führte der BF auf Befragen ergänzend aus, dass sich seine früheren Angaben seine Angehörigen in der Türkei betreffend nichts Wesentliches geändert habe. Sein Vater sei nunmehr sowohl Pensionist als auch Hausmeister und bewohne eine Dienstwohnung in A.-Stadt, sein Bruder sei verheiratet und arbeite in einer Schule als Hausmeister, eine Schwester lebe beim Vater, eine andere in Antalya. Der Vater des BF sei Kurde, seine Mutter sei eine ethnische Türkin gewesen, der BF selbst erachte sich als Kurde, was aber - auf Befragen - für sein gg. Asylverfahren ohne Relevanz sei. In politischer Hinsicht habe er sich nicht exponiert, er sei nur in der Jugendorganisation der (Anm.: Oppositionspartei) MHP gewesen.

 

Als Beweismittel legte der BF eine weitere Entscheidung des Militärgerichts vor, sowie das Kuvert, mit welchem diese Entscheidung an den früheren Wohnsitz des BF geschickt worden sei. Dieses wurde im Rahmen der Berufungsverhandlung übersetzt und in Kopie zum Akt genommen. Aus der Übersetzung ergab sich, dass zwar der Berufung des BF gegen die vormalige Zurückweisung der ersten Berufung des BF als verspätet stattgegeben wurde, aber die ursprüngliche inhaltliche Entscheidung, nämlich die Verurteilung zu einer Haftstrafe von 10 Monaten, bestätigt wurde.

 

Weiters legte er ein kurzes Schreiben des Dorfvorstehers der Gemeinde A., aus dem Jahr 2004 vor, welches über die Verurteilung des BF aus oben dargestellten Gründen zu einer Haftstrafe "von 6 Monaten und 10 Tagen" berichtet, weshalb der BF nunmehr von den türkischen Militärbehörden gesucht werde. Letzteres wurde im Rahmen der Berufungsverhandlung übersetzt und in Kopie zum Akt genommen.

 

Ebenso wurde die Gerichtsentscheidung aus dem Jahr 2002 im Gefolge der Verhandlung nochmals einer schriftlichen Übersetzung zugeführt und diese zum Akt genommen.

 

Im Zuge der inhaltlichen Erörterung dieser Beweismittel mit dem BF wiederholte der BF, dass er damit rechne im Falle der Rückkehr in die Türkei die gegen ihn verhängte Haftstrafe antreten zu müssen. Vermutlich werde seiner Ansicht nach auch seine Ausreise zusätzlich in Betracht gezogen und seine Strafe deshalb möglicher Weise erhöht werden. Ein weiteres Vorbringen erfolgte nicht.

 

Als aktuelle länderkundliche Informationsquelle von Amts wegen dem gg. Verfahren zugrunde gelegt und zum Akt genommen sowie im Wesentlichen mit dem BF erörtert wurde von der erkennenden Behörde:

 

Dt. Auswärtiges Amt, Bericht zur aktuellen Lage in der Türkei vom 25.10.2007.

 

7. Einer Anzeige des Finanzamtes Salzburg-Stadt vom 00.06.2008 zufolge wurde der BF am 00.05.2008 bei einer illegalen Beschäftigung für die Firma, 5020 Salzburg, betreten.

 

II. Der zur Entscheidung berufene Richter des Asylgerichtshofs hat erwogen:

 

1. Folgender Sachverhalt wird festgestellt und der gg. Entscheidung zugrunde gelegt:

 

1.1. Zur Person des Berufungswerbers:

 

Die persönlichen Angaben des BF zu seiner Identität, Staatsangehörigkeit, Volksgruppenzugehörigkeit und regionalen Herkunft, zu seinen familiären Verhältnissen im Herkunftsstaat sowie in Österreich sowie zu seinen übrigen verwandtschaftlichen Verhältnissen werden in der von ihm erstinstanzlich sowie insbesondere in der Berufungsverhandlung dargelegten und oben wiedergegebenen Form der gg. Entscheidung zugrunde gelegt.

