TE AsylGH Erkenntnis 2008/08/06 C1 242172-0/2008

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Veröffentlicht am 06.08.2008
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Spruch

C1 242172-0/2008/6E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Fischer-Szilagyi als Einzelrichterin über die Beschwerde des O.H., geb. 00.00.1967, StA. Türkei, vom 18.09.2003 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 08.09.2003, FZ. 02 33.125-BAL, zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 7, 8 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idgF (AsylG), abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

Mit angefochtenem Bescheid wurde der Asylantrag des nunmehrigen Beschwerdeführers vom 14.11.2002 gemäß § 7 AsylG abgewiesen und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Türkei gemäß § 8 AsylG für zulässig erklärt. In der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides wurde einerseits das Vorbringen des Berufungswerbers als nicht glaubwürdig gewertet und andererseits wurde ausgeführt, dass es an einem zeitlichen Konnex zwischen dem Ausreisedatum und den geschilderten Vorfällen zwischen den Jahren 1991 und 2001 fehle.

 

Hiegegen wurde das Rechtsmittel der Berufung eingebracht und der erstinstanzliche Bescheid zur Gänze angefochten.

 

Im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung am 21.08.2007, welche gemeinsam mit jener des Bruders des Beschwerdeführers (UBAS Zahl: 240.982/0-XIV/39/03) geführt wurde und zu welcher die Erstbehörde keinen Vertreter entsandte, gab der Beschwerdeführer Folgendes zu Protokoll:

 

"VL: Wie geht es Ihnen?

 

BW2: Gut.

 

VL: Wo und wann wurden Sie geboren?

 

BW2: 1967 in Adana, im Dorf A..

 

VL: Wie lange waren Sie dort aufhältig?

 

BW2: Von 1978 bis 1984 bin ich immer von Istanbul ins Dorf gefahren und habe dort gelebt.

 

VL: Erklären Sie das bitte näher.

 

BW2: 1978 habe ich zum 1. Mal mein Dorf verlassen. Damals war ich noch ein Kind. Wir sind nach Istanbul gegangen, aber wir haben die Verbindung zu unserem Dorf nicht abgebrochen, sondern sind immer wieder ins Dorf zurückgefahren.

 

VL: Wo haben Sie sich in Istanbul aufgehalten?

 

BW2: Endgültig niedergelassen habe ich mich 1984 in Istanbul.

 

VL: Wie lange waren Sie dort aufhältig?

 

BW2: Nach dem Wehrdienst bin ich wieder nach E. zurückgekommen und habe es 1987 verlassen.

 

VL: Von wann bis wann haben Sie also wo gelebt, bis zu Ihrer Ausreise?

 

BW2: Bis 1978 habe ich in meinem Dorf gelebt, wobei ich immer wieder nach Istanbul gefahren bin. Ich habe mich dann 1984 in E. niedergelassen und lebte bei meinem Bruder. 1987 bin ich zum Wehrdienst gegangen. 1989 bin ich zurückgekehrt. Nach meiner Rückkehr habe ich in B. in einem Restaurant gearbeitet. Bis 1994 habe ich dort gearbeitet. Dann bin ich wieder in mein Dorf zurückgegangen. Dann habe ich meine Frau kennen gelernt. Wir haben zwar 1994 begonnen, zusammenzuleben, aber die standesamtliche Eheschließung erfolgte 1995. Ich hatte meine Verbindung zum Restaurant nicht aufgegeben und habe noch bis 1996 in diesem Restaurant gearbeitet und bekam immer wieder Urlaub, um in mein Dorf zu fahren. Dann bin ich 1996 nach K. gefahren und lebte bis zu meiner Ausreise am 10.11.2002 dort.

 

Vorgehalten wird der Widerspruch in der Aussage betreffend Wehrdienst und Aufenthalt in E..

 

BW2: Ich bitte um Entschuldigung, vielleicht habe ich mich in den Daten geirrt. Ich habe bis 1986 in E. gelebt. Ich habe nach dem Wehrdienst zwar in in B. gearbeitet, aber noch in E. gewohnt.

 

VL: Warum haben Sie am 10.11.2002 die Türkei verlassen - gab es einen konkreten Vorfall?

 

BW2: Bis 2001 hatte ich mehrere Vorfälle erlebt. Ich wurde immer wieder ein bis 2 Tage festgehalten. Schließlich kam es zu einem Vorfall, zuletzt im Jahr 2001, als ich mit meiner Frau zu meinem Bruder E. fuhr, nach A.. Zwar habe ich zuvor meine Frau nicht erwähnt, weil es nur um mich ging. Da wurde ich vor den Augen meiner Frau geschlagen.

 

VL: Wann ungefähr 2001?

 

BW2: Es dürfte um den Monat August gewesen sein.

 

VL: Sie waren auf dem Weg nach A.. Von wem wurden Sie geschlagen?

 

BW2: Von Polizisten.

 

VL: Wie ging das vor sich?

 

BW2: Angeblich soll dort jemand im Hungerstreik gewesen sein. Die Gegend, in der links gerichtete Menschen und Aleviten lebten, stand unter Beobachtung der Polizei.

 

VL: Erklären Sie den Vorfall mit der Polizei näher.

 

BW2: Ich war auf der Straße zu Fuß unterwegs. Man hat mich angehalten und nach meinen Personalien gefragt.

 

VL: Wo?

 

BW2: In A., auf dem Weg zu meiner Bruder. Im Bezirk A., ungefähr 500m vom Haus meines Bruders entfernt.

 

VL: Was geschah weiter?

 

BW2: Sie haben mich durchsucht. Auch meine Gattin wurde befragt. Sie haben uns gefragt, woher wir kommen und wohin wir gehen. Als ich sagte, dass ich meinen Bruder, der hier wohnt, besuchen wollte, hat man sofort meinen Ausweis zurückbehalten und hat im Kommissariat angerufen und gemeldet, dass es hier eine verdächtige Person gebe. Ich habe ihn gefragt, was ich verbrochen hätte, und warum er im Kommissariat anrief. Er sagte, ich würde es schon auf dem Kommissariat erfahren, was ich getan hatte. Ich wurde mitgenommen und bis zum nächsten Tag festgehalten. Der ausschlaggebende Grund für meinen Entschluss, die Türkei zu verlassen, war, dass sie mich vor den Augen meiner Frau geschlagen haben.

 

VL: Wo hat man Sie dann einen Tag festgehalten?

 

BW2: Auf dem Kommissariat von L..

 

VL: Was haben Sie gemacht, als Sie wieder freigelassen wurden?

 

BW2: Ich bin nach Hause nach K. gefahren.

 

VL: Haben Sie Kontakt mit Ihrem Bruder aufgenommen?

 

BW2: Ich habe telefonisch mit ihm gesprochen, wobei die Telefone zumeist abgehört wurden.

 

VL: Sie kamen nach Hause und riefen Ihren Bruder an?

