TE Vwgh Erkenntnis 2001/3/29 2000/14/0014

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Veröffentlicht am 29.03.2001
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Index

E3L E09301000;
E6J;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/04 Steuern vom Umsatz;

Norm

31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art22 Abs5;
61992CJ0010 Balocchi VORAB;
BAO §115;
BAO §308 Abs1;
BAO §85;
UStG 1994 §21 Abs1a;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Urtz, über die Beschwerde der MP in W, vertreten durch Dr. Bernhard Weissborn, Rechtsanwalt in 1020 Wien, Praterstraße 68, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 26. August 1999, RV/205-07/99, betreffend Fälligkeit von Umsatzsteuer-Vorauszahlungen, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 15.000 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Eingabe vom 18. Februar 1999 teilte die Beschwerdeführerin dem Finanzamt mit, es sei ihr mit Schreiben vom 12. Jänner 1999, welches ihrem steuerlichen Vertreter am 15. Jänner 1999 zugestellt worden sei, die Vorverlegung der Fälligkeiten für die Umsatzsteuervorauszahlungen 1999 bekannt gegeben worden. Die Beschwerdeführerin sei sodann vom Vollstrecker des Finanzamtes aufgesucht worden, weil das Abgabenkonto einen Rückstand aufgewiesen habe, der nicht zeitgerecht entrichtet worden sei. Vom steuerlichen Vertreter in der Folge angestellte Nachforschungen hätten ergeben, dass dieser ein Kuvert mit zwei Zahlscheinen des Finanzamtes an die Beschwerdeführerin gesandt habe, dieses aber bei der Beschwerdeführerin nicht eingelangt sei. Es sei nicht möglich zu rekonstruieren, wohin das Poststück gekommen sei. Im Kuvert habe sich auch der Zahlschein für die am 15. Dezember 1998 fällig gewesene Umsatzsteuer-Sondervorauszahlung befunden. Die Beschwerdeführerin habe ihre Zahlungen an das Finanzamt bisher immer pünktlich geleistet. Es werde daher ersucht, ausnahmsweise die Vorverlegung des Fälligkeitstages für die Umsatzsteuer des Jahres 1999 zurückzunehmen.

Mit Bescheid vom 23. Februar 1999 betreffend die "Vorverlegung des Fälligkeitstages der Umsatzsteuer" wurde der Antrag abgewiesen. Wegen der Nichtentrichtung der Umsatzsteuersondervorauszahlung 1998 habe sich gemäß § 21 Abs 1a UStG 1994 die Vorverlagerung der Umsatzsteuer ergeben. Auf Grund der von der Beschwerdeführerin angeführten Begründung könne eine Rückgängigmachung der Vorverlegung der Fälligkeit nicht erfolgen.

Gegen diesen Bescheid berief die Beschwerdeführerin. Sie habe ohne Verschulden die Umsatzsteuervorauszahlung nicht zeitgerecht entrichtet. Das Kuvert, in dem sich die entsprechenden Zahlscheine des Finanzamtes befunden hätten, sei auf dem Postweg verloren gegangen. Dies sei der Beschwerdeführerin erst bekannt geworden, nachdem sie vom Vollstrecker aufgesucht worden sei. Es werde die Aufhebung des angefochtenen Bescheides und die Festsetzung der Fälligkeit jeweils mit dem 15. des zweitfolgenden Monates beantragt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Es sei unbestritten, dass die Beschwerdeführerin den ihr mitgeteilten Betrag an Umsatzsteuer-Sondervorauszahlung 1998 nicht innerhalb der dafür zur Verfügung stehenden Zeit entrichtet habe. Daher sei die in § 21 Abs 1a letzter Satz UStG 1994 angeordnete Sanktion eingetreten. Das Vorbringen, dass die Beschwerdeführerin an der nicht zeitgerechten Entrichtung kein Verschulden treffe, weil das vom steuerlichen Vertreter an sie abgesandte Kuvert, in welchem sich auch der Zahlschein für die Umsatzsteuer-Sondervorauszahlung befunden habe, auf dem Postweg verloren gegangen sei, gehe ins Leere, weil die Sanktion unmittelbar durch die Nichtentrichtung der Sondervorauszahlung eintrete. Die Rückgängigmachung der Vorverlegung der Fälligkeit komme somit nicht in Betracht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:

Die Rechtsfolge der Vorverlegung der Fälligkeit tritt gemäß § 21 Abs 1a UStG 1994 in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 79/1998 ex lege ein, wenn dem Unternehmer (bzw seinem Vertreter) die Höhe der Sondervorauszahlung mitgeteilt worden ist, der mitgeteilte Betrag aber nicht bis zum Fälligkeitstag entrichtet worden ist.

Die Wiedereinsetzung nach § 308 Abs 1 BAO ist auch bei der Versäumung von Zahlungsfristen möglich (vgl das hg Erkenntnis vom 19. September 1995, 95/14/0050, und Ritz, BAO-Kommentar, § 308 Tz 5).

Im gegenständlichen Fall hat das Finanzamt dem steuerlichen Vertreter der Beschwerdeführerin die Höhe der Sondervorauszahlung bekannt gegeben. Die Zahlung ist aber bis zum Fälligkeitstag (hier der 15. Dezember 1998) nicht erfolgt.

