TE AsylGH Erkenntnis 2008/08/06 C1 240982-0/2008

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Veröffentlicht am 06.08.2008
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Spruch

C1 240982-0/2008/6E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Fischer-Szilagyi als Einzelrichterin über die Beschwerde des O.E., geb. 00.00.1966, StA. Türkei, vom 20.08.2003 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 01.08.2003, FZ. 02 24.622-BAL, zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 7, 8 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idgF (AsylG), abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

Mit angefochtenem Bescheid wurde der Asylantrag des nunmehrigen Beschwerdeführers vom 04.09.2002 gemäß § 7 AsylG abgewiesen und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Türkei gemäß § 8 AsylG für zulässig erklärt. In der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides wurde einerseits das Vorbringen des Berufungswerbers als nicht glaubwürdig gewertet und andererseits wurde ausgeführt, dass es an einem zeitlichen Konnex zwischen dem Ausreisedatum und dem Datum des (angeblichen) Vorfalls fehle.

 

Hiegegen wurde das Rechtsmittel der Berufung eingebracht.

 

Im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung am 21.08.2007, welche gemeinsam mit jener des Bruders des Beschwerdeführers (UBAS Zahl: 242.172/0-XIV/39/03) geführt wurde und zu welcher die Erstbehörde keinen Vertreter entsandte, gab der Beschwerdeführer Folgendes zu Protokoll:

 

"VL: Wie geht es Ihnen heute?

 

BW1: Gut.

 

VL: Bitte geben Sie an, wo und wann Sie geboren sind.

 

BW1: 00.00.1966 in Adana, im Dorf A..

 

VL: Wie lange waren Sie dort aufhältig?

 

BW1: Nach Abschluss der Volksschule mit etwa 9 Jahren kam ich nach Istanbul, das muss 1978 gewesen sein.

 

VL: Wie lange waren Sie in Istanbul aufhältig?

 

BW1: Bis 2002.

 

VL: Was war dann?

 

BW1: Ich habe 2002 die Türkei verlassen und bin nach Österreich geflüchtet.

 

VL: Hat es einen konkreten Vorfall gegeben, warum Sie 2002 die Türkei verlassen haben?

 

BW1: Ja, es hatte einen Grund. Ich wohnte im Bezirk K.. Es war bekannt, dass wir eine kurdisch-alevitische Familie sind. Wir wurden überfallen und geschlagen und man hat uns aufgefordert, ihren Bezirk zu verlassen.

 

VL: Wer hat das gefordert?

 

BW1: Die Nachbarn.

 

VL: Ab wann ist das gewesen?

 

BW1: Dieser Vorfall war 2 Tage bevor ich die Türkei verließ.

 

VL: Welcher Vorfall?

 

BW1: Bei dem wir geschlagen wurden. Das war der letzte Vorfall.

 

VL: Ab welchem Zeitpunkt sind die Nachbarn gegen Sie vorgegangen?

 

BW1: Etwa 1999/2000 kam ich in diesen Bezirk und war mit den Nachbarn noch nicht so bekannt. Mit der Zeit erfuhren die Nachbarn, dass wir kurdisch-alevitisch sind. Man begann, uns auszugrenzen und es gab kleinere Auseinandersetzungen und Diskussionen. 2001 kam es dann zu einer größeren Auseinandersetzung, wo man uns geschlagen hat. Dann eben die Rauferei 2002.

 

VL: Sie sagen immer "wir". Wer ist damit gemeint?

 

BW1: Wir sind gewohnt, immer als "wir" zu sprechen. Ich meine mich.

 

VL: Haben Sie jemals in T. gewohnt?

 

BW1: 1999 übersiedelte ich nach T..

 

VL: Vorhin haben Sie aber K. angegeben?

 

BW1: Ich lebte bis 1999 in K., dann übersiedelte ich nach T..

 

VL: Vorhin haben Sie gerade angegeben, dass Sie 1999 in den Bezirk K. gekommen sind?

 

BW1: Das war ein Irrtum, ich habe bis 1999 in K. gelebt, dann in T..

 

VL: Welche Nachbarn haben Sie vorhin gemeint, die in K. oder in T.?

 

BW1: Damit sind die Nachbarn in T. gemeint.

 

VL: Warum haben Sie gerade angegeben, Sie hätten im Bezirk K. gelebt?

 

BW1: Es war T. gemeint.

 

VL: Sind Sie alleine von den Nachbarn schikaniert worden, oder gab es in Ihrer Nähe noch andere Kurden und Aleviten, die dieselben Probleme hatten?

 

BW1: Es gab auch andere kurdische Nachbarn, die so behandelt wurden wie ich.

 

VL: Wie ungefähr war das Verhältnis zwischen Kurden und Türken?

 

BW1: Ich glaube, dass mehr Türken dort leben als Kurden, vor allem Türken, die rechts denken.

 

VL: Bei dieser größeren Auseinandersetzung 2001 - was geschah genau dabei?

 

BW1: Ich bin von der Arbeit gekommen und sah vor unserem Haus einen Tumult und wusste nicht, worum es ging. Als ich in unsere Gasse einbog, bemerkte ich, dass die Leute auch auf mich zukamen und begannen, mich zu schlagen. Ich bin zu Boden gefallen, alle haben auf mich eingeschlagen. Jeder, der vorbeikam, schlug auf mich ein. Sie riefen dabei, wir sollten ihren Bezirk verlassen. Dann kam die Polizei. Die Nachbarn flüchteten dann. Wir haben versucht, Anzeige gegen diese Leute zu erstatten, aber es gab keine Zeugen. Auf der Polizeistation fragte man uns, ob wir Zeugen hätten, wer aller daran beteiligt war. Es waren so viele Leute, wen hätte ich angeben sollen? Die Polizei sagte, sie werde dem nachgehen, aber das war alles.

 

VL: Sie haben vorhin "Nachbarn" genannt. Waren es die Leute aus der Gegend?

 

BW1: Ich meinte nicht die Nachbarn im Haus, wir haben in einem ebenerdigen, kleinen Haus gewohnt. Gemeint sind andere Leute in den umliegenden Häusern.

 

VL: Kannten Sie diese Personen?

 

BW1: Wir hatten keinen Kontakt zueinander, aber wir kannten uns vom sehen.

 

VL: Kannten Sie Namen?

 

BW1: Nein. Es haben so viele auf mich eingeschlagen, ich wusste nicht, wer aller das war.

 

VL: Später gab es 2002 noch einen Vorfall, knapp vor Ihrer Ausreise - was geschah da?

 

BW1: Es war im Osten ein Soldat getötet worden, der aus dieser Gegend stammte. Dessen Leichnam wurde in unseren Bezirk gebracht. Weil die Leute wussten, dass wir Aleviten und Kurden sind, haben sie sich so verhalten, als hätten wir diesen jungen Soldaten getötet. Sie haben unser Haus mit Steinen beworfen. Sie haben mich aus dem Haus herausgeholt und geschlagen. Sie haben mich geschlagen und mich dann liegengelassen und gingen weg. Da habe ich beschlossen, das Land zu verlassen.