 

1.2. Zu den vom BF vorgebrachten Ausreisegründen wird festgestellt:

 

Das Vorbringen des BF über seine militärgerichtliche Verurteilung von 2001, dies also noch während seines bis November 2001 dauernden Wehrdienstes, wegen "Missbrauchs seines Urlaubs während seines Militärdienstes" nach dem türk. Militärstrafgesetz zu 10 Monaten Haft, sowie der folgende Gang des Rechtsmittelverfahrens bis 2008 wie oben dargestellt, wird in der behaupteten Form der gg. Entscheidung zugrunde gelegt.

 

Nicht festgestellt wurde, dass der BF mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen hätte, im Zuge der eventuellen Verbüßung dieser Strafe im Gefolge seiner Rückkehr einer asylrelevanten oder sonst menschenrechtswidrigen, weil behaupteter Weise mit Folter verbundenen Behandlung oder Bestrafung unterliegen würde, noch dass er wegen seiner Ausreise aus der Türkei im Jahre 2003 während des laufenden Rechtsmittelverfahrens in diesem Zusammenhang einer solchen Behandlung unterliegen würde. Nicht festzustellen war weiters, dass die festgestellte Verurteilung des BF an sich schon asylrelevant oder sonst menschenrechtswidrig wäre oder er, eventuell aus gerade in seiner Person gelegenen Gründen, mit einer unverhältnismäßigen Bestrafung bedacht wurde.

 

Im Lichte dieser Feststellungen war insgesamt eine begründete Furcht des BF vor Verfolgung iSd der GFK aus den von ihm behaupteten oder aus anderweitigen Gründen oder die konkrete Gefahr einer unmenschlichen Behandlung oder Bestrafung iSd § 57 FrG im Falle einer Rückkehr in die Türkei nicht feststellbar.

 

1.3. Der BF kann sich im Falle der Rückkehr auf seine bereits vor der Ausreise gezeigte Selbsterhaltungsfähigkeit stützen. Darüber hinaus verfügen die verschiedenen Angehörigen des BF, nämlich sein Vater und seine Geschwister, in seiner Heimat über offenbar hinreichende Existenzmöglichkeiten. Ihm steht, sofern erforderlich, eine zumutbare Unterkunft auch bei seinen Angehörigen zur Verfügung. Allenfalls kann er bei anfänglichen materiellen Schwierigkeiten nach der Rückkehr auf die Unterstützung seiner Verwandten zurückgreifen. Er hat demnach, soweit es die notwendige Existenzgrundlage für sich angeht, in diesem Fall - auch vor dem Hintergrund der allgemeinen Lage in der Türkei - in materieller Hinsicht keine aussichtlose Lage zu gewärtigen.

 

1.4. Zur Lage in der Türkei:

 

Im Hinblick auf die aktuelle Situation in der Türkei wird auf die aktuellen Feststellungen im oben angeführten länderkundlichen Bericht verwiesen. Weiters werden die umfangreichen länderkundlichen Feststellungen der erstinstanzlichen Behörde zum Wehrdienst in der Türkei auch zum Gegenstand dieses Erkenntnisses erhoben.

 

2. Beweiswürdigung:

 

Als Beweismittel wurden herangezogen:

 

Das erstinstanzliche Verfahrensergebnis

 

Die persönlichen Angaben des BF vor der Berufungsbehörde

 

Die vom BF vorgelegten Beweismittel

 

Die oben angeführten länderkundlichen Feststellungen anhand der oben angeführten Informationsquellen bzw. Beweismittel

 

2.1. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich nach Maßgabe folgender Erwägungen:

 

2.1.1. Die Feststellungen zur Situation in der Türkei bzw. in der früheren Heimat des BF stützen sich auf die Feststellungen der Erstbehörde zum Zeitraum bis 2002 und die länderkundlichen Feststellungen des Asylgerichtshofs selbst die aktuelle Lage in der Türkei betreffend. Angesichts der Seriosität dieser Quellen und der Plausibilität dieser Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit dieser Angaben zu zweifeln.

 

2.1.2. Die Feststellungen zur Identität, ethnischen und regionalen Herkunft des BF ergeben sich aus dem Akteninhalt und dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung, ebenso die Feststellungen zu den genaueren Lebensumständen des BF vor der Ausreise und denen seiner Angehörigen und Verwandten damals wie heute.