 

BW2: Ja. Meine Festnahme war meinem Bruder ohnehin mitgeteilt worden.

 

VL: Sie sagten, es gab einen Hungerstreik - war da Ihr Bruder involviert?

 

BW2: Nein, ich glaube nicht. Ich hatte vorher telefonisch immer Kontakt zu ihm, aber er hatte mit denen nichts zu tun, aber er hat den Leuten geholfen, die im Hungerstreik waren.

 

VL: Wissen Sie, hatte Ihr Bruder jemals Probleme wegen einer solchen Hungerstreikaktion?

 

BW2: Ja, und zwar deshalb, weil er diesen Menschen geholfen hat.

 

VL: Wissen Sie, wann das war?

 

BW2: Nein, ich war nämlich in K. und habe diese Dinge nicht erfahren.

 

VL: Sie haben doch Ihren Bruder gleich angerufen nach der Festnahme, hat er Sie nicht angerufen?

 

BW2: Ich wusste, dass er z.B. Zeitschriften verteilte und bei der HADEP an Versammlungen teilnahm und auch in Cem-Häusern war und bei Hungerstreiks geholfen hat.

 

VL: Einen konkreten Vorfall wissen Sie nicht?

 

BW2: Doch, den Vorfall 1991. Er war auch 10 Tage festgehalten worden.

 

VL: Wann war das?

 

BW2: Das Datum kann ich nicht sagen. Ich glaube, es war 1991. Einmal haben sie meine Mutter, meinen Bruder und mich 1991 mitgenommen. Er war ca. 20 Tage festgehalten. Ich nur 3 Tage.

 

VL: Gerade haben Sie 10 Tage angegeben?

 

BW2: Nicht aufeinmal, dann noch 10 Tage. Nach diesem Vorfall hat er in A. eine HADEP-Mitgliedschaft gehabt. Da wurde er 10 Tage festgehalten.

 

VL: Wann das war wissen Sie nicht?

 

BW2: Genau kann ich es nicht sagen, es könnte 2001 gewesen sein.

 

VL: Es ist unglaubwürdig, dass Sie das nicht wissen, zumal Sie 3 Monate vorher selbst festgehalten wurden und Sie Ihren Bruder sofort darüber informiert haben.

 

BW2: Es war so, dass wir uns über solche Dinge nicht unterhalten konnten. Sobald man sich über derartige Dinge unterhielt, lief man Gefahr, verhaftet zu werden.

 

VL: Gerade haben Sie angegeben, Sie hätten Ihren Bruder sofort angerufen und er hätte es sowieso schon erfahren?

 

BW2: Es war so, dass meine Frau Kontakt zu meinem Bruder aufgenommen hatte und ihm erzählte, was mir widerfahren ist. Ich selbst konnte das nicht.

 

VL: Gab es zwischen dem Vorfall 1991 und dem August 2001 konkret gegen Sie gerichtete Vorfälle?

 

BW2: Nein. Danach habe ich keine Vorfälle erlebt.

 

VL: Was bedeutet "danach"?

 

BW2: Diese Vorfälle haben 1990 begonnen und bis 2001 angehalten.

 

VL: Welche Vorfälle?

 

BW2: Das, worüber ich erzählte.

 

VL: Sie haben angegeben, dass es 1991 einen Vorfall gab und dass sie 2001 festgenommen wurden?

 

BW2: Meine Erlebnisse mit der Polizei begannen 1990 und hielten an bis 2001.

 

VL: Schildern Sie ein konkrete, Sie betreffende Erlebnis.

 

BW2: Meine Probleme mit der Polizei haben 1991 begonnen.

 

VL: Beschränken Sie sich bitte auf Vorfälle zeitnahe zu Ihrer Ausreise.

 

BW2: 1995/1996 hatte ich daran gedacht, das Land zu verlassen. Schließlich meine Erlebnisse 2001 haben meinen Entschluss bestärkt. Schließlich habe ich ja am 10.11.2001 das Land verlassen.

 

BWV: Von diesen Vorfällen, die Sie immer erwähnt haben - richteten sich diese gegen Ihre Person oder Ihre Landsleute?

 

BW2: Man kann in den Medien immer wieder beobachten, was kurdische Menschen erleben und was ihnen widerfährt. Immer wieder haben diese Probleme. Meine Erlebnisse 1990 waren z.B. weil ich Kurdisch gesprochen habe. Irgendjemand hat gehört, dass ich Kurdisch gesprochen habe.

 

VL: Wollen Sie noch etwas angeben?

 

BW2: Ich habe nichts mehr anzugeben, aber ich danke Ihnen, dass Sie sich unserer Probleme annehmen.

 

BWV: Was befürchten Sie bei einer allfälligen Rückkehr in die Türkei?

 

BW2: Wenn ich keine Probleme in der Türkei hätte, wäre ich nicht hierher gekommen. Alle, die alevitisch sind und kurdischer Herkunft, haben in der Türkei Probleme.

 

BWV wiederholt seine Frage.

 

BW2: Man würde mich mind. Für 3 bis 5 Monate ins Gefängnis stecken. Was mir dort passieren würde, kann ich gar nicht abschätzen.

 

BWV: Keine weiteren Fragen."

 

Einsicht wurde genommen in den Akt des Bruders des Beschwerdeführers, O.E., (UBAS Zahl: 240.982/0-XIV/39/03) sowie des Neffen des Beschwerdeführers, O.S., (UBAS Zahl: 260.866/0-XIV/39/05). Einsicht wurde ferner genommen in das vom Neffen in dessen Verfahren vorgelegte Schreiben der Sicherheitsdirektion Istanbul, Abteilung Terrorbekämpfung, vom 18.09.1992.

 

Folgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt wird festgestellt:

 

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Türkei und Angehöriger der Volksgruppe der Kurden sowie der Religionsgemeinschaft der Aleviten, hat sein Heimatland am 10.11.2002 verlassen, ist am 14.11.2002 illegal in Österreich eingereist und hat am selben Tag gegenständlichen Asylantrag gestellt. Er hat seinen Wehrdienst in der Türkei von 1987 bis 1989 in G. A. als Soldat abgeleistet.

 

Er ist verheiratet und Vater von einem Kind. Die Ehefrau sowie der Sohn, die Mutter und sieben Geschwister des Beschwerdeführers leben nach wie vor in der Türkei.

 

In Österreich leben ein Bruder und zwei Neffen des Beschwerdeführers, welche ebenfalls Asylwerber sind und deren Verfahren in der Rechtsmittelinstanz anhängig sind.

 

Der Beschwerdeführer verfügt über einen türkischen Personalausweis, ausgestellt am 00.00.1995 vom Matrikelamt T..

 

Nicht festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer in seinem Heimatland einer asylrechtlich relevanten Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention ausgesetzt war bzw. ist.

 

Es wird nicht festgestellt, dass er im Fall seiner Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Türkei in seinem Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen würde oder von der Todesstrafe bedroht wäre.