 

VL: Gab es außer den bereits genannten Vorfällen 2001 und 2002 noch weitere Vorfälle in diesen Jahren?

 

BW1: Ja, sowohl in K. als auch in T. gab es noch Vorfälle. Man hat mich eine Woche auf die Polizeistation gebracht und 10 Tage festgehalten.

 

VL: Wann war das?

 

BW1: Im November 2001.

 

VL: Weswegen wurden Sie mitgenommen?

 

BW1: Sie haben mein Haus überfallen und dieses untersucht, weil ich bei der HADEP eingetragen war. Wir haben uns dagegen gewehrt, weil sie ohne Hausdurchsuchungsbefehl mein Haus durchsucht haben. Aber sie haben sich mit Gewalt Eintritt verschafft und mein Haus durchsucht.

 

VL: Im erstinstanzlichen Verfahren haben Sie gesagt, dass Sie wegen Ihrer HADEP-Mitgliedschaft keine Probleme hatte und die Hausdurchsuchung ein Stürmen des Hauses war, wegen Personen, die dort lebten und einen Hungerstreik machten?

 

BW1: Das, was ich erzählt habe, war in T.. Der Hungerstreik war auch in T..

 

VL: Waren das 2 verschiedene Vorfälle?

 

BW1: Wenn ich auch angegeben habe, dass ich wegen meiner Mitgliedschaft keine Probleme hatte, war es so, dass die Leute, die bei der HADEP Mitglied waren, gleich als Terroristen angesehen wurden. Es handelte sich um denselben Vorfall.

 

VL: Aber es ist doch ein Unterschied, wenn Sie sagen, das Haus wurde von der Polizei gestürmt, weil Leute einen Hungerstreik machten, oder weil Sie HADEP-Mitglied waren?

 

BW1: Da muss ein Missverständnis vorliegen. Der Hungerstreik fand nicht in meinem, sondern im Nachbarhaus statt. Sie haben das Haus, in dem der Hungerstreik war, gestürmt, aber weil sie wussten, dass ich auch HADEP-Mitglied bin, haben sie auch mein Haus durchsucht.

 

VL: Im erstinstanzlichen Verfahren haben Sie angegeben, dass Sie mitgenommen wurden im Zuge dieses Hungerstreikes, weil Sie Zuckerwasser bereitet haben und Zeitschriften verteilt haben?

 

BW1: Ja, wir haben denen geholfen. Man hat uns gesehen.

 

VL: Vor dem BAA haben Sie aber kein Wort davon gesagt, dass Sie wegen Ihrer HADEP-Mitgliedschaft mitgenommen worden sind?

 

BW1: Ich hatte Angst zu erwähnen, dass ich HADEP-Mitglied war, weil man annimmt, dass die HADEP-Mitglieder mit der PKK zu tun haben.

 

VL: Wann hatten Sie diese Angst?

 

BW1: Bei meiner 1. Aussage.

 

Vorgehalten wird die erstinstanzliche Aussage betreffend der HADEP-Mitgliedschaft.

 

BW1: Tut mir leid, wenn ich damals so ungenau geantwortet habe.

 

VL: Im erstinstanzlichen Protokoll haben Sie auf die Frage, "Hatten Sie gröbere Probleme mit Privatpersonen", mit "Nein" geantwortet und Sie haben auch während der gesamten Einvernahme mit keinem Wort über die heutigen Vorfälle beschrieben?

 

BW1: Ich habe aber Probleme mit Privatpersonen erlebt.

 

VL: Wieso haben Sie K. verlassen und sind nach T. gezogen?

 

BW1: 1991 wurde unser Haus in K. überfallen. Wir hatten in unserem Haus auch einen Untermieter.

 

VL wiederholt ihre Frage.

 

BW1: Schon 1991 begannen Auseinandersetzungen mit den Nachbarn. Diese hielten an. Sie wollten uns nicht in ihrem Bezirk haben. Wenn ich einkaufen gegangen bin, wurde ich als Alevite und PKK-Mann beschimpft. Die, die wussten, dass wir Aleviten und Kurden sind, wollten uns auch nichts verkaufen.

 

VL: Ein Drittel der Bevölkerung in der Türkei sind Kurden.

 

BW1: Sie sind sehr verteilt, sie leben auch in den Bergen. Sie erleben sicher ähnliche Umstände wie ich. In den größeren Städten wurden Brände gelegt.

 

VL: Bei dem Vorfall 1991 - können Sie sich erinnern, wann genau das war?

 

BW1: Im Winter.

 

VL: Können Sie sich erklären, wieso Ihr Cousin S. gemeint hat, der Vorfall wäre 1997 gewesen und auf der von ihm vorgelegten Bestätigung, die mit 00.00.1992 unterschrieben ist, das Datum 00.00.2002 steht?

 

BW1: Es kann sein, dass dieses Schreiben 2002 ausgestellt wurde. Ich habe nämlich 1992 geheiratet und hatte noch keinen Zutritt zu meinem Haus, weil es versiegelt war. Mein zweistöckiges Haus wurde nämlich über 7 Monate versiegelt gehalten. Es tut mir leid, wenn ich unklar bin, aber ich spüre alles, was ich erlebt habe und ich habe viel Leid erlebt. Sogar jetzt, wenn ich es Ihnen erzähle. Ich sehe seit 5 Jahren meine Kinder nicht.

 

VL: Haben Sie Kontakt zu diesen?

 

BW1: Ja, telefonischen. Es geht ihnen gut.

 

VL: Wollen Sie noch etwas angeben?

 

BW1: Nein.

 

BWV: Aufgrund dieser Verhaftungen 1991 bzw. 2001 - kam es dabei zu Anklagen oder Gerichtsverfahren?

 

BW1: Nein. Ich es kam zu keiner Gerichtsverhandlung. Man hat mich nur geschlagen.

 

BWV: Diese beiden Hausstürmungen - erfolgten diese durch Polizei oder Militär?

 

BW1: In K. waren es Soldaten.

 

BWV: Sie haben in der 1. Vernehmung angegeben, dass Sie bei beiden Vorfällen geschlagen wurden. Ist das richtig?

 

BW1: Ja, ich habe auch auf der Oberlippe eine Narbe.

 

BWV: Was befürchten Sie bei einer Rückkehr in die Türkei?

 

BW1: Eine Rückkehr in die Türkei bedeutet für mich den Tod. Man wird mich sicher ins Gefängnis stecken. Wer sorgt dann für meine Kinder, der Staat?

 

BWV: Stimmt es, dass B. und H. Verwandte von Ihnen sind und im Gefängnis sind?

 

BW1: Ja. Es sind meine Cousins, die Söhne meines Onkels mütterlicherseits. Von C. sind es die Onkel. Sie sind derzeit im Gefängnis. Einer ist, glaube ich, bereits entlassen.

 

BWV: Keine weiteren Fragen."