 

2.1.3. Die Feststellungen unter 1.2. zur militärgerichtlichen Verurteilung gründen sich auf das entsprechende Vorbringen des BF über die gesamte Verfahrensdauer hinweg in Verbindung mit den von ihm vorgelegten und als authentisch erachteten Beweismittel. Im Lichte dessen ergab sich ein im Wesentlichen in sich widerspruchsfreier und schlüssig nachvollziehbarer Verlauf des vom BF ins Treffen geführten Militärstrafverfahrens von 2001 bis zum letzten Entscheid im Jahr 2008.

 

Ob der BF nun tatsächlich wegen dieses laufenden Verfahrens im Oktober 2003 die Ausreise aus der Türkei antrat, oder weil er eventuell wegen seiner seit Februar 2003 bestehenden Arbeitslosigkeit eine neue Lebensperspektive suchte, kann mangels Entscheidungsrelevanz dahin gestellt bleiben.

 

Aus dem Ermittlungsergebnis ergab sich jedenfalls, dass der BF mit Hilfe seines anwaltlichen Vertreters ein - vorerst die ursprüngliche Zurückweisung seiner Berufung gegen die Entscheidung des Militärstrafgerichts als verspätet erfolgreich bekämpfendes - mehrstufiges Rechtsmittelverfahren bemühte, welches letztlich aber im März 2008 zur inhaltlichen Bestätigung dieser Entscheidung führte. Den entsprechenden Unterlagen war diesbezüglich auch nicht zu entnehmen, dass dieses Verfahren in erkennbarer Weise die Rechte des BF verletzte oder an wesentlichen Verfahrensmängeln litt. Derlei wurde im Übrigen auch vom BF nicht releviert.

 

Im Hinblick auf das Vorbringen des BF vor diesem Hintergrund, dass er zwischenzeitig während dieses Verfahrens, im Genaueren seit Dezember 2003, von den türkischen Militärbehörden zur Vollziehung der Strafe gesucht wurde, was von der erstinstanzlichen Behörde aus den oben zusammenfassend dargestellten Gründen als nicht glaubhaft erachtet wurde, schließt sich der erkennende Richter des Asylgerichtshofs der belangten Behörde in ihrer Argumentation an, zumal diese Behauptung des BF angesichts seiner fortlaufenden Erwerbstätigkeit bis Februar 2003, seiner Registrierung am Heimatwohnsitz, der problemlosen Ausstellung eines neuen Personalausweises im September 2003, sowie der Darstellung des Verlaufs des Rechtsmittelverfahrens vor dem Militärgericht als nicht schlüssig anzusehen ist. Allerdings knüpft sich aus Sicht des Asylgerichtshofs an die Beantwortung dieser Frage letztlich keine Entscheidungsrelevanz, ist doch unabhängig davon angesichts des dargestellten Gesamtverlaufs des Militärstrafverfahrens jedenfalls davon auszugehen, dass der BF nunmehr zumindest seit März 2008 als rechtskräftig zu einer 10-monatigen Haftstrafe verurteilt anzusehen ist, und daher ein Vollzug dieses Urteils im Gefolge der Rückkehr des BF zu erwarten ist bzw. zumindest als möglich erscheint.

 

2.1.4. Dass der BF aber im Hinblick auf diesen Strafvollzug mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit einer unmenschlichen Behandlung oder gar Folter zu rechnen hätte oder einer unverhältnismäßigen Bestrafung, eventuell aus gerade in seiner Person gelegenen Gründen, unterliegen würde, war weder aus dem diesbezüglich gänzlich unsubstantiierten, auf bloße Mutmaßungen ohne konkretes Beweisanbot gestützten Vorbringen des BF und seines Vertreters noch aus den herangezogenen länderkundlichen Informationen etwa im Sinne einer entsprechenden notorischen Strafvollzugspraxis der türkischen Behörden zu gewinnen.

 

2.1.5. Die Feststellungen oben zum Fehlen einer aktuellen Rückkehrgefährdung in Form einer eventuell nicht hinreichenden Lebensgrundlage oder wegen etwaiger schwerwiegender gesundheitlicher Probleme stützen sich auf das eindeutige Ermittlungsergebnis in Form der persönlichen Darstellung des BF.