 

Der Eindruck der Unglaubwürdigkeit, welchen der Beschwerdeführer bereits im erstinstanzlichen Verfahren hinterlassen hat, hat sich im Rechtsmittelverfahren noch verstärkt, da weitere Widersprüche und Ungereimtheiten aufgetreten sind. Insbesondere ist das Vorbringen des Beschwerdeführers auch im Vergleich zu den Aussagen seines Bruders nicht schlüssig nachvollziehbar. Ferner sind die Angaben des Beschwerdeführers äußerst vage und ungenau, sodass nicht davon auszugehen ist, dass er die beschriebenen Vorfälle tatsächlich erlebt hat.

 

Eingangs der mündlichen Berufungsverhandlung hat sich der Beschwerdeführer bereits im Hinblick auf seine Aufenthaltsorte widersprochen. So gab er zunächst an, er sei nach dem Wehrdienst nach E. zurückgekommen und habe es 1987 verlassen. In der Folge gab er an, er hätte den Wehrdienst von 1987 bis 1989 abgeleistet und sei dann nach B. gezogen. Auf Vorhalt dieser Widersprüche gab er an, er hätte sich in den Daten geirrt und bis 1986 in E. gelebt. Nach dem Wehrdienst hätte er in B. gearbeitet, aber in E. gewohnt.

 

Auch seine Aussagen betreffend den Vorfall um das Stürmen des Hauses eines Bruders des Berufungswerbers, O.A., durch die Sicherheitsdirektion Istanbul sind widersprüchlich. Auffällig ist, dass das vom Neffen des Beschwerdeführers in dessen Verfahren vorgelegte Schreiben der Sicherheitsdirektion Istanbul, Abteilung Terrorbekämpfung mit dem 00.00.1992 datiert ist, sich jedoch auf einen Vorfall vom 00.00.2002 bezieht. Aus diesem Schreiben geht hervor, der Grund für das Stürmen des Hauses lag darin, dass ein Mieter in diesem Haus eine Aktion geplant hatte. Im Zuge dieser Operation wurde von diesem Mieter eine Bombe gegen die Sicherheitskräfte eingesetzt und entstand dadurch großer Schaden. Aufgrund des Schadens und der Sicherstellung von Beweismitteln wurde das Haus geräumt und vorübergehend gesperrt. Im erstinstanzlichen Verfahren hatte der Asylwerber angegeben, der Vorfall sei im Jahr 1997 gewesen. Im Rechtsmittelverfahren gab er das Datum mit 00.00.2002 an, weil es so in dem amtlichen Schreiben stehe. Der Onkel des Beschwerdeführers hatte angegeben, der Vorfall sei im Jahr 1991 gewesen. Darüber hinaus gab der Asylwerber im Rahmen der erstinstanzlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 16.05.2003 an, dass er, sein Bruder E. und seine Mutter von der Polizei mitgenommen worden seien, da es eine Schießerei der Polizei mit einem anderen Mieter gegeben habe. Der Beschwerdeführer und seine Mutter seien am nächsten Tag entlassen worden. Hingegen gab er bei der mündlichen Berufungsverhandlung an, er sei aufgrund des oben angeführten Vorfalls im Jahr 1991 drei Tage lang von der Polizei festgehalten worden. Darüber hinaus widerspricht sein Vorbringen auch jenem seines Bruders, O.E., (UBAS Zahl: 240.982/0-XIV/39/03), der im Rahmen seines eigenen Verfahrens betreffend diesen Vorfall angab, er selbst, seine Mutter und seine jüngere Schwester seien im Jahr 1991 bei der Schießerei der Polizei mit einem Mieter von der Polizei mitgenommen und festgehalten worden. Er erwähnte jedoch weder in der Einvernahme vor dem Bundesasylamt noch in seiner mündlichen Berufungsverhandlung, dass der Beschwerdeführer selbst bei diesem Vorfall anwesend gewesen ist bzw. ebenfalls von der Polizei mitgenommen und festgehalten wurde.

 

Allgemein ist zum Vorbringen des Beschwerdeführers anzuführen, dass dieses äußerst vage und unkonkret ist. Auf die Frage in der mündlichen Berufungsverhandlung, ob es zwischen den Vorfällen im Jahr 1991 und im August 2001 konkret gegen ihn gerichtete Vorfälle gegeben habe, antwortete der Beschwerdeführer mit "Nein. Danach habe ich keine Vorfälle mehr erlebt." Auf die Frage, was "danach" bedeute, gab er an, dass diese Vorfälle 1990 begonnen und bis 2001 angehalten hätten. Auf die Frage, welche Vorfälle dies gewesen seien, gab er an: "Das, worüber ich erzählte." Der Beschwerdeführer war jedoch - abgesehen von den beiden Vorfällen im Jahr 1991 und 2001 - nicht in der Lage, einen der - seinen Angaben zufolge - zahlreichen weiteren Vorfälle näher zu beschreiben. Auf entsprechende Fragen in der mündlichen Berufungsverhandlung gab er lediglich ausweichende Antworten, wie beispielsweise "meine Erlebnisse mit der Polizei begannen 1990 und hielten an bis 2001" oder "meine Probleme mit der Polizei haben 1991 begonnen." Abgesehen davon, dass in diesen beiden Aussagen, welche in der mündlichen Berufungsverhandlung erstattet wurden, ebenfalls ein Widerspruch liegt, war der Beschwerdeführer auch nach mehrmaliger Aufforderung nicht imstande, einen konkreten Vorfall zu schildern. Aufgefordert, sich auf Vorfälle zeitnahe zu seiner Ausreise zu beschränken, gab der Beschwerdeführer lediglich an, er hätte 1995/1996 schon daran gedacht, das Land zu verlassen. Gründe für diesen Wunsch nach Ausreise bzw. konkrete Vorfälle nannte er nicht. Auch auf die Frage seines Rechtsvertreters nach "diesen Vorfällen" gab der Beschwerdeführer lediglich allgemein gehaltene Antworten wie beispielsweise "aus den Medien könne man beobachten, was kurdischen Menschen widerfährt".

 

Im Gesamtzusammenhang betrachtet ist daher das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen einerseits aufgrund der Widersprüche nicht nur in seinem eigenen Vorbringen, sondern auch zu den Aussagen seines Bruders und andererseits aufgrund der vagen, allgemein gehaltenen und ungenauen Angaben, als unglaubwürdig zu werten.