 

Einsicht wurde genommen in den Akt des Bruders des Beschwerdeführers, O.H., (UBAS Zahl: 242.172/0-XIV/39/03) sowie des Neffen des Beschwerdeführers, O.S., (UBAS Zahl: 260.866/0-XIV/39/05). Einsicht wurde ferner genommen in das vom Neffen des Beschwerdeführers in dessen Verfahren vorgelegte Schreiben der Sicherheitsdirektion Istanbul, Abteilung Terrorbekämpfung, 1992.

 

Folgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt wird festgestellt:

 

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Türkei und Angehöriger der Volksgruppe der Kurden sowie der Religionsgemeinschaft der Aleviten, hat sein Heimatland verlassen, ist am 03.09.2002 illegal in Österreich eingereist und hat am 04.09.2002 gegenständlichen Asylantrag gestellt. Er hat seinen Wehrdienst in der Türkei von 1986 bis 1987 bei der Gendarmerie abgeleistet.

 

Er ist verheiratet und Vater von drei Kindern. Die Ehefrau sowie die drei Kinder, die Mutter und sieben Geschwister des Beschwerdeführers leben nach wie vor in der Türkei; die Ehefrau, die Kinder und die Mutter leben an der Heimatadresse des Beschwerdeführers in T., Istanbul.

 

In Österreich leben ein Bruder und zwei Neffen des Beschwerdeführers, welche ebenfalls Asylwerber sind und deren Verfahren in der Rechtsmittelinstanz anhängig sind.

 

Der Beschwerdeführer verfügt über einen türkischen Personalausweis, ausgestellt am 00.00.1998 in G..

 

Nicht festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer in seinem Heimatland einer asylrechtlich relevanten Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention ausgesetzt war bzw. ist.

 

Es wird nicht festgestellt, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Türkei in seinem Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen würde oder von der Todesstrafe bedroht wäre.

 

Der Eindruck der Unglaubwürdigkeit, welchen der Beschwerdeführer bereits im erstinstanzlichen Verfahren hinterlassen hat, hat sich im Berufungsverfahren noch verstärkt, da weitere Widersprüche und Ungereimtheiten aufgetreten sind. Insbesondere ist das Vorbringen des Beschwerdeführer auch im Vergleich zu den Aussagen seines Bruders und seines Neffen nicht schlüssig nachvollziehbar.

 

Im Rahmen der Berufungsverhandlung brachte der Beschwerdeführer erstmals vor, er habe 2002 die Türkei verlassen, da es bekannt gewesen sei, dass er aus einer kurdisch-alevitischen Familie stamme und daher zwei Tage vor seiner Ausreise von Nachbarn überfallen und geschlagen sowie aufgefordert worden sei, den Bezirk zu verlassen. In der Folge verstrickte sich der Beschwerdeführer in Widersprüche betreffend seinen Aufenthaltsort. Eingangs gab er an, diese Übergriffe der Nachbarn hätten sich in K. ereignet; in der Folge korrigierte er die Angaben dahingehend, dass dies in T. geschehen sei. Auf Vorhalt der Widersprüche gab der Beschwerdeführer lediglich an, es habe sich um einen Irrtum gehandelt.

 

Ferner brachte er ebenfalls erstmals im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung vor, er sei 2001 auf der Straße von mehreren Leuten geschlagen worden, welche gerufen hätten, er solle den Bezirk verlassen. Als die Polizei gekommen sei, seien diese Leute geflüchtet. Am Polizeirevier sei er gewesen, um Anzeige zu erstatten, und hätte ihm die Polizei mitgeteilt, man werde diesem Vorfall nachgehen.

 

Ebenfalls erstmals in der Berufungsverhandlung gab der Berufungswerber an, dass im Jahr 2002 kurz vor seiner Ausreise im Osten ein Soldat getötet worden sei, dessen Leichnam in seinen Bezirk gebracht worden sei. Daraufhin hätten sich "die Leute" so verhalten, als hätte der Beschwerdeführer den Soldaten getötet, weil er Kurde und Alevit sei. Sein Haus sei mit Steinen beworfen, er sei aus dem Haus herausgeholt und geschlagen worden.

 

Auf Vorhalt, er hätte diese Vorfälle mit Privatpersonen im erstinstanzlichen Verfahren nicht erwähnt, gab der Berufungswerber an, "Ich habe aber Probleme mit Privatpersonen erlebt."

 

Diesen drei erstmals in der Berufungsverhandlung vorgebrachten Vorfällen ist jegliche Glaubwürdigkeit abzusprechen, da der Asylwerber diese trotz Möglichkeit im erstinstanzlichen Verfahren nicht aufgezeigt hat, obwohl die Einvernahme vor dem Bundesasylamt zeitlich näher zur Flucht lag als die Berufungsverhandlung. Auch war der Beschwerdeführer nicht in der Lage schlüssig zu erklären, warum er diese Vorfälle vor dem Bundesasylamt nicht erwähnt hat.

 

Aber auch betreffend den - bereits im erstinstanzlichen Verfahren ausgeführten - Vorfall im November 2001 verstrickte sich der Beschwerdeführer laufend in Widersprüche. Im erstinstanzlichen Verfahren gab er an, es seien von der Polizei Häuser gestürmt worden, da die Personen, die dort gelebt hätten, im Hungerstreik gewesen wären. Der Beschwerdeführer sei im Zuge dessen von der Polizei mitgenommen worden, da er die hungerstreikenden Menschen unterstützt habe, indem er Zuckerwasser und alevitische Zeitungen verteilt habe. Wegen seiner Mitgliedschaft bei der HADEP habe er keine Probleme gehabt. Hingegen gab der Beschwerdeführer im Rahmen der Berufungsverhandlung an, er sei von der Polizei im November im Zuge einer Hausdurchsuchung mitgenommen worden, weil er bei der HADEP Mitglied gewesen sei. Auf Vorhalt dieses Widerspruchs gab er an, "Das, was ich erzählt habe, war in T.. Der Hungerstreik war auch in T.." Auf die Frage, ob es sich um zwei verschiedene Vorfälle gehandelt habe, brachte er vor, dass er zwar zuvor angegeben habe, wegen seiner Mitgliedschaft bei der HADEP keine Probleme gehabt zu haben, aber Leute, die bei der HADEP seien, würden als Terroristen angesehen, und es handle sich um denselben Vorfall. Auf Vorhalt, dass es wohl einen Unterschied mache, ob das Haus wegen eines Hungerstreikes oder wegen seiner HADEP Mitgliedschaft gestürmt worden sei, gab der Berufungswerber an, es müsse sich um ein Missverständnis handeln, da der Hungerstreik im Nachbarhaus gewesen sei und aufgrund seiner HADEP Mitgliedschaft auch sein Haus gestürmt worden sei. Auf Vorhalt, er habe von seiner HADEP Mitgliedschaft im erstinstanzlichen Verfahren in diesem Zusammenhang nichts erwähnt, gab der Berufungswerber an, dies habe er nicht getan, weil er bei seiner ersten Aussage Angst gehabt hätte, "man" nehme an, dass HADEP Mitglieder mit der PKK zu tun hätten. Auf Vorhalt der Widersprüche betreffend die HADEP Mitgliedschaft im erstinstanzlichen und im Berufungsverfahren gab der Beschwerdeführer lediglich an, es täte ihm leid, so ungenau geantwortet zu haben.