 

III. Rechtlich folgt:

 

1. Gemäß § 75 (1) AsylG 2005, BGBl I Nr. 100/2005, sind alle am 31.12.2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. Gemäß § 44 Abs. 1 AsylG idF BGBl I Nr. 101/2003 werden Verfahren zur Entscheidung über Asylanträge und Asylerstreckungsanträge, die bis zum 30. April 2004 gestellt wurden, nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 126/2002 geführt. Der Berufungswerber hat seinen Asylantrag am 02.10.2002 gestellt. Das gegenständliche Verfahren ist somit nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997, in der Fassung BGBl. I Nr. 126/2002 (AsylG) zu führen.

 

Gemäß § 75 Abs. 7 AsylG 2005, diesem hinzugefügt durch Art. 2 Z. 54 Asylgerichtshofgesetz AsylGHG 2008, sind am 1.Juli 2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof weiterzuführen. Gem. § 75 Abs. 7 Z. 1 haben Mitglieder des Unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofs ermannt wurden, alle bei ihnen anhängigen Verfahren, in den bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen. Im gg. Fall war daher vor dem Hintergrund des oben dargestellten Verfahrensverlaufs der unten zeichnende Richter des Asylgerichtshofs als Einzelrichter zur Fortsetzung des vor dem 1. Juli 2008 begonnenen Verfahrens und zur Entscheidung über die gg. Anträge des BF berufen.

 

2. Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

3. Gemäß § 7 AsylG hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel 1 Abschnitt A Ziffer 2 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht und keiner der in Artikel 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentraler Aspekt der dem § 7 AsylG 1997 zugrundeliegenden, in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung (vgl. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334). Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sei, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen (vgl. VwGH 25.1.2001, 2001/20/0011; VwGH 21.09.2000, 2000/20/0241; VwGH 14.11.1999, 99/01/0280). Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 19.04.2001, 99/20/0273; VwGH 22.12.1999, 99/01/0334). Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 19.10.2000, 98/20/0233; VwGH 09.03.1999, 98/01/0318).

 

Besteht für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, und ist ihm dort die Inanspruchnahme inländischen Schutzes auch zumutbar, so liegt eine inländische Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt (vgl. VwGH 24.3.1999, 98/01/0352; 15.3.2001, 99/20/0134; 15.3.2001, 99/20/0036). Das einer "inländischen Fluchtalternative" innewohnende Zumutbarkeitskalkül setzt voraus, dass der Asylwerber im in Frage kommenden Gebiet nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal auch wirtschaftliche Benachteiligungen dann asylrelevant sein können, wenn sie jegliche Existenzgrundlage entziehen (VwGH 8.9.1999, 98/01/0614, 29.3.2001, 2000/20/0539).

 

3.1. Vor dem Hintergrund der oben getroffenen Feststellungen zur aktuellen Situation in der Türkei war den BF betreffend angesichts der zu seinem Vorbringen getroffenen Feststellungen (vgl. oben) aus den folgenden Gründen keine aktuelle begründete Furcht vor Verfolgung im Herkunftsstaat feststellbar:

 

Dem BF gelang es aus den oben dargelegten Gründen nicht glaubhaft darzulegen, dass er vor der Ausreise einer asylrelevanten Verfolgung in der Türkei unterlegen war noch dass er einer solchen bei einer Rückkehr in die Türkei unterliegen würde, weshalb eine Subsumierung des Vorbringens unter die Verfolgungstatbestände der GFK nicht möglich war. Auch eine eventuell aus anderen Gründen bestehende aktuelle Verfolgungsgefahr war aus Sicht der Behörde im Lichte der aktuellen länderkundlichen Feststellungen nicht feststellbar.

 

Das Beschwerdebegehren war daher hinsichtlich Spruchpunkt I abzuweisen.

 

4. Ist ein Asylantrag abzuweisen, so hat die Behörde gemäß § 8 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002 von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat nach § 57 Fremdengesetz 1997, BGBl. I Nr. 75/1997 (FrG), zulässig ist; diese Entscheidung ist mit der Abweisung des Asylantrages zu verbinden.