 

Zur Lage der Kurden in der Türkei und zur Rückkehr abgelehnter Asylwerber wird festgestellt:

 

Ungefähr ein Fünftel der Gesamtbevölkerung der Türkei von 70 Millionen - also ca. 13-14 Millionen Menschen - (zumindest teilweise) ist kurdischstämmig. Im Westen der Türkei und an der Südküste leben die Hälfte bis annähernd zwei Drittel von ihnen: ca. 3 Mio. im Großraum Istanbul, 2-3 Mio. an der Südküste, 1 Mio. an der Ägäis-Küste, 1 Mio. in Zentralanatolien gegenüber ca. 6 Mio. in der Ost- und Südost-Türkei, wo sie in einigen Gebieten die Bevölkerungsmehrheit bilden. Kurden leben auch im Nord-Irak, Iran in Syrien und Georgien. Nur ein Teil der kurdisch-stämmigen Bevölkerung in der Türkei ist auch einer der kurdischen Sprachen mächtig. Allein aufgrund ihrer Abstammung sind und waren türkische Staatsbürger kurdischer und anderer Volkszugehörigkeit nie staatlichen Repressionen unterworfen. Auch über erhöhte Strafzumessung in Strafverfahren ist nichts bekannt. Aus den Ausweispapieren, auch aus Vor- oder Nachnamen, geht in der Regel nicht hervor, ob ein türkischer Staatsbürger kurdischer Abstammung ist. Die meisten Kurden sind in die türkische Gesellschaft integriert, viele auch assimiliert. In Parlament, Regierung und Verwaltung sind Kurden ebenso vertreten wie in Stadtverwaltungen, Gerichten und Sicherheitskräften. Ähnlich sieht es in Industrie, Wissenschaft, Geistesleben und Militär aus. Auch Innenminister Aksu z.B. ist kurdischer Abstammung. Er hat Reden auf kurdisch gehalten, allerdings nicht bei offiziellen Anlässen.

 

Die Tatsache, dass "Separatismus" und "Mitgliedschaft in einer bewaffneten Bande" kurdischstämmigen Türken weit öfter als anderen Türken vorgeworfen wurden, liegt daran, dass Verbindungen mit und Unterstützung der Terrororganisation PKK/KONGRA-GEL sich nahezu ausschließlich aus kurdischstämmigen Kreisen rekrutierte.

 

Türkische Regierungen versprechen seit langem, die wirtschaftliche und soziale Lage des in weiten Teilen noch semifeudal strukturierten und wenig entwickelten Südostens zu verbessern.

 

Nach offiziellen Angaben sind bis Mai 2004 ca. 124.000 Personen von insgesamt etwa 350.000 Vertriebenen in die angestammten Dörfer zurückgekehrt. Menschenrechts-organisationen, z.B. Human Rights Watch, schätzt die Zahl der Vertriebenen auf bis zu zwei Millionen und geht von geringeren Rückkehrerzahlen als die Regierung aus. An einem wirklichen Rückkehrer-Konzept fehlt es nach wie vor. Ohne eine staatliche Anschub-finanzierung wird den meisten der in die Städte geflüchteten Menschen eine Rückkehr in die Dörfer nicht möglich sein. Oft fehlt es auch am Willen, in die in beruflicher und privater Hinsicht meist perspektivlosen Dörfer des Südostens zurückzukehren.

 

Kurdisch als Umgangssprache und in Buchveröffentlichungen sowie Printmedien ist keinen Restriktionen ausgesetzt. Der Gebrauch des Kurdischen, d.h. der beiden in der Türkei vorwiegend gesprochenen kurdischen Sprachen Kurmanci und Zaza im "öffentlichen Raum", das heißt z.B. im Schriftverkehr mit Behörden ist noch eingeschränkt. Das Reformpaket vom 03.08.2002 hatte bereits das Verbot von Rundfunk- und Fernsehsendungen auf Kurdisch aufgehoben (der Gebrauch im Radio wurde damals schon toleriert). Sendungen in kurdischer und anderen "Sprachen und Dialekten, die in der Türkei üblicherweise gesprochen werden" - so der Wortlaut - sind damit zugelassen; ihre Zulassung steht jedoch unter dem Vorbehalt, dass sie nicht im Widerspruch zu den Grundprinzipien der Verfassung stehen und nicht gegen "die unteilbare Einheit des Staates mit seinem Land und seiner Nation" gerichtet sein dürfen. Nach einem sehr schwierigen Implementierungsprozess mit einigen Rückschlägen werden seit Juni 2004 - also 22 Monate nach Schaffung der gesetzlichen Voraussetzungen - im staatlichen Fernsehen TRT in der Sendung "Kültürel Zenginligimiz" ("Unser kultureller Reichtum") wöchentlich je eine halbe Stunde in Bosnisch, Arabisch und Tscherkessisch sowie in Kurmanci und Zaza ausgestrahlt. Es sind jedoch nur Nachrichten, Musik und Kulturprogramme gestattet, türkische Untertitel bzw. Übersetzungen auf Türkisch sind Pflicht. Nur überregionale Sender dürfen Sendungen in diesen Sprachen ausstrahlen. Attraktiver für die kurdische Bevölkerung im Südosten sind die von Sendern in Europa und Nordirak ausgestrahlten Sendungen in kurdischen Sprachen.

 

Das Reformpaket vom 03.08.2002 erlaubte mit der Änderung des Gesetzes über den Fremdsprachenunterricht, dass in privaten Lehreinrichtungen Kurse in diesen "Sprachen und Dialekten" abgehalten werden. Ebenfalls nach erheblichen Implementierungs-schwierigkeiten werden seit April 2004 Kurdischkurse an privaten Lehrinstituten angeboten; mittlerweile finden diese Kurse in vielen türkischen Großstädten statt. Die Nachfrage bleibt jedoch hinter den Erwartungen zurück. Kurdischunterricht und Unterricht in kurdischer Sprache an Schulen sind nach wie vor verboten. Nach dem Parteiengesetz sind öffentliche Reden von Politikern in einer anderen als der türkischen Sprache noch immer verboten.

 

Die Vergabe kurdischer Vornamen unterlag bis 2003 Restriktionen. Behördlicherseits wurde das Vergeben kurdischer Vornamen früher als politische Einflussnahme der PKK/KADEK gedeutet. Das Reformpaket vom 19.06.2003 änderte das Personenstandsgesetz dahingehend, dass nur noch Vornamen verboten sind, die gegen die "Moral und öffentliche Ordnung" verstoßen; Verbote wegen Verstoßes gegen "nationale Kultur, Traditionen und Gebräuche" sind nicht mehr vorgesehen. In der Praxis ist damit die Vergabe von kurdischen, aber auch anderen, ausländischen Vornamen erlaubt. Ein Runderlass des türkischen Innenministeriums weist daraufhin, dass die nur im Kurdischen, nicht jedoch im offiziellen türkischen Alphabet vorhandenen Buchstaben w, x und q bei der Namensvergabe nicht zulässig sind und ins Türkische transkribiert werden müssen. Als Folge sind auch Gerichtsverfahren zu dieser Problematik anhängig.