 

Ebenso widersprüchlich waren die Angaben des Beschwerdeführers zu einem Vorfall "im Winter 1991" im Hinblick auf die Angaben seines Neffen O.S. (UBAS Zahl: 260.866/0-XIV/39/05). Der Neffe hat in seinem Verfahren angegeben, dass der Vorfall - gemeint ist das Stürmen des Hauses von Verwandten des Beschwerdeführers wegen eines Mieters des Hauses - im Jahr 1997 und nicht im Jahr 1991 gewesen sei; sein Onkel (= der Beschwerdeführer) müsse sich irren. Zu diesem Widerspruch und betreffend das vom Neffen des Beschwerdeführers vorgelegten Schreiben der Sicherheitsdirektion Istanbul vom 00.00.1992, wonach dieser Vorfall 2002(!) stattgefunden habe, befragt, gab der Beschwerdeführer lediglich an, dass es sein könne, dass dieses Schreiben erst 2002 ausgestellt worden sei.

 

Aber auch zum Vorbringen des Bruders des Beschwerdeführers, O.H., betreffend den Vorfall aus dem Jahr 1991 finden sich Widersprüche. So hat der Beschwerdeführer im Rahmen seiner erstinstanzlichen Einvernahme angegeben, dass im Zuge der Auseinandersetzung zwischen der Polizei und dem Mieter im Erdgeschoß der Beschwerdeführer, seine Mutter und seine jüngere Schwester auf die Polizeidienststelle mitgenommen worden seien. Seine Mutter und seine Schwester seien noch am gleichen Tag freigelassen worden; er habe 20 Tage in Haft bleiben müssen. Der Bruder des Beschwerdeführers gab hingegen in seinem eigenen Verfahren (UBAS Zahl: 242.172/0-XIV/39/03) im Rahmen der Berufungsverhandlung an, bei diesem Vorfall im Jahr 1991 seien H., E. und die Mutter mitgenommen worden.

 

Im Gesamtzusammenhang betrachtet ist das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen aufgrund der eklatanten Widersprüche, die der Berufungswerber nicht aufklären konnte, als unglaubwürdig zu werten.

 

Zur Lage der Kurden in der Türkei und zur Rückkehr abgelehnter Asylwerber wird festgestellt:

 

Ungefähr ein Fünftel der Gesamtbevölkerung der Türkei von 70 Millionen - also ca. 13-14 Millionen Menschen - (zumindest teilweise) ist kurdischstämmig. Im Westen der Türkei und an der Südküste leben die Hälfte bis annähernd zwei Drittel von ihnen: ca. 3 Mio. im Großraum Istanbul, 2-3 Mio. an der Südküste, 1 Mio. an der Ägäis-Küste, 1 Mio. in Zentralanatolien gegenüber ca. 6 Mio. in der Ost- und Südost-Türkei, wo sie in einigen Gebieten die Bevölkerungsmehrheit bilden. Kurden leben auch im Nord-Irak, Iran in Syrien und Georgien. Nur ein Teil der kurdisch-stämmigen Bevölkerung in der Türkei ist auch einer der kurdischen Sprachen mächtig. Allein aufgrund ihrer Abstammung sind und waren türkische Staatsbürger kurdischer und anderer Volkszugehörigkeit nie staatlichen Repressionen unterworfen. Auch über erhöhte Strafzumessung in Strafverfahren ist nichts bekannt. Aus den Ausweispapieren, auch aus Vor- oder Nachnamen, geht in der Regel nicht hervor, ob ein türkischer Staatsbürger kurdischer Abstammung ist. Die meisten Kurden sind in die türkische Gesellschaft integriert, viele auch assimiliert. In Parlament, Regierung und Verwaltung sind Kurden ebenso vertreten wie in Stadtverwaltungen, Gerichten und Sicherheitskräften. Ähnlich sieht es in Industrie, Wissenschaft, Geistesleben und Militär aus. Auch Innenminister Aksu z.B. ist kurdischer Abstammung. Er hat Reden auf kurdisch gehalten, allerdings nicht bei offiziellen Anlässen.

 

Die Tatsache, dass "Separatismus" und "Mitgliedschaft in einer bewaffneten Bande" kurdischstämmigen Türken weit öfter als anderen Türken vorgeworfen wurden, liegt daran, dass Verbindungen mit und Unterstützung der Terrororganisation PKK/KONGRA-GEL sich nahezu ausschließlich aus kurdischstämmigen Kreisen rekrutierte.

 

Türkische Regierungen versprechen seit langem, die wirtschaftliche und soziale Lage des in weiten Teilen noch semifeudal strukturierten und wenig entwickelten Südostens zu verbessern.

 

Nach offiziellen Angaben sind bis Mai 2004 ca. 124.000 Personen von insgesamt etwa 350.000 Vertriebenen in die angestammten Dörfer zurückgekehrt. Menschenrechts-organisationen, z.B. Human Rights Watch, schätzt die Zahl der Vertriebenen auf bis zu zwei Millionen und geht von geringeren Rückkehrerzahlen als die Regierung aus. An einem wirklichen Rückkehrer-Konzept fehlt es nach wie vor. Ohne eine staatliche Anschub-finanzierung wird den meisten der in die Städte geflüchteten Menschen eine Rückkehr in die Dörfer nicht möglich sein. Oft fehlt es auch am Willen, in die in beruflicher und privater Hinsicht meist perspektivlosen Dörfer des Südostens zurückzukehren.

 

Kurdisch als Umgangssprache und in Buchveröffentlichungen sowie Printmedien ist keinen Restriktionen ausgesetzt. Der Gebrauch des Kurdischen, d.h. der beiden in der Türkei vorwiegend gesprochenen kurdischen Sprachen Kurmanci und Zaza im "öffentlichen Raum", das heißt z.B. im Schriftverkehr mit Behörden ist noch eingeschränkt. Das Reformpaket vom 03.08.2002 hatte bereits das Verbot von Rundfunk- und Fernsehsendungen auf Kurdisch aufgehoben (der Gebrauch im Radio wurde damals schon toleriert). Sendungen in kurdischer und anderen "Sprachen und Dialekten, die in der Türkei üblicherweise gesprochen werden" - so der Wortlaut - sind damit zugelassen; ihre Zulassung steht jedoch unter dem Vorbehalt, dass sie nicht im Widerspruch zu den Grundprinzipien der Verfassung stehen und nicht gegen "die unteilbare Einheit des Staates mit seinem Land und seiner Nation" gerichtet sein dürfen. Nach einem sehr schwierigen Implementierungsprozess mit einigen Rückschlägen werden seit Juni 2004 - also 22 Monate nach Schaffung der gesetzlichen Voraussetzungen - im staatlichen Fernsehen TRT in der Sendung "Kültürel Zenginligimiz" ("Unser kultureller Reichtum") wöchentlich je eine halbe Stunde in Bosnisch, Arabisch und Tscherkessisch sowie in Kurmanci und Zaza ausgestrahlt. Es sind jedoch nur Nachrichten, Musik und Kulturprogramme gestattet, türkische Untertitel bzw. Übersetzungen auf Türkisch sind Pflicht. Nur überregionale Sender dürfen Sendungen in diesen Sprachen ausstrahlen. Attraktiver für die kurdische Bevölkerung im Südosten sind die von Sendern in Europa und Nordirak ausgestrahlten Sendungen in kurdischen Sprachen.