 

Gemäß Art. 5 § 1 des Fremdenrechtspakets BGBl. I 100/2005 ist das FrG mit Ablauf des 31.12.2005 außer Kraft getreten; am 1.1.2006 ist gemäß § 126 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (Art. 3 BG BGBl. I 100/2005; in der Folge: FPG) das FPG in Kraft getreten. Gemäß § 124 Abs. 2 FPG treten, soweit in anderen Bundesgesetzen auf Bestimmungen des FrG verwiesen wird, an deren Stelle die entsprechenden Bestimmungen des FPG. Demnach wäre die Verweisung des § 8 AsylG auf § 57 FrG nunmehr auf die "entsprechende Bestimmung" des § 50 FPG zu beziehen.

 

Gemäß § 50 Abs. 1 FPG ist die Zurückweisung, die Hinderung an der Einreise, die Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde, oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre. Gemäß § 50 Abs. 2 FPG ist die Zurückweisung, Zurückschiebung Fremder in einen Staat oder die Hinderung an der Einreise aus einem Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 GFK), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative.

 

Da sich die Regelungsinhalte beider Vorschriften (§ 57 FrG und § 50 FPG) nicht in einer Weise unterscheiden, die für den vorliegenden Fall von Bedeutung wäre, lässt sich die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die sich - unmittelbar oder mittelbar - auf § 57 FrG bezieht, insoweit auch auf § 50 FPG übertragen.

 

Zur Auslegung des § 57 FrG ist die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum inhaltsgleichen § 37 Fremdengesetz, BGBl. Nr. 838/1992, heranzuziehen. Danach erfordert die Feststellung nach dieser Bestimmung das Vorliegen einer konkreten, den Berufungswerber betreffenden, aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbaren Gefährdung bzw. Bedrohung. Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher ohne Hinzutreten besonderer Umstände, welche ihnen noch einen aktuellen Stellenwert geben, nicht geeignet, die begehrte Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen (vgl. VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011; VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122). Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 57 FrG als unzulässig erscheinen zu lassen (vgl. VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427). Im Übrigen ist auch im Rahmen des § 8 AsylG zu beachten, dass mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben das Bestehen einer aktuellen Gefährdung bzw. Bedrohung im Sinne des § 57 Abs. 1 oder 2 FrG glaubhaft zu machen ist (vgl. VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

 

4.1. Eine mögliche Gefährdung des BF iSd des § 50 Abs. 2 FrG im Herkunftsstaat ist vor dem Hintergrund der Feststellungen oben zur Frage der Asylrelevanz des Vorbringens jedenfalls zu verneinen.

 

Ausgehend vom Vorbringen des BF sowie auch von der Lageeinschätzung des Asylgerichtshofs auf der Grundlage der eingesehenen Berichte sind darüber hinaus derart exzeptionelle Umstände, die eine Rückführung im Hinblick auf innerhalb oder außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegender Gegebenheiten im Zielstaat im Widerspruch zu Art. 3 EMRK erscheinen lassen könnten, im Falle des BF ebenfalls nicht ersichtlich (vgl. zu Art. 3 EMRK z.B. VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443).

 

Hinzu kommt, dass vor dem Hintergrund der vom BF selbst dargestellten Lebensverhältnisse seiner Verwandten in der Türkei sowie der eigenen früheren Lebensumstände und Fähigkeiten auch nicht ersichtlich ist, dass er bei einer Rückführung in den Herkunftsstaat in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse (wie etwa Nahrung, Unterkunft) einer lebensbedrohenden oder ausweglosen Situation ausgesetzt wäre.

 

Vor diesem Hintergrund erweist sich die Annahme des Bundesasylamtes, es lägen keine stichhaltigen Gründe für die Annahme einer Gefahr im Sinne des § 57 FrG (respektive § 50 FPG) vor, als mit dem Gesetz in Einklang stehend, und geht auch der Asylgerichtshof in der Folge von der Zulässigkeit der Abschiebung des BF in die Türkei gem. § 8 AsylG aus.

 

5. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Lebensgrundlage, Militärdienst, non refoulement, soziale Verhältnisse, strafrechtliche Verurteilung
Zuletzt aktualisiert am
05.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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