Die dadurch ex lege eingetretene Rechtsfolge der Vorverlegung des Fälligkeitstages für nachfolgende Umsatzsteuervorauszahlungen kann durch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Zahlungsfrist in Wegfall gebracht werden.

Die Eingabe der Beschwerdeführerin vom 18. Februar 1999 hat einen unklaren Inhalt. Es ist nicht eindeutig erkennbar, welchen konkreten prozessualen Schritt die Beschwerdeführerin setzen wollte.

Bei undeutlichem Inhalt eines Anbringens ist im Hinblick auf § 115 BAO die Absicht der Partei zu erforschen (vgl. die bei Ritz, BAO-Kommentar2, § 85 Tz 1 zitierte hg. Rechtsprechung). Die belangte Behörde hat es unterlassen, entsprechende Erhebungen über die Parteiabsicht anzustellen. Sie hat der Eingabe vielmehr einen Inhalt beigemessen, der zur Erreichung des angestrebten Zieles von vornherein nicht geeignet ist. Damit hat sie, wie dies in der Beschwerde zutreffend aufgezeigt wird, den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet.

In der Beschwerde wird auch behauptet, die Regelung des § 21 Abs 1a UStG 1994 betreffend die Sondervorauszahlungen verstoße gegen die Sechste Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (77/388/EWG), im folgenden Richtlinie. Diese Auffassung teilt der Verwaltungsgerichtshof nicht.

Gemäß Art 22 Abs 4 lit a der Richtlinie hat jeder Steuerpflichtige innerhalb eines Zeitraumes, der von den einzelnen Mitgliedstaaten festzulegen ist, eine Steuererklärung abzugeben. Dieser Zeitraum darf zwei Monate nach Ende jedes einzelnen Steuerzeitraumes nicht überschreiten. Der Steuerzeitraum kann von den Mitgliedstaaten auf einen, zwei oder drei Monate festgelegt werden. Die Mitgliedstaaten können jedoch andere Zeiträume festlegen, sofern diese ein Jahr nicht übersteigen.

Gemäß Art 22 Abs 5 der Richtlinie hat jeder Steuerpflichtige bei der Abgabe der Steuererklärungen für den jeweiligen Steuerzeitraum den Mehrwertsteuerbetrag zu entrichten. Die Mitgliedstaaten können jedoch einen anderen Termin für die Zahlung dieses Betrages festsetzen oder vorläufige Vorauszahlungen erheben.

Eine Regelung, wonach die Steuer jeweils am 15. Tag des dem Kalendermonat (Voranmeldungszeitraum) unmittelbar folgendem Monat fällig wird, entspricht sohin der Richtlinie. Mit der Norm des § 21 Abs 1a UStG 1994 wird dem Steuerpflichtigen ein Wahlrecht eingeräumt: er kann sich für eine Regelung entscheiden, nach welcher die Fälligkeit am 15. des dem Voranmeldungszeitraum unmittelbar folgenden Monates eintritt, oder für eine Regelung, nach welcher einerseits die Fälligkeit erst am 15. des dem Voranmeldungszeitraum zweitfolgenden Monates eintritt und andererseits zusätzlich am 15. Dezember eine vorläufige Vorauszahlung in Form der Sondervorauszahlung zu entrichten ist. Kein Steuerpflichtiger ist gezwungen, sich für jene der beiden Regelungen zu entscheiden, welche die Sondervorauszahlung beinhaltet. Es besteht daher keine Verpflichtung, eine höhere Steuer zu entrichten, als im jeweiligen Vorauszahlungszeitraum angefallen ist. Da der Steuerpflichtige das Risiko, im Wege der vorläufigen Vorauszahlung in Form der Sondervorauszahlung nach § 21 Abs 1a UStG 1994 eine zu hohe Steuer zu entrichten, jederzeit abwenden kann, ist ein Verstoß gegen die Richtlinie nicht gegeben (vgl EuGH 20. Oktober 1993, Rs C-10/92, Balocchi, Slg I-5105). Zudem ist es durchaus sachgerecht, wenn der Mitgliedstaat die ihm durch Art 22 Abs 5 der Richtlinie eingeräumten Befugnisse in der Form ausübt, wie dies durch § 21 Abs 1a UStG 1994 erfolgt ist: Dem Steuerpflichtigen wird ermöglicht, entweder die Steuer ausnahmslos exakt zu berechnen und am 15. Tag nach dem Voranmeldungszeitraum zu entrichten, oder durch eine einen Monat später eintretende Fälligkeit einen Zinsenvorteil zu lukrieren, als pauschalen Ausgleich dafür aber eine vorläufige Vorauszahlung in Kauf zu nehmen.

Wie oben ausgeführt ist der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet. Er war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzugeben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47ff VwGG iVm der Verordnung BGBl 416/1994. Hinsichtlich der Gebühr für die Verfassungsgerichtshofbeschwerde war kein Kostenersatz zuzusprechen.

Wien, am 29. März 2001

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2000140014.X00

Im RIS seit

17.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

17.05.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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