 

Das Reformpaket vom 03.08.2002 erlaubte mit der Änderung des Gesetzes über den Fremdsprachenunterricht, dass in privaten Lehreinrichtungen Kurse in diesen "Sprachen und Dialekten" abgehalten werden. Ebenfalls nach erheblichen Implementierungs-schwierigkeiten werden seit April 2004 Kurdischkurse an privaten Lehrinstituten angeboten; mittlerweile finden diese Kurse in vielen türkischen Großstädten statt. Die Nachfrage bleibt jedoch hinter den Erwartungen zurück. Kurdischunterricht und Unterricht in kurdischer Sprache an Schulen sind nach wie vor verboten. Nach dem Parteiengesetz sind öffentliche Reden von Politikern in einer anderen als der türkischen Sprache noch immer verboten.

 

Die Vergabe kurdischer Vornamen unterlag bis 2003 Restriktionen. Behördlicherseits wurde das Vergeben kurdischer Vornamen früher als politische Einflussnahme der PKK/KADEK gedeutet. Das Reformpaket vom 19.06.2003 änderte das Personenstandsgesetz dahingehend, dass nur noch Vornamen verboten sind, die gegen die "Moral und öffentliche Ordnung" verstoßen; Verbote wegen Verstoßes gegen "nationale Kultur, Traditionen und Gebräuche" sind nicht mehr vorgesehen. In der Praxis ist damit die Vergabe von kurdischen, aber auch anderen, ausländischen Vornamen erlaubt. Ein Runderlass des türkischen Innenministeriums weist daraufhin, dass die nur im Kurdischen, nicht jedoch im offiziellen türkischen Alphabet vorhandenen Buchstaben w, x und q bei der Namensvergabe nicht zulässig sind und ins Türkische transkribiert werden müssen. Als Folge sind auch Gerichtsverfahren zu dieser Problematik anhängig.

 

Dem traditionellen kurdischen "Nevroz-Fest" (Neujahr am 21. März), das die kulturelle Identität der Kurden jedes Jahr symbolhaft besonders sichtbar macht, standen die türkischen Sicherheitskräfte jahrelang besonders misstrauisch gegenüber. Die Nevrozfeste 2003 und 2004 verliefen in einer entspannten Atmosphäre der Toleranz auch unter Beteiligung offizieller Stellen, ganz im Gegensatz zu Nevroz-Feiern in einigen der Vorjahre, bei denen es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen und Festnahmen kam. Ministerpräsident Erdogan bezeichnete das Nevroz-Fest in einer Erklärung als wichtigen Faktor, der "den Zusammenhalt der Nation stärke".

 

Einreisekontrollen:

 

Bei der Einreise in die Türkei hat sich jeder, auch Abgeschobene wie abgelehnte Asylbewerber und Zurückgeschobene, gleich welcher ethnischen Zugehörigkeit, einer Personenkontrolle zu unterziehen. Türkische Staatsangehörige, die ein gültiges türkisches, zur Einreise berechtigendes Reisedokument besitzen, können die Grenzkontrolle normalerweise ungehindert passieren. In Fällen von Rückführungen gestatten die türkischen Behörden nach einer strengeren Anwendung der bestehenden Regelungen die Einreise neuerdings nur mit türkischen Reisepass oder Passersatzpapier.

 

Behandlung Abgeschobener nach ihrer Rückkehr in die Türkei:

 

Ist der türkischen Grenzpolizei bekannt, das es sich um eine abgeschobene Person handelt, wird diese nach Ankunft in der Türkei einer Routinekontrolle unterzogen, die einen Abgleich mit dem Fahndungsregister nach strafrechtlich relevanten Umständen und eine eingehende Befragung beinhalten kann. Abgeschobene können dabei in den Diensträumen der jeweiligen Polizeiwache vorübergehend zum Zwecke einer Befragung festgehalten werden. Gleiches gilt, wenn jemand keine gültigen Reisedokumente vorweisen kann oder aus seinem Reisepass ersichtlich ist, dass er sich ohne Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland aufgehalten hat. Die Einholung von Auskünften kann je nach Einreisezeitpunkt und dem Ort, an dem das Personenstandsregister geführt wird, einige Stunden dauern. In neuerer Zeit wurde dem Auswärtigen Amt nur ein Fall bekannt, in dem eine Befragung bei Rückkehr länger als mehrere Stunden dauerte. (So die vom BT-Petitionsausschuss übermittelten Falldarstellungen nach freiwilliger Ausreise einer kurdischstämmigen Familie, die kurz vor Abschiebung stand und wiederholt über mehrer Tage befragt wurde).

 

Besteht der Verdacht einer Straftat (z.B. Passvergehen, illegale Ausreise), werden strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet. Wehrdienstflüchtige haben damit zu rechnen, gemustert und ggf. einberufen zu werden (u.U. nach Durchführung eines Strafverfahrens). Es sind mehrere Fälle bekannt geworden, in denen Suchvermerke zu früheren Straftaten oder über Wehrdienstentziehung von den zuständigen türkischen Behörden versehentlich nicht gelöscht worden waren, was bei den Betroffenen zur kurzzeitigen Ingewahrsamnahmen bei Einreise führte.

 

Das Auswärtige Amt ist in den vergangenen Jahren Fällen, in denen Behauptungen von Misshandlung oder Folter in die Türkei abgeschobener Personen (vor allem abgelehnter Asylwerber) konkret vorgetragen wurden, im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten durch seine Auslandsvertretungen stets überprüft. Dem Auswärtigen Amt ist seit fast vier Jahren kein einziger Fall bekannt geworden, in dem ein aus der Bundesrepublik Deutschland in die Türkei zurückgekehrter abgelehnter Asylwerber im Zusammenhang mit früheren Aktivitäten gefoltert oder misshandelt wurde. In den letzten beiden Jahren wurde kein Fall an das Auswärtige Amt zur Überprüfung mit der Behauptung herangetragen, dass ein abgelehnter Asylbewerber nach Rückkehr misshandelt worden sei. Auch die türkischen MR-Organisationen haben explizit erklärt, dass aus ihrer Sicht diesem Personenkreis keine staatlichen Repressionsmaßnahmen drohen. Das Auswärtige Amt geht deshalb davon aus, dass bei abgeschobenen Personen die Gefahr einer Misshandlung bei Rückkehr in die Türkei nur aufgrund von vor der Ausreise zurückliegender wirklicher oder vermeintlicher Straftaten auch angesichts der durchgeführten Reformen und der Erfahrungen der letzten Jahre in diesem Bereich äußerst unwahrscheinlich ist. Misshandlung oder Folter allein aufgrund der Tatsache, dass ein Asylantrag gestellt wurde, werden ausgeschlossen.