 

Dem traditionellen kurdischen "Nevroz-Fest" (Neujahr am 21. März), das die kulturelle Identität der Kurden jedes Jahr symbolhaft besonders sichtbar macht, standen die türkischen Sicherheitskräfte jahrelang besonders misstrauisch gegenüber. Die Nevrozfeste 2003 und 2004 verliefen in einer entspannten Atmosphäre der Toleranz auch unter Beteiligung offizieller Stellen, ganz im Gegensatz zu Nevroz-Feiern in einigen der Vorjahre, bei denen es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen und Festnahmen kam. Ministerpräsident Erdogan bezeichnete das Nevroz-Fest in einer Erklärung als wichtigen Faktor, der "den Zusammenhalt der Nation stärke".

 

Einreisekontrollen:

 

Bei der Einreise in die Türkei hat sich jeder, auch Abgeschobene wie abgelehnte Asylbewerber und Zurückgeschobene, gleich welcher ethnischen Zugehörigkeit, einer Personenkontrolle zu unterziehen. Türkische Staatsangehörige, die ein gültiges türkisches, zur Einreise berechtigendes Reisedokument besitzen, können die Grenzkontrolle normalerweise ungehindert passieren. In Fällen von Rückführungen gestatten die türkischen Behörden nach einer strengeren Anwendung der bestehenden Regelungen die Einreise neuerdings nur mit türkischen Reisepass oder Passersatzpapier.

 

Behandlung Abgeschobener nach ihrer Rückkehr in die Türkei:

 

Ist der türkischen Grenzpolizei bekannt, das es sich um eine abgeschobene Person handelt, wird diese nach Ankunft in der Türkei einer Routinekontrolle unterzogen, die einen Abgleich mit dem Fahndungsregister nach strafrechtlich relevanten Umständen und eine eingehende Befragung beinhalten kann. Abgeschobene können dabei in den Diensträumen der jeweiligen Polizeiwache vorübergehend zum Zwecke einer Befragung festgehalten werden. Gleiches gilt, wenn jemand keine gültigen Reisedokumente vorweisen kann oder aus seinem Reisepass ersichtlich ist, dass er sich ohne Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland aufgehalten hat. Die Einholung von Auskünften kann je nach Einreisezeitpunkt und dem Ort, an dem das Personenstandsregister geführt wird, einige Stunden dauern. In neuerer Zeit wurde dem Auswärtigen Amt nur ein Fall bekannt, in dem eine Befragung bei Rückkehr länger als mehrere Stunden dauerte. (So die vom BT-Petitionsausschuss übermittelten Falldarstellungen nach freiwilliger Ausreise einer kurdischstämmigen Familie, die kurz vor Abschiebung stand und wiederholt über mehrer Tage befragt wurde).

 

Besteht der Verdacht einer Straftat (z.B. Passvergehen, illegale Ausreise), werden strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet. Wehrdienstflüchtige haben damit zu rechnen, gemustert und ggf. einberufen zu werden (u.U. nach Durchführung eines Strafverfahrens). Es sind mehrere Fälle bekannt geworden, in denen Suchvermerke zu früheren Straftaten oder über Wehrdienstentziehung von den zuständigen türkischen Behörden versehentlich nicht gelöscht worden waren, was bei den Betroffenen zur kurzzeitigen Ingewahrsamnahmen bei Einreise führte.

 

Das Auswärtige Amt ist in den vergangenen Jahren Fällen, in denen Behauptungen von Misshandlung oder Folter in die Türkei abgeschobener Personen (vor allem abgelehnter Asylwerber) konkret vorgetragen wurden, im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten durch seine Auslandsvertretungen stets überprüft. Dem Auswärtigen Amt ist seit fast vier Jahren kein einziger Fall bekannt geworden, in dem ein aus der Bundesrepublik Deutschland in die Türkei zurückgekehrter abgelehnter Asylwerber im Zusammenhang mit früheren Aktivitäten gefoltert oder misshandelt wurde. In den letzten beiden Jahren wurde kein Fall an das Auswärtige Amt zur Überprüfung mit der Behauptung herangetragen, dass ein abgelehnter Asylbewerber nach Rückkehr misshandelt worden sei. Auch die türkischen MR-Organisationen haben explizit erklärt, dass aus ihrer Sicht diesem Personenkreis keine staatlichen Repressionsmaßnahmen drohen. Das Auswärtige Amt geht deshalb davon aus, dass bei abgeschobenen Personen die Gefahr einer Misshandlung bei Rückkehr in die Türkei nur aufgrund von vor der Ausreise zurückliegender wirklicher oder vermeintlicher Straftaten auch angesichts der durchgeführten Reformen und der Erfahrungen der letzten Jahre in diesem Bereich äußerst unwahrscheinlich ist. Misshandlung oder Folter allein aufgrund der Tatsache, dass ein Asylantrag gestellt wurde, werden ausgeschlossen.

 

(Quelle: Bericht des deutschen auswärtigen Amtes vom 03.05.2005 über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Türkei, Stand Feber 2005)

 

Zur Lage der Aleviten in der Türkei wird festgestellt:

 

99 % der türkischen Staatsbürger sind Muslime. Die überwiegende Mehrheit (etwa 80 %) sind Sunniten. Rund 20 % der Bürger sind Aleviten, die der schiitischen Richtung zuzurechnen sind. Yeziden und Christen haben in den zurückliegenden Jahren zum großen Teil das Land verlassen und machen heute deutlich weniger als 1 % der Bevölkerung aus. Noch etwa 25.000 Juden leben in der Türkei, überwiegend in Istanbul.

 

Die Religionszugehörigkeit wird in der Türkei statistisch nicht erfasst; es gibt daher keine verlässlichen Angaben zur Stärke der einzelnen Glaubensgruppen. Der Eintrag der Religion in Ausweispapieren, bislang im türkischen Personalausweis unter "Dini" vermerkt, soll im Zuge der Anpassung an EU-Recht künftig entfallen.

 

Etwa 20 % (nach anderen Quellen 25 %) der türkischen Bevölkerung, (etwa 14,5 - 18 Millionen Einwohner) gehören heute dem zur schiitischen Richtung des Islam gerechneten Alevitentum an. Die Aleviten sind türkische, arabische und kurdische Volkszugehörige und eine rein konfessionelle Gruppe innerhalb des Islam.

 

Das traditionelle alevitische Siedlungsgebiet erstreckt sich in einem breiten Gürtel von Kars im Nordosten der Türkei über Tunceli, Kahramanmaras bis Hatay. Allerdings leben heute zahlreiche Aleviten aus diesem Siedlungsgebiet in den Städten im Westen und Süden des Landes. Besonders viele Aleviten leben in den Provinzen Sivas und Tunceli. In der Stadt Tunceli sind deshalb auch keine Frauen mit Kopftüchern zu sehen.

 

Unter der kurdischen Bevölkerung in der Türkei soll es etwa 30 % Aleviten geben.