 

(Quelle: Bericht des deutschen auswärtigen Amtes vom 03.05.2005 über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Türkei, Stand Feber 2005)

 

Zur Lage der Aleviten in der Türkei wird festgestellt:

 

99 % der türkischen Staatsbürger sind Muslime. Die überwiegende Mehrheit (etwa 80 %) sind Sunniten. Rund 20 % der Bürger sind Aleviten, die der schiitischen Richtung zuzurechnen sind. Yeziden und Christen haben in den zurückliegenden Jahren zum großen Teil das Land verlassen und machen heute deutlich weniger als 1 % der Bevölkerung aus. Noch etwa 25.000 Juden leben in der Türkei, überwiegend in Istanbul.

 

Die Religionszugehörigkeit wird in der Türkei statistisch nicht erfasst; es gibt daher keine verlässlichen Angaben zur Stärke der einzelnen Glaubensgruppen. Der Eintrag der Religion in Ausweispapieren, bislang im türkischen Personalausweis unter "Dini" vermerkt, soll im Zuge der Anpassung an EU-Recht künftig entfallen.

 

Etwa 20 % (nach anderen Quellen 25 %) der türkischen Bevölkerung, (etwa 14,5 - 18 Millionen Einwohner) gehören heute dem zur schiitischen Richtung des Islam gerechneten Alevitentum an. Die Aleviten sind türkische, arabische und kurdische Volkszugehörige und eine rein konfessionelle Gruppe innerhalb des Islam.

 

Das traditionelle alevitische Siedlungsgebiet erstreckt sich in einem breiten Gürtel von Kars im Nordosten der Türkei über Tunceli, Kahramanmaras bis Hatay. Allerdings leben heute zahlreiche Aleviten aus diesem Siedlungsgebiet in den Städten im Westen und Süden des Landes. Besonders viele Aleviten leben in den Provinzen Sivas und Tunceli. In der Stadt Tunceli sind deshalb auch keine Frauen mit Kopftüchern zu sehen.

 

Unter der kurdischen Bevölkerung in der Türkei soll es etwa 30 % Aleviten geben.

 

Die Aleviten haben in der Türkei keinen rechtlichen Status und werden vom Amt für religiöse Angelegenheiten als Konfession nicht anerkannt. Mittels Kulturstiftungen und -vereinen versuchen sie sich zu organisieren und ihre Glaubenslehre und Kultur zu pflegen, z.B. als "Haci Bektas Veli Kültür Dernekleri" in Ankara oder als "Alevi-Bektasi Egitim ve Kültür Vakfi" in Istanbul. 2003 schlossen sich ca. 400 alevitische Vereine in der "Alevi Bektasi Federasyonu" (Alevitisch-Bektaschitische Föderation, ABF) zusammen. Einige Alevitenvereinigungen sind auch unter dem Dach der CEM-Vakfi (CEM-Stiftung) organisiert. Nicht selten werden die Aktivitäten dieser Vereine durch bürokratische Hürden erschwert.

 

Forderungen nach Anerkennung der Aleviten als Minderheit kommen meist aus dem Ausland. Die Aleviten in der Türkei verwahren sich selbst gegen die Klassifizierung als "Minderheit".

 

Aleviten sind nicht an konkreten Merkmalen erkennbar. Allenfalls lassen manche Verhaltensweisen die alevitische Religion vermuten (kein Fasten während des Ramadam, kein Besuch einer Moschee, modernes "westliches" Outfit bei Alevitinnen u.ä.). Aleviten werden weder von den Sunniten noch von den Schiiten als rechtgläubige Muslime anerkannt. Obwohl die Türkei ein säkularer Staat ist, wird - unausgesprochen - meist nur der sunnitische Islam als rechtgläubig akzeptiert. Aleviten gelten wie Schiiten und Yeziden als suspekte Minoritäten. Selbst bei kurdischstämmigen Aleviten dominiert bei der Gruppenidentifizierung häufig die religiöse Zugehörigkeit gegenüber der ethnischen oder ist ein gleichrangiges Identitätskriterium.

 

Schwere gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Aleviten und Sunniten wie im Dezember 1978 in Kahramanmaras, am 2. Juli 1993 in Sivas und am 12. März 1995 in Gaziosmanpasa/Istanbul mit zahlreichen Todesopfern unter Aleviten hatten nicht einen rein religiösen Hintergrund. Sie haben sich seit 1995 auch nicht wiederholt. Die blutigen Auseinandersetzungen zwischen Aleviten und Sunniten scheinen heute fast vergessen. Doch die politisch-religiöse Polarisierung existiert nach wie vor, wenn derzeit auch latent. Das Zusammenleben von Aleviten und Sunniten wirkt vor allem dann in den Städten polarisierend, wenn Arbeitslosigkeit und eine ungewohnte soziale und ethnische Nachbarschaft belasten. Die Neigung der Aleviten zu einer eher linken politischen Haltung lässt deshalb Aleviten in den Augen national eingestellter Sunniten oft undifferenziert als "Kommunisten" erscheinen.

 

Die von einem säkularen Staat erwartete neutrale Haltung gegenüber allen Glaubensrichtungen findet im türkischen Laizismusverständnis keinen Niederschlag.

 

Viele Aleviten sehen sich neben der Diskriminierung durch die sunnitische Mehrheitsgesellschaft einer subtilen Diskriminierung durch die Behörden ausgesetzt. Beklagt wird dies insbesondere im schulischen und beruflichen Bereich. Der obligatorische Religionsunterricht in den Schulen stellt in so weit für die Aleviten eine Diskriminierung dar, da er der sunnitischen Glaubensrichtung entspricht und der alevitischen Religion in den Lehrinhalten in keiner Weise Rechnung trägt.

 

Doch Anfang Mai 2006 entschied das 5. Verwaltungsgericht Istanbul auf Antrag einer alevitischen Familie, dass die Schulbehörde ihr Kind von dem obligatorischen Religionsunterricht befreien solle. Damit hat erstmalig ein türkisches Gericht die Religionsfreiheit höher bewertet als die geltende türkische Verfassung von 1982. Nach Art. 24 der türkischen Verfassung sind alle schulpflichtigen Kinder verpflichtet, den einheitlichen Religionsunterricht zu besuchen, der ausschließlich sunnitisch-islamische Inhalte vermittelt und Bekenntnischarakter hat. Ihre Klage begründeten die Eltern damit, dass dieser Unterricht keine alevitischen Glaubensinhalte behandle und damit gegen die Religionsfreiheit verstoßen würde. Das 5. Verwaltungsgericht gab den Eltern Recht.

 

In einem ähnlichen Fall einer anderen alevitischen Familie, in dem es auch um den obligatorischen Religionsunterricht geht, ist der nationale Rechtsweg erschöpft und die Angelegenheit ist nunmehr beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte rechtshängig.

 

Einem Pressebericht zufolge verstößt nach einer Entscheidung des "Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte" (EGMR) der allgemeine Religionsunterricht in der Türkei, der sowohl für sunnitische als auch für alevitische Schulkinder erteilt wird, gegen die Religions- und Gewissensfreiheit (§ 9 der Europäischen Menschenrechtskonvention). In dem Beschluss des EGMR, der im Herbst veröffentlicht werden soll, werde darauf hingewiesen, dass mit der bisherigen Regelung das Recht auf Unterweisung in der jeweils eigenen Religion unterbunden werde.

 

Der Vorsitzende des türkischen Direktorats für Religiöse Angelegenheiten (Diyanet), Bardakoglu, sprach sich in einer Stellungnahme gegen Unterstützung für die Gebetshäuser der Aleviten ("Cem evi") aus. Für die Versammlungsorte der Aleviten habe die Regierung keine Finanzmittel vorgesehen. Es handele sich bei den "Cem-Häusern" (Versammlungsstätte) weniger um Gebetshäuser als um mystische Einrichtungen.

 

Während Moscheen als Orte der Glaubensausübung von Strom- und Wasserkosten befreit sind, besteht eine solche Regelung nicht für alevitische Gebetshäuser. Letztere bezeichnen wiederum eine solche Vorgehensweise als Diskriminierung und fordern ebenfalls eine Befreiung von solchen Unkosten.

 

Bei der Vergabe von Arbeitsplätzen, vor allem im öffentlichen Dienst, befürchten viele Aleviten Behinderungen im beruflichen Vorwärtskommen, vor allem in hohe Positionen und verschleiern ihre Religionsausrichtung (takiyye).

 

Der Bau von Moscheen in alevitischen Dörfern und die obligatorische Teilnahme alevitischer Kinder am Religionsunterricht in der Schule wird von den Aleviten als "schleichende Sunnitisierung" angeprangert. Das Amt für Religiöse Angelegenheiten (Diyanet) bezweifelte früher, dass es sich bei Aleviten um Muslime handele, propagierte und propagiert heute aber, dass es eigentlich gar keine Unterschiede zwischen Alevitentum und Sunnitentum gäbe. Die Aleviten sehen sich nicht nur mit einer gewissen Ignoranz und Geringschätzung konfrontiert, sondern auch mit der Gefahr, vom sunnitischen Islam vereinnahmt zu werden.

 

Aleviten beklagen auch administrative Behinderungen beim Bau neuer Gebetshäuser ("Cemevi") unter nach ihrer Einschätzung nicht nachvollziehbaren Begründungen.

 

Da Aleviten außerhalb der Organisationsstruktur des Diyanet stehen, ist es z.B. auch nicht möglich, Cem-Häuser genauso wie sunnitische Moscheen aus dem entsprechenden staatlichen Etat zu finanzieren oder zu bezuschussen. Allerdings erhielten alevitische Organisationen wie die o.g. CEM-Stiftung durchaus schon staatliche Zuschüsse aus anderen Etats.

 

Der "Country Reports on Human Right Practices in Turkey" von 2005 berichtet in dem Abschnitt "Freedom of Religion" nichts über weitergehende Beeinträchtigungen von Aleviten.

 

(Quelle: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Informationszentrum Asyl und Migration, Religionsfreiheit in der Türkei, Analyse und Bewertung der Situation nicht-sunnitischer Glaubensgemeinschaften in der Türkei, August 2006, Seiten 3 bis 8)

 

Ferner hat das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfahlen bereits mehrfach ausgesprochen, dass eine staatliche oder dem türkischen Staat zuzurechnende Gruppenverfolgung der Aleviten in Anknüpfung an ihre Religionszugehörigkeit nach ständiger Rechtsprechung des Senates nicht statt. Im Urteil vom 27.06.2002, 8 A 4782/99 A, wird diesbezüglich ausgeführt, dass die Aleviten die größte muslimische Minderheit in der Türkei sind. Abweichend von den sunnitischen Muslimen praktizieren sie weder das fünfmalige tägliche Gebet gen Mekka noch halten sie den Fastenmonat Ramadan ein oder pilgern nach Mekka. Sie sind nicht an ein Alkoholverbot gebunden; Männer und Frauen beten gleichberechtigt gemeinsam. Aleviten finden sich sowohl unter den kurdischen als auch unter den türkischen Volkszugehörigen. Sie leben in der gesamten Türkei mit Schwerpunkten in Istanbul, im Küstengebiet von Antalya und Iskenderun, Adana, Tarsus und Mersin. Türkische Aleviten leben in Corum, Amasya, Tokat und Yozgar, kurdische Aleviten in Sivas, Erzincan, Tunceli, Elazig, Malatya und Kahramanmaras. Nach Schätzungen sind 99% der türkischen Bevölkerung moslemischen Glaubens, von denen etwa 20 bis 30 % der alevitischen Glaubensrichtung angehören. Schätzungen reichen von 12 bis 20 Millionen; zuverlässige Zahlen fehlen indessen, da der türkische Staat die Aleviten nicht als eigenständige Religionsgemeinschaft, sondern als dem sunnitischen Islam verwandte Strömung ansieht und sie deshalb nicht statistisch erfasst. Die Eintragung der Religionszugehörigkeit in den Personalausweis unterscheidet nicht zwischen Aleviten und sunnitischen Muslimen.

 

Auch wenn die Aleviten ihre Religion entsprechend der Gewährleistung in Art. 24 der türkischen Verfassung weit gehend unbehindert ausüben können, sehen sie sich aufgrund des Fehlens einer eigenen Rechtspersönlichkeit doch schwerwiegenden - ihrer Art und Intensität nach aber nicht asylerheblichen - bürokratischen Hemmnissen ausgesetzt. So können sie Grundeigentum, etwa zur Errichtung von Gebetshäusern (Cemevleri, Cem-Häuser), allenfalls über Kulturstiftungen und -vereine erwerben; dies dürfte aufgrund der jüngsten Änderungen des Vereinsrechts einfacher werden. Probleme ergeben sich auch bei der Ausbildung von Geistlichen sowie bei der Erteilung von Unterricht. Der religiöse Pflichtunterricht an den staatlichen Schulen berücksichtigt nichtsunnitische Bekenntnisse nicht. Bemühungen alevitischer Organisationen um Einbeziehung alevitischer Inhalte in die Curricula der staatlichen Schulen sind an dem durch das Erziehungsministerium vertretenen Argument gescheitert, es handle sich dabei um eine Form von religiösem Separatismus. Insoweit ist ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anhängig.

 

Die Aleviten selbst unterstützen den von Atatürk begründeten türkischen Laizismus und fordern eine echte Trennung von Staat und Religion; traditionell neigen sie dazu, sich liberalen und links gerichteten politischen Parteien und Strömungen anzuschließen. Auch wegen ihrer politischen Orientierung sehen sich Aleviten deshalb leicht dem Verdacht staatsfeindlichen Gesinnung ausgesetzt.