 

Die Aleviten haben in der Türkei keinen rechtlichen Status und werden vom Amt für religiöse Angelegenheiten als Konfession nicht anerkannt. Mittels Kulturstiftungen und -vereinen versuchen sie sich zu organisieren und ihre Glaubenslehre und Kultur zu pflegen, z.B. als "Haci Bektas Veli Kültür Dernekleri" in Ankara oder als "Alevi-Bektasi Egitim ve Kültür Vakfi" in Istanbul. 2003 schlossen sich ca. 400 alevitische Vereine in der "Alevi Bektasi Federasyonu" (Alevitisch-Bektaschitische Föderation, ABF) zusammen. Einige Alevitenvereinigungen sind auch unter dem Dach der CEM-Vakfi (CEM-Stiftung) organisiert. Nicht selten werden die Aktivitäten dieser Vereine durch bürokratische Hürden erschwert.

 

Forderungen nach Anerkennung der Aleviten als Minderheit kommen meist aus dem Ausland. Die Aleviten in der Türkei verwahren sich selbst gegen die Klassifizierung als "Minderheit".

 

Aleviten sind nicht an konkreten Merkmalen erkennbar. Allenfalls lassen manche Verhaltensweisen die alevitische Religion vermuten (kein Fasten während des Ramadam, kein Besuch einer Moschee, modernes "westliches" Outfit bei Alevitinnen u.ä.). Aleviten werden weder von den Sunniten noch von den Schiiten als rechtgläubige Muslime anerkannt. Obwohl die Türkei ein säkularer Staat ist, wird - unausgesprochen - meist nur der sunnitische Islam als rechtgläubig akzeptiert. Aleviten gelten wie Schiiten und Yeziden als suspekte Minoritäten. Selbst bei kurdischstämmigen Aleviten dominiert bei der Gruppenidentifizierung häufig die religiöse Zugehörigkeit gegenüber der ethnischen oder ist ein gleichrangiges Identitätskriterium.

 

Schwere gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Aleviten und Sunniten wie im Dezember 1978 in Kahramanmaras, am 2. Juli 1993 in Sivas und am 12. März 1995 in Gaziosmanpasa/Istanbul mit zahlreichen Todesopfern unter Aleviten hatten nicht einen rein religiösen Hintergrund. Sie haben sich seit 1995 auch nicht wiederholt. Die blutigen Auseinandersetzungen zwischen Aleviten und Sunniten scheinen heute fast vergessen. Doch die politisch-religiöse Polarisierung existiert nach wie vor, wenn derzeit auch latent. Das Zusammenleben von Aleviten und Sunniten wirkt vor allem dann in den Städten polarisierend, wenn Arbeitslosigkeit und eine ungewohnte soziale und ethnische Nachbarschaft belasten. Die Neigung der Aleviten zu einer eher linken politischen Haltung lässt deshalb Aleviten in den Augen national eingestellter Sunniten oft undifferenziert als "Kommunisten" erscheinen.

 

Die von einem säkularen Staat erwartete neutrale Haltung gegenüber allen Glaubensrichtungen findet im türkischen Laizismusverständnis keinen Niederschlag.

 

Viele Aleviten sehen sich neben der Diskriminierung durch die sunnitische Mehrheitsgesellschaft einer subtilen Diskriminierung durch die Behörden ausgesetzt. Beklagt wird dies insbesondere im schulischen und beruflichen Bereich. Der obligatorische Religionsunterricht in den Schulen stellt in so weit für die Aleviten eine Diskriminierung dar, da er der sunnitischen Glaubensrichtung entspricht und der alevitischen Religion in den Lehrinhalten in keiner Weise Rechnung trägt.

 

Doch Anfang Mai 2006 entschied das 5. Verwaltungsgericht Istanbul auf Antrag einer alevitischen Familie, dass die Schulbehörde ihr Kind von dem obligatorischen Religionsunterricht befreien solle. Damit hat erstmalig ein türkisches Gericht die Religionsfreiheit höher bewertet als die geltende türkische Verfassung von 1982. Nach Art. 24 der türkischen Verfassung sind alle schulpflichtigen Kinder verpflichtet, den einheitlichen Religionsunterricht zu besuchen, der ausschließlich sunnitisch-islamische Inhalte vermittelt und Bekenntnischarakter hat. Ihre Klage begründeten die Eltern damit, dass dieser Unterricht keine alevitischen Glaubensinhalte behandle und damit gegen die Religionsfreiheit verstoßen würde. Das 5. Verwaltungsgericht gab den Eltern Recht.

 

In einem ähnlichen Fall einer anderen alevitischen Familie, in dem es auch um den obligatorischen Religionsunterricht geht, ist der nationale Rechtsweg erschöpft und die Angelegenheit ist nunmehr beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte rechtshängig.

 

Einem Pressebericht zufolge verstößt nach einer Entscheidung des "Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte" (EGMR) der allgemeine Religionsunterricht in der Türkei, der sowohl für sunnitische als auch für alevitische Schulkinder erteilt wird, gegen die Religions- und Gewissensfreiheit (§ 9 der Europäischen Menschenrechtskonvention). In dem Beschluss des EGMR, der im Herbst veröffentlicht werden soll, werde darauf hingewiesen, dass mit der bisherigen Regelung das Recht auf Unterweisung in der jeweils eigenen Religion unterbunden werde.

 

Der Vorsitzende des türkischen Direktorats für Religiöse Angelegenheiten (Diyanet), Bardakoglu, sprach sich in einer Stellungnahme gegen Unterstützung für die Gebetshäuser der Aleviten ("Cem evi") aus. Für die Versammlungsorte der Aleviten habe die Regierung keine Finanzmittel vorgesehen. Es handele sich bei den "Cem-Häusern" (Versammlungsstätte) weniger um Gebetshäuser als um mystische Einrichtungen.

 

Während Moscheen als Orte der Glaubensausübung von Strom- und Wasserkosten befreit sind, besteht eine solche Regelung nicht für alevitische Gebetshäuser. Letztere bezeichnen wiederum eine solche Vorgehensweise als Diskriminierung und fordern ebenfalls eine Befreiung von solchen Unkosten.

 

Bei der Vergabe von Arbeitsplätzen, vor allem im öffentlichen Dienst, befürchten viele Aleviten Behinderungen im beruflichen Vorwärtskommen, vor allem in hohe Positionen und verschleiern ihre Religionsausrichtung (takiyye).

 

Der Bau von Moscheen in alevitischen Dörfern und die obligatorische Teilnahme alevitischer Kinder am Religionsunterricht in der Schule wird von den Aleviten als "schleichende Sunnitisierung" angeprangert. Das Amt für Religiöse Angelegenheiten (Diyanet) bezweifelte früher, dass es sich bei Aleviten um Muslime handele, propagierte und propagiert heute aber, dass es eigentlich gar keine Unterschiede zwischen Alevitentum und Sunnitentum gäbe. Die Aleviten sehen sich nicht nur mit einer gewissen Ignoranz und Geringschätzung konfrontiert, sondern auch mit der Gefahr, vom sunnitischen Islam vereinnahmt zu werden.

 

Aleviten beklagen auch administrative Behinderungen beim Bau neuer Gebetshäuser ("Cemevi") unter nach ihrer Einschätzung nicht nachvollziehbaren Begründungen.