 

Von radikalen Sunniten werden die Aleviten sogar als Abtrünnige angesehen, und auch die rechtsgerichteten und rechtsradikalen Kräfte in der Türkei begegnen ihnen mit Feindschaft. So ist es in den vergangenen Jahrzehnten mehrfach zu gewalttätigen Übergriffen auf Aleviten gekommen, ohne dass die Sicherheitskräfte mit dem nötigen Nachdruck eingegriffen hätten, nämlich in den Jahren 1967 und 1993 in Sivas, im Jahr 1978 in Kahramanmaras und Corum und zuletzt im Jahr 1995 in Istanbul.

 

Derartige gewalttätige Ausschreitungen gegenüber Aleviten oder anderen religiösen Minderheiten haben sich in den zurückliegenden Jahren indessen nicht wiederholt.

 

Überdies erreichten die erwähnten Vorfälle zu keiner Zeit ein solches Ausmaß und - auch unter Berücksichtigung anderer weniger gravierender Ausschreitungen - eine solche Häufigkeit, dass angesichts der Größe der betroffenen Bevölkerungsgruppe davon auszugehen wäre, Aleviten müssten in der Türkei mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit asylerheblichen Verfolgungsmaßnahmen staatlicher Organe oder ihnen zuzurechnender Übergriffe anderer Bevölkerungsgruppen rechnen.

 

(Quelle: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfahlen vom 27.06.2002, 8 A 4782/99 A, und die dort angeführten Quellen)

 

Rechtlich ist auszuführen:

 

Gemäß § 7 AsylG hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Artikel 1 Abschnitt A Ziffer 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Artikel 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Im Sinne des Artikel 1 Abschnitt A Ziffer 2 Genfer Flüchtlingskonvention vom 28.07.1951, BGBl. Nr. 55/1955 i.V.m.

Artikel 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 31.01.1967, BGBl. Nr. 78/1974, ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und sich nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

 

Zentraler Aspekt der in Artikel 1 Abschnitt A Ziffer 2 Genfer Flüchtlingskonvention definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH vom 06.12.1999, Zl. 99/01/0279, mwN).

 

Wie bereits ausgeführt war den Angaben des Beschwerdeführers aufgrund von eklatanten und nicht nachvollziehbaren Widersprüchen in wesentlichen Punkten seiner Fluchtgründe die Glaubwürdigkeit abzusprechen. Probleme wegen der Inhaftierung und Verurteilung von vermeintlich zwei Verwandten des Beschwerdeführers wurden nicht vorgebracht. Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr erheblichen Beeinträchtigungen seiner körperlichen und seelischen Unversehrtheit, seiner Freiheit und seines Lebens von staatlicher Seite ausgesetzt gewesen wäre, haben sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers nicht ergeben. Ferner wird auf die obigen Feststellungen betreffend Aleviten in der Türkei verwiesen, denenzufolge Aleviten unter Umständen zwar Beeinträchtigungen in bürokratischer Hinsicht ausgesetzt werden könnten, diese jedoch in keinem Fall von asylrechtlich relevanter Intensität sind.

 

Ist ein Asylantrag abzuweisen, hat die Behörde gemäß § 8 AsylG von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist (§ 57 Fremdengesetz 1997; nunmehr § 50 FPG 2005); diese Entscheidung ist mit der Abweisung des Asylantrages zu verbinden.

 

Nach den gesetzlichen Bestimmungen des Fremdenrechts ist eine Zurückweisung, die Hinderung an der Einreise, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Artikel 2 EMRK, Artikel 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

 

Gemäß § 50 Abs. 2 und 4 FPG ist die Zurückweisung, Zurückschiebung, oder - mit einer für den vorliegenden Fall nicht in Betracht kommenden Einschränkung - Abschiebung Fremder in einen Staat oder die Hinderung an der Einreise aus einem Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Artikel 33 Z 1 Genfer Flüchtlingskonvention).

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat ein Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (vgl. VwGH vom 26.06.1997, Zl. 95/18/1291; vom 17.07.1997, Zl. 97/18/0336 und vom 05.04.1995, Zl. 93/18/0289 ua). Die Mitwirkungspflicht des Asylwerbers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in seiner Sphäre gelegen sind, und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (vgl. VwGH vom 30.09.1993, Zl. 93/18/0214). Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen, die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Artikels 3 EMRK zu gelangen. Die bloße Möglichkeit einer die in Artikel 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenen Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 57 FrG als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (vgl. VwGH vom 27.02.2001, Zl. 98/21/0427 sowie VwGH vom 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028).

 

Wie bereits ausgeführt, gelang es dem Beschwerdeführer nicht, eine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention darzutun. Es kann auch nicht erkannt werden, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in die Türkei dort die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Artikels 3 EMRK überschritten wäre, zumal sich seine Ehefrau, seine drei Kinder und seine Mutter nach wie vor an seiner Heimatadresse aufhalten und sieben Geschwister des Beschwerdeführers in der Türkei leben. Es wäre ihm daher bei einer Rückkehr in die Türkei möglich, die existenziellen Grundbedürfnisse wie Nahrung und Unterkunft - zumindest für die Dauer der Arbeitssuche - zu erfüllen.

 

Betreffend eine Rückkehr des Beschwerdeführers in sein Heimatland ist weiters auszuführen, dass die Tatsache der Asylantragstellung keine Verfolgung zur Folge hat. Ferner verfügt der Beschwerdeführer über einen türkischen Personalausweis, ausgestellt am 00.00.1998 in G., welcher es ihm - wie sich aus den obigen Länderfeststellungen ergibt - ermöglicht, problemlos wieder in die Türkei einzureisen.

 

Im gesamten Vorbringen des Beschwerdeführers haben sich keine Anhaltspunkte für ein Vorliegen einer der beiden Tatbestandsvoraussetzungen des § 50 FPG ergeben. Insgesamt gesehen ist es dem Beschwerdeführer sohin nicht gelungen, eine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention darzutun. Zumal sich auch keine Anhaltspunkte für ein Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 50 FPG ergeben haben - auch unter Beachtung der jüngsten Geschehnisse in Istanbul - und solche auch nicht begründet vom Beschwerdeführer vorgebracht wurden, war spruchgemäß zu entscheiden.

 

Das Verfahren war gemäß der Bestimmung des § 75 Abs. 1 AsylG idF BGBl. I Nr. 100/2005, des § 75 Abs. 7 Z 1 AsylG 2005 idF BGBl I Nr. 4/2008 und der Bestimmung des § 23 Asylgerichtshofgesetz, BGBl I Nr. 4/2008, zu führen.

Schlagworte
Diskriminierung, Glaubwürdigkeit, Intensität, Lebensgrundlage, non refoulement, Religion, soziale Verhältnisse, Volksgruppenzugehörigkeit
Zuletzt aktualisiert am
05.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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