 

Da Aleviten außerhalb der Organisationsstruktur des Diyanet stehen, ist es z.B. auch nicht möglich, Cem-Häuser genauso wie sunnitische Moscheen aus dem entsprechenden staatlichen Etat zu finanzieren oder zu bezuschussen. Allerdings erhielten alevitische Organisationen wie die o.g. CEM-Stiftung durchaus schon staatliche Zuschüsse aus anderen Etats.

 

Der "Country Reports on Human Right Practices in Turkey" von 2005 berichtet in dem Abschnitt "Freedom of Religion" nichts über weitergehende Beeinträchtigungen von Aleviten.

 

(Quelle: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Informationszentrum Asyl und Migration, Religionsfreiheit in der Türkei, Analyse und Bewertung der Situation nicht-sunnitischer Glaubensgemeinschaften in der Türkei, August 2006, Seiten 3 bis 8)

 

Ferner hat das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfahlen bereits mehrfach ausgesprochen, dass eine staatliche oder dem türkischen Staat zuzurechnende Gruppenverfolgung der Aleviten in Anknüpfung an ihre Religionszugehörigkeit nach ständiger Rechtsprechung des Senates nicht statt. Im Urteil vom 27.06.2002, 8 A 4782/99 A, wird diesbezüglich ausgeführt, dass die Aleviten die größte muslimische Minderheit in der Türkei sind. Abweichend von den sunnitischen Muslimen praktizieren sie weder das fünfmalige tägliche Gebet gen Mekka noch halten sie den Fastenmonat Ramadan ein oder pilgern nach Mekka. Sie sind nicht an ein Alkoholverbot gebunden; Männer und Frauen beten gleichberechtigt gemeinsam. Aleviten finden sich sowohl unter den kurdischen als auch unter den türkischen Volkszugehörigen. Sie leben in der gesamten Türkei mit Schwerpunkten in Istanbul, im Küstengebiet von Antalya und Iskenderun, Adana, Tarsus und Mersin. Türkische Aleviten leben in Corum, Amasya, Tokat und Yozgar, kurdische Aleviten in Sivas, Erzincan, Tunceli, Elazig, Malatya und Kahramanmaras. Nach Schätzungen sind 99% der türkischen Bevölkerung moslemischen Glaubens, von denen etwa 20 bis 30 % der alevitischen Glaubensrichtung angehören. Schätzungen reichen von 12 bis 20 Millionen; zuverlässige Zahlen fehlen indessen, da der türkische Staat die Aleviten nicht als eigenständige Religionsgemeinschaft, sondern als dem sunnitischen Islam verwandte Strömung ansieht und sie deshalb nicht statistisch erfasst. Die Eintragung der Religionszugehörigkeit in den Personalausweis unterscheidet nicht zwischen Aleviten und sunnitischen Muslimen.

 

Auch wenn die Aleviten ihre Religion entsprechend der Gewährleistung in Art. 24 der türkischen Verfassung weit gehend unbehindert ausüben können, sehen sie sich aufgrund des Fehlens einer eigenen Rechtspersönlichkeit doch schwerwiegenden - ihrer Art und Intensität nach aber nicht asylerheblichen - bürokratischen Hemmnissen ausgesetzt. So können sie Grundeigentum, etwa zur Errichtung von Gebetshäusern (Cemevleri, Cem-Häuser), allenfalls über Kulturstiftungen und -vereine erwerben; dies dürfte aufgrund der jüngsten Änderungen des Vereinsrechts einfacher werden. Probleme ergeben sich auch bei der Ausbildung von Geistlichen sowie bei der Erteilung von Unterricht. Der religiöse Pflichtunterricht an den staatlichen Schulen berücksichtigt nichtsunnitische Bekenntnisse nicht. Bemühungen alevitischer Organisationen um Einbeziehung alevitischer Inhalte in die Curricula der staatlichen Schulen sind an dem durch das Erziehungsministerium vertretenen Argument gescheitert, es handle sich dabei um eine Form von religiösem Separatismus. Insoweit ist ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anhängig.

 

Die Aleviten selbst unterstützen den von Atatürk begründeten türkischen Laizismus und fordern eine echte Trennung von Staat und Religion; traditionell neigen sie dazu, sich liberalen und links gerichteten politischen Parteien und Strömungen anzuschließen. Auch wegen ihrer politischen Orientierung sehen sich Aleviten deshalb leicht dem Verdacht staatsfeindlichen Gesinnung ausgesetzt.

 

Von radikalen Sunniten werden die Aleviten sogar als Abtrünnige angesehen, und auch die rechtsgerichteten und rechtsradikalen Kräfte in der Türkei begegnen ihnen mit Feindschaft. So ist es in den vergangenen Jahrzehnten mehrfach zu gewalttätigen Übergriffen auf Aleviten gekommen, ohne dass die Sicherheitskräfte mit dem nötigen Nachdruck eingegriffen hätten, nämlich in den Jahren 1967 und 1993 in Sivas, im Jahr 1978 in Kahramanmaras und Corum und zuletzt im Jahr 1995 in Istanbul.

 

Derartige gewalttätige Ausschreitungen gegenüber Aleviten oder anderen religiösen Minderheiten haben sich in den zurückliegenden Jahren indessen nicht wiederholt.

 

Überdies erreichten die erwähnten Vorfälle zu keiner Zeit ein solches Ausmaß und - auch unter Berücksichtigung anderer weniger gravierender Ausschreitungen - eine solche Häufigkeit, dass angesichts der Größe der betroffenen Bevölkerungsgruppe davon auszugehen wäre, Aleviten müssten in der Türkei mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit asylerheblichen Verfolgungsmaßnahmen staatlicher Organe oder ihnen zuzurechnender Übergriffe anderer Bevölkerungsgruppen rechnen.

 

(Quelle: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfahlen vom 27.06.2002, 8 A 4782/99 A, und die dort angeführten Quellen)

 

Rechtlich ist auszuführen:

 

Gemäß § 7 AsylG hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Artikel 1 Abschnitt A Ziffer 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Artikel 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Im Sinne des Artikel 1 Abschnitt A Ziffer 2 Genfer Flüchtlingskonvention vom 28.07.1951, BGBl. Nr. 55/1955 i.V.m.

Artikel 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 31.01.1967, BGBl. Nr. 78/1974, ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und sich nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

 

Zentraler Aspekt der in Artikel 1 Abschnitt A Ziffer 2 Genfer Flüchtlingskonvention definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH vom 06.12.1999, Zl. 99/01/0279, mwN).

 

Wie bereits ausgeführt war den Angaben des Beschwerdeführers aufgrund der Widersprüche in seinen Aussagen sowie aufgrund der vagen, ungenauen und allgemein gehaltenen Angaben die Glaubwürdigkeit abzusprechen. Probleme mit der Inhaftierung und Verurteilung von zwei vermeintlichen Verwandten des Beschwerdeführers wurden nicht vorgebracht. Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr erheblichen Beeinträchtigungen seiner körperlichen und seelischen Unversehrtheit, seiner Freiheit und seines Lebens von staatlicher Seite ausgesetzt gewesen wäre, haben sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers nicht ergeben. Ferner wird auf die obigen Feststellungen betreffend Aleviten in der Türkei verwiesen, denenzufolge Aleviten unter Umständen zwar Beeinträchtigungen in bürokratischer Hinsicht ausgesetzt werden könnten, diese jedoch in keinem Fall von asylrechtlich relevanter Intensität sind.

 

Selbst bei Wahrunterstellung des Vorbringens des Beschwerdeführers - Festnahmen jeweils einmal im Jahr 1991 und einmal im Jahr 2001 - ist dem Bundesasylamt dahingehend Recht zu geben, dass aufgrund des mangelnden zeitlichen Zusammenhanges keine asylrelevante Verfolgung erkennbar ist, da die Rechtsprechung in Hinblick auf die Aktualität der Verfolgung davon ausgeht, dass Umstände, die schon längere Zeit vor der Ausreise zurückliegen, nicht mehr beachtlich sind, sondern die wohlbegründete Furcht bis zur Ausreise andauern muss (vgl. VwGH vom 16.02.2000, Zl. 99/01/0435 u.a.). Ab welcher Dauer des verfolgungsfreien Zeitraums der notwendige zeitliche Zusammenhang fehlt, kann der kasuistischen Rechtsprechung nicht eindeutig entnommen werden, doch ging der Verwaltungsgerichtshof verschiedentlich davon aus, dass dieser Zusammenhang nach einem verfolgungsfreien Zeitraum von etwa fünf Monaten nicht mehr gegeben ist. Länger zurückliegende Umstände sind allenfalls in Zusammenhang mit einer behaupteten aktuellen Verfolgungsgefahr bei einer so genannten "Gesamtbetrachtung" einzubeziehen. Der zeitliche Zusammenhang wird aber ausnahmsweise dann als gegeben angesehen, wenn sich der Asylwerber während seines bis zur Ausreise andauernden Aufenthaltes im Lande verstecken oder sonst durch Verschleierung seiner Identität der Verfolgung entgehen konnte. Da letztlich der Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides im Asylverfahren als der für die Beurteilung der Verfolgungsgefahr maßgebliche Zeitpunkt angesehen wird, muss die Verfolgungsgefahr auch noch in diesem Zeitpunkt vorliegen (vgl. Feßl, Holzschuster, "Asylgesetz 1997 Praxiskommentar" idF der 3. Ergänzung, Stand Mai 2004, Seite 107f).

 

Im gegenständlichen Fall hat der Beschwerdeführer - seinen eigenen Angaben zufolge - den letzten Vorfall im August 2001 erlebt und ist erst am 10.11.2002 aus der Türkei ausgereist. Mehr als ein Jahr nach diesem (angeblich) fluchtauslösenden Vorfall ist der zeitliche Konnex gemäß der oben angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs jedenfalls nicht mehr gegeben, zumal der Beschwerdeführer sich weder versteckt hat noch seinen Aufenthalt anders verschleiern musste.

 

Ist ein Asylantrag abzuweisen, hat die Behörde gemäß § 8 AsylG von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist (§ 57 Fremdengesetz 1997; nunmehr § 50 FPG 2005); diese Entscheidung ist mit der Abweisung des Asylantrages zu verbinden.

 

Nach den gesetzlichen Bestimmungen des Fremdenrechts ist eine Zurückweisung, die Hinderung an der Einreise, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Artikel 2 EMRK, Artikel 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

 

Gemäß § 50 Abs. 2 und 4 FPG ist die Zurückweisung, Zurückschiebung, oder - mit einer für den vorliegenden Fall nicht in Betracht kommenden Einschränkung - Abschiebung Fremder in einen Staat oder die Hinderung an der Einreise aus einem Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Artikel 33 Z 1 Genfer Flüchtlingskonvention).

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat ein Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (vgl. VwGH vom 26.06.1997, Zl. 95/18/1291; vom 17.07.1997, Zl. 97/18/0336 und vom 05.04.1995, Zl. 93/18/0289 ua). Die Mitwirkungspflicht des Asylwerbers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in seiner Sphäre gelegen sind, und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (vgl. VwGH vom 30.09.1993, Zl. 93/18/0214). Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen, die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Artikels 3 EMRK zu gelangen. Die bloße Möglichkeit einer die in Artikel 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenen Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 57 FrG als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (vgl. VwGH vom 27.02.2001, Zl. 98/21/0427 sowie VwGH vom 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028).

 

Wie bereits ausgeführt gelang es dem Beschwerdeführer nicht, eine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention darzutun. Es kann auch nicht erkannt werden, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in die Türkei dort die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Artikels 3 EMRK überschritten wäre, zumal seine Ehefrau, sein Sohn, seine Mutter und sieben weitere Geschwister nach wie vor in der Türkei leben, und es ihm daher bei einer Rückkehr in die Türkei möglich wäre, die existenziellen Grundbedürfnisse wie Nahrung und Unterkunft - zumindest für die Dauer der Arbeitssuche - zu erfüllen.

 

Betreffend eine Rückkehr des Beschwerdeführers in sein Heimatland ist weiters auszuführen, dass die Tatsache der Asylantragstellung keine Verfolgung zur Folge hat. Ferner verfügt der Beschwerdeführer über einen türkischen Personalausweis, ausgestellt am 00.00.1995 vom Matrikelamt T., welcher es ihm - wie sich aus den obigen Länderfeststellungen ergibt - ermöglicht, problemlos wieder in die Türkei einzureisen.

 

Im gesamten Vorbringen des Beschwerdeführers haben sich keine Anhaltspunkte für ein Vorliegen einer der beiden Tatbestandsvoraussetzungen des § 50 FPG ergeben. Insgesamt gesehen ist es dem Beschwerdeführer sohin nicht gelungen, eine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention darzutun. Zumal sich auch keine Anhaltspunkte für ein Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 50 FPG ergeben haben - auch unter Beachtung der jüngsten Vorfälle in der Türkei - und solche auch nicht begründet vom Berufungswerber vorgebracht wurden, war spruchgemäß zu entscheiden.

 

Das Verfahren war gemäß der Bestimmung des § 75 Abs. 1 AsylG idF BGBl. I Nr. 100/2005, des § 75 Abs. 7 Z 1 AsylG 2005 idF BGBl I Nr. 4/2008 und der Bestimmung des § 23 Asylgerichtshofgesetz, BGBl I Nr. 4/2008, zu führen.

Schlagworte
Diskriminierung, Glaubwürdigkeit, Intensität, Lebensgrundlage, mangelnde Asylrelevanz, non refoulement, Religion, soziale Verhältnisse, Verfolgungsgefahr, Volksgruppenzugehörigkeit
Zuletzt aktualisiert am
15.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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